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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 53/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - GG, Art. 16a Abs. 2
- VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 1, Abs. 2; VerfGGBbg, § 48
- ZPO, § 114; ZPO, § 121 Abs. 2
Schlagworte: - Asylberechtigung
- Abschiebung
- Anhörungsrüge
- Grundsatz der Subsidiarität
- Entscheidung Bundesbehörde
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 53/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 53/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

N.

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte:              Rechtsanwältin B,

wegen            Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. Mai 2015 (VG 4 L 94/15.A)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Juli 2015

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

                        Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

 

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die  Ablehnung ihres Antrags auf Anerkennung der Asylberechtigung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und gegen ihre angeordnete Abschiebung nach Italien.

Die aus Kamerun stammende Beschwerdeführerin, der durch die Republik Italien ein Kurzaufenthaltsvisum für den Schengen-Raum ausgestellt worden war, reiste am 5. Juli 2014 nach Deutschland ein und stellte am 7. August 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Antrag auf Anerkennung der Asylberechtigung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den das Bundesamt mit Bescheid vom 6. Februar 2015 ablehnte; gleichzeitig ordnete es die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Italien an.

Den gegen die Anordnung der Abschiebung gerichteten,  beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) am 17. Februar 2015 zusammen mit einer in der Hauptsache erhobenen Klage gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) begründete die Beschwerdeführerin in erster Linie mit ihrer schlechten gesundheitlichen Situation, der in Italien wegen fehlender Unterbringungsmöglichkeiten und unzulänglicher medizinischer Versorgungsstandards nicht  angemessen Rechnung getragen werde.

Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag mit dem angegriffenen Beschluss vom 7. Mai 2015, der Beschwerdeführerin zugestellt am 12. Mai 2015, als unbegründet mit der Maßgabe ab, dass die Abschiebung erst erfolgen dürfe, wenn durch individuelle Erklärung der italienischen Behörden sichergestellt sei, dass der Beschwerdeführerin unmittelbar nach ihrer Ankunft in Italien eine ihrem Gesundheitszustand angemessene Unterkunft zur Verfügung gestellt werde. Zur Begründung führte es aus, die Abschiebungsanordnung sei rechtmäßig, da Italien nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) wegen der erfolgten Visumserteilung für die Durchführung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin zuständig sei. Die Abschiebung sei gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auch zu vollziehen, da feststehe, dass sie durchgeführt werden könne: Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen systemischen Schwachstellen des italienischen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden nicht, ein Grund, die Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, liege nicht vor.

Am 26. Mai 2015 hat die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge beim Verwaltungsgericht erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Beschluss vom 7. Mai 2015 stelle eine Überraschungsentscheidung dar, da eine ausdrückliche fachärztliche Diagnose der Reiseunfähigkeit unberücksichtigt geblieben sei. Das Verwaltungsgericht habe des Weiteren nicht vorab auf seiner Entscheidung zugrunde gelegte Auskünfte des Auswärtigen Amtes hingewiesen und habe schließlich die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin und die in Italien insofern fehlenden Behandlungsmöglichkeiten nicht angemessen gewürdigt. Ein Beschluss über die Anhörungsrüge ist nach Aktenlage noch nicht ergangen.

II.

Am 14. Juni 2015 hat die Antragstellerin Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2015 begehrt und zu der sie einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe stellt.

Sie rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 6 Abs. 1 LV, auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 LV, auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 8 Abs. 1 LV, auf Schutz der Menschenwürde aus Art. 7 Abs. 1 LV und des Verbots grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung aus Art. 8 Abs. 3 LV.

Zur Begründung des geltend gemachten Verstoßes gegen die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes führt sie aus, sie habe keine Möglichkeit, die in dem angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts aufgenommene Maßgabe gerichtlich überprüfen zu lassen. Diese sei zum einen zu unbestimmt gefasst, und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei nicht aufgegeben worden, sie über das Vorliegen und die Art der Erklärung der italienischen Behörden zu informieren, so dass das Bundesamt selbst entscheiden könne, wie und ob es die Maßgabe als erfüllt betrachte. Auch stelle die Ablehnung ihres Prozesskostenhilfeantrags trotz Vorliegens offensichtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebung eine Verletzung dieses Grundrechts dar. Für die Begründung der übrigen Grundrechtsverletzungen wiederholt und vertieft die Beschwerdeführerin ihren Vortrag aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde genügt zunächst nicht den Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität ergeben. Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass dieser - über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern; vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, vgl. etwa Beschluss vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 33/12 -).

Daran fehlt es hier. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde war das Anhörungsrügeverfahren noch nicht abgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf eine etwaige Gehörsverletzung, sondern auch hinsichtlich weiterer gerügter Verstöße gegen Grundrechte der Landesverfassung unzulässig ist. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die im Erfolgsfalle zur Fortsetzung des fachgerichtlichen Verfahrens führende Anhörungsrüge auch bezogen auf die gerügte Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs und die Grundrechte aus Art. 7 Abs. 1 LV und Art. 8 Abs. 1, Abs. 3 LV zur fachgerichtlichen Abhilfe führt (vgl. Beschluss vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 33/12 -; Beschluss vom 17. August 2012 - VfGBbg 36/12 -).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch insofern unzulässig, als sie sich gegen einen verwaltungsgerichtlichen  Beschluss richtet, mit dem eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bestätigt wurde. Soweit zur Begründung nicht auf eine Verletzung von Prozessgrundrechten in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgestellt wird, sondern sich die Verfassungsbeschwerde gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes und den diesen inhaltlich bestätigenden, mit einer Maßgabe versehenen Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet, kommt eine Verletzung von in der Landesverfassung gewährleisteten Grundrechten durch die öffentliche Gewalt des Landes Brandenburg, die nach § 45 Abs. 1 VerfGGBbg zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gemacht werden kann, von vornherein nicht in Betracht.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist eine Bundesbehörde und hat den angegriffenen Bescheid auf der Grundlage von Bundesrecht erlassen. Als Bundesbehörde ist es beim Erlass seiner Bescheide nicht an das Landesverfassungsrecht gebunden. Dementsprechend hat sich auch die verwaltungsgerichtliche Kontrolle auf das vom Bundesamt anzuwendende Bundesrecht zu beschränken. Bildet das Landesverfassungsrecht (einschließlich der Grundrechte der Landesverfassung) aber keinen Maßstab für die gerichtliche Überprüfung asylrechtlicher Entscheidungen des Bundesamtes, dann können Grundrechte der Landesverfassung nicht dadurch verletzt werden, dass das Verwaltungsgericht einen Bescheid des Bundesamtes materiell-rechtlich bestätigt (Beschluss vom 17. Mai 2013 - VfGBbg 18/13 -, m. w. Nachw.; ebenso Verfassungsgerichtshof Berlin, Beschl. v. 18. November 2008 - 146/08 -).

3. Schließlich ist die Verfassungsbeschwerde auch deshalb unzulässig, weil sie sich gegen einen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss richtet. Eine Verfassungsbeschwerde ist unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität regelmäßig auch dann unzulässig, wenn trotz einer Erschöpfung des Rechtsweges im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in zumutbarer Weise Rechtsschutz noch im fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren erlangt werden kann (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 21. Oktober 2011 - VfGBbg 34/11 -; vom 19. Juni 2003 - VfGBbg 1/03 - m. w.  Nachw.; vom 16. November 2000 - VfGBbg 49/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 198, 201 f.;  vom 21. November 1996 - VfGBbg 17/96, 18/96 und 19/96 -, LVerfGE 5, 112, 119; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 79, 275, 278 f.; E 104, 65, 70 f.; BVerfGK 12, 280, 282).

Das ist vorliegend der Fall, da das Verwaltungsgericht über die bei ihm in der Hauptsache anhängig gemachte Klage noch nicht entschieden hat. Der Beschwerdeführerin ist es nicht unzumutbar, das Ergebnis des Verfahrens in der Hauptsache abzuwarten; hieran ändert nichts, dass ihre Abschiebung nach Italien gegebenenfalls vor einer solchen gerichtlichen Entscheidung vollzogen würde, da sie das Hauptsacheverfahren aus Italien heraus betreiben kann. Diese Konzeption des vorrangig aus dem Ausland (weiter) zu suchenden Rechtsschutzes liegt bereits Art. 16a Abs. 2 Satz 3 Grundgesetz zugrunde (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes [Art. 16 und 18 GG], BT-Ds. 12/4152 S. 4; Will, in: Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 16a Rn. 82; Bergmann, in: Renner/ders./Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Art. 16a GG Rn. 112).

 

C.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten wird zurückgewiesen , da die Verfassungsbeschwerde aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 48 VerfGGBbg in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

 

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Schmidt