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VerfGBbg, Beschluss vom 16. September 2022 - VfGBbg 92/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- LV, Art. 12 Abs. 1 Satz 1; LV, Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2
- VwGO, § 47 Abs. 1 Nr. 2; VwGO, § 47 Abs. 6
- SARS-CoV-2-EindV, § 12
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründungsmangel
- Subsidiarität
- Rechtswegerschöpfung
- verwaltungsgerichtliches Normenkontrollverfahren
- Vorabentscheidung
- allgemeine Bedeutung
- schwerer und unzumutbarer Nachteil

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. September 2022 - VfGBbg 92/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 92/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 92/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

E. GmbH,
vertreten durch den Geschäftsführer D.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte:               Rechtsanwaltskanzlei K.
                                                           Rechtsanwalt K.,

 

beteiligt:

  1. Landesregierung Brandenburg
    - Staatskanzlei -,
    Heinrich-Mann-Allee 107,
    14473 Potsdam,
  2. Präsident
    des Oberverwaltungsgerichts
    Berlin-Brandenburg,
    Hardenbergstraße 31,
    10623 Berlin

wegen

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom
11. November 2020 - OVG 11 S 110/20 -; § 12 Abs. 1 Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - SARS-CoV-2-EindV) vom 30. Oktober 2020 (GVBl. II/20, [Nr. 103])

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. September 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin betreibt eine Fitnessstudiokette mit einem Studio in P. und neun Studios in B. Sie wendet sich im Wege der Verfassungsbeschwerde gegen die im Zuge der Corona-Pandemie verordnete Untersagung des Sportbetriebs in Fitnessstudios.

I.

§ 12 der Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - SARS-CoV-2-EindV) vom 30. Oktober 2020 (GVBl. II/20, [Nr. 103]) lautete:

(1) Der Sportbetrieb auf und in allen Sportanlagen ist untersagt. Dies gilt insbesondere für Gymnastik-, Turn- und Sporthallen, Fitnessstudios, Tanzstudios, Tanzschulen, Bolzplätze, Skateranlagen und vergleichbare Einrichtungen.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

  1. den Individualsport auf und in allen Sportanlagen allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts; die Ausübung von Kontaktsport mit Personen eines anderen Haushalts ist untersagt,
  2. den Schulbetrieb sowie für Lehrveranstaltungen in der Sportpraxis an Hochschulen,
  3. den Trainings- und Wettkampfbetrieb der Berufssportlerinnen und ‌‑sportler, der Bundesligateams sowie der Kaderathletinnen und ‌‑athleten der olympischen und paralympischen Sportarten an Bundes‑,‌ Landes‑‌ oder Olympiastützpunkten, der im Rahmen eines Nutzungs‑‌ und Hygienekonzeptes des jeweiligen Sportfachverbandes stattfindet.

Die Geltungsdauer der angegriffenen Verordnungsvorschrift war gemäß § 25 Abs. 1 SARS‑CoV‑2-EindV bis zum 30. November 2020 beschränkt. Die Zweite Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (Zweite SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 2. SARS-CoV-2-EindV) vom 30. November 2020 (GVBl. II/20, [Nr. 110]), die für den Zeitraum vom 1. bis zum 21. Dezember 2020 Geltung beanspruchte (vgl. § 27 2. SARS-CoV-2-EindV), beinhaltete in § 12 eine inhaltsgleiche Regelung.

Die Beschwerdeführerin beantragte beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Das Oberverwaltungsgericht lehnte es mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 11. November 2020 ab, § 12 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV vom 30. Oktober 2020 vorläufig außer Vollzug zu setzen. Die Vorschrift halte einer Prüfung im Normenkontrollverfahren voraussichtlich stand. Sie verstoße nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Die Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung (§ 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz, IfSG) seien erfüllt. Die Maßnahme sei voraussichtlich auch verhältnismäßig und verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der Antrag sei überdies auch unbegründet, sofern die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen einzustufen seien. Die vorzunehmende Folgenabwägung falle zulasten der Beschwerdeführerin aus. Die erheblichen wirtschaftlichen Folgen des vorläufigen Gewerbeausübungsverbots seien durch die Geltungsdauer der Verordnungsvorschrift von knapp einem Monat begrenzt, sowie dadurch, dass die wirtschaftlichen Verluste nach einer Übereinkunft der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der Länder bei Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Höhe von 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats, bei größeren Unternehmen unter Berücksichtigung weiterer Maßgaben, abgefedert werden sollen. Im Falle einer Außervollzugsetzung der Vorschrift könnten alle Fitnessstudios in Brandenburg betrieben werden, was die Effizienz des beschlossenen Maßnahmenpakets der SARS-CoV-2-EindV erheblich minderte. Der gegenwärtige Stand des Infektionsgeschehens erfordere jedoch ein effizientes Handeln. Eine Beschränkung der aktuellen Eindämmungsmaßnahmen könne überdies dazu führen, dass künftig noch gravierendere und nachhaltigere Beschränkungen erforderlich werden könnten.

II.

Mit ihrer am 30. November 2020 erhobenen Verfassungsbeschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2020 (OVG 11 S 110/20). Der Beschluss verletze sie in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 12 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und ihrer Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 LV.

Zur Begründung macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend: Sie habe für das hier in Rede stehende Fitnessstudio ein umfangreiches, im Einzelnen von ihr vorgestelltes Hygienekonzept erarbeitet, mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmt und umgesetzt. Zusätzlich habe sie CO2-Messungen durchgeführt, wobei die Richtwerte stets unterschritten worden seien. Sie habe zudem weniger Personen in ihren Studios trainieren lassen, als der Richtwert von zehn Quadratmetern pro Person es vorgesehen habe. Seit der Wiedereröffnung ihrer Fitnessstudios nach der ersten Schließphase im Frühjahr 2020 sei es in den Studios nicht zu einer bekannten Ansteckung gekommen. Weltweit sei faktisch belegbar, dass im Umfeld von Fitnessstudios kein hohes Infektionsrisiko gegeben sei, vielmehr ihr Besuch die körperliche und psychische Gesundheit fördere und die Immunabwehr stärke. Die Schließung von Fitnessstudios sei weder erforderlich noch das mildeste Mittel. Als mildere Mittel hätten etwa die Mitgliederzahl pro Quadratmeter erneut reduziert oder weitere Hygieneauflagen verhängt werden können. Das Argument, die Maßnahme sei zeitlich befristet, sei angesichts des Umstandes, dass sie bereits bis zum 20. Dezember 2020 verlängert worden sei, obsolet.

Aufgrund der pandemischen Gesamtsituation und der Stigmatisierung der Fitnessstudios im Allgemeinen erfahre die Beschwerdeführerin eine bisher nicht dagewesene Kündigungswelle seitens ihrer Mitglieder; Neuabschlüsse gebe es kaum. Die verordnete Schließung ihres Betriebes verursache einen nicht wieder aufzuholenden irreversiblen, existenzbedrohenden Schaden in beträchtlicher Höhe und gefährde eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, u. a. von 174 Mitarbeitern und 354 freiberuflichen Kurstrainern. Aufgrund der Studioschließungen sei die Beschwerdeführerin nicht berechtigt, Mitgliedsbeiträge zu erheben. Es würden somit keine Einnahmen zur Deckung der laufenden Geschäftskosten erzielt. Einnahmen fielen nicht nur im jeweiligen Zeitraum der Schließung aus, sondern auch danach, da die Beschwerdeführerin Mitglieder längerfristig verliere. Die monatlichen laufenden Gesamtkosten der Fitnessstudios der Beschwerdeführerin betrügen mindestens 1.600.000,00 Euro. Die angekündigten staatlichen „Novemberhilfen“ würden nicht helfen, zumal die bisherigen Absichtserklärungen nicht justiziabel seien und die beihilferechtliche Zulässigkeit nicht abschließend feststehe. Selbst im Falle einer unterstellten Entschädigung in Höhe von 1.000.000,00 Euro käme die Beschwerdeführerin in Anbetracht ihrer monatlichen Kosten schon aufgrund des Minderbetrages von mindestens 600.000,00 Euro in eine existenzbedrohende Lage. Allein die Mieten für die von ihr betriebenen Studios beliefen sich im November 2020 auf mindestens 500.000,00 Euro. Bei Ausbleiben der Zahlungen bestehe die Gefahr fristloser Kündigungen, zumal sich das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 nicht auf den Monat November 2020 erstrecke. Bei der Beschwerdeführerin fielen Lohnkosten in Höhe von mindestens 300.000,00 Euro am Ende des Monats an. Eine Erstattung des Kurzarbeitergelds sei frühestens nach Ablauf von zwei Monaten zu erwarten. Ferner seien bei der Beschwerdeführerin 92 nicht kurzarbeitergeldfähige Mitarbeiter beschäftigt.

Anders als etwa in zwei Shoppingmalls sowie in den öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin halte sich bei der Beschwerdeführerin im Falle der Öffnung eine geringe Anzahl an Menschen unter Wahrung der Hygieneregeln in einem sicheren Bereich auf.

Die verordnete Schließung von Fitnessstudios und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg behandelten die Beschwerdeführerin entgegen Art. 12 Abs. 1 LV ungleich gegenüber anderen Personenkreisen, obwohl an anderen Orten eine höhere Infektionsgefahr bestehe, wie zum Beispiel bei Einzelhandels- oder Friseurbetrieben, Gottesdiensten, auf Baustellen, in Schulen oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Die beanstandete Verordnung erlaube zudem ein Zusammentreffen von bis zu 50 Personen in geschlossenen Räumen ohne erprobtes Hygienekonzept. Es handle sich bei Fitnessstudios nicht lediglich um Freizeiteinrichtungen. Sie seien vielmehr Teil eines bedeutsamen Wirtschaftszweiges. Problematisch seien nicht Fitnessstudios, sondern die Infektionen in der privaten Wohnung sowie Begegnungen in der Öffentlichkeit durch die Gesamtheit der sozialen Kontakte und das gesellschaftliche Leben. In Anbetracht des weiterhin geöffneten Einzelhandels und des sozialen Lebens in einer Vielzahl von Bereichen sei eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens insgesamt unwahrscheinlich. Auch bleibe die in § 12 Abs. 2 SARS-CoV-2-EindV vorgesehene Privilegierung von Individualsport, Schulsport und Training von Profis bzw. Kaderathleten sachlich ohne Rechtfertigung. Die angegriffene Regelung lasse sich auch nicht auf eine dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende Ermächtigungsgrundlage zurückführen. Bundes- und Landesgesetzgeber hätten inzwischen genügend Zeit gehabt, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Die Rolle der Bundesregierung beim Erlass von Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie sei bedenklich.

III.

Die Landesregierung Brandenburg und der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

IV.

Mit der Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerdeführerin zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Außervollzugsetzung von § 12 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV vom 30. Oktober 2020 bis zur Entscheidung in der Hauptsache begehrt; diesen Antrag hat das Gericht abgelehnt (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2020 ‑ VfGBbg 22/20 EA -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

V.

Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat mit Schreiben vom 8. Februar 2022 mitgeteilt, dass zu dem Eilrechtsschutzverfahren OVG 11 S 110/20 ein Hauptsacheverfahren zu dem Aktenzeichen OVG 5 A 12/22 anhängig ist.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. a. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2020 wendet, genügt ihr Vortrag bereits nicht den Begründungserfordernissen der § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg. Erforderlich ist danach eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt. Mit der Begründung müssen neben einem substantiierten Vortrag des entscheidungserheblichen Sachverhalts die wesentlichen rechtlichen Erwägungen dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Es bedarf einer umfassenden Aufarbeitung der einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rechtslage (st. Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse vom 20. August 2021 ‑ VfGBbg 68/20 -, Rn. 20 m. w. N., vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 10/19 -, Rn. 7, und vom 19. März 2021 ‑ VfGBbg 83/19 -, Rn. 10 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdeschrift im Hinblick auf den angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2020 (OVG 11 S 110/20) nicht. Es kann offen bleiben, ob sich der Begründungsmangel bereits daraus ergibt, dass die Beschwerdeführerin den angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ihrer Verfassungsbeschwerde nicht beigefügt hat. Die grundsätzliche Verfügbarkeit der angegriffenen Entscheidung bei der Rechtsprechungsdatenbank „juris“ ersetzt insoweit nicht die substantiierte Darlegungslast der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin hat sich jedenfalls nicht mit der rechtlichen Begründung des Oberverwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss in der gebotenen Begründungstiefe auseinandergesetzt. Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, durch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in ihren Gleichheitsgrundrechten aus Art. 12 Abs. 1 LV sowie in ihrer Berufsausübungsfreiheit aus Art. 49 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. LV verletzt zu sein, beschränkt sich die geltend gemachte verfassungsrechtliche Beschwer in der Sache auf Grundrechtsverletzungen, die sich auf die Hauptsache beziehen. Im Ergebnis stellt die Beschwerdeführerin lediglich pauschal die Richtigkeit des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts in Frage. Hierdurch sind die Begründungsanforderungen von § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg jedoch nicht erfüllt.

b. Darüber hinaus ist die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2020 unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen genügt, die sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität ergeben.

aa. Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass dieser - über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern; vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen, um eine Korrektur ohne Inanspruchnahme des Verfassungsgerichts zu erwirken (vgl. z. B. Beschluss vom 21. Oktober 2011 ‑ VfGBbg 34/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Eine Verfassungsbeschwerde ist daher unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität auch dann unzulässig, wenn trotz Erschöpfung des Rechtswegs im einstweiligen fachgerichtlichen Verfahren in zumutbarer Weise Rechtschutz im fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren erlangt werden kann (st. Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse vom 17. Juli 2015 ‑ VfGBbg 53/15 -, vom 21. Oktober 2011 ‑ VfGBbg 34/11 -, vom 19. Juni 2003 ‑ VfGBbg 1/03 - m. w. Nachw., vom 16. November 2000 ‑ VfGBbg 49/00 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juli 2022 ‑ 1 BvR 1147/22, und vom 15. Juli 2020 ‑ 1 BvR 1630/20 -, juris). An der Zumutbarkeit fehlt es, wenn Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gerade eine das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffende und im fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren nicht mehr korrigierbare Grundrechtsverletzung ist (vgl. etwa Beschluss vom 16. Dezember 2016 ‌‑ VfGBbg 55/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Soweit sich die gerügte Grundrechtsverletzung hingegen auf den Prüfungsgegenstand des fachgerichtlichen Hauptsacheverfahrens bezieht, ist der Beschwerdeführer grundsätzlich darauf zu verweisen, sein Recht zunächst dort zu suchen (vgl. z. B. Beschluss vom 16. Juli 1999 ‑ VfGBbg 20/99 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Das ist hier der Fall. 

Der Beschwerdeführerin steht im Hinblick auf die begehrte Überprüfung des angegriffenen § 12 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 4 Abs. 1 Brandenburgisches Verwaltungsgerichtsgesetz (BbgVwGG) der Rechtsweg in der Hauptsache zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Wege eines verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens offen. Von dieser Möglichkeit hat die Beschwerdeführerin auch bereits Gebrauch gemacht; das anhängige Verfahren wird unter dem Az. OVG 5 A 12/22 geführt. Soweit sie vorträgt, durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 LV und aus Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 LV verletzt zu sein, macht sie keine Rechtsverletzung geltend, die das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gerade durch die Art und Weise der Bearbeitung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verursacht hat. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezieht sich vielmehr auf den Gegenstand der Hauptsache. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit von § 12 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV in der streitgegenständlichen Fassung bleibt dem fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten.

bb. Eine Verweisung der Beschwerdeführerin auf das fachgerichtliche Hauptsacheverfahren erscheint auch nicht unzumutbar; die Voraussetzungen einer Vorabentscheidung liegen nicht vor. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht im Ausnahmefall über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg kommt eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichts demnach nur unter besonderen Umständen in Betracht und muss bereits nach dem Wortlaut der Norm die Ausnahme bleiben. In dieser Hinsicht ist § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg noch strenger als die Regelung des § 90 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz, die eine solche Einschränkung nicht enthält (vgl. z. B. Beschlüsse vom 15. Februar 2019 ‑ VfGBbg 4/19 -, vom 30. September 2010 ‌‑ VfGBbg 31/10 -, vom 21. Dezember 2006 ‑ VfGBbg 20/06 -, und vom 20. Juni 2014 ‌‑ VfGBbg 51/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Dies ist Ausdruck der Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtsbarkeit. Nach der in der Verfassung angelegten Kompetenzverteilung obliegt es zuvörderst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren, zu schützen und durchzusetzen. Durch die geforderte fachgerichtliche Vorbefassung soll sichergestellt werden, dass sich die verfassungsrechtliche Prüfung auf möglichst umfassend geklärte Tatsachen stützen kann und auch die Rechtslage durch die Fachgerichte vorgeklärt und aufbereitet worden ist (st. Rspr., vgl. z. B. Beschluss vom 20. Mai 2021 ‑ VfGBbg 61/19 -, Rn. 22, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg, die dem Verfassungsgericht ermöglichen, von dieser Kompetenzzuweisung abzuweichen, liegen nicht vor.

(1) Eine Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtswegs ist zum einen nicht unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Bedeutung angezeigt.

Eine Sache ist grundsätzlich von allgemeiner Bedeutung, wenn die Entscheidung über die Beschwerde hinaus die Klärung grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen erwarten lässt (vgl. Urteil vom 23. Oktober 2020 ‑ VfGBbg 55/19 -, Rn. 146, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Ein Absehen vom Durchlaufen des Rechtswegs würde insbesondere voraussetzen, dass der Sachverhalt allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, deren Beantwortung weder von der näheren Sachverhaltsermittlung noch von der Auslegung und Anwendung von Vorschriften des einfachen Rechts durch die Fachgerichte, sondern allein von der Auslegung und Anwendung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2015 ‑ 1 BvR 1014/13 -, Rn. 11 m. w. N., www.bverfg.de).

Vorliegend ist bereits nicht erkennbar, dass die Verfassungsbeschwerde ausschließlich spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Gericht auch ohne vorherige fachgerichtliche Aufbereitung der tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgrundlagen beantworten könnte. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Bestimmung sind insbesondere auch die tatsächlichen Rahmenbedingungen der Coronavirus-Pandemie sowie fachwissenschaftliche - virologische, epidemiologische, medizinische und psychologische - Bewertungen und Risikoeinschätzungen von wesentlicher Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juli 2020 ‌‑ 1 BvR 1630/20 -, Rn. 11, vom 31. März 2020 ‑ 1 BvR 712/20 -, Rn. 17; und vom 3. Juni 2020 ‑ 1 BvR 990/20 -, Rn. 12, www.bverfg.de). Feststellungen zum Bestehen, zum Ausmaß und den Folgen von Grundrechtseingriffen können angezeigt sein. Auf solche beruft sich die Beschwerdeführerin (Umsatzeinbußen, Existenzbedrohung). Daher besteht jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht Bedarf an einer fachgerichtlichen Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen vor einer Anrufung des Verfassungsgerichts.

(2) Zum anderen ist nicht dargetan, dass der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ein schwerer und unabwendbarer Nachteil dadurch entsteht, dass sie zunächst auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird.

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde - bei einer Auslegung der Begründung der Beschwerdeschrift zugunsten der Beschwerdeführerin - als sogenannte Rechtssatzverfassungsbeschwerde auch gegen § 12 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV in der Fassung vom 30. Oktober 2020 richtet, ist diese ebenfalls unzulässig. Dies folgt bereits daraus, dass die Beschwerdeführerin den nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 4 Abs. 1 BbgVwGG eröffneten Rechtsweg eines verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nicht ausgeschöpft hat, § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg. Ein Normenkontrollverfahren ist anhängig, bislang aber ‑ soweit ersichtlich ‑ nicht abgeschlossen. Die Voraussetzungen einer Vorabentscheidung liegen aus den zuvor dargestellten Erwägungen ebenfalls nicht vor.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll