Toolbar-Menü
Hauptmenü

Bericht über die Arbeit des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg im Jahre 2022

Dr. Michael Strauß (Potsdam)*

 

  1. Allgemeines

Aus Anlass des 30-jährigen Bestehens der Verfassung des Landes Brandenburg veranstalteten die juristischen Fakultäten der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und der Universität Potsdam unter dem Dach des Landesverfassungsgerichts ein Seminar mit Studierenden der beiden Fakultäten.

Nach der friedlichen Revolution im Herbst 1989 war der Landtag Brandenburg das erste ostdeutsche Parlament, das eine Verfassung verabschiedet hat. Die Brandenburger Verfassung gewährt umfangreiche politische Gestaltungsrechte, die auf Initiative der damaligen Bürgerbewegungen zum ersten Mal in einer deutschen Verfassung formuliert wurden. Brandenburg ist eines der wenigen Bundesländer, dessen Verfassung durch Volksentscheid bestätigt worden ist. Die Verfassung wurde am 14. April 1992 vom Landtag verabschiedet und am 14. Juni 1992 von der Bevölkerung mit über 94 % Zustimmung angenommen.

Dass die Brandenburger Verfassung durch Volksentscheid gebilligt worden ist, ist weithin in Vergessenheit geraten. Das nahm das Landesverfassungsgericht zum Anlass, die Landesverfassung aus verschiedenen Horizonten unter Einbeziehung der juristischen Fakultäten der Universitäten Viadrina Frankfurt (Oder) und Potsdam in den Blick zu nehmen. Schwerpunkt der Seminarveranstalter war es, sich der Wurzeln der Landesverfassung zu vergewissern, zugleich aber auch gegenwärtige Probleme und zukünftige Herausforderungen des Landesverfassungsrechts verstärkt in den Blick zu nehmen.

Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Stefan Haack (Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)) und Prof. Dr. Thorsten Ingo Schmidt (Universität Potsdam) forschten die Studierenden Lilly Blaudszun, Chantal Münster, Peter-Martin Mattigk, Lea Bunge, Jolina Böning, Samuel Märkt, Lasse Cornelius und Christian Felix Strobel diesen Fragen auf Einladung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg nach.

  1. Statistik

Im Jahr 2022 verzeichnete das Landesverfassungsgericht Brandenburg insgesamt 57 Verfahrenseingänge. Hiervon entfallen auf die im Land Brandenburg zulässige Individualverfassungsbeschwerde[1] 42 Verfahren.

Im Berichtszeitraum sind weiterhin zwei Organstreitverfahren[2] eingegangen. In 13 Fällen ist das Landesverfassungsgericht mit Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung[3], entweder isoliert oder aber gekoppelt mit dem jeweiligen Hauptsacheverfahren, angerufen worden.

Das Landesverfassungsgericht verzeichnete im Berichtszeitraum zwei sonstige Verfahren[4].

Insgesamt ist die Anzahl der Verfahrenseingänge im Vergleich zu den vergangenen Jahren unterdurchschnittlich[5].

Die durchschnittliche Erledigungsdauer für die überwiegende Zahl an Individualverfassungsbeschwerden betrug im Berichtszeitraum 8,4 Monate. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Verfahrensdauer wird beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für den Zeitraum 2011 bis 2020 bei Verfassungsbeschwerden in 80 Prozent der Fälle mit ein Jahr angegeben[6].

Anrufungen auf Erlass einstweiligen Rechtsschutzes sind beim Landesverfassungsgericht innerhalb von durchschnittlich 1,5 Monaten erledigt worden. Die komplexeren Organstreitverfahren dauerten 17,6 Monate, sonstige Verfahren 7,5 Monate.

  1. Rechtsprechung

Das Landesverfassungsgericht hat in 49 Fällen die Verfassungsbeschwerde – diese betrafen mit knapp 87 % auch im Berichtszeitraum die überwiegende Anzahl der gefassten Entscheidungen – als (teilweise) unzulässig verworfen[7], was auch den hohen Anforderungen an den Sachvortrag zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde geschuldet ist, vgl. § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg[8]. Eine Vielzahl von Individualverfassungsbeschwerden scheitern allerdings unabhängig von den hohen Hürden des Sachvortrags auch an der mangelnden Erschöpfung des Rechtswegs oder wegen Nichteinhaltung der zweimonatigen Erhebungsfrist[9]. Die übrigen Verfassungsbeschwerden sind in sechs Fällen entweder nach Rücknahme[10] eingestellt, ansonsten entweder teilweise oder vollständig zurückgewiesen worden. In einem Fall wurde der Verfassungsbeschwerde vollständig[11], in zwei Fällen teilweise stattgegeben[12].

Ohne Erfolg war ein seit 2020 anhängiges Normenkontrollverfahren (Art. 113 Nr. 2 LV) [13].

Einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung[14] wurde stattgegeben.

Im Folgenden sollen einige wenige erwähnenswerte Verfahren dargestellt werden:

2.1. Eilantrag gegen Corona-Untersuchungsausschuss erfolgreich, VfgBbg 9/22 EA[15]

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat einem Eilantrag von drei Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der Erkrankung COVID-19 (Untersuchungsausschuss 7/1 der 7. Wahlperiode des Landtags Brandenburg, UA 7/1) sowie der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg stattgegeben.

Der Eilantrag wurde zu einem beim Landesverfassungsgericht seit Oktober letzten Jahres anhängigen Organstreitverfahren gestellt. In dem Organstreitverfahren machten die drei Mitglieder des Ausschusses, die der AfD-Fraktion angehören, sowie die AfD-Fraktion eine Verletzung ihrer Rechte durch den am 23. September 2020 vom Landtag Brandenburg eingesetzten UA 7/1 geltend. Der Untersuchungsausschuss hatte mit seiner Mehrheit Beweisanträge der drei Mitglieder sowie einen Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragenden Sachverständigen abgelehnt. Hierdurch sahen sich die Antragsteller in ihren ihnen als qualifizierte Minderheit des Untersuchungsausschusses zustehenden Rechten verletzt. Dem gegen die zwischenzeitliche Beendigung der Beweisaufnahme gerichteten Eilantrag hat das Landesverfassungsgericht auf Grund einer Folgenabwägung stattgegeben. Der Antrag im in der Hauptsache geführten Organstreitverfahren sei weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Es überwiege das Interesse der Antragsteller an der einstweiligen Nichtbeendigung der Beweisaufnahme bis zur Entscheidung im Organstreit bezüglich der streitgegenständlichen Beweisanträge, weil die besonderen Rechte der qualifizierten Minderheit im Untersuchungsausschuss ansonsten leerlaufen könnten. Sollte sich das Handeln des UA 7/1 letztlich als verfassungswidrig erweisen, sei nicht auszuschließen, dass die Beweiserhebung nicht mehr nachgeholt werden könne, da mit der Kenntnisnahme des Berichts durch den Landtag die Arbeit des Untersuchungsausschusses ende. In Anbetracht der erst im Jahr 2024 endenden Legislaturperiode habe dahinter das grundsätzlich ebenfalls schützenswerte Interesse an einer zügigen Erstattung des Schlussberichts an den Landtag zurückzustehen.

 

2.2. Verdachtsberichterstattung durch den Verfassungsschutz zulässig, VfgBbg 94/20[16]

Das Landesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 20. Mai 2022 (VfgBbg 94/20) die Landesnorm für vereinbar mit der Landesverfassung erklärt, die den Verfassungsschutzbehörden erlaubt, die Öffentlichkeit bereits dann über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu unterrichten, wenn hierfür hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Es hat damit die Nennung im Verfassungsschutzbericht schon im Vorfeld sicher festgestellter verfassungsfeindlicher Bestrebungen, die sogenannte Verdachtsberichterstattung, – auch im Hinblick auf politische Parteien – gebilligt. Ob eine konkrete Partei zu Recht in dem Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg genannt wird, war hingegen nicht Gegenstand der Entscheidung.

Die mündliche Verhandlung in dem abstrakten Normenkontrollverfahren, das ursprünglich von 23 Mitgliedern AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg eingeleitet wurde, fand am 18. März 2022 statt. Zur Überprüfung stand § 5 Abs. 1 Satz 1 Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg (Brandenburgisches Verfassungsschutzgesetz - BbgVerfSchG). Danach klärt die Verfassungsschutzbehörde die Öffentlichkeit durch zusammenfassende Berichte und andere Maßnahmen unter anderem über Bestrebungen oder Tätigkeiten auf, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Die Verdachtsberichterstattung hatte der Landtag mit einer zum 21. Juni 2019 in Kraft getretenen Gesetzesänderung ermöglicht. Die Antragsteller vertraten die Auffassung, dass es auf Grund des den politischen Parteien durch die Verfassung verliehenen besonderen Status einer ausdrücklichen Ermächtigung zu einem Bericht über sie bedurft hätte. Jedenfalls aber verletze eine Berichterstattung über die Tätigkeit von politischen Parteien diese in ihren Rechten.

Das Landesverfassungsgericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Dass § 5 Abs. 1 Satz 1 BbgVerfSchG zu einem Bericht über politische Parteien ermächtige, ergebe sich zweifelsfrei aus den in § 5 Abs. 1 BbgVerfSchG in Bezug genommenen § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 3 BbgVerfSchG, die sich u. a. auf Personenzusammenschlüsse, mit denen unzweifelhaft auch Parteien gemeint seien, bezögen. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit bereits im Vorfeld sicher festgestellter verfassungsfeindlicher Bestrebungen verletzte die Parteien auch nicht in ihren verfassungsrechtlich verbürgten Rechten.

Zunächst sei die Berichterstattung nicht durch das „Parteienprivileg“ ausgeschlossen. Zwar könne gemäß Art. 21 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 Grundgesetz (GG) nur das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei feststellen und sie verbieten. Dieses Entscheidungsmonopol schließe ebenso administrative Entscheidungen gegen den Bestand einer Partei und die rechtliche Geltendmachung ihrer Verfassungswidrigkeit aus. Das bedeute aber nicht, dass der Landesgesetzgeber keine Normen erlassen dürfe, die die Arbeit der Landesverfassungsschutzbehörden im Zusammenhang mit der Beobachtung von möglicherweise verfassungsfeindlichen Parteien im Vorfeld von Verbotsverfahren regelten und deren Auswirkungen deutlich hinter denen eines Parteiverbots zurückblieben.

Auch im Übrigen sei die konkrete Regelung zur Verdachtsberichterstattung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie komme zwar einem Eingriff in die durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 20 Abs. 3 Satz 2 LV gewährleistete Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit der politischen Parteien gleich. Der Eingriff sei aber durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt. Die Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit politischer Parteien sei verfassungsmäßig durch die Pflicht des Staates begrenzt, für den Schutz und den Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu sorgen, d. h. durch die Entscheidung des Grundgesetzes für eine „streitbare und wehrhafte Demokratie“. § 5 Abs. 1 BbgVerfSchG setze diese verfassungsimmanente Grenze der Parteienrechte in nicht zu beanstandender Weise um. Die Vorschrift genüge insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und bringe die widerstreitenden Verfassungsgüter in einen angemessenen Ausgleich. Im Hinblick auf den besonderen Status der Parteien als notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung seien die Fachgerichte aber (z. B. bei Klagen gegen die Nennung einer Partei im Verfassungsschutzbericht) gehalten, das Vorliegen der Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Satz 1 BbgVerfSchG stets im Lichte der ihnen verfassungsrechtlich verbürgten Rechte zu prüfen und dem durch eine restriktive Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 5 Abs. 1 Satz 1 BbgVerfSchG Rechnung zu tragen.

Die Entscheidung war mit 7:1 Stimmen ergangen.

 

  1. Ausblick

Das Landesverfassungsgericht hat sich in der kommenden Zeit neben vielen weiteren mit folgenden - zum Teil  komplexen - Verfahren zu befassen.

3.1. Volksinitiative „Artenvielfalt retten- Zukunft sichern“, VfgBbg 36/20

Die Antragsteller sind Vertreter der Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“. Die Volksinitiative enthält einen Gesetzentwurf, der Arten- und Insektenschutz i. W. durch den Ausschluss von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und mineralischem Stickstoffdünger u. a. in Naturschutzgebieten erreichen will, durch mehr ökologischen Landbau und durch verbindliche Vorgaben für die landwirtschaftliche Förderpolitik.

Über den Gesetzentwurf hinaus werden weitere politische Forderungen zu Gunsten des Arten- und Insektenschutzes erhoben.

Der im Landtag befasste Hauptausschuss hat die Volksinitiative nach § 9 Abs. 6 Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz Brandenburg - VAGBbg) - nach Einholung eines Gutachtens der Parlamentarischen Beratungsdienstes - für unzulässig erklärt.

Mit ihrem Antrag beim Verfassungsgericht begehren die Antragsteller, die Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern" für zulässig zu erklären.

 

3.2. „Maske im Landtag“, VfgBbg 13/21

Die Antragsteller sind Abgeordnete der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg und wenden sich im Wege des Organstreitverfahrens gegen einzelne Vorschriften einer am 21. September 2020 von der Präsidentin des Landtags erlassenen Allgemeinverfügung „zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Covid 19)“, insbesondere bezüglich einer darin enthaltenen Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Die Vorschriften sind nach dem Ende der Pandemie inzwischen außer Kraft.

Die Antragsteller sahen durch die Maskenpflicht ihr Recht auf freie Ausübung ihres Mandats verletzt.

 

3.3. Ablehnung der Wahl in die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK), VfgBbg 78/21

Die Antragstellerin, die AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg, wendet sich im Wege des Organstreitverfahrens an das Landesverfassungsgericht, weil alle Vorschläge aus ihrer Fraktion zur Wahl eines ihrer Fraktionsmitglieder in die PKK durch den Landtag abgelehnt worden sind. Die Antragstellerin macht u. a. eine Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit der Fraktionen gemäß Art. 56 Abs. 1 LV geltend. Gerade nach dem aus dem freien Mandat abgeleiteten Grundsatz der Spiegelbildlichkeit stünde der Antragstellerin ein Anspruch auf Wahl eines ihrer Mitglieder zur Seite, weil die PKK als verkleinertes Abbild des Plenums zusammenzusetzen sei. Die Antragstellerin macht auch geltend, ihr Recht auf Gleichbehandlung der „Oppositionsfraktion“ aus Art. 55 Abs. 2 LV sei wegen der Nichtwahl aller ihrer Vorschläge verletzt. Es läge durch die fehlende Berücksichtigung sämtlicher Wahlvorschläge ein missbräuchliches Verhalten vor. Jeder Oppositionspartei würde ein Sitz in der PKK zustehen.      

 

3.4. Verweigerte Akteneinsicht, VfgBbg 11/23

Die Antragstellerin ist Abgeordnete des Landtags Brandenburg (Fraktion DIE LINKE). Sie hatte Einsicht in Unterlagen zum ehemaligen Vorhaben „Errichtung einer Abschiebehafteinrichtung am Standort Schönefeld“ begehrt.

Der Minister des Innern und für Kommunales lehnte den Antrag insoweit ab, als er sich auf das im Auftrag der Zentralen Ausländerbehörde angefertigte Gutachten zur Beurteilung der vergaberechtlichen Situation aus Oktober 2018 aus dem Vorgang „Errichtung einer Abschiebehafteinrichtung am Standort Schönefeld“ bezog.

Er berief sich darauf, dass das Gutachten Bestandteil des laufenden Willensbildungsprozesses (die Errichtung eines sog. Behördenzentrums am Flughafen Berlin-Brandenburg) sei und mithin den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung berühren würde.

Die Antragstellerin sieht sich durch die Ablehnung ihres Akteneinsichtsgesuchs in ihren Abgeordnetenrechten aus Art. 56 Abs. 3 LV verletzt.

 

  • 5. Haushaltsnotlage – Kreditermächtigung und Mehrausgaben zur Bekämpfung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine“, VfgBbg 22/23; VfGBbg 6/23 EA

Die Antragsteller sind Abgeordnete der AfD-Fraktion des Landtags Brandenburg und wenden sich im Wege des abstrakten Normenkontrollverfahrens gegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024.

Die angegriffenen Normen ermächtigen das Finanzministerium aufgrund einer vom Landtag festgestellten außergewöhnlichen Notsituation im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV Kredite in Höhe von insgesamt 2 Milliarden Euro aufzunehmen und entsprechende „Mehrausgaben zur Bekämpfung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine“ zu bewilligen.

Die Antragsteller sind der Ansicht, dass die § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 gegen Art. 103 Abs. 2 LV verstoßen. Der Haushaltsgesetzgeber habe das Bestehen der nach Art. 103 Abs. 2 LV erforderlichen Notlage nicht hinreichend dargelegt, die Normen seien auch unbestimmt. Tatsächlich diene die Kreditaufnahme keiner Krisenbewältigung, sondern dazu, Finanzierungslücken zu decken bzw. zusätzliche Finanzmittel für den allgemeinen Haushalt zu erhalten.

Mit dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehren die Antragsteller die vorläufige Außervollzugsetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024.

 

  1. 30 Jahre Landesverfassungsgericht/ Sonstiges

Das Landesverfassungsgericht feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Die Richterinnen und Richter werden anlässlich des Tags des offenen Denkmals in Potsdam ein Sommerfest ausrichten mit Bürgern und Bürgerinnen ins Gespräch kommen.  

Am Landesverfassungsgericht steht ein Wechsel auf der Richterbank an. Die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter werden gemäß Art. 112 LV für die Dauer von 10 Jahren gewählt. Verfassungsrichter Andreas Dresen wird nach Ablauf seiner 10-jährigen Mitgliedschaft ausscheiden.  

* * * * *

[1] Vgl. Art. 113 Nr. 4, Art. 6 Abs. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), § 12 Nr. 4 Verfassungsgerichtgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg).

[2] Vgl. Art. 113 Nr. 1 LV

[3] Vgl. § 30 VerfGBbg.

[4] Sonstige Verfahren werden unter dem Aktenzeichen (AR) geführt, wenngleich, anders als beim Bundesverfassungsgericht, in Brandenburg kein allgemeines Register geführt wird.

[5] Vgl. hierzu im Einzelnen die Jahresberichte seit 2009: https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de/verfgbbg/de/presse-statistik/jahresberichte/.

[6] Vgl. https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresstatistiken/2020/gb2020/A-IV-3.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 17.Juli 2023).

[7] Das sogenannte Annahmeverfahren – wie für Verfassungsbeschwerden beim BVerfG seit August 1993 in § 93a Bundesverfassungsgerichtsgericht (BVerfGG) geregelt – ist dem VerfGGBbg fremd.

[8] Vgl. st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 16. Juni 2023 ‌‑ VfGBbg 16/23 ‑‌, Rn. 5, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de.

[9] Vgl. § 47 Abs. 1 VerfGGBbg.

[10] Eine Rücknahme erfolgt in der Praxis zumeist bereits nach zuvor erteiltem Hinweis durch den Berichterstatter.

[11] Vgl. Beschluss vom 18. Februar 2022 ‌‑ VfgBbg 54/21 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de.

[12] Vgl. Beschlüsse vom 26. August 2022 - VfgBbg 50/21 -, und vom 18. Februar 2022 ‌‑ VfGBbg 63/21 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de.

[13] Vgl. Urteil vom 20. Mai 2022 ‌‑ VfgBbg 94/20 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de.

[14] Vgl. Beschluss vom 26. Juli 2022 - VfGBbg 9/22 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de.

[15] Vgl. im Einzelnen Beschluss vom 26. Juli 2022 - VfGBbg 9/22 EA -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de.

[16] Vgl. im Einzelnen Urteil vom 20. Mai 2022 - VfGBbg 94/20 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de.