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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2020 - VfGBbg 10/19 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- StrRehaG, § 16 Abs. 2; StrRehaG, § 17; StrRehaG, § 17a
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- unzureichende Begründung
- Rehabilitierungsverfahren
- Kapitalentschädigung
- Opferrente
- Rücknahme
- Rückforderung
- Verfassungsbeschwerde
- Gnadengesuch
- Wiederaufnahme
- förmliche Anhörungen
- effektiver Rechtsschutz
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2020 - VfGBbg 10/19 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 10/19




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 10/19

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

S.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte:

Rechtsanwälte
Dr. T., R.,

 

wegen

Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom
15. Januar 2019 [1 Ws (Reha) 3/18 (OP)]

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 19. Juni 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, mit dem ihre Beschwerde in einem Rehabilitierungsverfahren als unbegründet verworfen wurde.

I.

Die Beschwerdeführerin war in der DDR wegen versuchter Republikflucht in Haft. Sie wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Potsdam vom 28. Oktober 1991 strafrechtlich rehabilitiert. Ihr wurden mit Bescheid vom 14. September 1994 eine Kapitalentschädigung nach § 17 Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG), mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 eine Nachzahlung und mit Bescheid vom 26. März 2008 eine monatliche Opferrente gemäß § 17a StrRehaG gewährt.

Der Präsident des Landgerichts Potsdam hob diese Zuwendungsbescheide mit Bescheid vom 14. Juni 2010 auf und forderte die gezahlten Beträge von insgesamt 9.715,18 Euro zuzüglich Zinsen zurück, weil eine Anfrage bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) ergeben habe, dass die Beschwerdeführerin durch die Weitergabe von Informationen an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit im Sinne von § 16 Abs. 2 StrRehaG verstoßen habe. Hiergegen suchte die Beschwerdeführerin Rechtsschutz bis zur Verfassungsbeschwerde, die mit Beschluss vom 17. August 2012 (VfGBbg 64/11) verworfen wurde.

Die Beschwerdeführerin erreichte mit Gnadengesuch vom 7. März 2014 und Stellungnahme vom 30. Mai 2014 die Wiederaufnahme des Verfahrens. Der Präsident des Landgerichts Potsdam hörte am 10. Dezember 2014 die Beschwerdeführerin und am 29. April 2015 einen Zeugen an. Zu den Protokollen beider Anhörungen nahm die Beschwerdeführerin jeweils schriftlich Stellung. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2015 wies der Präsident des Landgerichts Potsdam den Antrag auf Rücknahme des Rücknahmebescheides vom 14. Juni 2010 und auf Neubescheidung zurück. Der hiergegen gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde mit Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 6. August 2018 [BRH (OP) 2/15] zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Januar 2019 unter vollumfänglicher Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Potsdam verworfen.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 15. März 2019 Verfassungsbeschwerde erhoben und trägt vor, trotz der nunmehr stattgefundenen förmlichen Anhörung ihrer Person und des Zeugen habe der Bescheid wieder nur auf die Unterlagen der Staatssicherheit verwiesen und sei ihr Bestreiten, Zuträgerin der Staatssicherheit gewesen zu sein, nicht zur Kenntnis genommen worden. Insbesondere der in dem Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 6. August 2018 gemachte Vorwurf, erhebliche Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung begangen zu haben, indem sie „freiwillig und gezielt, namentlich durch das Eindringen in die Privatsphäre anderer und den Missbrauch persönlichen Vertrauens, Informationen über Mitbürger gesammelt und an den auch in der Deutschen Demokratischen Republik für seine repressive menschenverachtende Tätigkeit bekannten Staatssicherheitsdienst weitergegeben“ habe, werde durch die Beschwerdeführerin bestritten. Unstreitig habe durch die Staatssicherheit ein Abschöpfen der Beschwerdeführerin im Anschluss an die Verhaftung stattgefunden. Es habe Bemühungen gegeben, sie als Informantin und inoffizielle Mitarbeiterin zu gewinnen. Diesen Treffen habe sie sich auch nicht entziehen können. Gleichwohl habe sie nicht aktiv neue, weitere Informationen, quasi als Auge und Ohr der Staatssicherheit, gesammelt und weitergegeben. Im Gegenteil werde ihr in dem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Januar 2019 die Weitergabe von teilweise alten, vor der Inhaftierung liegenden Informationen vorgeworfen. Der Umstand, dass nach der Haftentlassung keine weiteren neuen Umstände durch die Beschwerdeführerin ermittelt und zugetragen worden seien, finde keine Beachtung. Soweit ihr eine Weitergabe von Informationen über einen Studenten vorgeworfen werde, verkenne das Gericht, dass diese Informationen aus der Zeit vor der Haft stammten und sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang in einer „schutzlos ausgelieferten Zwangslage“ befunden habe. Weitere Informationen habe die Beschwerdeführerin nicht gegeben. Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip (effektiver Rechtsschutz), Art. 41 Abs. 1 LV (Eigentum und Erbrecht) und die Ansprüche auf rechtliches Gehör und ein faires und zügiges Verfahren (Art. 52 Abs. 3 und 4 LV) seien verletzt.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte der Beschwerdeführerin hinreichend deutlich aufzeigt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Dabei ist darzulegen, inwieweit die bezeichneten Grundrechte durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein sollen und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidieren soll. Dazu bedarf es einer umfassenden Aufarbeitung der einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rechtslage. Demnach muss die Beschwerdeführerin ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus ihrer Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 15. November 2019 - VfGBbg 45/19 -, https://verfassungsgericht.bran­denburg.de, m. w. N.).

Indem die Beschwerdeführerin die Grundrechte, die sie für verletzt hält, lediglich bezeichnet, genügt sie diesen Begründungsanforderungen nicht. Die Beschwerdeschrift zeigt nicht auf, inwieweit die Grundrechte aus Art. 10 LV i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip (effektiver Rechtsschutz), aus Art. 41 Abs. 1 LV (Eigentum und Erbrecht) und aus Art. 52 Abs. 4 LV (Anspruch auf ein faires und zügiges Verfahren) durch den angegriffenen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts verletzt sein könnten. Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht in Bezug auf die konkreten Gründe der angegriffenen Entscheidung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen der von ihr genannten Grundrechte auseinander und legt nicht aus sich heraus verständlich und hinreichend deutlich dar, dass die Verletzung dieser Grundrechte möglich ist. Dass die Beschwerdeführerin die zur Überprüfung gestellte Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts für unrichtig hält, lässt nicht erkennen, warum ein Gewähren gerichtlicher Kontrolle nicht gegeben gewesen sein soll. Im Übrigen beachtet die Beschwerdeführerin die Prozesssituation nicht hinreichend. Über den Entzug der Rehabilitierungsansprüche ist bereits im Jahr 2011 rechtskräftig entschieden worden. Die Beschwerdeführerin legt weder dar, warum die Entschädigungsleistung dennoch vom Grundrecht auf Eigentum umfasst sein soll, noch warum das Versagen der Entschädigung im Verfahren des Wiederaufgreifens im Hinblick auf die Verfahrenslaufzeit unverhältnismäßig gewesen sein könnte.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

Möller

Dr. Becker

 

Dresen

Dr. Finck

 

Heinrich-Reichow

Kirbach

 

Dr. Lammer

Sokoll

 

Dr. Strauß