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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Januar 2022 - VfGBbg 57/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2; LV, Art. 52 Abs. 4
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 46 VerfGGBbg
- SGG, § 60 Abs. 1
- ZPO, §§ 41 bis 46 Abs. 1; ZPO, §§ 47 bis 49
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde teilweise unzulässig
- Verfassungsbeschwerde unbegründet
- Anhörungsrüge
- Begründungsmangel
- Anhörungsrüge, eigenständige Beschwer
- rechtliches Gehör
- Gehörsverletzung, nicht entscheidungserheblich
- Beruhen
- faires Verfahren
- prozessuale Waffengleichheit
- gesetzlicher Richter
- unabhängiges und unparteiisches Gericht
- Neutralität
- Befangenheit
- Auslegung und Anwendung einfachen Gesetzesrechts, hier Befangenheitsvorschriften
- Willkür
- Ablehnungsgesuch nach instanzbeendender Entscheidung

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Januar 2022 - VfGBbg 57/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 57/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 57/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

H.,

Beschwerdeführerin,

beteiligt:

Präsidentin
des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg,
Försterweg 2-6,
14482 Potsdam,

Äußerungsberechtigte,

wegen

Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2021 ‌‑ L 15 SO 11/21 B ER ‑‌, vom 28. April 2021 ‌‑ L 15 SO 83/21 B ER ‑‌, und vom 19. Juli 2021 ‌‑ L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB ‑‌ und ‌‑ L 15 SO 130/21 B ER RG, L 15 SF 148/21 AB

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. Januar 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird teilweise verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

 

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen im einstweiligen Rechtsschutz ergangene Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg. Mit der Verfassungsbeschwerde möchte sie die Fortführung zweier sozialgerichtlicher Eilverfahren beim Landessozialgericht unter einer neuen Gerichtsbesetzung erreichen.

I.

Die seit ihrer Kindheit schwerbehinderte Beschwerdeführerin begehrte vom Landkreis B. Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX). Der Landkreis verlangte hierfür eine sozialpädagogische Begutachtung, die die Beschwerdeführerin ablehnte.

Mit ihrem Begehren, den Landkreis im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu Leistungen der Eingliederungshilfe zu verpflichten, drang sie vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) nicht durch (S 7 SO 154/20 ER). Die Beschwerdeführerin legte Beschwerde gegen den Beschluss vom 16. Dezember 2020 ein, die unter dem Aktenzeichen ‌L 15 SO 11/21 B ER geführt wurde.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2021 bat die Vorsitzende Richterin des mit dem Verfahren befassten x. Senats des Landessozialgerichts den Landkreis um Erläuterung, aus welchen Gründen dieser eine sozialpädagogische Begutachtung der Beschwerdeführerin für erforderlich halte.

An demselben Tag, dem 8. Februar 2021, fand ein Telefonat zwischen der Vorsitzenden Richterin und einer juristischen Sachbearbeiterin des Landkreises statt, das nicht aktenkundig gemacht ist. Der Inhalt des Telefongesprächs ist Gegenstand einer internen E-Mail der juristischen Sachbearbeiterin an die Sachgebietsleiterin Gesundheits- und Sozialdienst vom selben Tag, in der es heißt, die Vorsitzende Richterin habe angerufen und um Mitteilung gebeten, aus welchen konkreten Gründen der Landkreis auf der Erstattung eines sozialpädagogisch-medizinischen Gutachtens bestehe. Die Vorsitzende Richterin habe - auch auf ihre Nachfrage hin - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie diese Angabe für ihre Entscheidung benötige, ob bzw. in welchem Umfang der Beschwerdeführerin Eingliederungshilfe gewährt werden könne. Auf die Frage, ob sie dazu tendiere, dass das Gutachten nicht erforderlich sei, habe sie ausdrücklich angegeben, es gerade nicht zu wissen, sondern diese Angaben zu benötigen. Die Richterin könne sich auch vorstellen, dass ein solches sozialpädagogisches Gutachten Aufschluss über das häusliche Umfeld der Beschwerdeführerin und somit auf erforderliche Hilfen geben könnte. Ganz klar habe sich die Vorsitzende Richterin dahingehend geäußert, dass es Eingliederungshilfe in der von der Beschwerdeführerin geforderten Höhe (offenbar 500,00 Euro/Monat) sicher nicht geben werde. Die E-Mail schließt mit der Bitte der juristischen Sachbearbeiterin an die Sachgebietsleiterin, eine entsprechende Stellungnahme zu veranlassen. Das Gericht werde die Frage schriftlich mit der Bitte um sehr kurzfristige Stellungnahme stellen und dies auch der Beschwerdeführerin zur Kenntnis bringen.

Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2021 teilte eine juristische Sachbearbeiterin „Bezug nehmend auf das Telefonat vom 8. Februar 2021 auf die richterliche Nachfrage“ mit, das sozialpädagogische Gutachten sei zwingend erforderlich, um eine Entscheidung über die Art und die Höhe der zu gewährenden Hilfen treffen zu können. Die Einholung eines solchen sei gängige Praxis und notwendige Voraussetzung für eine Entscheidung.

Die Vorsitzende Richterin räumte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16. Februar 2021 Gelegenheit zur Stellungnahme ein und bat um Mitteilung bis zum 26. Februar 2021, ob die Beschwerdeführerin mit einer sozialpädagogischen Begutachtung einverstanden sei.

Die Beschwerdeführerin erklärte mit Schriftsatz vom 17. Februar 2021, die Landesregierung Brandenburg habe mit der Brandenburgischen Verordnung über das Instrument zur Bedarfsermittlung nach § 118 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (BbgBedarfV) vom 7. Mai 2020 (GVBl. II Nr. 37) festgelegt, dass der Integrierte Teilhabeplan (ITP) als Instrument der Bedarfsermittlung einzusetzen sei. Vor diesem Hintergrund erscheine ihr das sozialpädagogische Gutachten überholt. Für die Feststellung ihres Rehabilitationsbedarfs mit dem ITP stehe sie dem Landkreis jederzeit kurzfristig auch in ihrer Wohnung zur Verfügung.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2021 bat die Vorsitzende Richterin den Landkreis um Mitteilung innerhalb von drei Tagen, ob die Begutachtung wie von der Beschwerdeführerin angeboten durchgeführt werden könne.

Der Landkreis entgegnete mit Schriftsatz vom 23. Februar 2021, die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die Einholung eines sozialpädagogischen Gutachtens überholt sei, sei unzutreffend. Beide Verfahrensschritte, Gutachten und Bedarfsermittlung nach dem ITP, seien grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Mit der Einholung eines Gutachtens werde zunächst der generelle Leistungsanspruch geprüft. Erst nach diesem Schritt könne dann, mittels des ITP, die Hilfebedarfsfeststellung erfolgen; also wie, in welchem Umfang, durch wen etc. die Hilfe erfolgen könne.

Noch am 23. Februar 2021 verfügte die Vorsitzende Richterin ein Schreiben an die Beschwerdeführerin, das die Geschäftsstelle mit Datum vom 24. Februar 2021 ausfertigte. Darin forderte sie die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Ausführungen des Landkreises um Stellungnahme und Mitteilung bis zum 3. März 2021 auf, ob sie sich einer sozialpädagogischen Begutachtung durch den Landkreis unterziehe. Sofern sie dies weiterhin ablehne, sei nach Ablauf der Frist mit einer Entscheidung des Senats zu rechnen. Weiter wies sie die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Ermittlung ihres geltend gemachten Bedarfs ohne ihre Mitwirkung nicht möglich sein dürfte. Ungeachtet der Frage der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) obliege die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs allein der Beschwerdeführerin.

Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 monierte die Beschwerdeführerin, der Landkreis habe im Schriftsatz vom 15. Februar 2021 die Fragen aus der richterlichen Verfügung vom 8. Februar 2021 offengelassen. Ausführlich legte die Beschwerdeführerin dar, aus welchen Gründen sie ein sozialpädagogisches Gutachten für rechtswidrig halte. Mit dem Schriftsatz vom 1. März 2021 teilte die Beschwerdeführerin dem Gericht mit, sie könne einer sozialpädagogischen Begutachtung zur Bedarfsermittlung nicht zustimmen, und vertiefte ihre Ausführungen zu dessen Rechtswidrigkeit. Dem folgten weitere Schriftsätze beider Beteiligten, in denen sie ihr Vorbringen wiederholten und vertieften.

Mit Beschluss vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER) wies das Landessozialgericht die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Dezember 2020 zurück.

Die Beschwerde sei zulässig, aber unbegründet. Die Beschwerdeführerin könne nicht beanspruchen, den Landkreis im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren. Die Beschwerdeführerin habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Ermittlung des Bedarfs im Rahmen eines Gesamtplans für die geltend gemachten Leistungen erfolge in einem mehrstufigen Verfahren. Zunächst werde der Leistungsanspruch dem Grunde nach geprüft. Dazu gehöre als Bestandsaufnahme die Feststellung des medizinischen Status, der sich die Beschwerdeführerin auch unterzogen habe, und die Feststellung der Teilhabeeinschränkungen durch Überprüfung der Gegebenheiten des Wohn- und Lebensumfeldes, also der aktuellen Lebens- und Wohnungssituation sowie der Unterstützung durch Dritte wie Ehegatten, Familie, Freunde etc. Die letztgenannte Prüfung erfolge durch ein vom Landkreis so bezeichnetes sozialpädagogisches Gutachten, dem die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit auch zugestimmt und eine bestimmte Gutachterin ausgewählt gehabt habe. Erst wenn diese Feststellungen getroffen worden seien, werde der konkrete Bedarf unter Anwendung des ITP ermittelt. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, es sei ausschließlich das Instrument des ITP anzuwenden, gehe fehl und finde im Gesetz auch keine Stütze.

Ob die Voraussetzungen für die begehrten Teilhabeleistungen vorlägen, könne der Senat bei dieser Sachlage nicht beurteilen. Eine Folgenabwägung scheide aus, denn es sei der Beschwerdeführerin, die auf die Folgen der fehlenden Mitwirkung hingewiesen worden sei, zuzumuten, sich einer Begutachtung zu unterziehen. Verweigere sie sich den Ermittlungen, sei der Anspruch auf Teilhabeleistungen nicht glaubhaft gemacht.

Mit weiterem Beschluss vom 9. April 2021 (S 7 SO 55/21 ER) verwarf das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den Antrag der Beschwerdeführerin, den Landkreis zur Feststellung ihres Rehabilitationsbedarfs mittels ITP zu verpflichten, als unzulässig. Ihr Begehren, eine Entscheidung des Landkreises zu erlangen, sei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unzulässig, da die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht unterlaufen werden dürften. Soweit die Beschwerdeführerin verlange, dass ihr Rehabilitationsbedarf auf eine bestimmte Art und Weise (mittels ITP) ermittelt werde, sei der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da sie die von ihr begehrten Leistungen auf Eingliederungshilfe unmittelbar geltend machen könne.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin wies der x. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, der in einer Besetzung ohne die Vorsitzende Richterin entschied, mit Beschluss vom 28. April 2021 (L 15 SO 83/21 B ER) unter Bezugnahme auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses zurück. Der Senat führte weiter aus, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bezüglich derjenigen Eingliederungshilfeleistungen, die die Beschwerdeführerin in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht zum Aktenzeichen L 15 SO 11/21 B ER geltend gemacht habe, ebenfalls als unzulässig zu erachten sein würde. Bezüglich dieser Leistungen stehe die Rechtskraft des Beschlusses des Senats vom 13. April 2021 entgegen.

Am 17. Mai 2021 nahm die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Akteneinsicht in die Verwaltungsakte und erlangte dadurch Kenntnis vom Inhalt der E-Mail der juristischen Sachbearbeiterin des Landkreises über das Telefongespräch am 8. Februar 2021 zwischen der Vorsitzenden Richterin und der juristischen Sachbearbeiterin des Landkreises.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2021 erhob die Beschwerdeführerin bzgl. der Verfahren L 15 SO 11/21 B ER und L 15 SO 83/21 B ER Anhörungsrüge und stellte gegen die Vorsitzende Richterin des x. Senats einen Befangenheitsantrag.

Zur Begründung der Anträge führte sie aus, sie habe bei der Einsichtnahme in die Verwaltungsakten Beweise für ein heimliches Telefonat am 8. Februar 2021 zwischen der Vorsitzenden Richterin des x. Senats und der juristischen Sachbearbeiterin des Landkreises zum Verfahren L 15 SO 11/21 B ER erhalten. Aus den nachfolgenden Umständen ergebe sich eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung. Am 8. Februar 2021 sei die Vorsitzende Richterin noch unbefangen gewesen, was sich aus der Verfügung vom selben Tag ergebe. Am 8. Februar 2021 habe ein heimliches Telefonat stattgefunden. Zu Beginn des Telefonats sei die Richterin noch nicht überzeugt gewesen, dass ein Gutachten erforderlich sei. Dies ergebe sich aus den Worten der juristischen Sachbearbeiterin des Landkreises: „Auf meine Frage, ob Sie dazu tendiere, dass das Gutachten nicht erforderlich sei, gab sie ausdrücklich an, es gerade nicht zu wissen, sondern diese Angabe zu benötigen." Dass die Vorsitzende Richterin „im Nachhinein“ die Position des Landkreises vertreten habe, lasse eine einseitige Positionierung gegen die Beschwerdeführerin im Allgemeinen erkennen. Darüber hinaus habe sie dem Landkreis noch den Rat erteilt, das sozialpädagogische Gutachten zur Feststellung über das häusliche Umfeld der Beschwerdeführerin benutzen zu können, ohne den genauen Sachverhalt überhaupt zu kennen. Anschließend habe die Richterin auch schon eine Einschätzung über die Höhe der von der Beschwerdeführerin beantragten vorläufigen Leistungen abgegeben, ohne den Sachverhalt überhaupt genau zu kennen und die Argumente beider Seiten gehört zu haben. Mit seiner Stellungnahme vom 15. Februar 2021 habe der Landkreis die Empfehlungen der Richterin umgesetzt und sei nicht auf die Fragen der richterlichen Verfügung vom 8. Februar 2021 eingegangen. Somit habe sie, die Beschwerdeführerin, auch nicht die Gelegenheit erhalten, sich zu den telefonisch in das Verfahren eingebrachten Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen des Landkreises zu äußern, um sicherzustellen, dass das Gericht auch ihre Sicht der Dinge in seine Erwägung einfließen lasse. Noch bevor ihr Schreiben vom 24. Februar 2021 das Gericht erreicht habe, habe ihr die Vorsitzende Richterin mit der Ablehnung ihres Antrags gedroht, sollte sie sich nicht der sozialpädagogischen Begutachtung ohne Wenn und Aber unterziehen. Mit einer derart überraschenden Wendung habe sie nicht rechnen können, da ihr der Inhalt des Telefonats vorenthalten worden sei. Bis zu ihrer Akteneinsicht am 17. Mai 2021 habe sie sich diesen extremen Wandel der Vorsitzenden Richterin überhaupt nicht erklären können. Maßgebend für die ihr nachteilige Entscheidung vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER) sei das heimliche Telefonat und der daraus resultierende überraschende und plötzliche Sinneswandel der Vorsitzenden Richterin gewesen. Dieses Telefonat sei mit einer heimlichen mündlichen Verhandlung gleichzusetzen, zu der die Beschwerdeführerin nicht eingeladen gewesen sei. Sie begehre die Wiederaufnahme des Verfahrens ‌L 15 SO 11/21 B ER sowie des Verfahrens L 15 SO 83/21 B ER. Der Beschluss vom 28. April 2020 (L 15 SO 83/21 B ER) fuße auf der Entscheidung vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER), weil letztere Rechtskraft entfalte. Mit dem Ursprungsantrag in dem Verfahren L 15 SO 83/21 B ER habe sie eine grundsätzliche Überprüfung der Verfahren zum Erkennen und Ermitteln des Rehabilitationsbedarfs im Bundesland Brandenburg erreichen wollen. Weil die Entscheidung über diese Frage auf der ersten Entscheidung beruhe, welche unter Missachtung des rechtlichen Gehörs durch eine heimliche telefonische Verhandlung zwischen der Vorsitzenden Richterin und dem Landkreis zustande gekommen sei, sei eine zeitnahe Wiederaufnahme des Verfahrens L 15 SO 83/21 B ER unter einer unbefangenen Richterschaft dringend geboten.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit gesondertem Schreiben vom 25. Juni 2021 Prozesskostenhilfe.

Mit zwei gesonderten Beschlüssen vom 19. Juli 2021 - für das Ausgangsverfahren L 15 SO 11/21 B ER zum Az. L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB und für das Ausgangsverfahren L 15 SO 83/21 B ER zum Aktenzeichen 15 SO 130/21 B ER RG, L 15 SF 148/21 AB - verwarf das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Befangenheitsanträge der Beschwerdeführerin als unzulässig, wies die Anhörungsrügen zurück und lehnte die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Die Befangenheitsanträge gegen die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht lehnte der Senat in den Beschlüssen als unzulässig ab, da die Vorsitzende am 1. Juli 2021 aus dem x. Senat ausgeschieden sei. Es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil sie ohnehin nicht mehr für die Verfahren zuständig sei.

Die Anhörungsrügen wies der Senat ebenfalls zurück.

In dem Beschluss zum Aktenzeichen L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB führte er aus: Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besage, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen werde und Gelegenheit haben müsse, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden. Der Entscheidung dürften nur solche Tatsachen zu Grunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten hätten äußern können. Dieser Grundsatz sei in dem Verfahren L 15 SO  11/21 B ER nicht verletzt worden. Das Telefonat vom 8. Februar 2021 sei nicht „heimlich" geschehen, da Telefonate mit Verfahrensbeteiligten in einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchaus üblich seien, um der Eilbedürftigkeit der Sache gerecht zu werden. Im Übrigen sei die Beschwerdeführerin über dieses Telefonat spätestens seit Erhalt des Schriftsatzes des Landkreises vom 15. Februar 2021, der darauf Bezug nehme, informiert gewesen. Sie sei danach in der Lage gewesen, den Inhalt des Telefonats zu erfragen. Letztlich komme es darauf nicht an, da der Beschwerdeführerin nach dem 8. Februar 2021 bis zum Erlass des Beschlusses vom 13. April 2021 Gelegenheit zur Stellungnahme zu der von der Vorsitzenden Richterin bereits mit Schreiben vom 24. Februar 2021 deutlich gemachten Auffassung, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sein dürfte, gegeben worden sei. Dem sei sie auch in mehreren Schreiben nachgekommen. Sie habe darin (z. B. im Schreiben vom 1. März 2021) ihre Auffassung, ein sozialpädagogisches Gutachten dürfe nicht erstellt werden, sondern es dürfe allein mit dem ITP weitergearbeitet werden, ausführlich dargestellt. Diese Auffassung habe der Senat zur Kenntnis genommen und sei in seinem Beschluss vom 13. April 2021 auch darauf eingegangen. Er sei jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Landkreis eine sozialpädagogische Begutachtung vornehmen könne und dürfe, bevor das Verfahren des ITP durchgeführt werde

