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VerfGBbg, Beschluss vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - BGB, § 677; BGB, § 683 Satz 1
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 1 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 47 Abs. 1; VerfGGBbg, § 47 Abs. 2
- VwGO, § 92 Abs. 3
Schlagworte: - unzureichende Begründung
- materielle Subsidiarität
- Begründungsfrist
- prozessuale Überholung
- (keine) Berücksichtigung nachgereichter Unterlagen
- Nichtabhilfeentscheidung
- Zwischenentscheidung
- Geschäftsführung ohne Auftrag
- Prozesskostenhilfe
- gesetzlicher Richter
- rechtliches Gehör
- Willkür
- Anhörungsrügeschrift verspätet eingereicht
- Hinweispflicht
- (keine) Wiedereinsetzung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 41/18




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

K.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt H.,

 

wegen Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 28. Juni 2016 und vom 15. September 2017 - 2 O 352/15 -; Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. März 2018 - 3 W 116/17

           

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 10. Mai 2019

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Kirbach, Nitsche, Partikel und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:
 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Entscheidungen des Landgerichts Cottbus und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens.
 

I.

Der Beschwerdeführer betrieb zu touristischen Zwecken den S-Hof und die S. Treppe, eine Aussichtsplattform. Von der Gemeinde als Eigentümerin der Objekte begehrte er den Ersatz von Aufwendungen für deren Betrieb. Vor dem Landgericht Cottbus beantragte er hierfür Prozesskostenhilfe.
 

Das Landgericht wies zunächst darauf hin, dass dem Beschwerdeführer ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1 BGB) nicht zustehen dürfte. Es fehle am Fremdgeschäftsführungswillen sowie am Interesse bzw. Willen des Geschäftsherrn an der Geschäftsführung.
 

Nach Stellungnahme des Beschwerdeführers wies das Landgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 28. Juni 2016 mangels hinreichenden Er­folgsaussichten zurück. Für den S-Hof liege - schon nach dem Vortrag des Beschwerdeführers - ein Mietvertrag vor, der ihn zur Nutzung des Hofes berechtige und die wechselseitigen Instandhaltungspflichten regele. Über die S. Treppe hätten der Beschwerdeführer und die Gemeinde nach Auslegung des Vortrags des Beschwerdeführers einen Leihvertrag abgeschlossen.
 

Der Beschwerdeführer erhob sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss und lehnte zugleich die erkennenden Richter ab. Den die Zurückweisung der Ablehnungsantrags bestätigenden Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts griff der Beschwerdeführer mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde an (VfGBbg 7/18).
 

Nach der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts im Ablehnungsverfahren half das Landgericht Cottbus mit Beschluss vom 15. September 2017 der sofortigen Beschwerde unter Mitwirkung von zwei Richtern, die der Beschwerdeführer erfolglos abgelehnt hatte, unter weiterer Begründung nicht ab.
 

Das Oberlandesgericht wies am 6. März 2018 die sofortige Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss zurück. Es nahm Bezug auf die Gründe der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts und begründete seine Entscheidung weiter wie folgt: Hinreichende Anhaltspunkte für die Vornahme zumindest auch fremder Geschäfte mit Fremdgeschäftsführungswillen oder ein Auftragsverhältnis lägen nicht vor. Vielmehr ließen die Vereinbarungen bezüglich des S-Hofes auf ein Handeln im eigenen Namen des Beschwerdeführers schließen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, mit der Gemeinde über Verlustausgleiche verhandelt zu haben, sei erfolglos, da aus dem Vertragswerk zu folgern sei, dass er letztlich das finanzielle Risiko selbst zu tragen habe. Wodurch die Gemeinde den Eindruck erweckt haben sollte, es werde mit Sicherheit zu einem Verlustausgleich kommen, könne der Senat nicht erkennen. Ein Fremdgeschäftsführungswille sei jedenfalls nicht nach außen getreten. Es bleibe zudem fraglich, inwieweit der Beschwerdeführer objektiv im Interesse der Gemeinde gehandelt habe. Die Gefahr, dass der Gemeinde von dritter Seite gewährte Fördermittel wieder entzogen worden wären, sei allenfalls eine abstrakte gewesen. Die Gemeinde hätte dieser selbst begegnen können. Der Beschwerdeführer habe sich nicht dazu berufen fühlen dürfen, ihr die Geschäftsführung aufzudrängen. Auch eine Anfechtung oder ein Widerruf seiner Willenserklärungen des Vertragsschlusses führe mangels erkennbaren Fremdgeschäftsführungswillens des Beschwerdeführers oder Bereicherung der Gemeinde weder zu einem Anspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag noch nach Bereicherungsrecht. Bezüglich der S. Treppe sei von einem Leihvertrag auszugehen. Sollte dieser nichtig sein, habe dennoch der Beschwerdeführer allein im eigenen Interesse gehandelt. Für ein Tätigwerden des Beschwerdeführers für die Gemeinde sei nichts ersichtlich. Die Gemeinde hätte auch kurzfristig selbst tätig werden oder einen Dritten mit dem Betrieb der Anlage betrauen können.
 

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Beschluss unter dem 16. April 2018 eine Gehörsrüge. Das Oberlandesgericht wies sie am 4. Mai 2018, dem Beschwerdeführer zugegangen am 22. Mai 2018, zurück.
 

II.

Der Beschwerdeführer rügt mit seiner am 23. Juli 2018 erhobenen Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seiner Grundrechte auf den gesetzlichen Richter, rechtliches Gehör und Gleichheit vor Gericht.
 

Der Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 28. Juni 2016 (2 O 352/15), mit dem sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, verletze ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, da das Landgericht durch eine Abweichung von dem vorangegangenen Hinweis eine Überraschungsentscheidung getroffen habe.
 

Der Beschluss des Landgerichts vom 15. September 2017 (2 O 352/15) über die Nichtabhilfe der sofortigen Beschwerde des Beschwerdeführers verletze das Recht auf den gesetzlichen Richter. Denn dort hätten zwei Richter mitgewirkt, deren Ablehnung er zuvor beantragt hatte. Insoweit habe die die Ablehnung zurückweisende Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts sein rechtliches Gehör verletzt, da es Ausführungen im Ablehnungsantrag nicht in Erwägung gezogen habe.
 

Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. März 2018 (3 W 116/17), der die sofortige Beschwerde über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe zurückwies, verletze den Beschwerdeführer in seinen Ansprüchen auf rechtliches Gehör und Gleichheit vor Gericht. Rechtliches Gehör sei verletzt, weil das Oberlandesgericht den wesentlichen Kern des - unstreitigen - Vortrags des Beschwerdeführers zur Herleitung eines Anspruchs aus culpa in contrahendo nicht berücksichtigt habe. Ferner habe es mehrere gebotene Hinweise nicht erteilt. Der Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit sei verletzt, weil das Oberlandesgericht den Maßstab für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu streng angelegt habe. Denn es habe vertretbaren (Rechts-)Auffassungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag, deren Klärung ein Hauptsacheverfahren erfordert hätte, eine Absage erteilt.
 

III.

Die Verfahrensakten sind beigezogen worden. Die am Ausgangsverfahren beteiligte Gemeinde hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht und das Landgericht Cottbus haben von einer Stellungnahme abgesehen.
 

Der Beschwerdeführer hat auf einen Hinweis des Verfassungsgerichts am 31. Juli 2018 die Gehörsrügeschrift vom 16. April 2018 zur Akte gereicht.
 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
 

1. Soweit sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 28. Juni 2016 (2 O 353/15) richtet, ist sie schon wegen prozessualer Überholung unzulässig. Eine solche tritt durch die vollständige Überprüfung einer Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Rechtsmittelgericht ein. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn der Beschluss ist durch die nachfolgende Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts vom 6. März 2018 ohne Einschränkungen im Prüfungsmaßstab inhaltlich bestätigt worden (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 15. Februar 2019 - VfGBbg 183/17 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. zahlr. N.). Insoweit liegt im Übrigen, nachdem der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den von ihm als überraschend bezeichneten Wertungen des Landgerichts hatte, auch in der Sache keine fortbestehende Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen einer Überraschungsentscheidung vor.
 

2. Auch die Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts vom 15. September 2017 ist nicht selbstständig angreifbar. Als Zwischenentscheidung, mit der eine eigenständige Beschwer nicht verbunden ist, ist sie nicht anfechtbar (vgl. Beschlüsse vom 19. Januar 2018 - VfGBbg 81/17 - und vom 15. April 2011 - VfGBbg 2/11 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Sie ist zudem ebenso wie die Ausgangsentscheidung des Landgerichts durch die Beschwerdeentscheidung überholt (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 19/16 -, https://verfassungsgericht.‌bran­denburg.de, m. w. N.).
 

3. Soweit die Verfassungsbeschwerde die Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. März 2018 im Prozesskostenhilfeverfahren zum Gegenstand hat, genügt sie nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.
 

a. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Hierzu gehört in formaler Hinsicht, dass die angegriffenen Entscheidungen sowie die zugrundeliegenden Rechtsschutzanträge und andere Dokumente, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, vorzulegen oder wenigstens durch inhaltliche Wiedergabe zur Kenntnis zu bringen sind (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 22. März 2019 - VfGBbg 38/18 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).
 

b. Dies leistet die Beschwerdeschrift vom 23. Juli 2018 nicht. Aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers ist das Verfassungsgericht nicht in der Lage zu überprüfen, ob er dem aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg abgeleiteten Grundsatz der Subsidiarität gerecht geworden ist.
 

Ein Beschwerdeführer hat nach diesem Grundsatz vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden Verfahren zu verhindern oder zu beheben. Er ist auch Ausdruck der Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtsbarkeit. Denn nach der in der Verfassung angelegten Kompetenzverteilung obliegt es zuvörderst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren, zu schützen und durchzusetzen. Zweck des Subsidiaritätsprinzips ist aber nicht allein der vorrangige individuelle Grundrechtsschutz. Durch die geforderte fachgerichtliche Vorbefassung soll sichergestellt werden, dass sich die verfassungsgerichtliche Prüfung auf möglichst umfassend geklärte Tatsachen stützen kann und auch die Rechtslage durch die Fachgerichte vorgeklärt und aufbereitet worden ist. Danach sind grundsätzlich alle Gehörsverstöße im Wege der Anhörungsrüge zur fachgerichtlichen Überprüfung zu stellen, bevor Verfassungsbeschwerde erhoben wird (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 22. März 2019 - VfGBbg 1/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. zahlr. N.).
 

Vorliegend kann nicht beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer alle mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Gehörsverletzungen zum Gegenstand seiner Anhörungsrüge gemacht hat, da er den zugrundeliegenden Schriftsatz vom 16. April 2018 mit der Verfassungsbeschwerde weder in Ablichtung vorgelegt noch dem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt hat. In der Beschwerdeschrift hat er vielmehr lediglich erklärt, eine Gehörsrüge erhoben zu haben und auf eine - nicht beigefügte - Anlage verwiesen.

Auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts im der Beschwerdeschrift beigefügten Beschluss vom 4. Mai 2018 über die Gehörsrüge vermögen das Verfassungsgericht ohne Kenntnis des Inhalts der Anhörungsrüge vorliegend nicht in den Stand zu versetzen, diese Voraussetzung zu prüfen.
 

c. Die am 31. Juli 2018 nachgereichte Gehörsrügeschrift ist nicht zu berücksichtigen. Der Schriftsatz ist nach Ablauf der nach § 47 Abs. 1 VerfGGBbg geltenden Zweimonatsfrist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde eingegangen. Diese Frist war mit Ablauf des 23. Juli 2018 (Montag) verstrichen. Sie gilt nicht nur für die Einlegung, sondern auch für die Begründung der Verfassungsbeschwerde (st. Rspr., vgl. ausführlich Beschluss vom 20. Januar 2012 - VfGBbg 67/11 -, https://verfassungsgericht.‌branden­burg.de). Eine nach Fristablauf eingehende weitere Begründung kann daher nur Berücksichtigung finden, soweit sie sich als Ergänzung oder Vertiefung zu einem Vortrag darstellt, der seinerseits den Anforderungen der § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg entspricht. Das ist hier nicht der Fall.

 

Ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in eine versäumte Begründungsfrist entsprechend § 47 Abs. 2 VerfGGBbg grundsätzlich möglich ist, kann hier offen bleiben. Gründe für eine Wiedereinsetzung wurden jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. Der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat diesbezüglich lediglich vorgetragen, die Gehörsrügeschrift sei „versehentlich nicht mitgeschickt […]“ worden.
 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Finck
   
Kirbach Nitsche
   
Partikel Dr. Strauß