Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 20. August 2021 - VfGBbg 68/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 6 Abs. 3; LV, Art. 26 Abs. 1; LV, Art. 27 Abs. 3; LV, Art. 27 Abs. 7
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2, VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 45 Abs. 1
- BGB, § 839 Abs. 3
- GG, Art. 34
- KitaG, § 1 Abs. 2
- SGB VIII, § 24 Abs. 2 Satz 1
- StHG, § 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- unzureichende Begründung
- Beschwerdebefugnis
- Kapazitätsmangel
- Kindertagesbetreuungsplatz
- Kindeswohl
- Prozessstandschaft
- Schadensersatz
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. August 2021 - VfGBbg 68/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 68/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 68/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

P.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:              J.
                                                                Rechtsanwälte,

 

beteiligt:

Präsident
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts,
Gertrud-Piter-Platz 11,
14770 Brandenburg an der Havel,

Äußerungsberechtigter,

wegen

Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. Juni 2020 ‌‑ 2 U 61/19

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. August 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Dr. Strauß, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

 

                        Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen ein Berufungsurteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, soweit es ihre Klage auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalls infolge der nicht rechtzeitigen Bereitstellung eines Kindertagesbetreuungsplatzes gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe als unbegründet abweist.

I.

Die Beschwerdeführerin ist Mutter eines am ... geborenen Kindes. Sie ist als Beamtin ... tätig und beabsichtigte, den Dienst zum ... wieder anzutreten. Gemeinsam mit dem Vater des Kindes beantragte sie am ... einen Betreuungsplatz zum März 2018 bei der Gemeinde ....

Die Gemeinde wies unter dem 23. Oktober 2017 die Beschwerdeführerin darauf hin, dass ein Kinderbetreuungsplatz mangels ausreichenden Betreuungspersonals voraussichtlich erst zum August 2018 zur Verfügung stehe. Mitte Januar 2018 teilte die Gemeinde mit, dass ein Betreuungsplatz ab dem 21. August 2018 bereitgestellt werden könne. Die Beschwerdeführerin beantragte am 22. Januar 2018 bei ihrer Dienstvorgesetzten die Verlängerung der Elternzeit bis zum 9. August 2018. Mit Anwaltsschreiben vom 26. Februar 2018 forderte die Beschwerdeführerin den Landkreis Havelland als örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf, Schadensersatzansprüche aufgrund ihres Verdienstausfalls wegen der Nichtzurverfügungstellung eines Kinderbetreuungsplatzes dem Grunde nach anzuerkennen.

Der vom Landkreis eingeschaltete Versicherer lehnte mit Schreiben vom 31. Mai 2018 eine Haftungsübernahme ab.

Die Beschwerdeführerin erhob Klage beim Landgericht Potsdam, mit der sie die Zahlung von Schadensersatz in Höhe des ihr entgangenen Bruttogehalts begehrte. Das Landgericht Potsdam gab der Klage mit Urteil vom 10. April 2019 ‌‑ 4 O 191/18 ‑‌ teilweise statt. Die Beschwerdeführerin habe einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt des Nettoverdienstausfalls aus § 1 Abs. 1 Gesetz zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik (Staatshaftungsgesetz - StHG), § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. Art. 34 Grundgesetz (GG) gegen den Landkreis. Auf Bruttobeträge, die ihr nicht ausgezahlt würden, bestünde kein Anspruch.

Gegen das Urteil des Landgerichts legten die Beschwerdeführerin und der Landkreis wechselseitig Berufung beim Brandenburgischen Oberlandesgericht ein, die Beschwerdeführerin mit dem Ziel, Schadensersatz in Höhe des Bruttoverdienstausfalls zu erhalten, der Landkreis mit dem Ziel der Klageabweisung.