Im Verfahren L 15 SO 130/21 B ER RG, L 15 SF 148/21 AB verwarf der Senat die Anhörungsrüge als unzulässig. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargetan, inwiefern ihr in dem Verfahren L 15 SO 83/21 B ER die Gelegenheit zur Äußerung nicht gegeben worden sei. Der von ihr hergestellte Bezug zu dem Verfahren L 15 SO 11/21 B ER gehe fehl. Sie habe in dem Verfahren L 15 SO 83/21 B ER etwas anderes geltend gemacht als in dem Verfahren L 15 SO 11/21 B ER, nämlich zum einen die Verpflichtung des Landkreises, unverzüglich über ihren Antrag auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe zu entscheiden, und zum anderen, ihren Rehabilitationsbedarf auf eine bestimmte Weise, d. h. unter Berücksichtigung des Bedarfsinstruments ITP und ohne vorherige Einholung eines sozialpädagogischen Gutachtens, festzustellen. Ihr Begehren sei sowohl vom Sozialgericht als auch vom erkennenden Senat als unzulässig angesehen worden. Die Entscheidung in dem Verfahren L 15 SO 11/21 B ER entfalte auf Grund der unterschiedlichen Streitgegenstände keine Rechtskraft hinsichtlich des Verfahrens L 15 SO 83/21 B ER. Der Hinweis des Senats, sofern die Beschwerdeführerin auch in dem Verfahren L 15 SO 83/21 B ER Leistungen der Eingliederungshilfe begehrt hätte, stünde dem die Rechtskraft des Beschlusses in dem Verfahren L 15 SO 11/21 B ER entgegen, sei vorsorglich für den Fall erfolgt, dass die Beschwerdeführerin die Ausführungen des Sozialgerichts zum Anlass nehmen sollte, einen weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen mit dem Begehren, Leistungen der Eingliederungshilfe zu bewilligen.

II.

Die Beschwerdeführerin hat ursprünglich während des noch laufenden Anhörungsrügeverfahrens mit ihrer am 28. Juni 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) u. a. durch die Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. April 2021 (L 15 SO 83/21 B ER) und vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER) gerügt. Das Verfahren war diesbezüglich mit Beschluss vom 18. September 2021 ‌‑ VfGBbg 42/21 ‑‌ auf die Rücknahmeerklärung der Beschwerdeführerin eingestellt worden, nachdem das Verfassungsgericht darauf hingewiesen hatte, dass im Falle einer Rüge von Gehörsverletzungen ein erfolglos durchgeführtes Anhörungsrügeverfahren nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts als Zugangsvoraussetzung angesehen wird.

Mit ihrer nach Bescheidung der Anhörungsrüge am 13. September 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV und die Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht aus Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV. Sie ficht ausdrücklich die ihre Anhörungsrügen, Befangenheitsanträge und ihr Prozesskostenhilfegesuch zurückweisenden Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB und L 15 SO 130/21 B ER RG, L 15 SF 148/21 AB) an und beantragt, die Wiederaufnahme des Verfahrens L 15 SO 11/21 B ER sowie L 15 SO 83/21 B ER unter einer unvoreingenommenen Richterschaft anzuordnen und dem Landkreis und dem Landkreis die Kosten des Verfahrens und ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Die Beschwerdeführerin wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Anhörungsrüge- und Befangenheitsantrag vom 27. Mai 2021. Darüber hinaus führt sie zur Begründung aus, sie wisse bis heute nicht, was die Vorsitzende Richterin und der Landkreis im Telefonat am 8. Februar 2021 besprochen hätten. Weder das Landessozialgericht noch der Landkreis hätten ihr mitgeteilt, welche geheimen telefonischen Absprachen getroffen worden seien, noch welche Rechtsauffassungen oder ähnliches vorgetragen worden seien. Erst durch die Akteneinsicht am 17. Mai 2021 beim Sozialgericht in Frankfurt (Oder) habe sie eine ungefähre Ahnung, welche Ausmaße das Telefonat angenommen haben könnte. Nur weil der Landkreis in seinem Schreiben vom 15. Februar 2021 auf das Telefonat Bezug genommen habe, gebe ihr das noch lange keine Kenntnis von dem Inhalt des Telefonats. Durch die bloße Erwähnung eines Telefonats lasse sich der Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ausräumen. Es habe genauso gut ein Schreibfehler sein können.

Das Landessozialgericht habe die Gesetzesänderungen zum 1. Januar 2020 nicht berücksichtigt bzw. angewendet. Jedenfalls habe das Landessozialgericht verhindert, dass sie auf die Neuregelung des § 7 SGB IX habe hinweisen können. Zwar habe sie in letzter Sekunde noch ein Fax mit dem Hinweis gesendet, da sei es allerdings bereits zu spät gewesen und der verfassungswidrige Beschluss gefasst gewesen. Das Landessozialgericht habe ihre Ausführungen zum § 7 Abs. 2 SGB IX nicht berücksichtigt. Sie habe ihren Sachvortrag nicht rechtzeitig vorbringen können, da sie nichts von dem heimlichen Telefonat gewusst habe. Hätte sie rechtzeitig auf diese neuen Regeln im SGB IX hinweisen können, hätte das Landessozialgericht möglicherweise zu ihren Gunsten entschieden. Ohne diesen Gehörsverstoß hätte das Landessozialgericht die Neuerungen im SGB IX erkennen und berücksichtigen können.

III.

Die Äußerungsberechtigte hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Die Anträge der Beschwerdeführerin sind bei verständiger Würdigung ihres Rechtsschutzbegehrens und der Beschwerdebegründung dahingehend zu verstehen, dass sie die Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Aufhebung der Ausgangsbeschlüsse des Landessozialgerichts vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER) und vom 28. April 2021 (L 15 SO 83/21 B ER) begehrt sowie der ihre Anhörungsrüge und den Befangenheitsantrag zurückweisenden und die Prozesskostenhilfegesuche ablehnenden Beschlüsse des Landessozialgerichts vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB und L 15 SO 130/21 B ER RG, L 15 SF 148/21 AB). Mit der Beschwerdeschrift rügt sie unter Berufung auf Verstöße im Verfahren über den Erlass der einstweiligen Anordnung die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) sowie ein faires und zügiges Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht (Art. 52 Abs. 4 LV).

C.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist nur teilweise zulässig.

a. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. April 2021 (L 15 SO 83/21 B ER) und vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 130/21 B ER RG, L 15 SF 148/21 AB) richtet. Bezüglich dieser Beschlüsse genügt sie nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem Begehren zu ermöglichen. Dabei ist darzulegen, inwieweit die bezeichneten Grundrechte durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein sollen und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden Aufarbeitung der einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 20. August 2021 ‌‑ VfGBbg 68/20 ‑‌, Rn. 20 m. w. N., vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 10/19 ‑‌, Rn. 7, und vom 19. März 2021 ‌‑ VfGBbg 83/19 ‑‌, Rn. 10 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdeschrift im Hinblick auf die genannten Beschlüsse nicht. Es fehlt an Darlegungen, inwieweit die Beschlüsse die Beschwerdeführerin in Grundrechten verletzen können. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin beziehen sich auf die Verfahrensweise und Entscheidung in dem gesonderten Verfahren L 15 SO 11/21 B ER bzw. L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB. Dieser Vortrag ist nicht auf das dem Beschluss vom 28. April 2021 (L 15 SO 83/21 B ER) zugrundeliegende Ausgangsverfahren oder den Beschluss vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 130/21 B ER RG, L 15 SF 148/21 AB) übertragbar. An dem Ausgangsverfahren zum Aktenzeichen L 15 SO 83/21 B ER und dem ergangenen Beschluss vom 28. April 2021 hat weder die von der Beschwerdeführerin als voreingenommen beanstandete Vorsitzende Richterin mitgewirkt, noch sind in diesem Verfahren die als Grundrechtsverletzungen gerügten Verfahrensweisen erfolgt. Die Beschwerdeschrift setzt sich auch nicht mit der Begründung des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 130/21 B ER RG, L 15 SF 148/21 AB) auseinander, der ausführt, weshalb es an einem Bezug des Verfahrens L 15 SO 83/21 B ER zu dem Verfahren L 15 SO 11/21 B ER fehlt.

b. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde im Übrigen steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Nach diesem aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg abgeleiteten Grundsatz hat ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden Verfahren zu verhindern oder zu beheben (st. Rspr., Beschluss vom 19. März 2021 ‌‑ VfGBbg 11/21 ‑‌, Rn. 18, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Verletzung ihrer Grundrechte vor Gericht im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung bzw. eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Anhörungsrügeverfahren. Die insoweit geltend gemachten Grundrechtsverletzungen können, anders als die im Verfahren VfGBbg 42/21 vorgebrachten materiellen Grundrechtsverletzungen, nicht wirksam vor den Fachgerichten angegriffen werden und korrigiert werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 2018 ‌‑ 1 BvR 1783/17 ‑‌, Rn. 10, und vom 6. Juni 2017 ‌‑ 1 BvQ 16/17 ‑‌, Rn. 10 f., juris).

c. Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs durch den die Gehörsrüge zurückweisenden Beschluss des Landessozialgerichts vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB) ist die Verfassungsbeschwerde nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Gehörsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen, sondern allenfalls die mit der Ausgangsentscheidung bereits eingetretene Verletzung des rechtlichen Gehörs fortbestehen lassen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 22. Januar 2021 ‌‑ VfGBbg 11/20 ‑‌, Rn. 13 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Die Beschwerdeführerin macht mit der Verfassungsbeschwerde jedoch eine eigenständige Beschwer geltend, indem sie eine konkrete Begründung des Landessozialgerichts im Annexbeschluss vom 19. Juli 2021 angreift, wonach Telefonate mit Verfahrensbeteiligten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchaus üblich seien. Sie wendet sich zudem gegen eine in dem Beschluss zum Ausdruck kommende fehlerhafte Rechtsanwendung, indem sie u. a. vorträgt, dass das Landessozialgericht trotz vorgelegter Beweise (zur Verletzung ihres rechtlichen Gehörs und der Voreingenommenheit der Vorsitzenden Richterin) ihre Anhörungsrüge abschlägig beschieden habe. Damit macht sie die Möglichkeit einer erneuten Gehörsverletzung durch den die Anhörungsrüge und Befangenheitsantrag zurückweisenden Beschluss vom 19. Juli 2021 sowie die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV durch die Anwendung der einfachgesetzlichen Befangenheitsnormen geltend, mithin eine verfassungsrechtlich erhebliche Beschwer (vgl. grds. zu Ausnahmefällen: Beschlüsse vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 3/21 ‑‌, Rn. 15 m. w. N., und vom 16. März 2018 ‌‑ VfGBbg 56/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; vgl. zur Frage der einfach-gesetzlichen Beschwer durch einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter bei Anhörungsrügen: Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider, Stand: Juli 2021, VwGO § 54 Rn. 50e; vgl. auch Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, Stand: Januar 2021, GG Art. 101 Rn. 6).

2. Die Verfassungsbeschwerde hat, soweit sie zulässig ist, keinen Erfolg.

Der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER) beruht nicht auf der Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV). Eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) liegt nicht vor. Die vorgenannten Grundrechte sind auch nicht dadurch verletzt, dass das Landessozialgericht mit Beschluss vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB) eine Gehörsverletzung verneinte. Die Zurückweisung des Befangenheitsantrags gegen die Vorsitzende Richterin stellt auch keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV dar.

a. Der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER) verletzt die Beschwerdeführerin nicht in entscheidungserheblicher Weise in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV.

aa. Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV gewährt den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren das Recht, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern (st. Rspr., Beschlüsse vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 72/19 ‑‌, Rn. 36, und vom 17. Februar 2017 ‌‑ VfGBbg 39/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. September 2021 ‌‑ 1 BvR 1029/20 ‑‌, Rn. 14, juris). Insoweit ist der Anspruch auf rechtliches Gehör eng verknüpft mit dem Recht auf Information (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. September 2021 ‌‑ 1 BvR 1029/20 ‑‌, Rn. 14, juris). Das Grundrecht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV vermittelt einen umfassenden Anspruch, über den gesamten Prozessstoff kommentarlos und ohne Einschränkungen unterrichtet zu werden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Äußerung im konkreten Fall Einfluss auf das Entscheidungsergebnis gewinnen kann oder nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. August 2014 ‌‑ 2 BvR 969/14 ‑‌, Rn. 49, juris). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet, dass ein Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen Gesichtspunkt abstellen darf, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (st. Rspr., Beschlüsse vom 21. Juni 2019 ‌‑ VfGBbg 30/18 ‑‌, und vom 17. November 2017 ‌‑ VfGBbg 45/17 ‑‌, m. w. N., https://verfassungsgericht‌.brandenburg.de; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 2021 ‌‑ 2 BvR 1719/16 ‑‌, Rn. 13, und vom 5. März 2018 ‌‑ 1 BvR 1011/17 ‑‌, Rn. 16, juris).

Auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist rechtliches Gehör zu gewähren. Es ist verfassungsrechtlich geboten, den jeweiligen Gegner vor Erlass einer Entscheidung in den gleichen Kenntnisstand zu versetzen wie den Antragsteller. Dies gilt insbesondere, wenn es bei Rechtsauskünften in Hinweisform darum geht, einen Antrag gleichsam nachzubessern oder eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten abzugeben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Dezember 2020 ‌‑ 1 BvR 2740/20 ‑‌, Rn. 23, und vom 27. Juli 2020 ‌‑ 1 BvR 1379/20 ‑‌, Rn. 16, juris). Soweit Entscheidungen ohne vorheriges rechtliches Gehör des Antragsgegners ergehen können, ist dies nachträglich zu gewähren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 2018 ‌‑ 1 BvR 1783/17 ‑‌, Rn. 15, und vom 5. Mai 2004 ‌‑ 2 BvR 1012/02 ‑‌, Rn. 22-25, juris). Der Ausschluss des vorherigen rechtlichen Gehörs darf nicht weitergehen als im Interesse des Eilrechtsschutzes sachlich geboten ist (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, Vor §§ 916-945b, Rn. 1a m. w. N.). Nichts anderes kann unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit für Informationen an den Antragsteller (hier: die Beschwerdeführerin) gelten.

bb. Dem Beschluss vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER) ist ein Gehörsverstoß vorausgegangen, da die Vorsitzende Richterin die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt über das Stattfinden und den Inhalt des Telefonats vom 8. Februar 2021 informiert hat. Der Beschluss vom 13. April 2021 beruht jedoch - ungeachtet der Frage, ob er nach den einfachgesetzlichen Vorschriften geheilt worden sein kann - nicht auf dem Gehörsverstoß. Dies ergibt sich aus der anhand der Akten nachvollziehbaren Verfahrenshistorie.

Der Beschluss vom 13. April 2021 stützt sich auf die fehlende Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. In diesem Rahmen legte das Gericht seine Rechtsauffassung dar, weshalb die Mitwirkung an einem sozialpädagogischen Gutachten entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erforderlich sei. Es führte aus, es handele sich bei der Bedarfsermittlung um ein mehrstufiges Verfahren, in dem vor der Ermittlung konkreten Bedarfs mittels des ITP der Landkreis anhand des sozialpädagogischen Gutachtens Teilhabeeinschränkungen durch Überprüfung der Gegebenheiten des Wohn- und Lebensumfeldes feststelle. Die Vorsitzende Richterin hat die Beschwerdeführerin bereits mit dem am 23. Februar 2021 verfügten Schreiben vom 24. Februar 2021 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die Mitwirkung an einem sozialpädagogischen Gutachten für erforderlich hielt.

Dafür, dass die Vorsitzende Richterin diese Rechtsansicht unabänderlich bereits seit und aufgrund des Telefonats mit der juristischen Sachbearbeiterin des Landkreises vom 8. Februar 2021 vertrat, ohne dass die Beschwerdeführerin noch Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Gesichtspunkt hatte, geben der Akteninhalt und die Prozessgeschichte keinen Hinweis. Vielmehr deuten letztere darauf hin, dass sich die Vorsitzende Richterin in Reaktion auf das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 17. Februar 2021 zunächst deren Rechtsauffassung anschloss, dass der ITP als Instrument der Bedarfsermittlung einzusetzen sei. Dies ist der Verfügung von demselben Tag zu entnehmen, in der die Vorsitzende Richterin den Landkreis um Mitteilung bat, ob die Begutachtung - und zwar wie von der Beschwerdeführerin angeboten (d. h. mittels ITP) - durchgeführt werden könne. Erst im Schriftsatz vom 23. Februar 2021 legte der Landkreis im Einzelnen die Verfahrensschritte der Bedarfsermittlung dar (zunächst Gutachten zur Prüfung des generellen Leistungsanspruchs, dann die Hilfebedarfsfeststellung mittels ITP, in welchem Umfang, durch wen etc. die Hilfe erfolgen könne). Dass die Vorsitzende Richterin diese Darlegungen für überzeugend hielt, ergibt sich aus dem deutlichen Hinweis an die Beschwerdeführerin im gerichtlichen Schreiben vom 24. Februar 2021.

Dabei ist nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführerin ein anderer Eindruck von den zeitlichen Abläufen erwachsen ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Eingang der unmittelbar aufeinanderfolgenden wechselseitigen Schreiben von Beschwerdeführerin, Antragsgegner und der Vorsitzenden Richterin bei der Beschwerdeführerin überschnitten haben können, und ist insbesondere vor dem Hintergrund des Inhalts der E-Mail vom 8. Februar 2021 verständlich.

Die Vorsitzende Richterin hat jedoch - wie der Akteninhalt verdeutlicht - der Beschwerdeführerin wiederholt und auf deren Bitte Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Davon hat die Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht. Dies gilt insbesondere in Bezug auf den, von der Vorsitzenden Richterin für entscheidungserheblich gehaltenen Vortrag des Landkreises im Schriftsatz vom 23. Februar 2021 und das gerichtliche Schreiben vom 24. Februar 2021. Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus ihre Rechtsauffassung, dass und aus welchen Gründen eine Bedarfsermittlung allein mittels ITP - ohne sozialpädagogisches Gutachten - erfolgen dürfe, u. a. mit Schriftsätzen vom 1. März 2021, vom 22. März 2021, vom 30. März 2021 und vom 12. April 2021 kundgetan.

cc. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass der Beschluss auf der gerügten Gehörsverletzung beruht.

b. Die Rüge, der Beschluss vom 13. April 2021 (L 15 SO 11/21 B ER) beruhe auf einer Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht aus Art. 52 Abs. 4 LV, ist unbegründet.

aa. Der Anspruch auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gemäß Art. 52 Abs. 4 LV verbietet es, Menschen zum bloßen Objekt eines Verfahrens zu machen. Ein wesentliches Element ist der Grundsatz der Waffen- und Chancengleichheit, d. h. die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter. Den Parteien muss ausreichende, angemessene und gleiche Gelegenheit zur Stellungnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegeben werden und keine Partei darf benachteiligt werden (vgl. Beschluss vom 17. Januar 2020 ‌‑ VfGBbg 68/19 ‑‌, Rn. 26, m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die prozessuale Waffengleichheit steht dabei im Zusammenhang mit dem Gehörsgrundsatz aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist. Dieser gebietet, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen. Es gelten die Grundsätze der prozessualen Waffengleichheit und prozessualen Fairness (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Januar 2021 ‌‑ 1 BvR 2681/20 ‑‌, Rn. 29, vom 3. Juni 2020 ‌‑ 1 BvR 1246/20 ‑‌, Rn. 16, und vom 30. September 2018 ‌‑ 1 BvR 1783/17 ‑‌, Rn. 14, juris).

Eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren setzt voraus, dass die Entscheidung auf dem Verstoß beruhen kann (vgl. Beschluss vom 17. September 2021 ‌‑VfGBbg 43/20 ‑‌, Rn. 20, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2015 ‌‑ 2 BvR 1043/15 ‑‌, Rn. 5, juris).

bb. Das Landessozialgericht hätte unter Beachtung dieser Grundsätze die Beschwerdeführerin über das Telefonat vom 8. Februar 2021 und dessen Inhalt informieren müssen. Ein sachlicher Grund davon abzusehen, ist auch unter Berücksichtigung der Eigenart des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ersichtlich. Dass der angegriffene Beschluss auf der Verletzung der Verfahrensrechte der Beschwerdeführerin beruht, ist jedoch nicht erkennbar. Wie im Rahmen der Gehörsprüfung aufgezeigt, hat sich die gerügte mangelnde Information über das Telefonat nicht ausgewirkt, weil die Beschwerdeführerin zu den entscheidungserheblichen Umständen hat Stellung nehmen können.

Soweit die Beschwerdeführerin die Entscheidungsfindung eines als voreingenommen beanstandeten Gerichts rügt, ist das Gebot der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts zwar in Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV angesprochen (vgl. Iwers, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 52, Anm. 5, S. 340). Die Beanstandung einer Entscheidung unter Beteiligung eines ausgeschlossenen oder wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnbaren Richters betrifft jedoch materiell den Gewährleistungsgehalt des gesetzlichen Richters aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV, der dem des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht (vgl. Beschlüsse vom 15. November 2019 ‌‑ VfGBbg 74/19 ‑‌, vom 21. September 2018 ‌‑ VfGBbg 90/17 ‑‌, und vom 14. Oktober 2016 ‌‑ VfGBbg 18/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Die Frage einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter durch die fehlerhafte Anwendung von Ausschluss- oder Ablehnungsvorschriften ist im Rahmen der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch zu prüfen (vgl. dazu C.2.d.).

c. Mangels eines entscheidungserheblichen Gehörsverstoßes im Ausgangsverfahren konnte der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB) die Beschwerdeführerin aus den genannten Gründen auch nicht dadurch in dem Grundrecht auf rechtliches Gehör vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) und dem Anspruch auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) verletzen, dass das Landessozialgericht eine Gehörsverletzung verneinte. Verfassungsrechtliche Bedenken wirft zwar die Äußerung auf, dass sachbezogene Telefonate im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchaus üblich seien, wenn dies umfassen sollte, dass die Gegenseite nicht darüber informiert werden müsste. Allerdings beruht der Beschluss auf dieser Hilfserwägung ausdrücklich nicht.

d. Der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juli 2021 (L 15 SO 129/21 B ER RG, L 15 SF 145/21 AB) verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter.

aa. Die Beschwerdeführerin hat zwar nicht ausdrücklich die Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gerügt. Das hindert jedoch nicht daran, im Rahmen ihrer zulässigen Verfassungsbeschwerde die Prüfung hierauf zu erstrecken. Für eine Benennung des als verletzt gerügten Grundrechts im Sinn des § 46 VerfGGBbg kommt es maßgeblich darauf an, welche grundrechtliche Gewährleistung im Rahmen des Verfassungsbeschwerdevortrags der Sache nach als verletzt gerügt wird (vgl. Beschlüsse vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 72/19 ‑‌, Rn. 35, vom 16. März 2018 ‌‑ VfGBbg 56/16 ‑‌, vom 15. Juni 2017 ‌‑ VfGBbg 50/16 ‑‌, und vom 9. Oktober 2015 ‌‑ VfGBbg 41/15 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Der Verfassungsbeschwerdeschrift, dem mit der Anhörungsrüge verbundenen Befangenheitsantrag vom 27. Mai 2021 und den Anträgen im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin die Entscheidungsfindung eines als voreingenommen beanstandeten Richters rügt. Das Verfassungsgericht prüft das vorrangig in Betracht kommende Grundrecht (vgl. Beschluss vom 20. Juli 2018 ‌‑ VfGBbg 186/17 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Es ist mit hinreichender Klarheit zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin geltend macht, das Landessozialgericht habe die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV nicht richtig erkannt, da es ihren Antrag als unzulässig zurückgewiesen habe.

bb. Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bietet. Dieses Verlangen nach Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters ist zugleich ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten (vgl. Beschlüsse vom 21. September 2018 ‌‑ VfGBbg 90/17 ‑‌, und vom 14. Oktober 2016 ‌‑ VfGBbg 18/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2021 ‌‑ 2 BvR 890/20 ‑‌, Rn. 14, Urteil vom 19. März 2013 ‌‑ 2 BvR 2628/10 ‑‌, BVerfGE 133, 168‑241, Rn. 62, und Beschluss vom 6. Mai 2010 ‌‑ 1 BvR 96/10 ‑‌, Rn. 9, juris). Der Schutz des Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV, der wörtlich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz entspricht und denselben Schutz gewährt, garantiert den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt (Beschluss vom 14. Oktober 2016 ‌‑ VfGBbg 18/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Allerdings genügt für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV nicht jede fehlerhafte Anwendung oder Nichtbeachtung einer einfachgesetzlichen Verfahrensvorschrift; andernfalls würde die Anwendung einfachen Rechts auf die Ebene des Verfassungsrechts gehoben werden. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist erst überschritten, wenn die - fehlerhafte - Auslegung und Anwendung einfachen Rechts willkürlich, also in einer bei verständiger Würdigung der die Landesverfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlichen und offensichtlich unhaltbaren Weise erfolgt, oder wenn das Gericht Bedeutung und Tragweite von Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV grundlegend verkennt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 2021 ‌‑ 2 BvR 890/20 ‑‌, Rn. 15, und vom 6. Mai 2010 ‌‑ 1 BvR 96/10 ‑‌, Rn. 10, juris). Dies kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. September 2020 ‌‑ 1 BvR 2435/18 ‑‌, Rn. 23, und vom 24. Februar 2009 ‌‑ 1 BvR 165/09 ‑‌, Rn. 11, juris). Von willkürlicher Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. September 2021 ‌‑ 1 BvR 1029/20 ‑‌, Rn. 21, und vom 27. Mai 2020 ‌‑ 2 BvR 2054/19 ‑‌, Rn. 35, juris).

cc. Nach diesen Maßstäben erweist sich die Ablehnung des Befangenheitsantrags durch das Landessozialgericht nicht als offensichtlich unhaltbar oder als willkürliche Rechtsanwendung der einfachgesetzlichen Befangenheitsvorschriften.

Die nach § 60 Abs. 1 SGG für das sozialgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 41 bis 46 Abs. 1 und §§ 47 bis 49 Zivilprozessordnung (ZPO) über die Behandlung von Ablehnungsgesuchen gelten grundsätzlich für alle Verfahrensabschnitte, in denen eine Ausübung des Richteramts in Betracht kommt. Die Einhaltung einer bestimmten Frist zur Anbringung eines Ablehnungsersuchens sieht das Gesetz nicht vor. Ein Ablehnungsantrag kann grundsätzlich von der Anhängigkeit des Rechtsstreits bis zum vollständigen Abschluss der Instanz angebracht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2011 ‌‑ 1 BvR 2411/10 ‑‌, Rn. 23, BSG, Beschluss vom 6. Juni 2007 ‌‑ B 8 KN 8/07 B ‑‌, Rn. 5, juris; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 42 ZPO, Rn. 3; Vossler, in: BeckOK ZPO, Stand: 1. September 2021, § 44 Rn. 9). Die äußerste Zeitgrenze für die (nachträgliche) Geltendmachung von Ablehnungsgründen nach § 42 Abs. 2 ZPO ist die abschließende Erledigung des Rechtsstreits durch eine unanfechtbare Entscheidung (BGH, Beschluss vom 4. Januar 2001 ‌‑ X ZR 208/99 ‑‌, Rn. 2, und Urteil vom 4. März 1999 ‌‑ III ZR 72/98 ‑‌, Rn. 10, juris; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 42 ZPO, Rn. 6). Nach vollständigem Abschluss einer Instanz ist ein Ablehnungsgesuch grundsätzlich nicht mehr zulässig, weil die beteiligten Richter ihre richterliche Tätigkeit im konkreten Verfahren damit beendet haben. Die getroffene Entscheidung kann von dem Gericht, dem die im Anschluss daran abgelehnten Richter angehören, nicht mehr geändert werden (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 ‌‑ I ZR 195/15 ‑‌, Rn. 4, juris).

Ob ein nach Abschluss der Instanz bekannt gewordener Ablehnungsgrund im Rahmen einer Anhörungsrüge noch zulässigerweise geltend gemacht werden kann, wird unterschiedlich beurteilt (offengelassen: BVerwG, Beschlüsse vom 29. November 2018 ‌‑ 9 B 26/18 ‑‌, Rn. 3, und vom 12. Dezember 2016 ‌‑ 5 C 10/15 D ‑, Rn. 3, juris; Jung, in: BeckOGK, Stand: 1. August 2021, SGG § 60 Rn. 77; ablehnend: VGH BW, Beschluss vom 8. Juni 2016 ‌‑ 1 S 783/16 ‑‌, Rn. 5, BayVGH, Beschluss vom 7. November 2016 ‌‑ 10 BV 16.962 ‑‌, Rn. 6, ThürOVG, Beschlüsse vom 9. November 2020 ‌‑ 3 EN 750/20 ‑‌, Rn. 1, und vom 2. Juni 2017 ‌‑ 3 SO 79/17 ‑‌, Rn. 2; OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2021 ‌‑ 1 B 117/21 ‑‌, Rn. 1, juris; Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2021, § 152a Rn. 36; kritisch: Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider, VwGO § 54 Rn. 50d, 50e; bejahend: Wysk, VwGO 3. Aufl. 2020, § 54 Rn. 19; wohl auch Vollkommer in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 42 ZPO, Rn. 5).

Es ist daran gemessen im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landessozialgericht das Rechtsschutzbedürfnis für das Ablehnungsgesuch verneint hat. Die fachgerichtliche Rechtsprechung, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für Ablehnungsgesuche dann nicht mehr besteht, wenn der abgelehnte Richter nicht mehr mit der Sache befasst sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 ‌‑ LwZB 1/15 ‑‌, Rn. 5 m. w. N., und vom 21. Februar 2011 ‌‑ II ZB 2/10 ‑‌, Rn. 10, juris; Vossler, in: BeckOK ZPO, Stand: 1. September 2021, ZPO § 44 Rn. 10), ist grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Landessozialgericht hat die Verwerfung des Befangenheitsgesuchs damit begründet, dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle, da die Richterin aufgrund ihres Ausscheidens aus dem Senat zum 1. Juli 2021 nicht mehr für das Verfahren zuständig sei. Es kann dahinstehen, ob es auf die Zuständigkeit ankommen konnte, nachdem mit dem unanfechtbaren Beschluss vom 13. April 2021 das Verfahren in der Verfahrensart des einstweiligen Rechtsschutzes instanzbeendend abgeschlossen war. Jedenfalls entspricht die Beurteilung des Landessozialgerichts der fachgerichtlichen Auffassung, die ein Ablehnungsrecht dem Zweck der Ablehnungsvorschriften entsprechend daran knüpft, ob eine richterliche Tätigkeit inmitten steht, welche sich noch auf den Aus- oder Fortgang des Verfahrens auswirken kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 ‌‑ 9 B 26/18 ‑‌, Rn. 4, juris). Zwar hat sich das Landessozialgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt, innerhalb welchen Zeitraums und mit welchem Rechtsmittel zulässigerweise Ablehnungsgründe vorgebracht werden können. Dessen bedurfte es in Ansehung der fachgerichtlichen Rechtsprechung aber nicht, weil mangels begründeter Anhörungsrüge keine erneute richterliche Entscheidung in materieller Hinsicht gefordert und das Verfahren in vollem Umfang unanfechtbar abgeschlossen war.

Von einer willkürlichen Missdeutung der Rechtslage kann angesichts dessen nicht gesprochen werden.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Dr. Strauß