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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Juni 2019 - VfGBbg 30/18 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1
- VerfGGBbg, § 47 Abs. 1
- ZPO, § 222 Abs. 2; ZPO, § 313 Abs. 3; ZPO, § 398 Abs. 1; ZPO, § 529 Abs. 1 Nr. 1
- VVG, § 28
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unbegründet
- Feiertag
- rechtliches Gehör
- Berufungsinstanz
- erneute Zeugenvernehmung
- Tatsachenfeststellung
- eigene Beweisaufnahme
- Willkür
- Beweiswürdigung
- ins Blaue hinein
- Überraschungsentscheidung
- Hinweis
- Unfall
- Reparaturkosten
- Kaskoversicherung
- Versicherungsrecht
- Leistungsfreiheit
- Vorsatz
- Arglist
- Wissenserklärungsvertreter
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Juni 2019 - VfGBbg 30/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 30/18




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

E. KG,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte:               Rechtsanwälte F.,

beteiligt:

1.      S. AG,

2.      Präsidentin des Landgerichts Cottbus,
Gerichtsstraße 3/4,
03046 Cottbus,

wegen Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 7. Januar 2016 - 43 C 367/14 -; Urteil vom 15. November 2016 und Beschluss vom 12. März 2018 des Landgerichts Cottbus - 1 S 33/16

      

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. Juni 2019

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Dr. Strauß

beschlossen: 

              Die Verfassungsbeschwerde wird teilweise verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

 

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen des Amtsgerichts Cottbus und des Landgerichts Cottbus im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens über eine Kfz-Kaskoversicherungsleistung.

I.

Die Beschwerdeführerin, eine Kommanditgesellschaft, handelt mit Kraftfahrzeugen. Im Rahmen einer Überführungsfahrt verunfallte ein Mitarbeiter der Beschwerdeführerin mit dem erworbenen, bei der Beklagten im Ausgangsverfahren (im Folgenden: Versicherung) kaskoversicherten Pkw. Nachdem die Beschwerdeführerin der Versicherung den Schaden angezeigt hatte, veranlasste diese die Erstellung eines Schadensgutachtens, das Netto-Reparaturkosten von 5.435,94 Euro vorsah. Die Beschwerdeführerin reparierte den Schaden in der eigenen Werkstatt. Anders als dort üblich erstellte nicht der mit der Reparatur betraute, sondern ein anderer Angestellter die Rechnung vom 23. April 2013 i. H. v. 5.444,48 Euro. Dabei lagen dem rechnungserstellenden Angestellten, wiederum anders als üblich, die Werkstattunterlagen über die tatsächlich durchgeführten Leistungen nicht vor. Er erstellte die Rechnung daher auf Grundlage des ihm vorliegenden Sachverständigengutachtens. Die Beschwerdeführerin begehrte von der Versicherung die Erstattung des Rechnungsbetrages. Eine nochmalige Begutachtung durch die Versicherung ergab, dass mehrere Teile entgegen der Rechnung vom 23. April 2013 nicht ausgetauscht, sondern nur repariert worden waren. Die erforderlichen Kosten für die durchgeführten Reparaturen ermittelte der Sachverständige mit 4.960,49 Euro netto. Die Beschwerdeführerin erstellte daraufhin eine neue Rechnung, die ausweislich der beigezogenen Verfahrensakten (dort Anlage K10, Bl. 46 ff. d. A.) auf 4.889,46 Euro lautete (nicht: 4.960,49 Euro, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen). Die Versicherung lehnte die Kostenerstattung ab. Sie berief sich auf Leistungsfreiheit wegen Abrechnungsbetrugs und von der Beschwerdeführerin verursachten Nachbesichtigungsschwierigkeiten.

In dem von der Beschwerdeführerin eingeleiteten Zivilverfahren erhob das Amtsgericht Cottbus u. a. Beweis durch Vernehmung des Angestellten F. der Beschwerdeführerin, der die ursprüngliche Rechnung erstellt hatte (im Folgenden: Zeuge). Dieser bekundete auszugsweise zur Rechnungserstellung wie folgt:

„Das Fahrzeug war da schon wieder weg. Ich habe dann die Rechnung an Hand des vorliegenden Gutachtens gemacht. Das ist eigentlich nicht üblich. Aber da der [die Reparatur verantwortende Mitarbeiter] nicht da war, habe ich das einfach so gemacht. Es waren auch die Beteiligten nicht immer zu finden, damit meine ich den Klempner und Lackierer. Die waren immer nur zeitweise da. Mechaniker wäre nicht das Problem gewesen. Aber da da nicht soviel zu schrauben war, war das auch zweitrangig meines Erachtens.

[…] Normalerweise wird ja das gemacht, was im Gutachten steht. Warum sollte das nicht gemacht werden. Ich hatte keine Anhaltspunkte, dass die Rechnung, die ich gemacht habe, falsch war.

[…] Falsch war es insoweit, dass nicht alles ausgetauscht worden ist, was hätte ausgetauscht werden sollen lt. Gutachten, sondern dass es nur instandgesetzt worden ist. Ein Arbeitszettel war nicht da. Normalerweise ist es so, dass man den Auftrag hat, dass man die Materialbestände hat und dass man das dann entsprechend abrechnet. Aber hier hatte ich halt nur das Gutachten und deshalb hab ich das nur mit dem Gutachten gemacht.“

Das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 7. Januar 2016 mit der Begründung „vielfältiger Obliegenheitsverletzungen“ der Beschwerdeführerin ab, namentlich u. a. einer überhöhten Abrechnung. Es führte aus: „Zwar erklärten die Zeugen F[…] und N[… ] es habe sich um ein Versehen gehandelt,weil der Zeugen N[…] in Urlaub gefahren sei und der Zeuge F[…] nur nach Gutachten abgerechnet habe ohne zu wissen,‌was gemacht worden ist.“ Allerdings habe die Beschwerdeführerin die Rechnung jedenfalls zu einem Zeitpunkt bei der Versicherung eingereicht, als ihr die Unrichtigkeit bereits habe bekannt gewesen sein müssen, worin eine „grob fahrlässige, wenn nicht sogar vorsätzliche Obliegenheitsverletzung“ zu sehen sei.

Das als Berufungsgericht angerufene Landgericht Cottbus wies in der Terminsverfügung darauf hin, dass es (zunächst) darauf ankommen werde, ob das der Klägerin zuzurechnende Abrechnungsverhalten des Zeugen zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet gewesen sei, der Versicherung einen Nachteil zuzufügen. In der mündlichen Verhandlung erläuterte das Landgericht, dass es voraussichtlich streitentscheidend sein werde, ob eine Obliegenheitsverletzung der Beschwerdeführerin zu erkennen sei und ob diese ggf. als vorsätzlich oder arglistig anzusehen sei. Ferner erörterte das Gericht mit den Parteien, ohne eine vorläufige Rechtsansicht zu äußern, ob der rechnungserstellende Zeuge als Repräsentant der Beschwerdeführerin anzusehen sei. Eine eigene Beweisaufnahme führte das Landgericht nicht durch.

Das Landgericht Cottbus wies die Berufung der Beschwerdeführerin mit Urteil vom 15. November 2017 zurück. Die Versicherung sei gemäß E.1.3, E.6.1 Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung 2010 (AKB) i. V. m. § 28 Abs. 2 VVG von ihrer Leistungspflicht frei geworden, da die Beschwerdeführerin ihre vertragliche Obliegenheit zur Aufklärung durch die Rechnungsstellung vom 23. April 2013 verletzt habe. Die Aufklärungspflichtverletzung sei auch arglistig erfolgt. Der rechnungserstellende Mitarbeiter habe als Wissenserklärungsvertreter der Beschwerdeführerin gehandelt, was sich aus dessen Bekundungen vor dem Amtsgericht ergebe. Er habe für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass die tatsächlich durchgeführten Arbeiten nicht mit den in dem Gutachten aufgeführten Arbeiten übereinstimmten. Denn die Abrechnung sei ins Blaue hinein erfolgt, nämlich nach seinen Bekundungen unüblich ohne den Stundenzettel, allein anhand des Gutachtens, ohne dass der Zeuge gewusst habe, welche Arbeiten in welcher Arbeitszeit erbracht worden seien. Er habe damit bei der Versicherung den Eindruck erwecken wollen, dass es sich bei den abgerechneten Arbeiten um die tatsächlich durchgeführten handele, und billigend in Kauf genommen, dass die Versicherung von weiteren Ermittlungen zu den tatsächlich angefallenen Reparaturkosten abgehalten werde.

Gegen das Berufungsurteil erhob die Beschwerdeführerin eine Anhörungsrüge. Das Berufungsgericht habe erstmals und überraschend im Urteil ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine Aufklärungsobliegenheit verletzt habe, womit es eine Auslegung der AKB vorgenommen habe, die nicht vom Regelungsinhalt gestützt sei. Das Landgericht habe dem vom Amtsgericht vernommenen Zeugen ohne eigene Beweisaufnahme ein vorsätzliches und arglistiges Handeln unter Außerachtlassung des weiteren Inhalts der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und ohne diesbezüglichen Vortrag der Versicherung unterstellt. Ferner habe es ohne diesbezügliche Feststellungen und ohne Vortrag der Versicherung angenommen, der Zeuge sei Wissenserklärungsvertreter der Beschwerdeführerin.

Das Landgericht Cottbus wies die Anhörungsrüge mit am 19. März 2018 zugestelltem Beschluss vom 12. März 2018 als unbegründet zurück. Es liege weder eine Überraschungs- noch eine krasse Fehlentscheidung vor. Die inhaltliche Überprüfung der Entscheidung sei nicht durch die Anhörungsrüge möglich. Zur Möglichkeit einer vorsätzlichen und ggf. arglistigen Obliegenheitsverletzung habe das Gericht in der Ladungsverfügung und im Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Würdigung der Zeugenaussage sei kein tauglicher Rügegrund.

II.

Mit der am 22. Mai 2018 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil vom 15. November 2017 und den Beschluss vom 12. März 2018 des Landgerichts Cottbus (1 S 33/16) sowie das Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 7. Januar 2016 (43 C 367/14). Sie rügt Verletzungen ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und des Gleichheitsgrundsatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, da das Landgericht ohne vorherigen Hinweis, ohne Begründung und ohne eigene Beweisaufnahme eine von der amtsgerichtlichen Würdigung abweichende Beurteilung der Zeugenaussage vorgenommen habe. Es sei auch nicht ansatzweise erkennbar, dass das Landgericht die Beweislage zur Kenntnis genommen habe, da der erstinstanzlich vernommene Zeuge ausgesagt habe, keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der von ihm erstellten Rechnung gehabt zu haben. Zudem habe das Landgericht im Hinblick auf die angenommene Aufklärungspflichtverletzung durch Rechnungslegung und die Eigenschaft des Zeugen als Wissenserklärungsvertreter überraschend einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der von keiner der Parteien vorgetragen worden sei.

Weiterhin habe es gegen das Willkürverbot verstoßen, da es schlechthin unhaltbar sei anzunehmen, der Zeuge sei mit der Aufklärung des Schadensereignisses betraut gewesen und habe Aufklärungsobliegenheiten der Beschwerdeführerin gegenüber der Versicherung vorsätzlich und arglistig verletzt. Die Annahme, der Zeuge habe billigend in Kauf genommen, dass die abgerechneten Arbeiten nicht durchgeführt worden seien und dadurch die Versicherung von weiteren Ermittlungen abgehalten würde, sei nicht mit Feststellungen unterlegt. Das Landgericht habe auch nicht festgestellt, dass der Zeuge Angaben „ins Blaue hinein“ gemacht habe, aber dennoch seine Aussage so gewürdigt. Auch die Annahme, eine Beauftragung mit Rechnungslegung stelle zugleich eine Betrauung mit der Erteilung von Auskünften gegenüber einer Versicherung dar, sei von der Versicherung nicht vorgetragen worden und werde in der Rechtslehre so nicht vertreten.

III.

Die im Ausgangsverfahren beklagte Versicherung hat zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen, die Präsidentin des Landgerichts Cottbus hat hiervon abgesehen. Die Verfahrensakte ist beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

I.

Soweit sie sich gegen den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss vom 12. März 2018 richtet, ist sie wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht behauptet, dass ein Ausnahmefall einer eigenständigen, in der Zurückweisung der Anhörungsrüge liegenden verfassungsrechtlich erheblichen Beschwer gegeben wäre (vgl. hierzu Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist bezüglich des Urteils des Amtsgerichts Cottbus vom 7. Januar 2016 unzulässig, da durch die nachfolgende Berufungsentscheidung des Landgerichts Cottbus vom 15. November 2017, das die erstinstanzliche Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen hatte, prozessuale Überholung eingetreten ist (vgl. hierzu Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 - m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

III.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 15. November 2017 richtet, ist sie zulässig, aber unbegründet. 

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere wahrt die am 22. Mai 2018 erhobene Verfassungsbeschwerde die Zwei-Monats-Frist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg. Da der Anhörungsrügebeschluss der Beschwerdeführerin am 19. März 2018 zugestellt worden ist und der 19., 20. und 21. Mai 2018 auf einen Samstag, Sonntag und gesetzlichen Feiertag (Pfingstmontag) fielen, endete die Beschwerdefrist mit Ablauf des 22. Mai 2018 (§ 13 Abs. 1 VerfGGBbg i. V. m. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts Cottbus verstößt weder gegen den grundrechtlichen Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör gemäß Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 i. V. m. Art. 5 Abs. 3 LV noch gegen ihr Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV i. V. m. Art. 5 Abs. 3 LV.

a. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne erneute Einvernahme des Zeugen verstößt nicht gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör der Beschwerdeführerin.

aa. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts gewährt Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den für diese erheblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und rechtzeitiges, möglicherweise erhebliches Vorbringen bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Die Norm gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts - etwa wegen sachlicher Unerheblichkeit - ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt; der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur verletzt, wenn die Nichtberücksichtigung von Vortrag oder von Beweisanträgen keine Stütze mehr im Prozessrecht findet (vgl. Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 - m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht z. B. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 -, juris Rn. 10).

Das Berufungsgericht muss nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung grundsätzlich die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen zugrunde legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (ebenso BVerfG, Beschlüsse vom 1. August 2017- 2 BvR 3068/14 -, juris Rn. 55, und vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 -, juris Rn. 10). Sind erneute Feststellungen geboten, können diese auch durch eine eigenständige Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise durch das Berufungsgericht getroffen werden (BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IV ZR 253/05 -, BeckRS 2006, 05648 Rn. 2). Grundsätzlich steht es für diesen Fall im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es Zeugen, die in der Vor­instanz bereits vernommen worden sind, nach § 398 Abs. 1 ZPO erneut vernimmt (BGH, Beschluss vom 20. November 2014 - IX ZR 31/13 -, NJOZ 2015, 310, 311, Rn. 7). Auch eine erstmalige Würdigung der vom erstinstanzlichen Gericht durchgeführten, aber letztlich von diesem als unerheblich angesehenen Beweisaufnahme ist dem Berufungsgericht nach richtiger Ansicht nicht versagt (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 1987 - I ZR 164/85 [„Schallplattenimport III“] -, GRUR 1988, 373, und vom 28. Januar 1972 - V ZR 183/69 -, Rn. 23, juris; Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 529 Rn. 17). Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind auch nach der Änderung u. a. von § 529 ZPO im Rahmen des Zivilprozessreformgesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2002 weiterhin anwendbar (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 -, NJW 2004, 1876). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts zum entsprechenden Bundesrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), der sich das Verfassungsgericht anschließt, ist das Ermessen des Berufungsgerichts jedoch in bestimmten Fallgruppen dahingehend gebunden, dass eine erneute Zeugenvernehmung durchgeführt werden muss. Dies ist namentlich der Fall, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will als das Erstgericht, wenn es die protokollierte Aussage eines Zeugen anders verstehen will als die Vorinstanz, wenn es die Aussage eines Zeugen für zu vage und für präzisierungsbedürftig hält oder wenn es der Aussage auch nur ein anderes Gewicht, eine andere Tragweite oder eine vom Wortsinn abweichende Auslegung geben will (BGH, Beschluss vom 20. November 2014 - IX ZR 31/13 -, NJOZ 2015, 310, 311, Rn. 7, m. w. N., Urteil vom 18. Oktober 2006 - IV ZR 130/05 -, NJW 2007, 372, 374 Rn. 23; BVerfG, Beschluss vom 14. September 2010 - 2 BvR 263/09 -, juris Rn. 14). Im Fall des Zeugenbeweises setzt eine neue Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht damit in aller Regel eine erneute Vernehmung voraus (BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 -, juris Rn. 55, m. zahlr. N.). Eine erneute Vernehmung kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn das Berufungsgericht seine abweichende Würdigung auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen (d. h. seine Glaubwürdigkeit) noch die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit (d. h. die Glaubhaftigkeit) seiner Aussage betreffen (BVerfG, Beschlüsse vom 1. August 2017‌- 2 BvR 3068/14 ‑, juris Rn. 57, m. zahlr. N., vom 14. September 2010 ‌- 2 BvR 2638/09 -, juris; BGH, Beschlüsse vom 20. November 2014 - IX ZR 31/13 -, NJOZ 2015, 310, 311 Rn. 7, m. zahlr. N., vom 4. Juli 2013 - VII ZR 165/12 -, BeckRS 2013, 12816, Rn. 12, vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09 -, NJW-RR 2009, 129, Rn. 5, Urteil vom 18. Oktober 2006 - IV ZR 130/05 -, NJW 2007, 372, 374 Rn. 23).

bb. Nach diesem Maßstab verletzt die Verwertung des von der ersten Instanz erhobenen Zeugenbeweises durch das Berufungsgericht ohne erneute Vernehmung die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Eine von der ersten Instanz abweichende Würdigung der Zeugenaussage liegt hier nicht vor oder war jedenfalls zulässig, weil Grundlage der Würdigung des Landgerichts weder die Glaubwürdigkeit des Zeugen noch die Glaubhaftigkeit der Aussage waren.

Das Amtsgericht hat die Zeugenaussage nicht gewürdigt. Es hat im Urteil lediglich die Zeugenaussagen in eigenen Worten zusammenfassend wiedergegeben, was sich schon aus der dafür gewählten grammatikalischen Form ergibt. Es hat keine Stellung dazu bezogen, ob es die Ausführungen des Zeugen für überzeugend erachtet und ihnen folgt. Vielmehr war die Aussage des Zeugen für das Amtsgericht nicht entscheidungserheblich, denn es nahm an, dass eine relevante Obliegenheitsverletzung vor allem in der verzögerten Absendung der Rechnung an die Versicherung bestehe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit der Rechnung nach Auffassung des Amtsgerichts auffallen müssen.

Das Berufungsgericht hat es hingegen, worauf es bereits mit der Terminsverfügung hingewiesen hat, für entscheidungserheblich erachtet, ob der Zeuge vorsätzlich eine falsche Rechnung unter Inkaufnahme eines Nachteils für die Versicherung erstellt hat. Zur Klärung dieser Frage hat das Landgericht eine erstmalige, selbstständige Würdigung der vom erstinstanzlichen Gericht durchgeführten, aber von diesem als unerheblich angesehenen Zeugenaussage vorgenommen.

Diese Verfahrensweise war ihm nach den genannten Grundsätzen zur Bindung des Ermessens zur erneuten Zeugenvernehmung nicht verwehrt. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die vorliegende Konstellation jenen Fallgruppen unterfällt, die in der Regel eine neue Zeugenvernehmung gebieten, bestand für das Landgericht keine Rechtspflicht, den Zeugen ein weiteres Mal zu hören. Denn eine erneute Vernehmung durfte vorliegend jedenfalls ausnahmsweise unterbleiben, weil das Berufungsgericht seine Würdigung auf Umstände gestützt hat, die weder die Glaubwürdigkeit des Zeugen noch die Glaubhaftigkeit seiner Aussage betreffen. Vielmehr hat das Berufungsgericht den Schwerpunkt der Zeugenaussage darin gesehen, dass dem Zeugen das Fehlen der üblichen Unterlagen für die Rechnungserstellung bewusst war. Es hat die Aussage dahingehend ausgelegt, der Zeuge habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass die in der Rechnung aufgeführten Arbeiten nicht mit den im Gutachten aufgeführten Arbeiten übereinstimmten. Dies beruhe darauf, dass er die Rechnung bewusst ohne jegliche Unterlagen und Angaben der die Reparatur ausführenden Mitarbeiter erstellt habe und dies unüblich sei, mithin die dortigen Angaben „ins Blaue hinein“ gemacht habe. In der Folge hat es diese Tatsachen rechtlich dahingehend bewertet, dass der Zeuge in Bezug auf die (möglichen) Fehler der Rechnung zumindest bedingt vorsätzlich handelte.

cc. Eine Gehörsverletzung liegt auch nicht in Form einer Überraschungsentscheidung vor.

Der grundrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet, dass ein Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen Gesichtspunkt abstellen darf, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Dagegen muss ein Prozessbeteiligter selbst bei umstrittener oder problematischer Rechtslage prinzipiell die einschlägigen rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl. Beschluss vom 17. November 2017 - VfGBbg 45/17 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).

Das Landgericht hatte die Beschwerdeführerin bereits mit der Terminsladung darauf hingewiesen, dass es voraussichtlich darauf ankommen werde, ob das Abrechnungsverhalten des Zeugen zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet war, der Versicherung einen Nachteil zuzufügen. Damit hatte es hinreichend deutlich gemacht, dass es die Rechtslage insoweit voraussichtlich anders als das Amtsgericht beurteilen werde, das diese Frage nicht als entscheidungserheblich angesehen hatte. Auch im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung hat das Landgericht mit den Parteien erörtert, dass es voraussichtlich darauf ankommen werde, ob der Beschwerdeführerin eine Obliegenheitsverletzung anzulasten und ob diese als vorsätzlich oder sogar arglistig anzusehen sei. Ferner werde es darum gehen, ob der Zeuge als Repräsentant der Beschwerdeführerin betrachtet werden könne. Das Landgericht hat daher - zumal die Beschwerdeführerin anwaltlich vertreten war - hinreichend und rechtzeitig darauf hingewiesen, dass es ggf. eine erstmalige Würdigung der Zeugenaussage beabsichtige.

dd. Auch der Vortrag der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe die Ausführungen des Zeugen nicht umfassend zur Kenntnis genommen - vor allem im Hinblick auf die Aussage, es habe keinen Anhaltspunkt für eine Fehlerhaftigkeit der Rechnung gegeben - dringt nicht durch. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht seiner Pflicht nachkommt, entscheidungserhebliche Ausführungen nicht nur der Parteien (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschlüsse vom 30. November 2018 - VfGBbg 29/18 - und vom 15. Dezember 2017 - VfGBbg 63/16 - https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.), sondern auch von Zeugen vollständig zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Die betreffende Passage der Aussage war in einem eigenen Absatz enthalten; zudem umfasst die Aussage insgesamt weniger als eine halbe Textseite. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Landgericht die genannte Textstelle übersehen hat. Vielmehr hat es sich mit der Aussage des Zeugen aus dem erstinstanzlichen Terminprotokoll ausführlich befasst. Allein die fehlende Erwähnung eines Teils der Aussage des Zeugen stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (vgl. Beschluss vom 30. November 2018 - VfGBbg 46/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

b. Das Landgericht verletzt die Beschwerdeführerin durch die Auslegung der Zeugenaussage nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht in Form des Willkürverbots (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV).

aa. Die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts ist allein Sache der dafür zu-ständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht entzogen; nur bei einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch diese können die Verfassungsgerichte auf eine Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 18, 85, 92 f.; 34, 384, 397). Auch die Beweiswürdigung kann im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde nicht schlechthin auf ihre Richtigkeit, sondern nur daraufhin überprüft werden, ob sie spezifisches Verfassungsrecht verletzt, ob also die Beweise willkürlich oder sonst unter Verletzung von Verfassungsrecht gewürdigt worden sind (Beschluss vom 30. November 2018 ‌- VfGBbg 46/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2017 - 2 BvR 2584/12 -, juris Rn. 27). Willkürlich ist ein Richterspruch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 89, 1, 13). Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d. h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Das Verfassungsgericht überprüft die Beweiswürdigung des Tatrichters nur darauf, ob das Gericht sich mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt nicht die Annahme eines Verstoßes gegen das Willkürverbot.

bb. Dass das Landgericht die Aussage anders als die Beschwerdeführerin in dem Sinne ausgelegt hat, dass der Zeuge die Rechnung ins Blaue hinein erstellt hat, ist nach diesen Maßstäben nicht willkürlich. Das Landgericht geht davon aus, dass der Zeuge die fehlende Tatsachengrundlage der Rechnung kannte, und leitet hieraus einen zumindest bedingten Vorsatz bezüglich der Unrichtigkeit ab. Nach Auffassung des Landgerichts war dem Zeugen klar, dass die Rechnung den Eindruck vermitteln musste, dass die aufgeführten Arbeiten tatsächlich durchgeführt worden sind und dass die Rechnung zur Vorlage bei der Versicherung bestimmt war.

Im Rahmen der Beweisanforderungen eines bedingten Vorsatzes kann sich aus der Art und Weise des fehlerhaften Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 ‌- VI ZR 309/10 -, juris Rn. 11, m. w. N., zu § 826 BGB). Dabei wird in Rechtsprechung und Literatur zumindest teilweise angenommen, dass schon Gleichgültigkeit gegenüber dem für nicht unwahrscheinlich gehaltenen Erfolg für einen bedingten Vorsatz genüge. Entscheidend sei, dass der Täter die reale Möglichkeit des Erfolgseintritts sehe und trotzdem handele oder dass er die Augen vor der Schädigungsmöglichkeit verschließe oder „ins Blaue handele“, nämlich ohne das Risiko des Erfolgseintritts nachzuprüfen (z. B. OLG München, Urteil vom 16. Dezember 2016 ‌- 32 U 2167/16 -, juris Rn. 35; Grundmann, in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 276 Rn. 161).

Angesichts der Tatsache, dass in der ursprünglichen Kfz-Reparatur-Rechnung neben den knapp 40 Positionen für Material auch 50 Positionen aufgeführt sind, die die für einzelne Arbeiten aufgewendete Arbeitszeit aufführen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sämtliche dieser Arbeiten in genau den ursprünglich vom Sachverständigen vorgesehenen Zeitabschnitten (Arbeitswerten) durchgeführt wurden, äußerst gering. Auf dieser Grundlage ist es nicht unvertretbar anzunehmen, dass der Zeuge erkennen musste, dass die Rechnung möglicherweise falsch sein konnte und er sie dennoch, ohne weitere Nachprüfungen, mindestens gleichgültig erstellte.

Auch dass das Berufungsgericht in seiner Beweiswürdigung im Urteil nicht ausdrücklich auf die von der Beschwerdeführerin als entscheidend angesehene Passage der Zeugenaussage eingegangen ist, führt nicht zu einer als willkürlich anzusehenden Unvollständigkeit der Beweiswürdigung.

Im Rahmen der Beweiswürdigung ist keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten erforderlich. § 313 Abs. 3 ZPO sieht vor, dass die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen zu enthalten haben, auf denen die Entscheidung beruht. Es muss erkennbar sein, dass eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat (ebenso BGH, Beschluss vom 25. Februar 1988 ‌- III ZR 258/86 -, juris, m. w. N.). Setzt sich hingegen das Gericht mit Gesichtspunkten nicht auseinander, die sich als erheblich für die Beweiswürdigung aufdrängen, kann dies dazu führen, dass die Beweiswürdigung nicht mehr verständlich ist und den Vorwurf willkürlicher Tatsachenfeststellung rechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1994 - 2 BvR 50, 122/93 -, NJW 1994, 2279, 2280).

Nach diesen Grundsätzen führt die unterbliebene Erwähnung jenes Teils der Zeugenaussage, in dem es um fehlende Anhaltspunkte für Rechnungsfehler geht, nicht zur Unverständlichkeit der gesamten Beweiswürdigung. Vertretbarerweise hat das Landgericht der Erklärung des Zeugen keine zentrale Bedeutung zugemessen, da er im Weiteren eingesteht, die Rechnung völlig ohne Anhaltspunkte, d. h. im Rechtssinne „ins Blaue hinein“, erstellt zu haben. Die vom Zeugen geschilderte Unkenntnis der Rechnungsgrundlage steht in offenem Wertungswiderspruch zu seiner Angabe, er habe keine Anhaltspunkte für Fehler der Rechnung gehabt. Letzteres konnte daher in noch vertretbarer Weise als vernachlässigbar angesehen werden.

cc. Die Annahme eines arglistigen Handelns des Zeugen ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive ebenfalls vertretbar. Dass die Rechnung zur Vorlage bei der Versicherung bestimmt war und der Zeuge dies wusste, ergibt sich schon daraus, dass die von ihm erstellte Rechnung an die Versicherung adressiert war. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Zeugen sei klar gewesen, dass die Vorlage der Rechnung das weitere Regulierungsverhalten der Versicherung beeinflussen werde, ergibt sich nachvollziehbar schon aus dem Zweck einer Rechnung. Auch dass der Zeuge wusste, dass die Versicherung aufgrund der Vorlage einer Rechnung möglicherweise auf deren Richtigkeit vertrauen und weitere Nachforschungen über die abgerechnete Reparatur nicht betreiben würde, kann in vertretbarer Weise aus der Erfahrung des Zeugen aus seiner Tätigkeit in der Kfz-Werkstatt der Beschwerdeführerin geschlussfolgert werden.

Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, durch seine „ins Blaue hinein“ vorgenommene Rechnungslegung habe der Zeuge die möglichen Folgen seines Handelns auch billigend in Kauf genommen, ist vertretbar. Zwar gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Angabe gegenüber einer Versicherung immer in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2009 - IV ZR 62/07 -, juris Rn. 10, m. w. N.). Mindestens auf Gleichgültigkeit des Zeugen in Bezug auf die Schadensfolge kann aber vertretbar geschlossen werden, zumal der Zeuge seine Motivation zur Rechnungserstellung mit dem von seiner Chefin ausgeübten Druck erklärte. Insoweit ist die Folgerung möglich, dass er die Rechnung zu diesem Zeitpunkt „um jeden Preis“ erstellen wollte, obwohl ihm die relevanten Unterlagen und Auskünfte nicht vorlagen, selbst wenn daraus ein Schaden für die Versicherung folgen könnte.

c. Soweit die Beschwerdeführerin ferner eine Verletzung rechtlichen Gehörs im Wege einer sogenannten Überraschungsentscheidung annimmt, da das Landgericht erstmals im Urteil eine Aufklärungspflichtverletzung und eine Eigenschaft des Zeugen als Wissenserklärungsvertreter der Beschwerdeführerin angenommen habe, ist die Verfassungsbeschwerde ebenfalls unbegründet.

aa. Indem das Berufungsgericht erstmals in der Urteilsbegründung auf eine Verletzung einer Obliegenheit zur Aufklärung des Schadensereignisses nach E.1. 3 AKB 2010, § 28 Abs. 2 VVG abstellte, hat es keine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen.

Als gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligte musste die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen mit einer solchen rechtlichen Wertung des Berufungsgerichts rechnen. Die Versicherung hatte im Ausgangsverfahren bereits in ihrer Klageerwiderung auf die zunächst falsche Rechnung der Beschwerdeführerin abgestellt und sich auf Leistungsfreiheit nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung der Beschwerdeführerin berufen. Wie die Beschwerdeführerin selbst darlegt, sind beide Parteien bereits erstinstanzlich davon ausgegangen, dass die entscheidungserhebliche Norm in § 28 VVG zu finden sein würde. § 28 Abs. 2 VVG betrifft ausweislich seines Wortlauts vertraglich vereinbarte Obliegenheiten. Dabei ergibt sich schon aus § 28 Abs. 3 VVG, dass dies auch Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles sein können. Dass sich derartige vertragliche Vereinbarungen aus den ausdrücklich in den Versicherungsvertrag einbezogenen (Seite 2 des Versicherungsscheins vom 8. Juli 2011, Blatt 9 der Akte des Amtsgerichts) AKB 2010, dort insbesondere aus dem mit „Welche Pflichten haben Sie im Schadensfall?“ bezeichneten Abschnitt E.1 (Seite 44 der von der Versicherung eingereichten AKB 01.10.2010, Blatt 123 der Akte des Amtsgerichts) ergeben, hätte die Beschwerdeführerin als gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligte erkennen können. Auf die rechtliche Beurteilung eines zwischen den Parteien thematisierten, tatsächlich unstreitigen Geschehens - hier die ursprünglich fehlerhaft erstellte Rechnung -, muss ein Gericht nicht hinweisen.

bb. Eine Überraschungsentscheidung liegt auch nicht in der Annahme des Berufungsgerichts, der Zeuge sei Wissenserklärungsvertreter der Beschwerdeführerin.

Das Landgericht hat schon im Rahmen seiner Terminsverfügung ausgeführt, dass das Verhalten des Zeugen der Beschwerdeführerin zuzurechnen sein könnte. Es hat damit in der Sache auf eine mögliche Wissenserklärungsvertreterstellung des Zeugen hingewiesen. Eine wörtliche Erwähnung dieses Begriffs war nicht zwingend geboten; der Hinweis war hinreichend klar und eindeutig (vgl. BFH, Beschluss vom 16. März 2016 - X B 202/15 -, Rn. 22, juris). Überdies hat das Landgericht mit den Parteien im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung die Frage einer - sogar weitergehenden - Repräsentantenstellung des Zeugen besprochen. Die Beschwerdeführerin hatte daher diesbezüglich ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Zu einer vorsorglichen Einschätzung der Rechtslage war das Landgericht nicht verpflichtet.

Die Eigenschaft als Wissenserklärungsvertreter ist ferner eine rechtliche Bewertung der aktenkundigen Tatsachen, die das Landgericht selbst und ohne Berufung einer Partei darauf vornehmen durfte bzw. sogar musste. Diesbezüglich expliziter Vortrag der Versicherung war insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des erstinstanzlich vernommenen Zeugen nicht erforderlich. Im Zweifel gilt, dass sich eine Partei für sie positiven gegnerischen Vortrag bzw. ein positives Beweisergebnis stillschweigend zu eigen macht (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 ‌- VI ZR 325/08 -, Rn. 5, juris, Urteil vom 17. Januar 1995 - X ZR 88/93 -, Rn. 20, juris).

d. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Zeuge habe als Wissenserklärungsvertreter der Beschwerdeführerin gehandelt, verstößt nach den oben genannten Grundsätzen auch nicht gegen das Verbot der Ungleichbehandlung vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV).

Für die Annahme einer Wissenserklärungsvertretereigenschaft genügt es nach überwiegender Rechtsprechung und Literatur, dass der Versicherungsnehmer den Dritten mit der Erfüllung seiner Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Versicherer betraut hat und dass der Dritte die Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers abgibt (z. B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. September 1997 - 4 U 97-96 -, NJW-RR 1999, 756; Looschelders, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 17 Rn. 90 m. zahlr. N.). Die Annahme, diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, ist vertretbar. Dass ein Werkstattmitarbeiter, der auf „Drängeln“ seiner Chefin einen Schaden durch Erstellung und Einreichung einer Reparaturrechnung bei der Versicherung belegt, mit der Aufklärung des Schadens­ereignisses - nämlich der Schadenshöhe - betraut sein soll, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das einzig aus der Aussage des Zeugen nicht unmittelbar ersichtliche Kriterium der Abgabe einer eigenen Wissenserklärung gegenüber dem Versicherer lässt sich in vertretbarer Weise aus dem eigenen Vortrag der Beschwerdeführerin in ihrer Klageschrift im Ausgangsverfahren ableiten, wo sie ausgeführt hatte, dass der Zeuge „die Abrechnung“ vornahm. Dies kann nach vertretbarer Auslegungsweise auch ein Handeln unmittelbar gegenüber der Versicherung erfassen.

C.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Finck
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Dr. Strauß