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VerfGBbg, Beschluss vom 24. März 2017 - VfGBbg 27/16 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Satz 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
- StrRehaG, § 15
- StPO, § 33a
Schlagworte: - Rechtswegerschöpfung
- rechtliches Gehör
- Grundrechtsrüge
- Anhörungsrüge
- Subsidiarität
- Vorabentscheidung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 24. März 2017 - VfGBbg 27/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 27/16




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

B.,

Beschwerdeführer,

 

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt
Dr. Z.,

 

wegen            Beschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 5. Mai 2015 (BRH 97/13) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 31. Mai 2016 (2 Ws (Reha) 10/15)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

 

am 24. März 2017

 

durch die Verfassungsrichter Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

 

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

 

Gründe:

 

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung eines Antrags auf strafrechtliche Rehabilitierung.

 

I.

Der am 14. Dezember 1953 geborene Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Kreisgerichts K. vom 20. April 1972 wegen Rowdytums gemäß § 215 Abs. 1 StGB-DDR auf Bewährung verurteilt und die Bewährungszeit auf zwei Jahre festgesetzt. Das Kreisgericht legte der Verurteilung ein Geschehen vom 21./22. Oktober 1971 am Bahnhof B. zugrunde, bei dem der Beschwerdeführer mit einem weiteren Angeklagten Passanten verbal bedrängt haben soll und beide in eine körperliche Auseinandersetzung mit diesen verwickelt gewesen seien. Die Sachverhaltsfeststellung stützte das Kreisgericht auf eine Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, in der verschiedene Zeugen vernommen worden waren und beide Angeklagten ein Geständnis abgelegt haben sollen.

 

Mit Schreiben vom 2. März 2014 beantragte der Beschwerdeführer unter Übersendung einer Ablichtung des Urteils seine Rehabilitation hinsichtlich der Verurteilung vom 20. April 1972 und führte zur Begründung aus, dass er bestreite, dass sich die Taten, wie im Urteil beschrieben, zugetragen hätten. Selbst nach den Angaben im Urteil sei zu erkennen, dass er niemanden angegriffen, verletzt, beleidigt oder sonst strafrechtlich relevante Taten begangen habe. Es scheine, als seien die Äußerungen des Mitangeklagten der Grund gewesen, dass man ein Exempel habe statuieren wollen. Der Prozess sei ein Schauprozess gewesen, zu dem ganze Schulklassen hätten erscheinen müssen und die Öffentlichkeit und Presse ausdrücklich vorgeladen worden seien. Eine objektive Beurteilung der Tatvorgänge sei so nicht möglich gewesen. Mit späterem Schreiben führte er weiter aus, dass ein Gruppendelikt und der Vorsatz konstruiert worden seien, um gegen zwei Jugendliche, die sichtbar unangepasst gelebt und nichts strafrechtlich Relevantes getan hätten, eine Haftstrafe begründen zu können. In der DDR sei es üblich gewesen, Jugendliche seines Aussehens anzugreifen, zu schlagen und zu demütigen. Jugendliche, die durch öffentlich getragene Zeichen, wie bei ihm die langen Haare, ihre abweichende Haltung zum DDR-Staat gezeigt hätten, sollten mit strafrechtlich durchgesetzten Erziehungsmaßnahmen gegen ihren Willen für den Sozialismus zurechtgebogen werden.

 

Mit Beschluss vom 5. Mai 2015 wies das Landgericht Potsdam den Rehabilitierungsantrag nach einer Anhörung des Beschwerdeführers zurück (BRH 97/13). Die angefochtene Verurteilung habe nicht politischer Verfolgung gedient. Die angewandten Strafvorschriften begründeten nicht die regelmäßige Vermutung politischer Verfolgung. Die bloße Anwendung der Vorschriften rechtfertige auch nicht die Vermutung politischer Verfolgung außerhalb der Regelbeispiele im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbsatz StrRehaG. Der Beschwerdeführer sei vielmehr für ein Verhalten zur Verantwortung gezogen worden, das gleichermaßen auch im Rahmen einer rechtsstaatlich verfassten Strafrechtsordnung mit Strafe, nämlich als Körperverletzung, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bedroht gewesen wäre. Soweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der angegriffenen Entscheidung in Frage stelle, lasse sich hieraus nicht ableiten, dass die Verurteilung politisch motiviert gewesen sei. Für die Darstellung des Antragstellers, dass Zeugenaussagen falsch gewürdigt und seine eigene damalige Einlassung nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, um seine strafrechtliche Verfolgung zu ermöglichen, lägen keine für die strafrechtliche Rehabilitierung ausreichenden Anhaltspunkte vor. Ob die damaligen Zeugenaussagen, wonach die Provokationen von den Angeklagten ausgegangen seien, falsch gewesen oder falsch gewürdigt worden seien, lasse sich heute nicht mehr mit hinreichender Sicherheit feststellen. Die verhängte Strafe stehe auch in keinem groben Missverhältnis zu der zugrundeliegenden Tat.

 

Seine unter dem 10. Juni 2015 erhobene Beschwerde begründete der Beschwerdeführer mit einer Stellungnahme eines Mitarbeiters der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur sowie unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Ergänzend machte er geltend, dass hinreichende Indizien vorlägen, die eindeutig darauf hindeuteten, dass der im Urteil beschriebene Tathergang so nicht stattgefunden habe, die damaligen Tatumstände vielmehr bewusst gefälscht worden seien. Er bestreite das im Urteil genannte Geständnis. Auch erkläre unter anderem ein von ihm benannter Zeuge, dass der damalige Mitangeklagte aufgrund eines schweren Sprachfehlers die ihm zugeschriebenen Aussagen nicht habe tätigen können. Es sei daher zu versuchen, die damaligen Zeugen ausfindig zu machen und erneut zu befragen. Ebenso sei eine Anfrage an den Bundesbeauftragten zu richten, ob die damaligen Zeugen Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes gewesen seien.

 

Das Brandenburgische Oberlandesgericht verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 31. März 2016 (2 Ws (Reha) 10/15). Zur Begründung nahm es Bezug auf die Gründe des Beschlusses des Landgerichts; das Beschwerdevorbringen rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Es ergäben sich daraus auch keine Umstände, die eine erneute Anhörung des Beschwerdeführers erforderlich machten. Die von ihm benannten Zeugen könnten bereits nach seinem eigenen Vorbringen keine Angaben dazu machen, ob gerade die Verurteilung vom 20. April 1972 seiner politischen Verfolgung gedient habe. Anhaltspunkte dafür, dass sich die damalige politische Einstellung des Beschwerdeführers in dem gegen ihn geführten Strafverfahren entscheidend ausgewirkt habe, seien nicht erkennbar. Im Übrigen greife der Beschwerdeführer den damals von dem Gericht festgestellten Sachverhalt an. Jedoch unterliege das frühere Urteil im Rehabilitierungsverfahren nicht der Überprüfung darauf, ob die damals getroffenen Feststellungen zutreffend seien. Dies könne allenfalls Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens sein.

 

II.

Mit seiner am 7. Juni 2016 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen beide rehabilitationsgerichtlichen Entscheidungen und rügt eine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz.

 

Sowohl das Landgericht Potsdam wie auch das Brandenburgische Oberlandesgericht hätten sich durch die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Kreisgerichts als gebunden angesehen, ohne zu prüfen, ob und inwieweit seine Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen zuträfen oder zumindest so glaubhaft seien, dass ihnen zu folgen sei. Das Rehabilitationsgericht sei verpflichtet zu prüfen, ob das DDR-Strafgericht einen Sachverhalt willkürlich festgestellt habe, obwohl dieser der Wirklichkeit nicht entsprochen habe, ein solcher Sachverhalt von den Untersuchungsorganen der Wirklichkeit zuwider konstruiert worden oder ein Geständnis fingiert worden sei, obwohl der damalige Angeklagte bestritten und entlastende Tatsachen vorgebracht habe. Er habe umfangreich dazu vorgetragen, dass die Feststellungen im Urteil des Kreisgerichts K. zur Ermöglichung seiner Bestrafung falsch gewesen seien. Auch mit seinen Hinweisen auf die mit dem Verfahren verfolgten politischen Absichten - Statuierung eines abschreckenden Exempels gegen die als systemfeindlich angesehene Jugend-Protestbewegung - hätten sich die Gerichte nicht auseinandergesetzt. Sie hätten vielmehr den Sachverhaltsfeststellungen des Kreisgerichts ohne weitere Aufklärung und Prüfung Glauben geschenkt. Das Oberlandesgericht habe ausdrücklich ausgeführt, dass es ihm verwehrt sei, die tatsächlichen Feststellungen des Kreisgerichts auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Daher habe es sich mit den vielen Einwendungen, Hinweisen und Beweisen, die er vorgetragen habe, nicht auseinandergesetzt. Dies sei fehlerhaft und verweigere ihm den gerichtlichen Rechtsschutz. § 10 StrRehaG verpflichte das Rehabilitationsgericht, von Amts wegen die angegriffene Entscheidung, ihr Zustandekommen und den zugrundeliegenden Sachverhalt zu überprüfen. Es stelle eine Verkennung von Sinn und Zweck des Rehabilitierungsverfahrens dar, wenn das Rehabilitierungsgericht von der fortdauernden Wirksamkeit von Urteilen der ehemaligen DDR ausgehe. Vielmehr sei das Gericht gehalten, allen Hinweisen auf eine mögliche politische Verfolgung oder auf sonstige sachfremde Gründe für eine Verurteilung des Beschwerdeführers unter Ausnutzung aller ihm im Freibeweisverfahren zur Verfügung stehenden Mittel nachzugehen. So sei hier seine erneute Anhörung durch das Oberlandesgericht ebenso möglich und geboten gewesen, wie eine Ermittlung und Anhörung des damaligen Mitangeklagten. Wenn das Oberlandesgericht erkannt hätte, dass es sein im Beschwerdeverfahren vertieftes Vorbringen hätte zur Kenntnis nehmen und würdigen müssen, wäre naheliegend gewesen, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, sein Vortrag zur politischen Motivation seiner Verurteilung sei zutreffend. Dieser Würdigung habe sich das Oberlandesgericht entzogen. Es sei weder auf die vorgelegten sachverständigen Äußerungen des Mitarbeiters der Landesbeauftragten noch auf sein ergänzendes und zusätzlich substantiiertes Vorbringen eingegangen.

 

III.

Die Präsidenten des Landgerichts Potsdam und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde.

 

Die Verfahrensakte BRH 97/13 wurde beigezogen.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen.

 

1. Die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ergibt sich bereits aus der fehlenden Rechtswegerschöpfung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg).

 

Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) geltend gemacht, dann gehört die Anhörungsrüge zum Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde im Regelfall abhängig ist (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 15. September 2005 - VfGBbg 38/05 - und vom 20. November 2015 - VfGBbg  71/15  -, www.verfas­sungsgericht.branden­burg.de). Der Beschwerdeführer rügt hier der Sache nach eine Gehörsverletzung, hat aber keine Anhörungsrüge nach § 15 Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) i. V. m. § 33a Strafprozessordnung (StPO) erhoben (vgl. zur Anwendbarkeit BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2016 - 2 BvR 1267/15 -, juris Rn. 19). Zwar benennt der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör, er macht vielmehr allein eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz geltend. Entscheidend ist aber nicht, welches Grundrecht ein Beschwerdeführer benennt, sondern welches er objektiv der Sache nach rügt. Ergibt sich aus seinem Vorbringen (auch) die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs, dann bedarf es zur Erschöpfung des Rechtsweges der Erhebung der Anhörungsrüge vor dem zuständigen Fachgericht (vgl. Beschlüsse vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 21/13 -, vom 29. August 2014 - VfGBbg 1/14 - und vom 19. September 2014 - VfGBbg 18/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht vgl. BVerfGK 19, 23, 24; BVerfG, Beschlüsse vom 30. Mai 2008 - 1 BvR 27/08 ‑, juris Rn. 12, und vom 7. Oktober 2016 - 2 BvR 1313/16 -, juris Rn. 3).

 

Vorliegend macht der Beschwerdeführer auch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. So trägt er in der Beschwerdeschrift sowie dem Schriftsatz vom 25. August 2015 vor, dass die angegriffenen Entscheidungen sein umfangreiches Vorbringen dazu, dass die Feststellungen im Urteil des Kreisgerichts falsch und mit dem Verfahren politische Absichten verfolgt worden seien, nicht gewürdigt hätten. Sie setzten sich insbesondere nicht mit seinen zahlreichen Einwendungen, Hinweisen und Beweisen auseinander. Insbesondere habe er im Beschwerdeverfahren weitere Fakten vorgetragen, die, wenn das Oberlandesgericht dies zur Kenntnis genommen und gewürdigt hätte, dazu hätten führen müssen, hinreichende Anhaltspunkte für eine politische Motivation der Verurteilung anzunehmen. Damit behauptet der Beschwerdeführer der Sache nach eine Verletzung der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgenden Verpflichtung der Gerichte, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. Beschlüsse vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 2/05 -, LVerfGE 16, 157, 162, vom 10. Mai 2007 - VfGBbg 8/07 -, LVerfGE 18, 150, 157, und vom 6. Januar 2016 - VfGBbg 69/15 -, www.verfassungs­gericht.branden­burg.de).

 

Die unterbliebene Erhebung der statthaften Anhörungsrüge hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf eine etwaige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern insgesamt unzulässig ist (st. Rspr., vgl. etwa Beschlüsse vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 33/12 -, vom 29. August 2014 - VfGBbg 1/14 - und vom 6. Januar 2016 - VfGBbg 88/15 -, www.verfassungsgericht.branden­burg.de).

 

2. Selbst wenn man davon ausginge, der Beschwerdeführer habe in der Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht gerügt, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn auch dann folgte die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde aus dem Fehlen einer Anhörungsrüge, wenngleich unter dem Aspekt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde.

 

Der aus § 45 Abs. 2 VerfGGBbg abgeleitete Grundsatz der materiellen Subsidiarität gebietet, dass der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht lediglich formell erschöpft, sondern darüber hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 21. Dezember 2006 - VfGBbg 20/06 -, LVerfGE 17, 146, 150, vom 27. Mai 2011 - VfGBbg 20/10 -, vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 - und vom 9. September 2016 - VfGBbg 25/16 -, www.ver­fassungsgericht.brandenburg.de). Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer gehalten sein kann, eine Gehörsverletzung im fachgerichtlichen Verfahren auch dann mit einer Anhörungsrüge anzugreifen, wenn er mit der Verfassungsbeschwerde zwar keinen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV rügen will, die Erhebung der Anhörungsrüge aber zur Beseitigung anderweitiger Grundrechtsverletzungen führen könnte. Denn die Dispositionsfreiheit bei der Erhebung der Verfassungsbeschwerde entbindet den Beschwerdeführer nicht ohne weiteres von der Beachtung des Subsidiaritätsgebots. Beruft sich ein Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht auf eine Verletzung von Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV, muss er aus Gründen der Subsidiarität dann eine Anhörungsrüge erhoben haben, wenn den Umständen nach ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nicht ganz fernliegt und zu erwarten gewesen wäre, dass vernünftige Verfahrensbeteiligte mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer diesen Rechtsbehelf ergriffen hätten (vgl. BVerfGE 134, 106, 115; BVerfGK, 19, 23, 24 f; BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 2016 - 2 BvR 544/16 -, juris Rn. 4, und vom 4. Juli 2016 - 2 BvR 1552/14 -, juris Rn. 5).

 

Gemessen hieran ist vorliegend der Grundsatz der Subsidiarität verletzt, weil der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts keine Anhörungsrüge erhoben hat, obwohl nach den Ausführungen des Beschlusses vom 31. Mai 2016 jedenfalls zweifelhaft erscheint, dass das Oberlandesgericht das maßgebliche und im Beschwerdeverfahren vertiefte Vorbringen des Beschwerdeführers zur manipulativen Feststellung des Sachverhalts (vgl. zur Relevanz für die strafrechtliche Rehabilitierung: Schröder, in: Bruns/Schröder/Tap­pert, StrRehaG, 1993, Vorb § 1 Rn. 20 und § 1 Rn. 72; Schwarze, in: Herzler/Lad­ner/Peifer/Schwar­ze/Wende, Potsdamer Kommentar Rehabilitierung, 2. Aufl. 1997, StrRehaG § 1 Rn. 160; Bruns/Schrö­der/Tap­pert, VIZ 1993, 129, 135) in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat.

 

3. Die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg liegen nicht vor. Dem Beschwerdeführer entsteht kein schwerer und unabwendbarer Nachteil, wenn er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VerfGGBbg). Dazu müsste eine Grundrechtsverletzung im Raum stehen, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre (vgl. Beschlüsse vom 21. Dezember 2006 - VfGBbg 20/06 -, LVerfGE 17, 146, 151 f, und vom 20. Juni 2014 - VfGBbg 51/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Hierfür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ebenso wenig ist eine allgemeine Bedeutung der Verfassungsbeschwerde (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VerfGGBbg) erkennbar, für die erforderlich wäre, dass diese der Klärung einer Vielzahl von in tatsächlicher und einfachrechtlicher Hinsicht gleichgelagerten Fällen dient (vgl. zu dieser Voraussetzung: Beschlüsse vom 21. November 1996 - VfGBbg 26/96 -, LVerfGE 5, 94, 106, und vom 20. Juni 2014 - VfGBbg - 51/13 -, www.verfassungsge­richt.brandenburg.de).

 

4. Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Dr. Becker Dielitz
   
Dresen Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Partikel
   
Schmidt