Das Oberlandesgericht änderte auf die Berufung des Landkreises das Urteil des Landgerichts Potsdam ab und wies die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 30. Juni 2020 ‌- 2 U 61/19 ‑‌, dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 6. Juli 2020 zugestellt, ab. Die Berufung der Beschwerdeführerin verwarf das Gericht teils als unzulässig und wies sie im Übrigen als unbegründet zurück. Der Beschwerdeführerin stehe gegen den Landkreis kein Anspruch auf Schadensersatz wegen des nicht bereitgestellten Betreuungsplatzes für ihr Kind aus Amts- oder Staatshaftung zu. Der Anspruch scheitere daran, dass die Beschwerdeführerin es schuldhaft unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 2 StHG bzw. § 839 Abs. 3 BGB). Nach dem Willen des Gesetzgebers sei zur Beseitigung einer rechtswidrigen Maßnahme in erster Linie Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft seien, solle ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht kommen. Zu den Rechtsmitteln im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB gehörten insbesondere Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Für das Staatshaftungsgesetz folge dies aus § 2 StHG, über den die zum Primärrechtsschutz und der Schadensabwendungspflicht entwickelten Grundsätze des Amtshaftungsrechts anwendbar seien.

Die Beschwerdeführerin hätte bereits nach Erhalt des Schreibens der Gemeinde ... vom 23. Oktober 2017 beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO auf Beschaffung eines Betreuungsplatzes ab dem 11. März 2018 nach § 24 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) stellen müssen, weil absehbar gewesen sei, dass der Landkreis seiner Pflicht nicht nachkommen werde. Dies gelte unabhängig davon, ob der Landkreis gemessen an seinen Kapazitäten und weiteren Anträgen auf Betreuung in der Lage gewesen wäre, der Beschwerdeführerin einen Betreuungsplatz für ihr Kind zur Verfügung zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 22. März 2018 ‌‑ OVG 6 S 6.18 ‑‌, juris) komme es nicht darauf an, ob dem Landkreis die Bereitstellung eines Betreuungsplatzes tatsächlich unmöglich sei. Das Verwaltungsgericht prüfe zwar, ob die Anordnung auf die Verpflichtung einer unmöglichen Leistung gerichtet sei. Der Landkreis sei aber gehalten, alle erdenklichen Maßnahmen auszuschöpfen, um den von ihm behaupteten Kapazitätsengpass auszuräumen. So habe er als zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Möglichkeit, etwa durch eine übergangsweise Lockerung des Betreuungsschlüssels Betreuungsplätze im erforderlichen Umfang zu schaffen. Er müsse darüber hinaus im Vollstreckungsverfahren ganz konkret darlegen, alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, dem Kind einen Betreuungsplatz zu verschaffen. Dabei komme es nicht darauf an, ob andere Kinder ebenfalls einen Anspruch hätten. Es bedürfe ggf. eines genauen Nachweises aller Gruppengrößen, des Personalschlüssels und der Fluktuation der letzten Monate. Dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe obliege es insofern, überobligatorische Anstrengungen zu unternehmen, um den Betreuungsplatz zu schaffen. Vorliegend sei unstreitig, dass der Gemeinde für 75 Betreuungsplätze Personal fehle. Dies sage jedoch nichts dazu aus, ob hinsichtlich der übrigen verfügbaren Plätze Kapazitätserhöhungen möglich gewesen wären oder in den Monaten vor Anspruchsbeginn Fluktuationen stattgefunden hätten. Denn zunächst könne davon ausgegangen werden, dass der Träger jedenfalls diejenigen, zugunsten derer eine Gerichtsentscheidung ergangen wäre, vorrangig berücksichtigt hätte.

Der Beschwerdeführerin sei die Nichteinlegung des Rechtsmittels auch im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen. Soweit sie meine, dass die Zeit für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren nicht gereicht hätte, müsse sie sich entgegenhalten lassen, dass sie bereits durch das Schreiben der Gemeinde ... vom 23. Oktober 2017 gewusst habe, dass die Gemeinde der Tochter zum gewünschten Termin keinen Platz zur Verfügung stellen konnte. Dies sei über fünf Monate vor dem beantragten Eintrittsdatum gewesen, die für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gereicht hätten. Soweit die Beschwerdeführerin auf die Unzumutbarkeit einer doppelten Eingewöhnungsphase bei Vergabe eines Platzes für ein paar Monate verweise, sei dem entgegenzuhalten, dass § 24 SGB VIII keinen Anspruch auf einen Platz in der „Wunschkita“ oder ein bestimmtes pädagogisches Konzept gewähre. Vielmehr habe der Träger der öffentlichen Jugendhilfe lediglich einen Betreuungsplatz nachzuweisen, der in zumutbarer Entfernung zu erreichen sei. Auf die von der Klägerin gerügte Schadenshöhe komme es daher nicht mehr an.

II.

Mit ihrer am 4. September 2020 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30. Juni 2020 ‌- 2 U 61/19.

Sie rügt eine Verletzung ihrer eigenen Grundrechte und der ihres Kindes aus Art. 6 Abs. 3, Art. 26 Abs. 1 sowie Art. 27 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 7 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Die Entscheidung des Oberlandesgerichts habe sich nicht an den genannten Grundrechten orientiert.

Die verfassungsrechtlich gebotene Förderung für Familien und Kinder werde durch einen unbedingten gesetzlichen Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs gewährleistet, dessen Nichtverwirklichung nach der Rechtsprechung einen Schadensersatzanspruch auslösen könne. Den Träger der öffentlichen Jugendhilfe treffe eine unbedingte Gewährleistungspflicht (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 ‌‑ III ZR 302/15 ‑, Rn. 17, juris).

Das Oberlandesgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Beschwerdeführerin vor der Geltendmachung von Schadensersatz zunächst einstweiligen Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch hätte nehmen müssen. Der Beschwerdeführerin sei nicht zumutbar gewesen, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht zu stellen. Sie hätte sich einem nicht unbeträchtlichen Kostenrisiko ausgesetzt, da nach der damaligen Rechtslage ungewiss gewesen sei, ob ein solcher Antrag überhaupt Erfolg gehabt hätte. Die Verwaltungsgerichte hätten seinerzeit Eilanträge im Regelfall bei fehlenden Kapazitäten zurückgewiesen. Erst mit dem vom Oberlandesgericht zitierten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. März 2018 ‌‑ OVG 6 S 6.18 ‑‌, der ergangen sei, nachdem der Kinderbetreuungsanspruch bereits bestanden habe, und deutlich später veröffentlicht worden sei, habe sich diese Situation - jedenfalls für den Bereich Berlin - geändert. Der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts habe sich das Verwaltungsgericht Potsdam für den Bereich Brandenburg erstmals mit ebenfalls vom Oberlandesgericht zitierten Beschluss vom 17. Juni 2018 angeschlossen. Hätte die Beschwerdeführerin einen Eilantrag gestellt, hätte sie auch nicht ohne weiteres einen entsprechenden Kinderbetreuungsplatz erhalten. Das Oberverwaltungsgericht habe nämlich nur deutlich gemacht, dass es die Einrede der fehlenden Kapazität seitens des Trägers der Jugendhilfe nicht mehr hinnehmen werde. Dies stelle keinen effektiven und zumutbaren Rechtsschutz im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB, § 2 StHG und auch nicht im Sinne von Art. 6 Abs. 3 LV dar. Ein formaler Titel, der mangels Kapazität trotzdem nicht notwendigerweise durchsetzbar sein müsse, helfe den Eltern nicht. Einstweiliger Rechtsschutz sei im vorliegenden Fall ein möglicher, aber nicht zwingend zumutbarer Rechtsbehelf. Dies gelte umso mehr, als dass die Eltern durch die rechtzeitige Beantragung und Bewilligung von Elternzeit auch für den Fall Vorsorge treffen müssten, dass eine solche einstweilige Anordnung keinen Erfolg verspreche. Zwar möge in der Rechtsprechung in anderen Rechtsbereichen geklärt sein, dass gegebenenfalls einstweiliger Rechtsschutz in Anspruch genommen werden müsse, dies könne aber mit Blick auf den verfassungsrechtlich garantierten Rücksichtnahmegrundsatz in der Kinder- und Jugendförderung nicht in diesem Bereich gelten. Es stelle eben keine staatliche oder gesellschaftliche Rücksichtnahme dar, wenn Eltern gezwungen würden, eine einstweilige Anordnung zu beantragen, um einen Betreuungsplatz zu erhalten, und diesen gegebenenfalls auch noch vollstrecken müssten. Umgekehrt treffe den Träger der Jugendhilfe, dem deutlich gemacht worden sei, dass gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend gemacht würden, seinerseits eine Schadensminderungspflicht, der er nicht nachgekommen sei.

Die Grundrechte aus Art. 26 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1 und Art. 27 Abs. 3 LV würden verletzt, wenn von Eltern erwartet würde, dass sie einen gesetzlich zustehenden Anspruch auf Kinderbetreuung erst im Wege staatlichen Zwangs durchsetzen müssten, obwohl die Träger der Jugendhilfe zuvor fehlende Kapazitäten mitgeteilt hätten. Der Staat selber müsse aufgrund seiner Grundrechts- und Gesetzesbindung dafür sorgen, dass gesetzliche Ansprüche erfüllt werden. Es könne vom Bürger nicht verlangt werden, dass er gesetzliche Ansprüche nur dann in Anspruch nehmen könne, wenn er sich um gerichtlichen Rechtsschutz bemühe. Mit den verfassungsrechtlich geschützten Grundsätzen einer staatlichen Kinder- und Jugendförderung sei dies gerade angesichts des Kostenrisikos nicht vereinbar, das gerade Familien mit geringen Einkommen nicht eingehen könnten oder wollten.

Ferner sei eine durch einen erfolgreichen Eilrechtsschutz erzwungene doppelte Eingewöhnung in eine vorläufige und eine „endgültig“ zugewiesene Kita dem Kindeswohl nicht notwendigerweise zuträglich und mit dem staatlichen Förderauftrag und dem Gebot der Rücksichtnahme aus Art. 26 und Art. 27 LV nicht vereinbar.

III.

Der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Verfahrensakte ist beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Soweit die Beschwerdeführerin im eigenen Namen Grundrechte ihres Kindes ‌‑ u. a. auf Achtung seiner Würde aus Art. 27 Abs. 1 LV - geltend macht, fehlt ihr die Beschwerdebefugnis. Die Beschwerdebefugnis im Sinne von § 45 Abs. 1 VerfGGBbg setzt die Möglichkeit voraus, selbst, unmittelbar und gegenwärtig in einer grundrechtlich geschützten Rechtsposition beeinträchtigt bzw. verletzt zu sein. Eine Prozessstandschaft, d. h. die Möglichkeit, die Verletzung von Grundrechten eines Dritten im eigenen Namen geltend zu machen ‌- hier die Rechte des nicht am Verfahren beteiligten Kindes durch die Mutter -, ist daher im Verfassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich ausgeschlossen.

2. Die Verfassungsbeschwerde genügt ferner nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

a. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Im Fall einer Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung ist darzulegen, inwieweit die bezeichneten Grundrechte durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein sollen und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden Aufarbeitung der einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 19. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 39/20 ‑‌, Rn. 9; und vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 10/19 ‑‌, Rn. 7, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

b. Eine Verletzung der gerügten Art. 6 Abs. 3 LV sowie Art. 26 Abs. 1, Art. 27 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 7 LV ist nicht nachvollziehbar dargetan. Der Vortrag zum Gewährleistungsgehalt dieser Normen beschränkt sich auf eine Wiedergabe des Wortlauts.

aa. Art. 6 Abs. 3 LV enthält ‌- wie auch Art. 34 GG auf Bundesebene - ‌ kein Grundrecht, dessen Verletzung unmittelbar vor dem Verfassungsgericht geltend gemacht werden kann. Zwar kommt der Norm grundrechtsähnlicher Charakter zu, allerdings sollte nach dem Willen des Verfassungsgebers ein Individualanspruch nicht ohne ein Art. 6 Abs. 3 LV ausgestaltendes einfaches Gesetz gewährleistet werden (vgl. Beschlüsse vom 19. Mai 2017 ‌‑ VfGBbg 8/17 ‑‌; und vom 18. November 2011 ‌‑ VfGBbg 40/11 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

bb. Art. 26 Abs. 1 LV stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Als Grundsatznorm lässt sich hieraus eine allgemeine Pflicht des Staates zur Förderung der Familie durch geeignete Maßnahmen entnehmen. Dem Gesetzgeber steht aber Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen können aus dem Förderungsgebot nicht hergeleitet werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 12. Februar 2003 ‌‑ 1 BvR 624/01 ‑‌, Rn. 34, m. w. N., www.bverfg.de). Der Bundesgesetzgeber hat sich dazu entschieden, mit § 24 SGB VIII einen bundesweiten Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz vom vollendeten ersten bis zum dritten Lebensjahr ab dem 1. August 2013 als Primäranspruch zu schaffen. Der Landesgesetzgeber ist über die bundesrechtliche „Mindestregelung“ (Etzold, in: BeckOGK, Stand: Juni 2021, SGB VIII § 24 Rn. 98) hinausgegangen und hat mit § 1 Abs. 2 Zweites Gesetz zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (Kindertagesstättengesetz - KitaG) einen Rechtsanspruch für Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr bis zur Versetzung in die fünfte Schuljahrgangsstufe geregelt. Von der Schaffung spezifischer Sekundäransprüche für den Fall der Nicht- bzw. nicht rechtzeitigen Gewährung eines Betreuungsplatzes haben Bundes- und Landesgesetzgeber abgesehen. Prüfungsmaßstab für Sekundäransprüche sind die allgemeinen amts- bzw. staatshaftungsrechtlichen Grundsätze (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG bzw. § 1 ff. StHG).

cc. Es ist auch nicht dargelegt, dass der Verfassungsgeber mit Art. 27 Abs. 3 und Abs. 7 LV einen originären verfassungsunmittelbaren Leistungsanspruch auf konkrete staatliche Entschädigungsleistungen jenseits der einfach-gesetzlich ausgestalteten Ansprüche schaffen wollte. Dies ist angesichts des Gesetzesvorbehalts in Absatz 7 und der Entstehungsgeschichte des Absatz 3 Satz 2 zweifelhaft (vgl. zur Entstehung Landtag Brandenburg, Verfassungsausschuss, Unterausschuss I, 3. Sitzung vom 3. April 1991, Ausschussprotokoll VA/UA I/3, Dokumentation, Verfassung des Landes Brandenburg, Band 2, S. 459, wonach der Begriff „finanzielle Hilfe“ als eine Form staatlicher Unterstützung auch deswegen gestrichen wurde, damit keine Missverständnisse hervorgerufen werden; Iwers, Entstehung, Bindungen und Ziele der materiellen Bestimmungen der Landesverfassung Brandenburg II, 1998, S. 473).

c. Dass die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts vor diesem Hintergrund bei der Anwendung des einfachen Rechts den Einfluss und das Gewicht des gerügten Grundrechtes verkannt hat oder eine unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbare und damit schlechthin unhaltbare Entscheidung getroffen hat, ist nicht nachvollziehbar dargelegt und auch nicht ersichtlich.

Die Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 2 StHG (bzw. § 839 Abs. 3 BGB) erfüllt sind, obliegt den Fachgerichten. Grundsätzlich unterliegt die Nachprüfung einer Gerichtsentscheidung durch das Verfassungsgericht engen Grenzen. Dieses übt keine umfassende Kontrolle der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts aus. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen sind Sache der Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht daher weitgehend entzogen. Das Verfassungsgericht überprüft - jenseits der Verletzung des Willkürverbots - nur, ob der Entscheidung eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts zugrunde liegt (st. Rspr., Beschluss vom 19. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 49/20 ‑‌, Rn. 37, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Die Beschwerdeführerin hält der Entscheidung des Oberlandesgerichts lediglich ihre Rechtsmeinung zur einfachgesetzlichen Auslegung des § 2 StHG (bzw. § 839 Abs. 3 BGB) entgegen, wonach die Schaffung eines unbedingten Gewährleistungsanspruchs auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte (Primäranspruch) durch den einfachen Gesetzgeber den allgemeinen Ausschlusstatbestand für einen Sekundäranspruch auf Schadensersatz modifizieren soll.

Soweit sich die Beschwerdeführerin darauf stützt, dass die Einlegung eines Eilantrags beim Verwaltungsgericht auf Zuweisung eines Betreuungsplatzes nicht zumutbar gewesen sei, da die Verwaltungsgerichte in Berlin und Brandenburg diese vor der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. März 2018 ‌‑ OVG 6 S 6.18 -‌ bei Kapazitätsmangel zurückgewiesen hätten, lässt sie außer Acht, dass das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2015 und das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2017 befunden hatten, dass § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII einen einklagbaren Leistungsanspruch gewährt, der keinem Kapazitätsvorbehalt unterworfen ist (BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 ‌‑ 1 BvF 2/13 ‑‌, Rn. 43, juris; BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 ‌‑ 5 C 19/16 ‑, BVerwGE 160, 212-237, Rn. 35, juris). Angesichts dieser Entscheidungen wären weitere Darlegungen der Beschwerdeführerin zu erwarten gewesen.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Dr. Strauß

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll