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VerfGBbg, Beschluss vom 19. März 2021 - VfGBbg 62/19 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - GG, Art. 19 Abs. 4
- LV, Art. 6 Abs. 1; LV, Art. 11; LV, Art. 11 Abs. 1; LV, Art. 11 Abs. 1 Satz 1; LV, Art. 11 Abs. 1 Satz 2; LV, Art. 11 Abs. 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 1; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 47 Abs. 1 Satz 1; VerfGGBbg, § 50 Abs. 3; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 1
- StPO, § 98 Abs. 2; StPO, § 100h; StPO, § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; StPO, § 100h Abs. 1 Nr. 2; StPO, § 100f Abs. 3; StPO, § 101 Abs. 4 Satz 1; StPO, § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7; StPO, § 101 Abs. 7 Satz 2; StPO, § 111; StPO, § 161; StPO, § 163e; StPO, § 163f; StPO, § 163f Abs. 3
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde begründet
- Kennzeichen
- Kennzeichenerfassung
- automatische Kennzeichenerfassung
- KESY
- Kennzeichenscanner
- Fahndungsmodus
- Aufzeichnungsmodus
- Erfassung
- Speicherung
- Nichttreffer
- Nichtbeschuldigter
- Zielperson
- KfZ-Halter
- Verdachtslosigkeit
- Streubreite
- informationelle Selbstbestimmung
- Datenschutz
- Daten
- personenbezogene Daten
- erheblich mitbetroffene Person
- staatsanwaltschaftliche Anordnung
- Ermittlungsmaßnahme
- gerichtliche Entscheidung
- Antrag auf gerichtliche Entscheidung
- Rechtsschutzgarantie
- Normenklarheit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. März 2021 - VfGBbg 62/19 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 62/19




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 62/19

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

T.,

Beschwerdeführer,

beteiligt:

  1. Direktorin des Amtsgerichts Frankfurt (Oder),
    Müllroser Chaussee 55,
    15236 Frankfurt (Oder),
  2. Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder),
    Müllroser Chaussee 55,
    15236 Frankfurt (Oder),
  3. Leitender Oberstaatsanwalt
    bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder),
    Bachgasse 10a,
    15230 Frankfurt (Oder),
  4. Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg,
    Heinrich-Mann-Allee 107,
    14473 Potsdam,
  5. Landesbeauftragte für den Datenschutz
    und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg,
    Stahnsdorfer Damm 77,
    14532 Kleinmachnow,
wegen

Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Juni 2019 ‌‑ 45 Gs 770/19 ‑ und Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2019 - 22 Qs 40/19

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 19. März 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2019 - 22 Qs 40/19 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 6 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Frankfurt (Oder) zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

 

Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts Frankfurt (Oder), die seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die automatische Kennzeichenerfassung abgelehnt haben.

I.

Der Beschwerdeführer befährt regelmäßig die Bundesautobahn 11 (BAB 11) auf ihrer fast gesamten Länge von seinem Wohnort vor der polnischen Grenze bis nach Berlin. An der BAB 11 sind zwei Anlagen des automatischen Kraftfahrzeug-Kennzeichenerfassungssystems „KESY“ installiert. Dieses System wird von der Polizei in Brandenburg betrieben und unter anderem in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingesetzt.

Im Fahndungsmodus erfasst KESY digitalisiert das rückwärtige Kennzeichen eines jeden passierenden Kraftfahrzeugs und gleicht es mit den in einer Fahndungsdatei gespeicherten Kennzeichen ab. Ergibt der Abgleich keinen Treffer, werden die Daten aus dem Speicher gelöscht.

Im Aufzeichnungsmodus erfasst und speichert KESY digitalisiert das rückwärtige Kennzeichen, ein vergrößertes Bild des Kennzeichens und eine Bildaufnahme der rückwärtigen Gesamtansicht eines jeden passierenden Kraftfahrzeugs verbunden mit Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung. Die Datenbestände können unter verschiedenen Parametern durchsucht und ausgewertet werden.

Halter erfasster Kraftfahrzeuge werden regelmäßig nicht informiert.

Der Beschwerdeführer beantragte am 13. Juni 2019 beim Amtsgericht Frankfurt (Oder) die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der automatischen Kennzeichenerfassung gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO). Er habe durch einen Zeitungsartikel vom 6. Juni 2019 von der automatischen Kennzeichenerfassung auf der BAB 11 erfahren, die alle passierenden Kraftfahrzeuge unterschiedslos erfasse. Die Zweiwochenfrist des § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO für den Antrag sei eingehalten. Er gehe davon aus, dass er keine Benachrichtigungen nach Beendigung der jeweiligen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsmaßnahmen gemäß § 101 Abs. 4 Satz 1 StPO erhalte. Sein Antrag beziehe sich auf die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit sämtlicher im Fahndungs- oder im Aufzeichnungsmodus erfolgter Erfassungen und Speicherungen des Kennzeichens und des Bildes seines Fahrzeugs im Zeitraum der Dauer der jeweiligen Maßnahmen durch die auf der BAB 11 stationierten KESY-Anlagen, die durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) veranlasst und die gegebenenfalls durch das Amtsgericht angeordnet oder bestätigt worden seien. Die automatische Kennzeichenerfassung verletze sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das es auch in der Verfassung des Landes Brandenburg gebe. Er weist auf den 1. Leitsatz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 - 1 BvR 142/15 - hin, wonach durch eine automatische Kennzeichenerfassung in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen werde, und zwar auch schon dann, wenn das Kennzeichen nach dem Abgleich als „Nichttreffer“ sofort wieder gelöscht werde. Dies gelte erst recht, wenn das Kennzeichen gespeichert werde. Demnach sei er eine von der automatischen Kennzeichenerfassung erheblich im Sinne des § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 StPO und nicht nur zufällig mitbetroffene Person und könne daher die gerichtliche Entscheidung, d. h. die gerichtliche Überprüfung der Ermittlungsmaßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO verlangen. Die automatische Kennzeichenerfassung sei darauf angelegt, auch seine Daten zu erfassen und zu speichern. Dieser Grundrechtseingriff sei nicht von der Strafprozessordnung, insbesondere § 100h StPO, gedeckt. Aufgrund des Gebots der Normenklarheit und des Parlamentsvorbehalts könne § 100h StPO auch nicht so weit ausgelegt werden, dass die automatische Kennzeichenerfassung darauf zu stützen sei. KESY sei auch keine Kontrollstelle im Sinne der Strafprozessordnung. Auf die Generalklausel des § 161 StPO lasse sich die automatische Kennzeichenerfassung erst recht nicht stützen. Gegen die automatische Kennzeichenerfassung müsse aufgrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) Rechtsschutz gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 StPO oder zumindest analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO möglich sein. Die Grundrechtsverletzungen drohten sich fortzusetzen beziehungsweise zu wiederholen. Die flächendeckende Totalerfassung des Straßenverkehrs und die Kfz-Daten-Massenspeicherung auf Vorrat, die mit wechselnder Begründung vorgenommen würden, griffen tief in Grundrechte ein. Die Maßnahme richte sich gezielt und unterschiedslos gegen sämtliche Verkehrsteilnehmer. Es würden auch Bewegungsprofile gespeichert. Dies mache das Bewegungsverhalten unzähliger Personen nachvollziehbar, die dafür keinerlei Anlass gegeben hätten. Eine solche Vorratsspeicherung von Bewegungsdaten könne die Bewegungsfreiheit und die Ausübung anderer Grundrechte, wie zum Beispiel der Versammlungsfreiheit und der Pressefreiheit, wesentlich einschränken, wenn die Verkehrsteilnehmer ihr Verhalten aufgrund der Überwachung änderten. Es werde ein ständiger Beobachtungsdruck erzeugt, der mit herkömmlichen Ermittlungsmaßnahmen nicht zu vergleichen sei. Dies sei übermäßig und könne auch nicht durch die Hoffnung gerechtfertigt werden, dass sich die Daten später als nützlich erweisen könnten, um Straftaten aufzuklären.

Das Amtsgericht Frankfurt (Oder) legte den Antrag dahingehend aus, dass der Beschwerdeführer sowohl strafprozessuale Anordnungen als auch deren Umsetzung gerichtlich überprüfen lassen wolle, und lehnte den Antrag mit Beschluss vom 24. Juni 2019 - 45 Gs 770/19 - als unzulässig ab, weil der Beschwerdeführer nicht antragsberechtigt sei. Er sei ersichtlich weder Zielperson noch Person, deren personenbezogene Daten gemeldet worden seien, noch erheblich mitbetroffene Person gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2, Abs. 4 Nr. 11 i. V. m. §§ 100h, 163e StPO und auch nicht Betroffener analog § 98 Abs. 2 StPO. Für Personen, deren Daten nur zufällig miterfasst würden, gelte weder eine Benachrichtigungspflicht noch sehe der Gesetzgeber ein Rechtsschutzbedürfnis.

Die gegen diesen Beschluss am 28. Juni 2019 erhobene (sofortige) Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer seine Argumentation wiederholte und vertiefte, verwarf das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 9. Juli 2019 - 22 Qs 40/19 - als unbegründet. Das Landgericht machte sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung zu eigen und führte ergänzend aus, dass der Beschwerdeführer ersichtlich weder Zielperson noch erheblich mitbetroffene Person im Sinne des § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 StPO einer konkreten strafprozessualen Maßnahme nach § 100h StPO sei. Beim Einsatz der automatischen Kennzeichenerfassung lasse sich funktionsbedingt nicht ausschließen, dass Daten unbeteiligter Dritter erhoben würden. Für den nachträglichen Rechtsschutz gegen den in der Vergangenheit erfolgten Einsatz der Anlagen wie auch für den Rechtsschutz gegen deren weiteren Betrieb sei allein der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Im Rechtsmittelverfahren könnten eine Überprüfung des Rechtswegs und eine Verweisung gemäß § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nicht mehr erfolgen, wenn ‌‑ so sinngemäß ‑‌ die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab gerügt worden sei.

Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer Gehörsrüge gemäß § 33a StPO. Da das Landgericht angenommen habe, nur die Verwaltungsgerichte könnten entscheiden, habe es das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Sache nicht in Erwägung gezogen. In dieser Woche seien drei Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) bekannt geworden, bei denen automatische Kennzeichenerfassungen im Aufzeichnungsmodus auf der BAB 11 auf Grundlage von § 163f StPO und § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO angeordnet worden seien. Über die Rechtmäßigkeit dieser staatsanwaltschaftlichen Anordnungen könne allein die ordentliche Gerichtsbarkeit entscheiden. Auch gegen die strafprozessual angeordnete Herstellung und Speicherung von Bildaufnahmen könne nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sein. Der Beschluss vom 9. Juli 2019 verletze den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör und verkenne sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung grundlegend, da dieses Grundrecht wegen seiner vermeintlich „zufälligen“ Mitbetroffenheit vom Landgericht nicht einmal in Erwägung gezogen worden sei. Wenn ihm vom Landgericht kein Rechtsschutz gewährt werde, müsse der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erheben.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) verwarf die Gehörsrüge am 18. Juli 2019 als unzulässig. Es habe sämtliche Schriftsätze des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen und inhaltlich geprüft. Auf den Verwaltungsrechtsweg habe es lediglich ergänzend hingewiesen.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 6. August 2019 Verfassungsbeschwerde erhoben.

Er trägt vor, die angegriffenen Beschlüsse verletzten sein Recht auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes, weil sie auf der Verkennung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beruhten. Auch wenn die Beschlüsse auf der Grundlage von Verfahrensrecht des Bundes, nämlich der Strafprozessordnung, ergangen seien, könne das Landesverfassungsgericht sie überprüfen, da die gerügten Grundrechte inhaltsgleich sowohl in der Landesverfassung als auch im Grundgesetz gewährleistet seien. Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung beziehe sich ausdrücklich auf strafprozessual angeordnete Maßnahmen. Zur Überprüfung der von der Staatsanwaltschaft angeordneten strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen könnten gemäß § 23 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) nur die ordentlichen Gerichte zuständig sein. Die gerichtliche Begründung, Rechtsschutz sei nicht für nur zufällig von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen miterfasste Personen eröffnet, verkenne grundlegend die Bedeutung der Rechtsschutzgarantie des Art. 6 Abs. 1 LV und des Art. 19 Abs. 4 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe zum Kennzeichenabgleich entschieden, dass in die Grundrechte aller erfassten Autofahrer eingegriffen werde, selbst wenn die Daten unverzüglich wieder gelöscht würden. Dies müsse erst recht im Falle der weiteren Speicherung der Daten gelten. Sämtliche Fahrzeugbewegungen würden bewusst aufgezeichnet. Da die Staatsanwaltschaft die Anordnung der Vorratsdatenspeicherung damit begründe, dass sich in Zukunft ein Ermittlungsinteresse an jeglicher Fahrzeugsichtung, zum Beispiel beim Verdacht der Mitbenutzung eines fremden Fahrzeugs durch einen Beschuldigten, ergeben könne, könne der Beschwerdeführer auch jederzeit in den falschen Verdacht geraten, einen Beschuldigten mitgenommen zu haben. Da er keinen Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben habe, griffen diese tiefer in seine Grundrechte ein als gegenüber tatsächlich Beschuldigten. Auch soweit sich sein Antrag auf Kennzeichenaufnahmen bezöge, die nicht mehr gespeichert seien, sei ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, um der Wiederholungsgefahr zu begegnen. Die automatische Kennzeichenerfassung und Massenspeicherung werde fortgesetzt. Die Fachgerichte hätten seine Antragsberechtigung und sein Rechtsschutzbedürfnis verkannt. Das Amtsgericht und das Landgericht hätten zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes gegen Grundrechtseingriffe die prozessualen Vorschriften der Strafprozessordnung verfassungskonform anwenden und auslegen müssen. Die Gerichte hätten nicht erkannt, dass die automatische Kennzeichenerfassung das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung verletze. Die Herstellung von Bildaufnahmen seines Kfz-Kennzeichens mit Ort und Zeit des Antreffens und die verdachtslose Vorratsspeicherung aller Sichtungen seines Kfz-Kennzeichens seien unverhältnismäßige Eingriffe in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) habe mehrfach auf der Grundlage von § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO angeordnet, dass die Kennzeichenscanner auf der BAB 11 im Aufzeichnungsmodus zu betreiben seien. Die Polizei speichere mithilfe der Kennzeichenscanner seit über zwei Jahren flächendeckend auf Vorrat, wann welcher Autofahrer welche Kennzeichenerkennungsanlage passiert habe, und zwar dauerhaft und auf unbestimmte Zeit. Eine Datenlöschung sei seither nicht erfolgt. Da er verschiedene Kennzeichenscanner passiert habe, sei auch sein Bewegungsverhalten gespeichert. Ähnlich einer Gesichtserkennung oder Verhaltenserkennung werde durch die automatische Kennzeichenerfassung und Vorratsdatenspeicherung ein ständiger Beobachtungdruck erzeugt, der mit herkömmlichen Ermittlungsmaßnahmen durch Ermittlungsbeamte nicht zu vergleichen sei. Ein Fahrzeug nicht nur zu filmen, sondern automatisch und massenhaft Kfz-Kennzeichen zu scannen, einzulesen und weiterzuverarbeiten sei von § 100h StPO nicht gedeckt. Eine KESY-Anlage sei auch keine Kontrollstelle im Sinne des § 111 StPO. Die automatische Kennzeichenerfassung lasse sich als in der Praxis täglich eingesetzte Standardmaßnahme wegen ihres hohen Eingriffsgewichts auch nicht auf die Generalklausel des § 161 StPO stützen. Es bedürfe für die automatische Kennzeichenerfassung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und der Normenklarheit entspreche. Am 6. Juni 2019 habe sich die Justizministerkonferenz für eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des Einsatzes der automatischen Kennzeichenerfassung im Strafverfahren ausgesprochen und die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz um Erarbeitung eines Gesetzesvorschlags gebeten. Eine Vorratsdatenspeicherung bezüglich völlig unbeteiligter Personen „ins Blaue“ hinein wäre allerdings auch auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung nach den Kriterien des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten im Urteil vom 21. Dezember 2016 - C‑203/15 und C‑698/15 - Tele2 - verfassungsrechtlich unzulässig. Amts- und Landgericht hätten trotz der ausdrücklichen und wiederholten Hinweise des Beschwerdeführers auf die einschlägigen Grundrechte der informationellen Selbstbestimmung und der Rechtsschutzgarantie die grundrechtliche Relevanz seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nicht erkannt. Weder das Amts- noch das Landgericht sprächen die einschlägigen Grundrechte auch nur an. Die Gerichte hätten diese Grundrechte nicht geprüft. Damit hätten sie spezifisches Verfassungsrecht verletzt.

Der Beschwerdeführer beantragt,

die Beschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Juni 2019 - 45 Gs 770/19 - und des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2019 - 22 Qs 40/19 - wegen Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Abs. 1 der Landesverfassung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

III.

Die Direktorin des Amtsgerichts Frankfurt (Oder), der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder), der Leitende Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg und die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg haben jeweils Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

IV.

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg trägt unter anderem vor, dass die automatische Kennzeichenerfassung in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Im Fahndungsmodus würden die Nichttreffer nicht nur zufällig und ungezielt - allein technikbedingt - miterfasst, sondern seien notwendiger und gewollter Teil der Kennzeichenkontrolle. Die Einbeziehung der Daten auch von dritten Personen, deren Abgleich letztlich im Fahndungsmodus nicht zu einem Treffer führe, erfolge nicht ungezielt, sondern gebe der Fahndungsmaßnahme erst ihren Sinn. Durch den Datenabgleich im Fahndungsmodus werde überprüft, ob weitere Maßnahmen, etwa eine Identitätskontrolle, durchzuführen seien. Das behördliche Interesse an diesen Daten sei zu bejahen. § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO sei keine ausreichende Rechtsgrundlage für die automatische Kennzeichenerfassung mit KESY. Die automatische Kennzeichenerfassung gehe über das Erstellen einer Bildaufnahme hinaus. Auch § 163f StPO i. V. m. § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO sei gegenüber Nichtbeschuldigten keine ausreichende Rechtsgrundlage für die automatische Kennzeichenerfassung. Erlaubt seien nach dieser Grundlage nur Maßnahmen gegen Beschuldigte oder gegen Zielpersonen, bei denen bestimmte Tatsachen den Verdacht begründeten, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stünden oder eine Verbindung hergestellt werde. Es könne gerade nicht davon ausgegangen werden, dass gegen jeden Halter beziehungsweise Fahrer, dessen Fahrzeug die KESY-Anlage passiere, der Verdacht begründet sei, mit dem Beschuldigten des Observationsbeschlusses in Verbindung zu stehen oder eine Verbindung herzustellen. Jedes Fahrzeugkennzeichen werde im Aufzeichnungsmodus zum Zielobjekt. Jeder Halter oder Fahrer eines Fahrzeugs sei von der Ermittlungsmaßnahme betroffen, weil sich das polizeiliche Interesse darauf richte, alle vorbeifahrenden Kennzeichen gezielt zu erfassen und zu speichern, um sie gegebenenfalls dem konkreten Ermittlungsvorgang zuzuordnen und weitere Personen identifizieren zu können. Die Mitbetroffenheit sei gerade kein Begleiteffekt der Datenerhebung. Die nichtbeschuldigten Halter und Fahrzeugführer seien daher keine unvermeidbar mitbetroffenen Dritten im Sinne des § 100h Abs. 3 StPO, sondern Zielpersonen. Deshalb sei auch der Beschwerdeführer Zielperson.

V.

Das Ministerium der Justiz trägt insbesondere vor, der Beschwerdeführer rüge lediglich die Verletzung seines Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 6 Abs. 1 LV. Die Frage der Vereinbarkeit der automatischen Kennzeichenerfassung mit dem Grundrecht auf Datenschutz aus Art. 11 Abs. 1 LV stelle sich nur als Vorfrage und sei nicht Beschwerdegegenstand. Hierüber könne keine bindende Entscheidung des Verfassungsgerichts ergehen. Die angegriffenen Beschlüsse hätten sich inhaltlich nicht damit beschäftigt, ob die automatische Kennzeichenerfassung mit dem Grundrecht auf Datenschutz nach der Landesverfassung vereinbar sei. Das Verfassungsgericht dürfe sich daher wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht mit dieser Frage befassen. Zudem dürfe ausschließlich das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit von § 163f i. V. m. § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO als Rechtsgrundlage für die automatische Kennzeichenerfassung entscheiden. Bei der Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften des Prozessrechts setze die Prüfungskompetenz des Landesverfassungsgerichts voraus, dass das betreffende Landesgrundrecht und das durch das Grundgesetz gewährleistete Parallelgrundrecht inhaltsgleich seien. Die Rechtsgrundlage des § 163f i. V. m. § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO für die automatische Kennzeichenerfassung werde durch die Staatsanwaltschaften in Brandenburg rechtmäßig und verhältnismäßig angewendet. Die automatische Kennzeichenerfassung diene dem gewichtigen und verfassungsrechtlich legitimen Zweck einer wirksamen Strafverfolgung. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt die unabweisbaren Bedürfnisse nach einer wirksamen Strafverfolgung und nach einer wirksamen Verbrechensbekämpfung hervorgehoben, das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet. Neben anderen einzuhaltenden Voraussetzungen müsse es sich bei Maßnahmen auf der Grundlage von § 163f i. V. m. § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO um eine Straftat von erheblichem Gewicht handeln. In der Praxis seien das organisierte Kriminalität und schwere Bandenkriminalität. Der Eingriff gegenüber dem einzelnen Betroffenen sei dagegen gering und erschöpfe sich in der Regel in der Erfassung und Speicherung des Fahrzeugkennzeichens. Zudem stehe die automatische Kennzeichenerfassung im Aufzeichnungsmodus gemäß § 163f Abs. 3 StPO unter dem Vorbehalt der richterlichen Anordnung.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I. Bezüglich des Beschlusses des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Juni 2019 ‌‑ 45 Gs 770/19 - ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig und insoweit zurückzuweisen. Der Beschluss des Amtsgerichts wurde prozessual durch den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2019 überholt. Prozessuale Überholung tritt durch die vollständige Überprüfung einer Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Rechtsmittelgericht ein (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 10. Mai 2019 ‌‑ VfGBbg 41/18 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Landgericht hat den Beschluss des Amtsgerichts ohne Einschränkungen im Prüfungsmaßstab vollständig überprüft und durch die Entscheidung über die Beschwerde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht inhaltlich bestätigt.

II. Die gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2019 ‌‑ 22 Qs 40/19 - gerichtete Verfassungsbeschwerde ist erfolgreich.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

a) Sie ist statthaft. Gemäß § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann jeder Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht mit der Behauptung erheben, durch die öffentliche Gewalt des Landes Brandenburg in einem in der Landesverfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt zu sein. Gemäß § 46 VerfGGBbg ist die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) ist als Entscheidung eines Gerichts des Landes ein Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Brandenburg und damit gemäß § 45 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg statthafter Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.

Der Beschwerdeführer macht hinreichend geltend, dass der Beschluss des Landgerichts gegen die Rechtsschutzgarantie aus Art. 6 Abs. 1 LV verstoße, weil damit der Rechtsschutz gegen eine Verletzung seines auch in der Verfassung des Landes Brandenburg enthaltenen Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung verweigert werde.

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat im Rahmen der föderalen Struktur die Kompetenz, Grundrechte aus der Landesverfassung bei der Anwendung von Bundesrecht, hier der Strafprozessordnung, durch Gerichte und Behörden des Landes Brandenburg, hier die Staatsanwaltschaften, zu prüfen, wenn die Grundrechte der Landesverfassung inhaltsgleich mit entsprechenden Grundrechten des Grundgesetzes sind, das heißt im konkreten Fall zum selben Ergebnis führen, weil insoweit die Grundrechte der Landesverfassung von den Gerichten und Behörden eines Landes auch bei der Anwendung des Bundesrechts beachtet werden müssen (vgl. für die Anwendung materiellen Bundesrechts: Beschlüsse vom 16. Juni 2005 ‌‑ VfGBbg 282/03 ‑ und vom 16. Dezember 2010 ‌‑ VfGBbg 18/10 ‑;‌ vgl. für die Anwendung von Verfahrensrecht des Bundes: Beschluss vom 16. Mai 2002 ‌‑ VfGBbg 46/02 ‑,‌ m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1997 ‌‑ 2 BvN 1/95 ‑,‌ BVerfGE 96, 345, 354 f., www.bverfg.de).

Die Rechtsschutzgarantie des Art. 6 Abs. 1 LV entspricht wörtlich dem Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und stellt ein inhaltsgleiches Grundrecht dar (vgl. Beschlüsse vom 25. Oktober 2002 ‌‑ VfGBbg 85/02 ‑‌ und vom 21. November 2002 ‌‑ VfGBbg 99/02 ‑,‌ https://verfassungs­gericht.brandenburg.de).

b) Die Verfassungsbeschwerde ist fristgerecht innerhalb der zweimonatigen Beschwerdefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1, Satz 3, 1. Hs. VerfGGBbg erhoben worden, ohne dass es darauf ankommt, ob die Gehörsrüge zulässig war. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls innerhalb von zwei Monaten nach Ergehen des angefochtenen Beschlusses eingegangen.

c) Die Verfassungsbeschwerde genügt den Anforderungen an die Grundsätze der Subsidiarität.

aa) Der Beschwerdeführer hat dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde genügt. Dieser gebietet, dass alle nach der Lage der Sache zur Verfügung stehenden zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergriffen werden, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnäheren Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 24. März 2017 - VfGBbg 27/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Der Beschwerdeführer hat vorliegend das sachnähere Verfahren gewählt und muss insofern nicht (auch) auf eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die automatische Kennzeichenerfassung als polizeiliche Maßnahme verwiesen werden. Sein Begehren bezieht sich auf die gerichtliche Überprüfung von repressiven Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung nach der Strafprozessordnung. Gemäß § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sind für Strafsachen und gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG für Justizverwaltungsakte auf dem Gebiet der Strafrechtspflege die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen. Gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2, Satz 1 i. V. m. § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO oder gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 analog, Satz 3 i. V. m. § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO ist für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor Erhebung der öffentlichen Klage der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts am Sitz der Staatsanwaltschaft zuständig. Über Beschwerden gegen gerichtliche Beschlüsse im Rahmen der Strafprozessordnung gemäß § 304 Abs. 1 StPO entscheiden gemäß §§ 306, 308 StPO die ordentlichen Gerichte.

bb) Der Beschwerdeführer hat auch alle nach der Lage der Sache zur Verfügung stehenden zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergriffen. Er hat die Rechte aus der Landesverfassung, deren Verletzung er mit der Verfassungsbeschwerde rügt, von Anfang an durchgängig in den von ihm geführten Verfahren des Antrags auf gerichtliche Entscheidung, der Beschwerde und der Gehörsrüge verfolgt und ihre Beachtung durch die Gerichte angemahnt.

d) Das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde ist gegeben.

aa) Die Verfassungsbeschwerde ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer gegenüber dem Amts- und dem Landgericht keine genauen Angaben dazu gemacht hat, wann er auf der BAB 11 gefahren ist. Der fachgerichtliche Rechtsschutz kann nicht davon abhängen, dass der Beschwerdeführer zur Offenbarung derjenigen Daten seiner persönlichen Lebensführung gezwungen wird, gegen deren Erhebung durch den Staat er sich wehrt. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezog sich zwar auf sämtliche Ermittlungsmaßnahmen der automatischen Kennzeichenerfassung auf der BAB 11. Gleichwohl dürfte der Antrag aufgrund des Vortrags zeitlich einschränkend dahin ausgelegt werden können, dass die automatische Kennzeichenerfassung der letzten Jahre vor Antragstellung gemeint war. Der Beschwerdeführer begehrt, dass die Gerichte die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Ermittlungsmaßnahmen in Bezug auf seine Person prüfen. Dabei ist die Möglichkeit hinreichend, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum einer Ermittlungsmaßnahme von der automatischen Kennzeichenerfassung betroffen worden sein könnte. Für diese Möglichkeit reicht die Darlegung, mit einiger Wahrscheinlichkeit von einer Maßnahme berührt worden zu sein, die eine große Streubreite hat und auch Dritte betrifft, die keinen Anlass zu entsprechenden Maßnahmen gegeben haben (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 ‌‑ 1 BvR 256/08 u. a. ‑,‌ www.bverfg.de, Rn178). Da der Beschwerdeführer nachvollziehbar dargelegt hatte, er befahre regelmäßig die BAB 11, war davon auszugehen, dass er von den jeweiligen Ermittlungsmaßnahmen mittels automatischer Kennzeichenerfassung berührt bzw. betroffen war. Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Ermittlungsmaßnahme der automatischen Kennzeichenerfassung gegenüber dem Beschwerdeführer muss nicht auf die konkreten Einzelfälle abgestellt werden, bei denen das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers von den KESY-Anlagen erfasst wurde. Das fachgerichtliche Begehren des Beschwerdeführers richtete sich vielmehr auf die Feststellung, ob er generell von den einzelnen Ermittlungsmaßnahmen erfasst werden durfte.

bb) Auf der Ebene der verfassungsgerichtlichen Prüfung kann dem Beschwerdeführer auch nicht entgegengehalten werden, dass ihm das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung fehle, sofern noch kein Ermittlungsverfahren, bei dem die automatische Kennzeichenerfassung eingesetzt wird, abgeschlossen gewesen sein sollte, und angenommen werden könne, dass § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO nur für den Rechtsschutz nach Beendigung einer Ermittlungsmaßnahme gilt. Jedenfalls für bereits beendete Maßnahmen verdrängt § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO die allgemeinen Rechtsbehelfe der Strafprozessordnung als spezielle Regelung für alle in § 101 Abs. 4 Satz 1 StPO benannten heimlichen Ermittlungsmaßnahmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2008 ‌‑ StB 12/08 u. a. ‑,‌ juris, Rn. 6f., und vom 16. Mai 2013 ‌‑ 2 BGs 147/13 ‑,‌ juris, Rn. 5). Falls man davon ausgeht, dass § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO nicht vor Beendigung einer Ermittlungsmaßnahme anwendbar ist, sind gegen laufende Ermittlungsmaßnahmen die Beschwerde gemäß § 304 StPO beziehungsweise der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog gegeben (vgl. Wolter/Jäger, in: SK‑StPO, 5. Aufl. 2016, § 101, Rn. 39).

cc) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht deshalb, weil die hauptsächlich betroffenen Informationen über das Kraftfahrzeugkennzeichen und seine Bewegung im öffentlichen Raum öffentlich zugänglich sind und das Kennzeichen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) sogar der Identifizierung dient. Dies schließt die Möglichkeit eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht aus (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 ‌‑ 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 ‑,‌ BVerfGE 120, 378, 399, www.bverfg.de).

dd) Dem Beschwerdeführer kann nicht entgegenhalten werden, dass er von der automatischen Kennzeichenerfassung nur unerheblich und zufällig mitbetroffen sei. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist gerade die Frage, ob diese zur Unzulässigkeit seines fachgerichtlichen Begehrens führende Wertung des Landgerichts den Anforderungen aus Art. 6 Abs. 1 LV genügt.

ee) Erst recht ist der Beschwerdeführer nicht darauf zu verweisen, er könne die BAB 11 meiden oder auf die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug verzichten, um nicht die automatische Kennzeichenerfassung zu passieren. Ihm ist nicht zuzumuten, zur Vermeidung staatlicher Überwachungsmaßnahmen auf seine elementaren Freiheitsrechte zu verzichten.

ff) Der Beschwerdeführer kann sein Rechtsschutzziel nicht auf einem einfacheren Weg als der Verfassungsbeschwerde erreichen. Soweit ein individuelles Vorgehen gegen die automatische Kennzeichenerfassung gegebenenfalls zum Beispiel auch mit Anträgen nach dem Brandenburgischen Datenschutzgesetz, dem Akteneinsichts- und Informationsschutzgesetz oder dem Petitionsgesetz möglich sein könnte, ließe sich damit die Überprüfung der automatischen Kennzeichenerfassung als strafprozessualer Ermittlungsmaßnahme nicht erreichen.

gg) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch nicht, obwohl und solange der Beschwerdeführer noch keine Benachrichtigung gemäß § 101 Abs. 4 Satz 1 StPO erhalten hat, weil die Benachrichtigung keine Voraussetzung für den Rechtsschutz ist (vgl. Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 62. Aufl. 2019, § 101, Rn. 25). Da der Beschwerdeführer keine Benachrichtigung erhalten hat, wurde ihm gegenüber auch nicht die Zweiwochenfrist des § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in Gang gesetzt. Dass eine solche Frist abgelaufen sei, kann ihm somit nicht entgegengehalten werden und sein Rechtsschutzbedürfnis nicht hindern.

e) Der Beschwerdeführer ist auch beschwerdebefugt. Die Beschwerdebefugnis setzt die Möglichkeit voraus, selbst, unmittelbar und gegenwärtig in einer grundrechtlich geschützten Rechtsposition beeinträchtigt bzw. verletzt zu sein (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 15. Dezember 2017 ‌‑ VfGBbg 63/16 ‑,‌ m. w. N., und vom 9. Oktober 2015 ‌‑ VfGBbg 8/15 EA ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die Verfassungsbeschwerde muss die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts aufzeigen (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017 ‌‑ VfGBbg 9/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dabei darf die Grundrechtsverletzung nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. Beschluss vom 23. Mai 1996 ‌‑ VfGBbg 11/95 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Beschwerdeführer ist durch den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2019 selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen. Der Beschwerdeführer zeigt schlüssig die Möglichkeit auf, dass der Beschluss sein Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 LV verletzen könnte, weil diese Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 1 BvR 142/15 - nicht berücksichtigt, wonach bei der automatischen Kennzeichenerfassung die Erfassung des Kennzeichens und der Abgleich mit den Fahndungsbeständen einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber allen Personen darstellt, deren Kennzeichen in die Kontrolle einbezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018 ‌‑ 1 BvR 142/15 ‑,‌ www.bverfg.de, Rn. 41 ff.).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

a) Der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2019 - 22 Qs 40/19 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 6 Abs. 1 LV.

aa) Gemäß Art. 6 Abs. 1 LV steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Die Rechtsschutzgarantie aus Art. 6 Abs. 1 LV gewährt Anspruch auf effektive, d. h. tatsächlich wirksame, fachgerichtliche Kontrolle gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. Beschlüsse vom 30. Juni 1999 ‌‑ VfGBbg 3/98 ‑,‌ vom 27. Juli 2000 ‌‑ VfGBbg 28/00 EA ‑‌ und vom 25. Oktober 2002 ‌‑ VfGBbg 87/02 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1984 ‌‑ 2 BvR 1413/83 ‑,‌ BVerfGE 67, 43, 58, juris, vom 17. April 1991 ‌‑ 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 ‑,‌ BVerfGE 84, 34, m. w. N, juris, und vom 30. April 1997 ‌‑ 2 BvR 817/90 u. a. ‑,‌ BVerfGE 96, 27, 39, www.bverfg.de). Dies macht es erforderlich, in den Prozessordnungen vorgesehene Rechtsbehelfe so auszulegen und anzuwenden, dass sie geeignet sind, materielle (Grund-)Rechtsverletzungen zu beheben.

bb) Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 9. Juli 2019 keine tatsächlich wirksame fachgerichtliche Kontrolle gegen die Erfassung und Speicherung durch die automatische Kennzeichenerfassung mit KESY als Akte der öffentlichen Gewalt gewährt, da es das Recht auf Datenschutz aus Art. 11 Abs. 1 LV verkannte, die Antragsberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 StPO für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO zu Unrecht verneinte und die Beschwerde daher als unbegründet ansah.

b) Das Landgericht hätte die Antragsberechtigung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO im Lichte des Rechts auf Datenschutz (Art. 11 Abs. 1 LV) auslegen müssen. Nach den genannten Vorschriften können bei Maßnahmen nach § 100h StPO unter anderem erheblich mitbetroffene Personen die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen beantragen. Geht es dabei gerade um die gerichtliche Kontrolle verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, muss der Zugang zu einer gerichtlichen Sachentscheidung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Dimension der staatlichen Ermittlungstätigkeit gewährleistet werden. Das Grundrecht auf Datenschutz strahlt damit auf die Voraussetzungen aus, unter denen gerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden kann.

aa) Gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 LV hat jeder das Recht, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen, das Recht auf Auskunft über die Speicherung seiner persönlichen Daten und das Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen, soweit sie ihn betreffen und Rechte Dritter nicht entgegenstehen. Personenbezogene Daten dürfen nur mit freiwilliger und ausdrücklicher Zustimmung des Berechtigten erhoben, gespeichert, verarbeitet, weitergegeben oder sonst verwendet werden, Art. 11 Abs. 1 Satz 2 LV. Dementsprechend umfasst das Grundrecht die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er einen persönlichen Lebenssachverhalt offenbart und wie mit seinen personenbezogenen Daten verfahren wird (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017 ‌‑ VfGBbg 9/17 ‑,‌ m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Entsprechend dem Wesen der Grundrechte als Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat erfasst die Bestimmung die staatliche Erhebung, Verarbeitung oder Weitergabe von personenbezogenen Daten und schützt demgemäß vor der Inanspruchnahme persönlicher Daten durch staatliche Stellen (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017 ‌‑ VfGBbg 9/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Das Recht auf Datenschutz aus Art. 11 Abs. 1 LV schützt vor jeglichem Zugriff auf persönliche Daten (vgl. Beschlüsse vom 25. September 2002 ‌‑ VfGBbg 79/02 ‑‌ und vom 21. April 2005 ‌‑ VfGBbg 56/04 ‑,‌ https://verfas­sungs­gericht.‌brandenburg.de), wobei es keine belanglosen Daten mehr gibt (vgl. Beschluss vom 20. Juni 1996 ‌‑ VfGBbg 3/96 ‑, ‌https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 ‌‑ 1 BvR 209/83 u. a. ‑,‌ BVerfGE 65, 1, 45, www.bverfg.de).

bb) Mit der Erfassung und Speicherung des Kennzeichens, eines vergrößerten Bildes des Kennzeichens und einer Bildaufnahme der rückwärtigen Gesamtansicht seines Kraftfahrzeugs, verbunden mit Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung, ist für den Beschwerdeführer der Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 LV betroffen. Es handelt sich um personenbezogene Daten, nämlich Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen (Art. 4 Nr. 1 Europäische Datenschutz-Grundverordnung). Gemeint sind damit in einem umfassenden Sinne sämtliche denkbaren Informationen über Zustände, Äußerungen, Handlungen oder Verhältnisse eines Bürgers (vgl. bereits zur früheren Definition personenbezogener Daten: Beschluss vom 30. Juni 1999 ‌‑ VfGBbg 3/98 ‑, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Der Beschwerdeführer ist durch das Kennzeichen des auf ihn gemeldeten Kraftfahrzeugs über eine Halteranfrage (§§ 33, 35 Straßenverkehrsgesetz - StVG) als Halter und als möglicher Fahrer des Kraftfahrzeugs identifizierbar. Mit der Erfassung seines Kennzeichens auf der BAB 11 und gegebenenfalls der Speicherung des Bildes mit Angaben über Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung werden personenbezogene Daten über den Beschwerdeführer erhoben. Es wird erfasst und gegebenenfalls gespeichert, dass er oder zumindest sein Kraftfahrzeug zu bestimmten Uhrzeiten in bestimmter Fahrtrichtung die BAB 11 befahren hat. Aus mehreren Erfassungen oder ihrem Gesamtbild können zudem weitere Erkenntnisse über den Beschwerdeführer gewonnen werden, etwa ob er regelmäßig an bestimmten Tagen die BAB 11 befährt und wie lange seine Aufenthalte zum Beispiel in Berlin dauern.

cc) Das Verfassungsgericht hat bereits für den Bereich des Polizeirechts als Landesrecht zum präventiven Schutz vor Straftaten entschieden, dass das Grundrecht auf Datenschutz aus Art. 11 Abs. 1 LV vor einem Eingriff durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel schützt. Die gezielte Erhebung personenbezogener Daten von unbeteiligten Dritten stellt danach einen Eingriff in ihr Grundrecht aus Art. 11 Abs. 1 LV dar (vgl. Urteil vom 30. Juni 1999 ‌‑ VfGBbg 3/98 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Das Bundesverfassungsgericht hat in der vom Beschwerdeführer angeführten Entscheidung zum Polizeirecht des Landes Bayern ausgeführt, dass Erfassung und Abgleich des Kennzeichens mittels automatischer Kennzeichenerfassung in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen, auch wenn das Ergebnis zu einem „Nichttreffer“ führt und die Daten sogleich gelöscht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018 ‌‑ 1 BvR 142/15 ‑,‌ www.bverfg.de, 1. Leitsatz und Rn. 45). Die automatische Kennzeichenerfassung zur Fahndung nach Personen oder Sachen ist ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht von erheblichem Gewicht (ebenda, Rn. 96).

Bereits in früheren Entscheidungen führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass Betroffener einer Überwachung jeder ist, in dessen Persönlichkeitsrechte durch die Maßnahmen eingegriffen wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 ‌‑ 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 ‑,‌ BVerfGE 120, 378, 396, m. w. N., www.bverfg.de). Grundrechtseingriffe, die sowohl durch Verdachtslosigkeit als auch durch eine große Streubreite gekennzeichnet sind ‌‑ bei denen also zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben ‑, weisen grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität auf und begründen ein Abwehrrecht im Sinne einer subjektiven Rechtsposition (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 ‌‑ 1 BvR 518/02 ‑,‌ BVerfGE 115, 320, 354, www.bverfg.de; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 ‌‑ C‑203/15 u. a. ‑,‌ juris, Rn. 112).

dd) Gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 1 LV sind Einschränkungen des Rechts auf Datenschutz im Sinne des Art. 11 Abs. 1 LV nur im überwiegenden Allgemeininteresse durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes im Rahmen der darin festgelegten Zwecke zulässig. Gesetze, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beziehungsweise das inhaltsgleiche Recht auf Datenschutz einschränken, müssen dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen, d. h. aus ihnen müssen sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung klar und für den Bürger erkennbar ergeben (vgl. Beschluss vom 21. April 2005 ‌‑ VfGBbg 56/04 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.; BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 ‌‑ 1 BvR 209/83 u. a. ‑,‌ BVerfGE 65, 1, 44, und Beschlüsse vom 12. April 2005 ‌‑ 2 BvR 1027/02 ‑,‌ Rn. 97, vom 13. Juni 2007 ‌‑ 1 BvR 1550/03 u. a. ‑,‌ BVerfGE 118, 168, 187, und vom 18. Dezember 2018 ‌‑ 1 BvR 142/15 ‑,‌ Rn. 91, www.bverfg.de).

c) Davon ausgehend hätte das Landgericht im Hinblick auf den durch Art. 11 Abs. 1 LV gewährleisteten umfassenden Schutz der Freiheitssphäre erkennen müssen, dass die grundrechtliche Verbürgung eine Auslegung der Antragsbefugnis in § 101 Abs. 7 Satz 2, § 101 Abs. 4 Satz 1 StPO gebietet, die eine gerichtliche Nachprüfung in der Sache ermöglicht. Nur dann ist es möglich, etwaige im Zusammenhang mit verdeckten Ermittlungen stehende Grundrechtsverstöße im fachgerichtlichen Verfahren zu beheben.

Das Landgericht hat die Ausstrahlungswirkung des betroffenen Grundrechts auf Datenschutz aus Art. 11 Abs. 1 und 2 LV verkannt, das dem Beschwerdeführer gegen die Staatsanwaltschaft des Landes Brandenburg - parallel zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach dem Grundgesetz - ein Abwehrrecht gegen den Einsatz der automatischen Kennzeichenerfassung und in der Folge erst recht auch gegen die Speicherung der mittels automatischer Kennzeichenerfassung gewonnenen Daten gibt, wenn sich der Einsatz nicht auf eine Ermächtigungsgrundlage der Strafprozessordnung stützen lässt. Im Hinblick darauf, dass die automatische Kennzeichenerfassung ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und damit auch in das Grundrecht auf Datenschutz nach Art. 11 Abs. 1 LV von erheblichem Gewicht ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018 ‌‑ 1 BvR 142/15 ‑,‌ www.bverfg.de, Rn. 96), musste der Beschwerdeführer als erheblich mitbetroffene Person im Sinne von § 101 Abs. 4 Satz 1 StPO angesehen werden. Nur dann wäre es dem Landgericht möglich gewesen, zu prüfen, ob der Einsatz der automatischen Kennzeichenerfassung gegenüber dem Beschwerdeführer durch eine der Ermächtigungsgrundlagen der Strafprozessordnung als Mittel eines Ermittlungseingriffs gedeckt ist.

Das ist nicht zuletzt mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 - 1 BvR 142/15 - geboten, wonach das Erfassen und Abgleichen von Daten ein Kontrollvorgang ist, der sich bewusst auf alle in die Kennzeichenkontrollzone einbezogenen Personen erstreckt und erstrecken soll. Die Einbeziehung der Daten auch von Personen, deren Abgleich letztlich zu Nichttreffern führt, erfolgt nicht ungezielt und allein technikbedingt, sondern ist notwendiger und gewollter Teil der Kontrolle und gibt ihr als Fahndungsmaßnahme erst ihren Sinn. In der ex-ante-Perspektive der Behörde, die für die Einrichtung einer Kennzeichenkontrolle maßgeblich ist, besteht ein spezifisch verdichtetes Interesse daran, die Kennzeichen aller an der Kennzeichenerfassungsanlage vorbeifahrenden oder sonst in die Kontrolle einbezogenen Fahrzeuge zu erfassen, weil es gerade um deren Kontrolle selbst geht. Zu diesem Zweck werden die Daten gezielt erhoben und kommt es auch auf deren Zuordenbarkeit zu den jeweiligen Personen an. Dem steht auch nicht entgegen, wenn die Daten im „Nichttreffer“-Fall sofort wieder gelöscht werden. Denn das ändert nichts daran, dass die Betroffenen durch die Kennzeichenkontrolle einer staatlichen Maßnahme unterzogen werden, mit der sich ihnen gegenüber ein spezifisches Fahndungsinteresse zur Geltung bringt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2018 ‌‑ 1 BvR 142/15 ‑,‌ www.bverfg.de, Rn. 50f.). Das schließt es aus, den Beschwerdeführer als nicht erheblich mitbetroffene Person anzusehen, wenn er zum erfassten Personenkreis gehören kann, was hier der Fall ist.

Im Lichte des Rechts auf Datenschutz aus Art. 11 LV und der Rechtsschutzgarantie aus Art. 6 Abs. 1 LV hätte das Landgericht den Begriff der „erheblich mitbetroffenen“ Person als Voraussetzung der Antragsberechtigung in § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 StPO - wie auch jede andere mögliche Antragsberechtigung, etwa nach § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 11, § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 12, § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog, § 304 Abs. 2 StPO oder § 24 Abs. 1 EGGVG, - so auslegen müssen und können, dass sie auch den Beschwerdeführer als erheblich mitbetroffene Person umfasst und den Zugang zu einer materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme gegenüber dem Beschwerdeführer und somit effektiven Rechtsschutz ermöglicht. Indem das Landgericht die Antragsberechtigung ohne die Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung des Art. 11 LV verneinte und keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme gegenüber dem Beschwerdeführer vornahm, verletzte es mit dem Beschluss vom 9. Juli 2019 das Grundrecht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 6 Abs. 1 LV.

C.

Der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2019 - 22 Qs 40/19 - ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde an das Landgericht Frankfurt (Oder) zurückzuverweisen, § 50 Abs. 3 VerfGGBbg.

Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß