VerfGBbg, Beschluss vom 15. Juni 2017 - VfGBbg 50/16 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46 - BGB, § 133; BGB, § 157 |
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Schlagworte: | - Verfassungsbeschwerde unzulässig - Begründung - Willkür - Auslegung eines Grundstückskaufvertrages - Erschließungskosten |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. Juni 2017 - VfGBbg 50/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 50/16
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
P.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
Dr. G.,
wegen LG Potsdam, Urteil vom 22. Juli 2016 (7 S 40/16)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 15. Juni 2017
durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer und Schmidt
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen ein Berufungsurteil des Landgerichts Potsdam in einer Grundstückskaufsache.
I.
Der Beschwerdeführer und Beklagte des Ausgangsverfahrens war Eigentümer eines im Grundbuch des Amtsgerichts Potsdam von T. Blatt 5780 eingetragenen unbebauten Grundstücks.
Im Jahr 2011 wurde durch den Wasser- und Abwasserzweckverband „Der T.“ die öffentliche Trinkwasserleitung in der Straße fertiggestellt, an der das unbebaute Grundstück des Beschwerdeführers anlag.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 29. Juni 2012 veräußerte der Beschwerdeführer eine Teilfläche von etwa 874 Quadratmeter des Grundstücks an den Käufer des Ausgangsverfahrens (nachfolgend: Käufer). Ziffer 6 des Grundstückskaufvertrages enthielt eine Klausel folgenden Inhalts:
„Erschließungskosten und Anliegerbeiträge oder sonstige öffentliche Lasten, die bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entstanden sind - maßgeblich ist der bautechnische Beginn der Erschließungsmaßnahme - trägt der Verkäufer, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides.
Erschließungsmaßnahmen, die nach Abschluss dieses Vertrages entstehen - maßgeblich ist der bautechnische Beginn der Maßnahme -, gehen zu Lasten des Käufers.
Der Verkäufer erklärt, dass sämtliche angefallenen Erschließungsbeiträge bereits beglichen sind.
Die Beteiligten vereinbaren jedoch, dass der Käufer an den Verkäufer zusätzlich zu dem vereinbarten Kaufpreis einen anteiligen Erschließungsbeitrag in Höhe von 1.726,88 Euro, welche für die Erschließung Wasser/Abwasser angefallen sind und am Kaufgrundstück anliegen, mit dem Kaufpreis zahlt.“
Im Anschluss daran schloss der Beschwerdeführer mit dem Käufer einen außergerichtlichen Vergleich, wonach der Beschwerdeführer an den Käufer 9.000,- Euro zahlen sollte, so dass abzüglich der vom Käufer zu zahlenden 1.726,88 Euro noch insgesamt 7.273,12 Euro vom Beschwerdeführer an den Käufer zu zahlen waren.
Der Käufer bebaute das Grundstück und im Anschluss daran wurde ihm vom Wasser- und Abwasserzweckverband eine Baukostenzuschussrechnung vom 17. November 2014 in Höhe von 4.590,69 Euro zugestellt. Der Käufer leitete die Rechnung an den Beschwerdeführer mit der Bitte um Ausgleich weiter und mahnte mit E-Mail vom 16. Dezember 2014 die Zahlung an. Nachdem eine solche Zahlung nicht erfolgte, nahm der Käufer den Beschwerdeführer daraufhin vor dem Amtsgericht Potsdam auf Zahlung dieses Betrages zuzüglich Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 Euro in Anspruch.
Das Amtsgericht Potsdam verurteilte den Beschwerdeführer antragsgemäß zur Zahlung von 4.590,69 Euro zuzüglich Rechtsanwaltskosten. Das Amtsgericht führte zur Begründung aus, dem Kläger stehe der Zahlungsanspruch aus dem mit dem Beschwerdeführer geschlossenen Kaufvertrag zu. Dies folge aus der Vertragsklausel zu den Erschließungskosten. Das veräußerte Grundstück sei zwar erst durch das Verlegen des Hausanschlusses an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen worden, dies sei jedoch nur für die Fälligkeit des Baukostenzuschusses von Bedeutung gewesen. Der bautechnische Beginn der Erschließungsmaßnahme sei bereits vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages erfolgt. Die Auslegung des Kaufvertrages nach den §§ 133 ff BGB spreche dafür, dass der Verkäufer die Kosten für die Herstellung der Trinkwasserleitung zu übernehmen habe. Der Verkäufer habe das Grundstück als „mit Wasser, Abwasser und Strom erschlossen“ angeboten. Der Käufer habe davon ausgehen dürfen, dass Versorgungsleitungen in der betreffenden Straße bereits verlegt gewesen seien, was nach der erfolgten Beweisaufnahme auch bereits im Jahr 2011 der Fall gewesen sei. Für den Hausanschluss, der nach Abschluss des Kaufvertrages stattgefunden habe, finde sich in Absatz 2 von Ziffer 6 eine ausdrückliche Regelung. Demgegenüber sehe Ziffer 6 Abs. 1 des Vertrages vor, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides ankomme. Eine andere als die vom Beschwerdeführer vertretene Sichtweise hätte einer eindeutigen Regelung bedurft, da der durchschnittliche Empfänger davon ausgehe, dass mit dem bautechnischen Beginn einer Maßnahme das tatsächliche Verlegen der öffentlichen Leitung und nicht erst das Legen des Hausanschlusses gemeint sei. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Baukostenzuschuss der Höhe nach erst nach Anschluss an das Haus berechnet und festgesetzt werden könne. Der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich ändere daran ebenfalls nichts, da dieser dem Gericht zum einen nicht vorgelegt worden sei, zum anderen ergebe sich nicht, dass damit sämtliche Zahlungsansprüche abgegolten sein sollten. Nach Kenntnis des Gerichts seien lediglich Minderungsansprüche wegen archäologischer Funde geregelt worden.
Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung wies das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 22. Juli 2016 zurück. Das Amtsgericht habe den Beschwerdeführer zu Recht zur Zahlung verurteilt. Die zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung sei eindeutig und abschließend. Die vom Amtsgericht vorgenommene Auslegung der Vertragsklausel anhand von §§ 133, 157, 242 BGB sei zutreffend. Für die Zuordnung der Zahlungspflicht sei nicht allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den bautechnischen Beginn von Erschließungsmaßnahmen abgestellt worden. Zutreffend sei dabei vom Amtsgericht zwischen der allgemeinen Trinkwasser-Versorgungsanlage und dem individuellen Hausanschluss differenziert worden. Diesem Ergebnis stehe auch nicht Satz 3 der Ziffer 6 entgegen, da insoweit nur die bereits geltend gemachten und abgerechneten Beiträge gemeint seien, wozu der Baukostenzuschuss gerade nicht gehöre. Die Tatsache, dass der Baukostenzuschuss erst nach Bebauung des in Rede stehenden Grundstücks habe berechnet werden können, stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Der Baukostenzuschuss werde durch die zulässige Bebaubarkeit des Grundstücks begrenzt. Der Beschwerdeführer hätte sich mit der potentiellen Höhe vor Vertragsschluss auseinandersetzen und diese bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen können. Die Annahmen des Amtsgerichts zum Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs seien zutreffend.
II.
Am 23. September 2016 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt einen Verstoß gegen das Willkürverbot. Die vom Landgericht und vorhergehend dem Amtsgericht vorgenommene Auslegung der maßgeblichen Vertragsklausel sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar. Sie führe im Ergebnis zu einer mit § 157 BGB nicht zu vereinbarenden Ungleichgewichtsbeziehung, da zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Höhe des Baukostenzuschusses nicht im Ansatz vorhersehbar gewesen sei. Soweit der Bebauungsplan als Maßstab der Berechnung des Baukostenzuschusses bekannt gewesen sei, habe das Gericht verkannt, dass dieser jederzeit geändert werden könne. Dadurch würde der Beschwerdeführer einem Kostenrisiko ausgesetzt, das er nicht ermitteln könne, zumal insoweit nicht einmal die vertragswesentlichen Umstände bekannt gewesen seien. Dies sei ein eklatanter Widerspruch zum Grundsatz von Treu und Glauben.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
Dass sich der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Verfassungsbeschwerde nicht auf Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV, sondern auf Normen der Landesverfassung bezogen hat, die durch eine speziellere Gewährleistung verdrängt werden (Art. 12 Abs. 1 LV), steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Maßgeblich ist nicht, welches Grundrecht der Beschwerdeführer ausdrücklich benennt, sondern welche grundrechtliche Gewährleistung mit der Beschwerdeschrift der Sache nach ersichtlich als verletzt gerügt wird (vgl. Beschlüsse vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 21/13 -, vom 29. August 2014 - VfGBbg 1/14 -; und vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 41/15 -; www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Das ist vorliegend die spezielle Gewährleistung des Grundrechts auf Gleichheit vor Gericht in der Ausprägung des Willkürverbots nach Art. 52 Abs. 3 LV.
Die Beschwerde genügt jedoch nicht den Begründungserfordernissen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg, die voraussetzen, dass der die Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 15. April 2016 - VfGBbg 86/15 - und vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 9. September 2016 - VfGBbg 9/16 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. Nachw.).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht. Es lässt nicht erkennen, inwiefern die angegriffene Entscheidung Grundrechte der Landesverfassung verletzen könnte.
Bei der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen ist es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, diese allgemein auf ihre materielle und verfahrensrechtliche Richtigkeit zu überprüfen und sich damit an die Stelle der Fachgerichte zu setzen. Eine Überprüfung erfolgt vielmehr allein am Maßstab der Landesverfassung darauf, ob eine gerichtliche Entscheidung hierin gewährte Rechte verletzt. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Zivilgerichts als willkürlich zu charakterisieren ist oder sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts oder des Umfangs seines Schutzbereichs beruht oder sie unter Verletzung von Verfahrensgrundrechten zustande gekommen ist. Eine gerichtliche Entscheidung stellt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts einen Verstoß gegen das Willkürverbot dar. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen unter anderem dann vor, wenn ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Literatur geklärten Rechtslage tritt oder der Inhalt einer Norm krass missdeutet wird, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Von einer willkürlichen Missdeutung kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 24/15 -, m. w. Nachw.). Die angegriffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden.
Die vom Amtsgericht zur Auslegung der maßgeblichen Vertragsklausel herangezogenen Erwägungen lassen eine willkürliche Anwendung des einfachen Rechts nicht erkennen. Es begegnet verfassungsrechtlich keinen Bedenken, wenn Amts- und Landgericht annehmen, die Vertragsklausel sei ihrem Inhalt nach so zu verstehen, dass das Kostenrisiko des Hausanschlusses zu Lasten des Beschwerdeführers gehen sollte. Die insoweit von den Gerichten im Rahmen der nach §§ 133, 157 BGB vorgenommenen Vertragsauslegung angestellten Erwägungen sind tragfähig. Sie stellen insbesondere keinen willkürlichen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar, wonach ein Auslegungsergebnis zu erzielen ist, dass die berechtigten Belange beider Parteien angemessen berücksichtigt und mit den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs im Einklang steht (vgl. Palandt, BGB,
17. Aufl. 2017, § 133, Rn. 20). Dabei übersieht die Verfassungsbeschwerde, dass das Landgericht die Frage der gerechten Lastenverteilung entgegen ihrem Vorbringen durchaus in die Auslegung der Vertragsklausel einbezogen hatte und den Beschwerdeführer darauf verweist, dass angesichts des Wortlauts der getroffenen Regelung für eine abweichende Beurteilung keine durchgreifenden Gründe streiten. Aus welchen Gründen diese von Amts- und Landgericht gewählte Begründung jeglichen sachlichen Grundes entbehrt, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er kann insbesondere nicht begründen, warum er trotz Kenntnis des bautechnischen Beginns der Erschließung und im Rahmen seiner eigenen Vertragsfreiheit gehindert gewesen ist, das finanzielle Risiko weiterer Erschließungskosten nicht durch geeignete Vertragsklauseln auf den Grundstückskäufer zu verlagern. Insofern stellt der Beschwerdeführer lediglich der Rechtsauffassung von Amts- und Landgericht seine eigene abweichende Rechtsaufassung gegenüber.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Nitsche | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Schmidt | |