Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2021 - VfGBbg 43/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 6 Abs. 1; LV, Art. 8 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2; LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 46
- AsylG, § 36 Abs. 3 Sätze 5 bis 7
- VwVfG, § 45 Abs. 1 Nr. 2
- VwGO, § 60; VwGO, § 80 Abs. 7; VwGO, § 86 Abs. 4 Satz 3; VwGO, § 152a Abs. 1
- ZPO, § 117 Abs. 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- unzureichende Begründung
- asylrechtliches Eilverfahren
- unvollständiger Bescheid
- Heilung
- Wochenfrist
- Überraschungsentscheidung
- Subsidiarität
- Änderungsantrag
- Wiedereinsetzungsantrag
- Anhörungrüge
- faires Verfahren
- rechtliches Gehör
- Beruhen
- Sachvortrag
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2021 - VfGBbg 43/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 43/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 43/20 (PKH)

VfGBbg 43/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

D.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:              Rechtsanwalt
                                                                 F.,

 

beteiligt:

Präsident
des Verwaltungsgerichts Cottbus,
Vom-Stein-Straße 27,
03050 Cottbus,

wegen

Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 18. Dezember 2019
-VG 5 L 529/19.A

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. September 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen,
Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

1.    Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2.    Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen asylrechtlichen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus.

I.

Der Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben guinesischer Staatsangehöriger, beantragte in der Bundesrepublik Deutschland die Gewährung von Asyl. Bei dem ihm zugestellten, sein Begehren als offensichtlich unbegründet ablehnenden, Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Eisenhüttenstadt - vom 29. August 2019 fehlten die Seiten mit geraden Seitenzahlen. Der Bescheid enthielt den vollständigen Tenor und die Unterschrift.

Der Beschwerdeführer erhob vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage, die an das zuständige Verwaltungsgericht Cottbus verwiesen wurde, und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und Prozesskostenhilfe. Der Klage- und Antragsschriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 23. September 2019 enthält den Satz: „Der Antrag und die Klage werden in weiteren Schriftsätzen begründet werden. Das Gericht wird gebeten, den beabsichtigten Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mitzuteilen, damit die angekündigte Stellungnahme rechtzeitig vorliegt.“ 

Vor dem Verwaltungsgericht berief sich der Beschwerdeführer mit weiterem Schriftsatz vom 4. Oktober 2019 darauf, dass der offensichtlich unvollständige Bescheid rechtswidrig sei. Die Seiten des Bescheids mit den Seitenzahlen 2, 4, 6, 8, 10 und 12 seien auch nicht in dem übersandten Ausdruck der elektronischen Akte des Bundesamts enthalten. Es sei nicht mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens vereinbar, wenn das Bundesamt aufgefordert würde, den Bescheid nachzubessern. Das wäre auch mit dem Beschleunigungsgrundsatz des asylrechtlichen Verfahrens unvereinbar. Die Sache sei entscheidungsreif.

Mit Schreiben vom 20. November 2019 trug der Beschwerdeführer nochmals vor, dass das Eilverfahren entscheidungsreif sei. Wenn das Bundesamt die Akte immer noch nicht vorgelegt habe, sei das Vollziehungsinteresse nicht festzustellen, so dass automatisch vom Überwiegen des Aussetzungsinteresses auszugehen sei. Das Gericht wecke Zweifel an seiner Neutralität, wenn es die Entscheidung des Antrags nur deshalb aufschiebe, damit das Bundesamt seine prozessuale Situation verbessern könne. Im umgekehrten Fall geschähe das auch nicht.

Das Bundesamt übersandte dem Verwaltungsgericht auf Aufforderung die Seiten 1 bis 13 des Bescheids. Diese Seiten gelangten am 6. Dezember 2019 zur Gerichtsakte und wurden dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme übersandt. Das gerichtliche Anschreiben und die Seiten 1 bis 13 des Bescheids gingen am Dienstag, den 10. Dezember 2019 im Büro des Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer nahm weder Stellung, noch zeigte er an, dass er Stellung nehmen wolle, noch beantragte er die Gewährung einer Stellungnahmefrist.

Am Mittwoch der darauffolgenden Woche lehnte das Verwaltungsgericht Cottbus den Eilantrag und die Prozesskostenhilfe mit dem angegriffenen Beschluss vom 18. Dezember 2019 ‑ VG 5 L 529/19.A - ab. Zur Begründung führte es aus, Prozesskostenhilfe sei mangels der nach § 117 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Erklärung zu versagen. Der Begründungsmangel des Bescheids sei gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geheilt worden, indem das Bundesamt dem Gericht eine vollständige Begründung vorgelegt habe und diese dem Beschwerdeführer gemäß § 86 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) von Amts wegen übermittelt worden sei. Der Mangel der Begründung könne bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz behoben werden. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids, auf die die Prüfung im Rahmen des Eilrechtsschutzes beschränkt sei, bestünden nicht. Der vollständigen Begründung des Bescheids habe der Beschwerdeführer auch mehr als eine Woche nach Übermittlung materiell nichts entgegen gesetzt.

Gegen den Beschluss vom 18. Dezember 2019 ‑ VG 5 L 529/19.A - erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, die er im Wesentlichen damit begründete, dass eine Überraschungsentscheidung vorliege. Das Verwaltungsgericht hätte dem Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf der Grundlage des offensichtlich rechtswidrigen, da unvollständigen Bescheids sofort stattgeben müssen. Statt dessen habe das Bundesamt die Gelegenheit bekommen, nachzulegen und seine prozessuale Situation zu verbessern. Der dem Beschwerdeführer vom Gericht übersandte Bescheid sei formfehlerhaft. Es sei nicht klar, wie es zu ihm gekommen sei, denn den vollständigen Bescheid gebe es in der Bundesamtsakte nicht.

Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 17. März 2020 ‑ VG 5 L 1/20.A - als unbegründet zurück. Der Beschwerdeführer lege keine tatsächlichen Umstände dar, aus denen sich ergebe, dass das Gericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt habe, § 152a Abs. 1 VwGO. Eine Überraschungsentscheidung liege nicht vor. Von einer solchen sei nur auszugehen, wenn eine Entscheidung sich ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stütze, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauche. Das Gericht habe den Beschwerdeführer nach Übermittlung der Seiten 1 bis 13 des Bescheids nicht zur Stellungnahme auffordern müssen. Eine Entscheidung sei ab diesem Zeitpunkt zeitnah zu erwarten gewesen. Ein Verfahrensbevollmächtigter wisse auch, dass er jederzeit die Möglichkeit zur Stellungnahme habe. Der Beschwerdeführer hätte auch die Möglichkeit gehabt, zur Wirksamkeit des Bescheids vorzutragen. Das Gericht habe bis zum 18. Dezember 2019 mit der Entscheidung abgewartet. Formale Mängel des Bescheids würden erstmalig mit der Anhörungsrüge gerügt. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liege damit nicht vor. Im Anhörungsrügeverfahren werde auch nicht geprüft, ob das Gericht gegen § 36 Abs. 3 Sätze 5 bis 7 Asylgesetz (AsylG) verstoßen habe.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 17. Mai 2020 Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 18. Dezember 2019 ‌‑ VG 5 L 529/19.A - erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten beantragt.

Er rügt die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör vor Gericht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), die Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht aus Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV, die Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und des Verbots der Rechtswegverhinderung aus Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV i. V. m. der Rechtsweggarantie des Art. 6 Abs. 1 LV sowie eine mittelbare Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 8 Abs. 1 LV.

III.

Der Präsident des Verwaltungsgerichts Cottbus hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

Der Präsident des Verwaltungsgerichts Cottbus trägt vor, dass das rechtliche Gehör nicht verletzt sei. Das Gericht habe das Eilverfahren erst nach Nachreichung des vollständigen Bescheids als entscheidungsreif angesehen. Eine Überraschungsentscheidung liege nicht vor. Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter habe seit der Übermittlung des vollständigen Bescheids durch das Gericht damit rechnen müssen, dass eine gerichtliche Entscheidung ergehen würde. Der Beschwerdeführer sei anwaltlich vertreten.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Dabei kann offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde wegen des Grundsatzes der Subsidiarität, wonach der Beschwerdeführer alle nach der Lage der Sache zur Verfügung stehenden zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnäheren Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 24. März 2017 ‑ VfGBbg 27/16 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.), unzulässig ist, weil neben der Anhörungsrüge auch ein Antrag auf Änderung des Beschlusses gemäß § 80 Abs. 7 VwGO (vgl. in diesem Sinne: BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2003 ‑ 2 BvR 153/02 -, Rn. 35 und Rn. 39, www.bverfg.de) und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO (vgl. in diesem Sinne: BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2003 ‌‑ 2 BvR 153/02 -, Rn. 34, www.bverfg.de) hätten gestellt werden müssen, oder weil dem Beschwerdeführer sogar vorgehalten werden könnte, dass er nicht sofort in der Klage- und Antragsschrift zur Sache vorgetragen hat, sich nicht um vollständige Kenntnis der Gründe des Bescheids direkt gegenüber dem Bundesamt bemüht hat, um umfänglich in der Sache vorzutragen, und er nicht unmittelbar nach Übermittlung der Seiten 1 bis 13 des Bescheids vorgetragen beziehungsweise um eine Stellungnahmefrist gebeten hat.

2. Die Verfassungsbeschwerde genügt schon nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch dazulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidiert. Es bedarf einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (str. Rspr., vgl. Beschluss vom 19. Februar 2021 ‑ VfGBbg 28/20 -, Rn. 9, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).

Dies leistet die Beschwerdeschrift nicht. Sie zeigt eine mögliche Verletzung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechte nicht auf.

a) Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV, weil das Gericht ihm nicht ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme zum Inhalt der Seiten 1 bis 13 des Bescheids gegeben habe beziehungsweise nicht angekündigt habe, dass es innerhalb einer Woche entscheiden werde. Die Entscheidung schon nach einer Woche sei überraschend gewesen.

Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV gewährt den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den für diese erheblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern (st. Rspr., vgl. ausführlich Beschluss vom 16. März 2018 ‌‑ VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Dabei darf ein Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretener Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. Beschluss vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 42/18 -, Rn. 27, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nur dann verletzt, wenn die angegriffene gerichtliche Entscheidung auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht. Dazu muss der Vortrag, den der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs gehalten hätte, zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung führen können. Wenn der Beschwerdeführer nicht darlegt, was er über das bisherige Vorbringen hinaus noch weiter vorgetragen hätte, ist nicht ersichtlich, dass die angegriffene Entscheidung auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (vgl. Beschluss vom 19. Juni 2020 ‑ VfGBbg 42/18 -, Rn. 29, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht zu entnehmen, was er in der Sache vorgetragen hätte. Damit hat er nicht schlüssig und substantiiert dargelegt, inwieweit sein Vortrag möglichweise zu einer anderen Entscheidung hätte führen können, und dass sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs überhaupt auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt haben könnte.

b) Auch eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren ist nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht aus Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV, das in Verbindung mit der Rechtsweggarantie aus Art. 6 Abs. 1 LV auch einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutzes und das Verbot der Rechtswegverhinderung beinhalte und besage, dass ein eröffnetes Rechtmittel nicht durch überzogene Verfahrensanforderungen ineffektiv gemacht werden und für den Beschwerdeführer leerlaufen dürfe. Der Richter sei voreingenommen gewesen. Er habe die Beteiligten nicht gleich behandelt. Er habe in einer prozessualen Situation, in der der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage begründet gewesen sei, entgegen § 36 Abs. 3 AsylG abgewartet, um dem Bundesamt die Möglichkeit zu geben, durch Nachreichen seine prozessuale Situation zu verbessern. Der Beschwerdeführer habe nach der großzügigen Frist von sieben Wochen, die dem Bundesamt gewährt worden sei, nicht damit rechnen müssen, dass das Gericht acht Tage nach dem Übersenden des nachgereichten vollständigen Bescheids an ihn zur Kenntnisnahme über das Eilverfahren entscheiden werde, ohne seine Stellungnahme abzuwarten. Es liege eine Überraschungsentscheidung und eine einseitige Parteinahme vor.

Der Anspruch auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gemäß Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 LV verbietet es, Menschen zum bloßen Objekt eines Verfahrens zu machen. Ein wesentliches Element ist der Grundsatz der Waffen- und Chancengleichheit, d. h. die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter. Den Parteien muss ausreichende, angemessene und gleiche Gelegenheit zur Stellungnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegeben werden und keine Partei darf benachteiligt werden (vgl. Beschluss vom 17. Januar 2020 ‑ VfGBbg 68/19 -, Rn. 26, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).

Die Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren setzt jedoch ebenfalls voraus, dass die Entscheidung auf dem Verstoß beruhen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. März 2005 ‑ 1 BvR 950/04 -, Rn. 12, www.bverfg.de; BVerfG, Beschluss vom 20. Januar 2005 ‑ 1 BvR 2717/04, 1 BvR 2748/04 -, Rn. 9, juris; BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 2008 ‌‑ 2 BvR 2300/07 -, Rn. 22, www.bverfg.de; BVerfG, Beschluss vom 25. August 2014 ‌‑ 2 BvR 2048/13 -, Rn. 16, www.bverfg.de; BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2015 ‌‑2 BvR 1043/15 -, Rn. 5 ff., www.bverfg.de; BVerfG, Beschluss vom 28. April 2021 ‑ 2 BvR 1451/18 -, Rn. 5, www.bverfg.de; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2021 ‌‑ 2 BvR 277/19 -, Rn.  5, www.bverfg.de).

Die Möglichkeit, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren beruhen könnte, ist auch hier deswegen nicht dargelegt, weil der Beschwerdeführer nicht vorträgt, was er inhaltlich zur Sache vorgetragen hätte, wäre ihm eine längere Stellungnahmefrist gewährt worden. Die Möglichkeit, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des fairen Verfahrens beruhen könnte, ist daher nicht schlüssig und substantiiert dargelegt. Dies würde aber zu einer Begründung der Verfassungsbeschwerde gehören.

Anderes gilt auch nicht, soweit der Beschwerdeführer den Anspruch auf ein faires Verfahren auch dadurch verletzt sieht, dass das Gericht nicht innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 5 AsylG entschieden hat. Insofern setzt er sich nicht damit auseinander, ob ein Nichtbeachten der Regeln in § 36 Abs. 3 Sätze 5 bis 7 AsylG überhaupt rechtliche Auswirkungen haben kann (verneinend: Pietzsch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 29. Ed., Stand: 1.4.2021, § 36 AsylG, Rn. 27).

c) Soweit der Beschwerdeführer eine mittelbare Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 8 Abs. 1 LV rügt, erfolgen keinerlei Ausführungen.

d) Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass der Bescheid in der vollständigen Form nicht Bestandteil der Akten gewesen sei, dass das Gericht die Unwirksamkeit der Bekanntgabe des Bescheids verkannt habe und dass das Bundesamt die Bekanntgabe der fehlenden Seiten des Bescheids an den Beschwerdeführer durch das Gericht nicht gewollt habe, zielt dieser Vortrag auf eine Überprüfung der Tatsachenbewertung und der einfachrechtlichen Rechtsanwendung durch das Fachgericht. Diese Überprüfung obliegt dem Verfassungsgericht jedoch nicht. Die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts ist den Fachgerichten anvertraut. Das Landesverfassungsgericht ist nicht zur Überprüfung der Fachgerichtsbarkeit nach Art eines Rechtsmittelgerichts berufen, sondern hat allein darüber zu wachen, ob gegen die Landesverfassung verstoßen worden ist (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 30. November 2018 ‑ VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Inwieweit die Sachbehandlung durch das Verwaltungsgericht gegen Verfassungsrecht verstoßen haben könnte, wird vom Beschwerdeführer nicht aufgearbeitet.

C.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten für dieses Verfahren ist abzulehnen, da die Verfassungsbeschwerde aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (§ 48 VerfGGBbg i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Übrigen fehlt es an der nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

Möller

Dresen

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß