VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juni 2014 - VfGBbg 51/13 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 - BbgPolG, § 9 |
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Schlagworte: | - Rechtssatzverfassungsbeschwerde - Kennzeichnungspflicht - Unmittelbare Betroffenheit - Subsidiarität - Allgemeine Bedeutung |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juni 2014 - VfGBbg 51/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 51/13
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
M.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. H.,
gegen § 9 Abs. 2 bis 4 des Brandenburgischen Polizeigesetzes in der Fassung des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes vom 9. Juni 2011 (GVBl I Nr. 10)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
am 20. Juni 2014
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e :
A.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist Polizeihauptmeister und in der Fachdirektion B. tätig. Seine Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Kennzeichnungspflicht für Polizeivollzugsbedienstete gemäß § 9 Abs. 2 bis 4 Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPolG), die durch das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Siebente Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes vom 9. Juni 2011 (GVBl I Nr. 10) eingefügt worden ist. § 9 BbgPolG hat (unter Hervorhebung der angegriffenen Bestimmungen) folgenden Wortlaut:
§ 9
Legitimations- und Kennzeichnungspflicht
(1) Auf Verlangen des von einer Maßnahme Betroffenen haben sich Polizeivollzugsbedienstete auszuweisen.
(2) Polizeivollzugsbedienstete tragen bei Amtshandlungen an ihrer Dienstkleidung ein Namensschild. Das Namensschild wird beim Einsatz geschlossener Einheiten durch eine zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung ersetzt.
(3) Die Legitimationspflicht und die namentliche Kennzeichnung gelten nicht, soweit der Zweck der Maßnahme oder Amtshandlung oder überwiegende schutzwürdige Belange des Polizeivollzugsbediensteten dadurch beeinträchtigt werden.
(4) Das für Inneres zuständige Mitglied der Landesregierung regelt Inhalt, Umfang und Ausnahmen von diesen Verpflichtungen durch Verwaltungsvorschrift.
Hierzu hat das Ministerium des Innern die Verwaltungsvorschrift über die Legitimations- und Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbediensteten (VV Kennzeichnungspflicht) vom 21. November 2012 erlassen, die gemäß ihrer Nr. 5 ebenfalls am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist.
2. Gegenüber dem Beschwerdeführer wurde nach Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen verfügt, dass er bei Amtshandlungen in Dienstkleidung das ihm zur Verfügung gestellte Namensschild und bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten eine fünfstellige Ziffernkombination zu tragen habe. Mit Schreiben vom 10. April 2013 stellte er beim Polizeipräsidium einen Antrag auf Befreiung von der Kennzeichnungspflicht, da die gesetzliche Grundlage hierfür verfassungswidrig sei. Diesen Antrag lehnte das Polizeipräsidium mit Bescheid vom 30. Mai 2013 ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Beschwerdeführer Klage bei dem Verwaltungsgericht Potsdam (Az.: 3 K 2258/13), über die noch nicht entschieden ist.
3. Mit der am 11. Oktober 2013 erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die angegriffene Vorschrift verletze ihn in seinen Grundrechten auf Datenschutz (Art. 11 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg - LV -) und auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz (Art. 12 Abs. 1 LV).
Die Rechtssatzverfassungsbeschwerde sei zulässig. Er werde durch die verfahrensgegenständlichen Regelungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen. Es bedürfe auch keiner Erschöpfung des Rechtsweges, da seine Verfassungsbeschwerde allgemeine Bedeutung habe. Sie werfe Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf und betreffe eine Vielzahl gleichliegender Fälle. Die Kennzeichnungspflicht gelte für ca. 3.500 Vollzugsbedienstete, von denen ca. 500 in geschlossenen Einheiten tätig seien. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Nach der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Rechtslage habe für Polizeivollzugsbedienstete nur eine Pflicht zur Legitimation auf Verlangen des von einer Amtshandlung Betroffenen bestanden. Die nunmehr vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht beschränke sich nicht mehr auf den Kreis der Betroffenen einer Maßnahme, sondern begründe für jedermann einen Anspruch auf unbeschränkte Identifizierung von Polizeivollzugsbediensteten bei sämtlichen Amtshandlungen in Dienstkleidung. Der dadurch bewirkte Eingriff in Art. 11 Abs. 1 LV sei unzulässig. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der nach Art. 11 Abs. 2 LV gebotenen Interessen- und Güterabwägung wesentliche Gesichtspunkte nicht bzw. nicht hinreichend beachtet. Das öffentliche Interesse an einer gesetzestreuen, bürgernahen und transparenten Polizei werde überbewertet. Demgegenüber sei das Schutzbedürfnis der Polizeivollzugsbediensteten und deren Anspruch auf Fürsorge nach Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz nicht ausreichend berücksichtigt worden. Durch die Kennzeichnungspflicht würden berechtigte Schutzinteressen der Polizeibediensteten gefährdet. Es sei zu befürchten, dass es dadurch zu vermehrten Übergriffen auf Bedienstete der Polizei oder deren Familienmitglieder kommen werde. Vollzugspolizisten stünden besonders bei Großeinsätzen, also bei Einsätzen in geschlossenen Verbänden, unter einer permanenten medialen Beobachtung. Foto- und Videoaufnahmen könnten im Internet veröffentlicht und der Name bzw. die identifizierbare Nummerierung mit dem Bild des Vollzugspolizisten in Verbindung gebracht werden. Die gesetzliche Festlegung der Kennzeichnungspflicht verstoße damit auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Regelung sei zur Verbesserung der Transparenz und Überprüfbarkeit polizeilichen Handelns schon nicht erforderlich, zudem stehe sie angesichts der dadurch eröffneten Missbrauchsmöglichkeiten außer Verhältnis zu den mit ihr verfolgten Zielen.
Die angegriffene Vorschrift genüge ferner nicht dem Gebot der Normklarheit und verstoße gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Die wesentlichen Regelungen treffe nicht das Gesetz selbst, sondern gemäß § 9 Abs. 4 BbgPolG eine Verwaltungsvorschrift. Dieser werde insbesondere die Ausgestaltung der Ausnahmemöglichkeiten überlassen, tatsächlich gehe die VV Kennzeichnungspflicht in mehrfacher Hinsicht über die gesetzlichen Ausnahmetatbestände hinaus.
Schließlich verstoße die Kennzeichnungspflicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 12 Abs. 1 LV. Die gesetzliche Regelung in § 9 BbgPolG stelle eine sachwidrige Ungleichbehandlung der Polizeivollzugsbediensteten sowohl gegenüber den übrigen Polizeibediensteten im Land Brandenburg als auch gegenüber Polizisten dar, die vom Bund oder aus anderen Bundesländern im Land Brandenburg eingesetzt würden. Auch die in der VV Kennzeichnungspflicht enthaltenen Ausnahmen für bestimmte Vollzugspolizisten seien nicht gerechtfertigt und benachteiligten die übrigen, der Kennzeichnungspflicht unterworfenen Polizisten.
4. Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig. Der Beschwerdeführer könne nicht geltend machen, durch § 9 BbgPolG unmittelbar in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Vorschrift lege zwar die grundlegende Verpflichtung der Polizeibeamten zur Kennzeichnung fest, überlasse Inhalt, Umfang und Ausnahmen von dieser Verpflichtung aber gemäß Absatz 4 einer Regelung durch Verwaltungsvorschrift. Die belastenden Rechtswirkungen gingen erst von dieser Verwaltungsvorschrift aus, die damit Außenwirkung habe und im Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung vor dem Oberverwaltungsgericht angegriffen werden könne. Zudem sei die Verpflichtung, ein Namensschild zu tragen, dem Beschwerdeführer gegenüber durch gesonderten Verwaltungsakt festgesetzt worden. Auch hierbei handle es sich um einen notwendigen und eigenständigen Vollzugsakt. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht erschöpft. Auf die restriktiv anzuwendende Ausnahmevorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz (VerfGGBbg) könne er sich nicht berufen. Es handle sich vorliegend weder um einen Fall von allgemeiner Bedeutung noch stehe eine Grundrechtsverletzung im Raum, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre.
Daneben sei die Verfassungsbeschwerde auch unbegründet. Zwar greife die Kennzeichnungsplicht in das Grundrecht auf Datenschutz ein, dieser Eingriff sei allerdings durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt. Die verfahrensgegenständliche Regelung solle das Vertrauen der Bürger in die Polizei durch Transparenz und Bürgernähe erhalten und stärken. Gleichzeitig könnten durch eine namentliche Kennzeichnung auch Anschuldigungen gegen Polizeibeamte besser aufgeklärt werden. Dem aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn resultierenden Anspruch der Polizeivollzugsbeamten auf Schutz ihrer Identität sei in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden. Durch § 9 Abs. 3 BbgPolG und die VV Kennzeichnungspflicht seien die schutzwürdigen Belange der Polizeivollzugsbediensteten berücksichtigt worden. Nach Nr. 4.3 der VV Kennzeichnungspflicht könnten beispielsweise Polizeivollzugsbedienstete von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden, wenn aufgrund polizeilicher Erfahrung oder anderer konkreter Umstände zu erwarten sei, dass unter Nutzung der namentlichen Kennzeichnungspflicht außerdienstliche Daten über den Polizeivollzugsbediensteten erlangt werden sollen. Nach Satz 4 dieser Bestimmung könne der Beamte über das Vorliegen dieser Voraussetzungen auch selbst entscheiden, wenn er die Entscheidung des Vorgesetzten nicht einholen könne. Es stehe nicht zu befürchten, dass sich nunmehr Übergriffe gegen Polizeibedienstete häuften. Seit Einführung der Kennzeichnungspflicht am 1. Januar 2013 sei dem Ministerium des Innern kein Fall eines Übergriffs unter Nutzung der sich aus der Kennzeichnung ergebenden Informationen bekannt geworden. Auch eine Erhöhung der Anzahl verleumderischer Anzeigen sei nicht festzustellen. Die Neuregelung des § 9 BbgPolG sei deshalb verhältnismäßig, insbesondere erforderlich und angemessen. Durch ein Ausweisen auf Verlangen oder eine nachträgliche Identifizierungsmöglichkeit im Bedarfsfall könnten die angestrebte Transparenz und Bürgernähe nicht in gleichem Maße erreicht werden. Die Kennzeichnungspflicht stehe auch nicht außer Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten Zweck. Der Eingriff sei aus den vorgenannten Gründen nicht mit schwerwiegenden Auswirkungen verbunden.
Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Die von dem Beschwerdeführer angeführten Sachverhalte seien schon nicht vergleichbar, die Ausnahmeregelungen der VV Kennzeichnungspflicht (etwa für Kriminalpolizisten) zudem aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.
Schließlich verstoße die Neuregelung weder gegen den Vorbehalt des Gesetzes noch den Bestimmtheitsgrundsatz. Der gesetzlichen Regelung sei der Grundsatz zu entnehmen, dass bei Amtshandlungen Namensschilder zu tragen seien. Auch die Ausnahmen hiervon seien in allgemeiner Form im Gesetz dargestellt, so dass die betroffenen Polizeivollzugsbediensteten ihre jeweiligen Verpflichtungen erkennen und sich entsprechend verhalten könnten. Die VV Kennzeichnungspflicht ihrerseits erweitere oder beschränke das Gesetz nicht eigenmächtig, sondern konkretisiere lediglich die grundlegenden gesetzlichen Regelungen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
I.
Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, dass der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffene Rechtsnorm in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 1, 97, 101; 72, 39, 43; 102, 197, 206).
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Verpflichtung zur namentlichen Kennzeichnung richtet, fehlt es an dem Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit, mit dem sichergestellt werden soll, dass eine Verfassungsbeschwerde erst erhoben werden kann, wenn und soweit eine konkrete Beschwer besteht (vgl. BVerfGE 90, 128, 136). Zur weiteren Begründung wird auf den Beschluss heutigen Datums im Verfahren VfGBbg 50/13 verwiesen.
2. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde ferner, soweit sie sich darüber hinaus gegen die Verpflichtung richtet, beim Einsatz in geschlossenen Einheiten eine zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung zu tragen.
a. Auch insoweit fehlt es bereits an der unmittelbaren Betroffenheit des Beschwerdeführers. Hinsichtlich des Einsatzes in geschlossenen Einheiten beschränkt sich § 9 Abs. 2 BbgPolG ebenfalls darauf, die Kennzeichnungspflicht im Grundsatz festzulegen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Verpflichtung bleibt nach Abs. 4 einer Verwaltungsvorschrift überlassen, die u. a. „Inhalt“ und „Umfang“ der Kennzeichnungspflicht regelt. So ergibt sich etwa erst aus Nr. 4.1 der VV Kennzeichnungspflicht, dass beim Einsatz in geschlossenen Einheiten eine fünfstellige Ziffernkombination auf den Einsatzanzügen zu tragen ist. Soweit danach § 9 Abs. 2 BbgPolG überhaupt einen materiell-rechtlichen Regelungsgehalt hat, handelt es sich jedenfalls um eine vollziehungsbedürftige Norm, die einen vom Willen der Verwaltung getragenen Vollziehungsakt voraussetzt. Dabei räumt das Gesetz der Verwaltung auch hinsichtlich der Verpflichtung zum Tragen einer „zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeigneten Kennzeichnung“ einen Entscheidungsspielraum ein. Zwar sieht § 9 Abs. 3 BbgPolG nur Ausnahmen von der Pflicht zur namentlichen Kennzeichnung vor. Die Ermächtigung zum Erlass der Verwaltungsvorschrift nach § 9 Abs. 4 BbgPolG erstreckt sich aber ausdrücklich auch auf die Regelung von Ausnahmen von „diesen Verpflichtungen“, womit alle in den Absätzen 1 bis 3 des § 9 BbgPolG festgelegten Legitimations- und Kennzeichnungspflichten gemeint sein müssen. Damit wird in den Rechtskreis des in einer geschlossenen Einheit eingesetzten Polizeivollzugsbediensteten erst dadurch eingegriffen, dass ihm gegenüber die – durch die Verwaltungsvorschrift nach Absatz 4 konkretisierte - Kennzeichnungspflicht angeordnet und damit zugleich festgestellt wird, dass in seinem Fall keine Ausnahmeregelung greift. Nicht schon das Gesetz selbst, sondern frühestens dieser individuelle Vollzugsakt begründet für den Bediensteten die Verpflichtung, der Kennzeichnungspflicht nachzukommen.
b. Im Übrigen steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Danach kann sich die Unzulässigkeit einer gegen eine Rechtsnorm gerichteten Verfassungsbeschwerde daraus ergeben, dass der Beschwerdeführer, obwohl gegen die Norm selbst kein fachgerichtlicher Rechtsschutz eröffnet ist, in zumutbarer Weise einen wirkungsvollen Rechtsschutz zunächst durch Anrufung der Fachgerichte erlangen kann (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2006 – VfGBbg 20/06 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht vgl. etwa BVerfGE 71, 305, 336; 74, 69, 74). Es gehört zu den Aufgaben eines jeden Gerichts, im Rahmen seiner Zuständigkeit bei Verfassungsverletzungen Rechtsschutz zu gewähren. Deshalb entspricht es dem Grundsatz der Subsidiarität, dass zunächst die zuständigen Fachgerichte eine Klärung darüber herbeiführen, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer durch die beanstandete Regelung in seinen Rechten betroffen und ob sie mit der Verfassung vereinbar ist (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2006, a. a. O.; ferner BVerfGE 72, 39, 43 f; 74, 69, 74 f; Sperlich, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG Kommentar, 2. Auflage, § 90 Rn. 133). Dadurch wird zudem sichergestellt, dass dem Verfassungsgericht nicht nur eine abstrakte Rechtsfrage und der Sachvortrag des Beschwerdeführers unterbreitet werden, sondern es die verfassungsgerichtliche Prüfung – und zwar auch im Falle einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz - auf umfassend geklärte Tatsachen und die Beurteilung der Rechtslage durch die zuständigen Fachgerichte stützen kann (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2006, a. a. O.). Diese Gesichtspunkte fallen vor allem dann ins Gewicht, wenn das angegriffene Gesetz der Verwaltung oder den Gerichten einen Auslegungs- oder Entscheidungsspielraum lässt oder die Beurteilung der mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen die Prüfung tatsächlicher oder einfachrechtlicher Fragen voraussetzt (vgl. BVerfGE 74, 69, 75; 86, 382, 386 ff).
Nach diesen Maßstäben muss der Beschwerdeführer sein Rechtsschutzziel auch hinsichtlich der Verpflichtung zum Tragen einer Ziffernkombination zunächst auf dem von ihm bereits beschrittenen Verwaltungsrechtsweg verfolgen. Die Verweisung auf den fachgerichtlichen Rechtsweg erscheint vorliegend in besonderer Weise geboten, da zu erwarten ist, dass die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren deutlichere Konturen gewinnen. Dies gilt insbesondere für das Ausmaß und die Wirkungen eines etwaigen Eingriffs in die Grundrechte des Beschwerdeführers. So werden die Verwaltungsgerichte voraussichtlich die Frage beantworten, ob – wie vom Beschwerdeführer behauptet - tatsächlich eine realistische Gefahr dafür besteht, dass Polizeivollzugsbedienstete anhand der von ihnen getragenen Ziffernkombination durch Dritte namentlich identifiziert werden können. Dabei kann im fachgerichtlichen Verfahren auch geklärt werden, ob die Regelungen der VV Kennzeichnungspflicht zur Vergabe und Verwaltung der Ziffern-Kennzeichnungen (Nr. 4.6) geeignet sind, mögliche Gefährdungen von Polizeivollzugsbediensteten mit hinreichender Sicherheit auszuschließen.
Die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg liegen nicht vor. Dem Beschwerdeführer entsteht kein schwerer und unabwendbarer Nachteil, wenn er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VerfGGBbg). Dazu müsste eine Grundrechtsverletzung im Raum stehen, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre (vgl. etwa LVerfGE 17, 146, 151 f). Hierfür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte allgemeine Bedeutung der Verfassungsbeschwerde (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VerfGGBbg) erscheint zweifelhaft. Dass die Verfassungsbeschwerde der Klärung einer Vielzahl von in tatsächlicher und einfachrechtlicher Hinsicht gleichgelagerten Fällen dient (vgl. zu dieser Voraussetzung Beschluss vom 21. November 1996 – VfGBbg 26/96 -, LVerfGE 5, 94, 106) hat der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt. Der von ihm angeführte Umstand, dass etwa 500 Polizeivollzugsbedienstete in geschlossenen Einheiten eingesetzt werden, rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme einer allgemeinen Bedeutung der Verfassungsbeschwerde, zumal nach dem unwidersprochenen Vortrag der Landesregierung allein der Beschwerdeführer Klage gegen das Tragen der Ziffernkombination erhoben hat.
Diese Frage kann indes dahinstehen. Angesichts der Ausgestaltung des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg als Kann-Vorschrift führt auch die Annahme einer allgemeinen Bedeutung der Sache nicht zwangsläufig zu einer Vorabentscheidung. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts muss eine Sofortentscheidung vielmehr selbst bei allgemeiner Bedeutung der Angelegenheit die Ausnahme bleiben. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg („im Ausnahmefall“). Damit ist § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg noch deutlich strenger als die Regelung des § 90 Abs. 2 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz, die eine solche weitere Einschränkung gerade nicht enthält (vgl. hierzu Beschluss vom 16. November 2000 - VfGBbg 49/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 198, 203 f). Die „allgemeine Bedeutung“ kann deshalb nur ein Aspekt unter mehreren sein, die im Rahmen einer Abwägung für und wider eine sofortige Sachentscheidung zu berücksichtigen sind (vgl. etwa Beschlüsse vom 21. November 1996 - VfGBbg 17/96, 18/96, 19/96 -, LVerfGE 5, 112, 120 und vom 21. Dezember 2006, a. a. O.). Demnach dürfte eine Vorabentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg von vornherein nicht in Betracht kommen, wenn – wie hier – eine vorherige fachgerichtliche Klärung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht geboten erscheint. Jedenfalls sind besondere Umstände, die im Rahmen einer Abwägung den Vorteil einer dem Subsidiaritätsgrundsatz entsprechenden Vorbefassung der Fachgerichte überwiegen könnten, im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
II.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Partikel | Schmidt |