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VerfGBbg, Beschluss vom 30. November 2018 - VfGBbg 56/16 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 13 Abs. 1
- VwGO, § 152a
Schlagworte: - Anhörungsrüge
- unbegründet
- keine Verletzung rechtlichen Gehörs
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 30. November 2018 - VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 56/16




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.

Beschwerdeführer,

wegen            Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 11. Mai 2010 (36 BRH 147/07) und Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. August 2010 und vom 16. August 2016 (2 Ws (Reha) 60/10)

hier:                Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts vom 16. März 2018

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 30. November 2018

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

 

A.

Mit Beschluss vom 16. März 2018 hat das Verfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, mit welcher sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung einer Rehabilitierung wegen der Unterbringung in einem Jugendwerkhof in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gewandt hatte.

Gegen diesen am 7. Mai 2018 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 24. Mai 2018 Anhörungsrüge erhoben. Der auf dem hierzu gehörigen Briefumschlag aufgedruckte Poststempel trägt das Einlieferungsdatum 19. Mai 2018.

Der Beschwerdeführer ist im Wesentlichen der Ansicht, der Beschluss des Verfassungsgerichts verletze ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, weil seinem Sachvortrag zur Frage des Kindeswohls durch Vorenthaltung von Bildung nicht hinreichend nachgegangen worden sei. Das Verfassungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Brandenburgische Oberlandesgericht diesbezüglich keine Anhörungspflichten träfen, weil der Beschwerdeführer der Jugendhilfeakte nichts entgegengesetzt habe. Wegen der nach seiner Ansicht unsensiblen Entscheidung über die Beziehung zu dessen Mutter und deren Zeugnisbereitschaft sowie zur systematisch völlig verklärten Ausbildung in „Teilfacharbeit“ sei das Verfassungsgericht zu falschen Schlüssen gekommen. Wäre es dem Sachvortrag ausreichend nachgegangen, hätte sich nach Meinung des Beschwerdeführers die Frage nach dem Kindeswohl aufgedrängt und der Verfassungsbeschwerde wäre unter Anschluss an die zitierte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg stattgegeben worden.

B.

Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

Das Anhörungsrügeverfahren vor dem Verfassungsgericht richtet sich nach § 152a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 13 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg).

 

I.

Die Anhörungsrüge ist zulässig.

Zwar ist die Anhörungsrüge nicht innerhalb der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO i. V. m. § 13 Abs. 1 VerfGGBbg von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs beim Verfassungsgericht eingegangen. Diese Frist lief am 21. Mai 2018 ab, nachdem der mit der Anhörungsrüge beanstandete Beschluss dem Beschwerdeführer am 7. Mai 2018 zugestellt worden ist.

Dem Beschwerdeführer ist aber entsprechend § 47 Abs. 2 VerfGGBbg Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Eines gesonderten Antrags bedurfte es hierfür nicht (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 4 VerfGGBbg). Die offensichtlich eingetretene Verzögerung der Zustellung durch die Deutsche Post AG darf dem Beschwerdeführer nicht als Verschulden zugerechnet werden (vgl. hierzu den angegriffenen Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.bran-denburg.de, m. w. N.). Da der Beschwerdeführer die Anhörungsrügeschrift ausweislich des Poststempels am 19. Mai 2018 zur Post aufgegeben hatte, durfte er bei einer normalen Beförderungsdauer mit der Zustellung am nächsten Werktag nach der Einlieferung rechnen, hier fristwahrend am Montag, den 21. Mai 2018.

II.

Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet.

Das Verfahren ist gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 13 Abs. 1
VerfGGBbg auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Letztere Voraussetzung ist nicht erfüllt.

1. Der in Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Landesverfassung verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Verfassungsgericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und rechtzeitiges, möglicherweise erhebliches Vorbringen bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Für die Feststellung eines Verstoßes hiergegen bedarf es besonderer Umstände. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. Beschluss vom 20. Juli 2017 - VfGBbg 63/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

2. Gemessen an diesem Maßstab ist eine Gehörsverletzung durch den angegriffenen Beschluss des Verfassungsgerichts nicht gegeben.

a. Es trifft nicht zu, dass sich der Beschluss des Verfassungsgerichts mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der bereits mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Verletzung des Kindeswohls durch Vorenthaltung von Bildung nicht befasst. Hierzu verhält sich der angegriffene Beschluss ausdrücklich auf Seiten 24 f, 30 des Entscheidungsabdrucks.

An dieser Stelle hat das Verfassungsgericht auch zutreffend herausgestellt, dass der Aspekt der behaupteten Kindeswohlverletzung die materiell-rechtliche Würdigung des unstreitigen Sachverhalts durch die Rehabilitierungsgerichte betraf und deren Rechtsprechung nicht der verfassungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das Verfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz zur Überprüfung der Fachgerichtsbarkeit, sondern hat allein darüber zu wachen, ob gegen die Landesverfassung verstoßen worden ist (Beschluss vom 15. Januar 2009 - VfGBbg 52/07 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung war danach nur insoweit der Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterzogen, wie der Antragsteller in zulässiger Weise eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör durch den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 3. August 2010 geltend gemacht hatte.

b. Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass das Verfassungsgericht keine verfassungsrechtlich relevanten Defizite in der Sachverhaltsaufklärung durch das Oberlandesgericht zu sehen vermochte, ist der Schutzbereich des Rechts auf rechtliches Gehör nicht betroffen. Es besteht kein Anspruch darauf, dass sich das Verfassungsgericht der Bewertung eines Beteiligten anschließt, also „auf ihn hört“. Das Grundrecht schützt nicht davor, dass das Gericht die rechtliche Beurteilung eines Verfahrensbeteiligten nicht teilt und eine andere Rechtsauffassung als dieser vertritt (st. Rspr., vgl. z. B. Beschluss vom 16. Februar 2018 - VfGBbg 118/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Entsprechend dient die Anhörungsrüge nicht dazu, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zur Überprüfung einer dem Rechtsbehelfsführer ungünstigen Rechtsauffassung zu veranlassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. September 2015 - 2 BvR 1586/15 -, m. w. N.).

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt