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VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 2021 - VfGBbg 30/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 14 Abs. 1 Nr. 2; VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg § 47 Abs. 1 Satz 1; VerfGGBbg, § 50 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründungsmangel
- Dienstgericht
- Frist
- kein Ausschluss von Ausübung des Richteramts
- Mitwirkungsbefugnis, Verfassungsgerichtsentscheidung
- Substantiierung
- Unterlagen
- Vorbefassung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 2021 - VfGBbg 30/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 30/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 30/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

D.,

Beschwerdeführer,

wegen

Beschluss des Dienstgerichtshofs des Landes Brandenburg vom 22. Februar 2021 ‌‑ DGH W 5/20

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 19. November 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

1.   Es wird festgestellt, dass Verfassungsrichterin Heinrich-Reichow von der Ausübung des Richteramts nicht ausgeschlossen ist.

2.   Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

A.

I.

Der Beschwerdeführer ist Richter am Sozialgericht C. Er wendet sich gegen einen Beschluss des Dienstgerichtshofs vom 22. Februar 2021 (DGH W 5/20), mit dem seine Beschwerde vom 26. August 2020 gegen einen Beschluss des Dienstgerichts vom 6. August 2020 (DG 6/18) zurückgewiesen worden ist.

II.

Mit der am 20. Mai 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner „materiellen und Verfahrensgrundrechte“ und des Justizgewährungsanspruchs durch die Wiederholung zahlreicher Methodik- und Logikfehler und die Mitwirkung eines befangenen Richters sowie die Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit.

An dem angegriffenen Beschluss habe der befangene Richter am Landessozialgericht X mitgewirkt. Dieser sei mit mehreren, zeitlich vorgelagerten Verfahren gegen den Beschwerdeführer befasst gewesen und habe dabei gegenüber dem Beschwerdeführer eine negativ voreingenommene Rolle eingenommen.

In der Sache gehe es um die Abwehr eines Eingriffs in den Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit und die Wahrung seines Abwehrrechts bei Überlastung durch Weisung(sversuch). Das Gericht habe die anerkannten Regeln der Methodik verletzt, indem es eine(n) Weisung(sversuch) der Gegenseite zur Bearbeitung einer konkreten, seiner Zuständigkeit unterliegenden und laufenden Sache in einen rechtswirkungslosen Vorhalt uminterpretiert habe, der eine bloße Meinungsäußerung darstelle. Mit der zunächst ohne jedwede Begründung erfolgten Missinterpretation als bloße Meinungsäußerung und Absprechen der unmittelbaren Rechtswirkung ohne jedwede nennenswerte Begründung bereite das Gericht den Boden dafür, den Beschwerdeführer rechtlos zu stellen. Der Dienstgerichtshof wiederhole bzw. vertiefe zahlreiche Methodik- und Logikfehler, die Verletzungen seiner Verfahrensgrundrechte und auch des verfassungsrechtlich verankerten Justizgewährungsanspruchs bedeuteten. Dies betreffe auch die Ausführungen des Dienstgerichtshofs zur Anmaßung medizinischen Sachverstands bzw. diesbezüglicher Gehörsverletzungen. „Mit Denkgesetzen nicht übereinstimmende Maßgaben richterliche[r] Entscheidungen“ bedeuteten Verfassungsverletzungen. Der Dienstgerichtshof sei ausgehend von dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu eigenständigen Prüfungen veranlasst gewesen. Er hätte jedenfalls zumindest Rückfragen stellen müssen. Angeblich fehlende Darlegungen würden in negativer Konnotation lediglich pauschal behauptet, sie seien niemals nachweislich zu beseitigen nachgesucht worden und seien auch grundfalsch. Grundfalsche Beschlussbegründungen seien verfassungswidrig.

Ferner sei ihm kein ordnungsgemäß beglaubigter Beschluss übermittelt worden, da nur Seite 2 von dreizehn Seiten gestempelt und nur Seite 1 abgezeichnet worden sei. Weiter weise er vorsorglich auf eine „vom post-modern-Zusteller begangene wie es hier den Anschein hat Urkundenfälschung“ hin. Die Zustellungsurkunde zum Beschluss sei fehlerhaft (vor-)ausgefüllt worden, indem der Postzusteller statt der tatsächlich erfolgten Zustellung um 14:10 Uhr 13:40 Uhr eingetragen habe.

Der Beschwerdeführer, der seiner Beschwerdeschrift keine Unterlagen beigefügt hat, ist der Ansicht, die geltend gemachten „Verfassungswidrigkeiten“ mit seinem Vortrag und den Bezugnahmen auf - nicht eingereichte - Beschlüsse und Schriftsätze hinreichend dargelegt zu haben. Er beantragt vorsorglich die Beiziehung der Vorgänge.

B.

Die Verfassungsrichterin Heinrich‑Reichow ist von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nicht aufgrund ihrer vormaligen Tätigkeit als Mitglied des Dienstgerichts des Landes Brandenburg ausgeschlossen. Das gilt auch für die Entscheidung über ihre Mitwirkungsbefugnis selbst.

Das Verfassungsgericht hat von Amts wegen über seine ordnungsgemäße Besetzung zu befinden. Das schließt die Entscheidung über einen kraft Gesetzes greifenden Mitwirkungsausschluss nach § 14 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) ein (vgl. zur bundesgesetzlichen Parallelnorm § 18 Bundesverfassungsgerichtsgesetz BVerfG, Beschluss vom 19. März 2013 ‌‑ 1 BvR 2635/12 ‑, BVerfGE 133, 163-168, Rn. 4, juris).

Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 VerfGGBbg ist vom Richteramt ausgeschlossen, wer in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist. Der Begriff „dieselbe Sache“ ist dabei in einem strikt verfahrensbezogenen Sinn auszulegen. Zu einem Ausschluss nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 VerfGGBbg kann nur eine Tätigkeit in dem verfassungsgerichtlichen Verfahren selbst oder in dem diesem unmittelbar vorausgegangenen und ihm sachlich zugeordneten Ausgangsverfahren führen (Beschlüsse vom 20. November 2020 ‌‑ VfGBbg 70/20 ‑‌, Rn. 1 m. w. N., und vom 26. August 2011 ‌‑ VfGBbg 6/11 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Eine richterliche Vorbefassung mit einer Sache führt nur dann zum Ausschluss, wenn sie zusätzlich eine Mitwirkung an der aktuell mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. März 2013 ‌‑ 1 BvR 2635/12 ‑, BVerfGE 133, 163-168, Rn. 7, juris). Erst die Übernahme von Entscheidungsverantwortung im konkreten Rechtsstreit führt zu der Gefahr einer Vorfestlegung (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 2007 ‌‑ 1 BvR 971/07 ‑,‌ Rn. 1, und vom 21. Juni 1988 ‌‑ 2 BvR 602/83 ‑‌, BVerfGE 78, 331-344, Rn. 16, 20, juris).

Dies ist hier nicht ersichtlich. Verfassungsrichterin Heinrich-Reichow hat weder an dem angefochtenen Beschluss des Dienstgerichtshofs mitgewirkt noch an dem nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienstgericht gefassten Beschluss des Dienstgerichts vom 6. August 2020. Da die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 VerfGGBbg offensichtlich nicht erfüllt sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 22. Juli 2020 ‌‑ 2 BvE 3/19 ‑‌, BVerfGE 155, 357-378, Rn. 24, juris; Graßhof in: Graßhof, Nachschlagewerk Rechtsprechung BVerfG, 214. AL 4/2021, Nr. 13 m. w. N.), ist die Verfassungsrichterin Heinrich‑Reichow auch nicht kraft Gesetzes von der Entscheidung über ihre Mitwirkungsbefugnis ausgeschlossen.

C.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt (st. Rspr., Beschlüsse vom 20. August 2021 ‌‑ VfGBbg 68/20 ‑‌, Rn. 20 m. w. N., vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 10/19 ‑‌, Rn. 7, und vom 19. März 2021 ‌‑ VfGBbg 83/19 ‑‌, Rn. 10 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Dabei obliegt dem Beschwerdeführer auch, dem Verfassungsgericht alle Gesichtspunkte zu unterbreiten, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde maßgeblich sind (st. Rspr., Beschlüsse vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 61/19 ‑‌, Rn. 20; und vom 9. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 15/19 ‑‌, Rn. 17, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Dazu gehört, die Einhaltung der Beschwerdefrist darzulegen (st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 17. Januar 2020 ‌‑ VfGBbg 82/19 ‑‌, Rn. 12 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

In formaler Hinsicht gehört zum Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg, dass die angegriffenen Entscheidungen sowie die zugrundeliegenden Rechtsschutzanträge und andere Dokumente, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, vorzulegen oder wenigstens durch inhaltliche Wiedergabe zur Kenntnis zu bringen sind (st. Rspr. Beschlüsse vom 22. Januar 2021 ‌‑ VfGBbg 44/20 ‑‌, Rn. 20; vom 11. Dezember 2020 ‌‑ VfGBbg 84/20 ‑‌, Rn. 11; und vom 30. November 2018 ‌‑ VfGBbg 23/17 ‑‌, m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

2. Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

a. Der Beschwerdeführer zeigt bereits nicht auf, dass die Erhebung der Verfassungsbeschwerde am 20. Mai 2021 die Beschwerdefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg gewahrt hat. Vortrag dazu, an welchem Tag ihm der angegriffene Beschluss bekanntgegeben wurde, lässt die Beschwerdeschrift vermissen. Die Angabe des Datums der Bekanntgabe angegriffener Beschlüsse beim Betroffenen ist jedenfalls dann erforderlich, wenn die Einhaltung der Beschwerdefrist - wie hier - nicht offensichtlich ist und sich nicht ohne Weiteres aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen ergibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 2021 ‌‑ 2 BvR 1336/20 ‑‌, Rn. 14, juris). Eine Bekanntgabe des angegriffenen Beschlusses vom 22. Februar 2021 vor dem 20. März 2021 kann ohne nähere Angaben des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen werden. Auf die vom Beschwerdeführer geschilderten Umstände der Zustellung kommt es nicht an.

b. Die Beschwerdeschrift wird überdies den beschriebenen Substantiierungsanforderungen weder formal noch inhaltlich gerecht. Eine Überprüfung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rügen, u. a. der Verletzung der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit, Art. 108 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), und des Justizgewährungsanspruchs, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV, ist dem Verfassungsgericht auf Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht möglich.

Der Beschwerdeführer hat davon abgesehen, Schriftstücke, deren Kenntnis für eine umfassende Beurteilung der geltend gemachten Rügen erforderlich sind, mit der Verfassungsbeschwerde vorzulegen oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben.

Er hat weder den Lebenssachverhalt und die Prozessgeschichte des Ausgangsverfahrens noch die Entscheidungsgründe des angegriffenen Beschlusses in einer seine verfassungsrechtliche Überprüfung ermöglichenden Weise mitgeteilt. Der Vortrag des Beschwerdeführers erstreckt sich im Wesentlichen auf eine zusammenhanglose Wiedergabe seiner eigenen Bewertungen. Dabei lässt sich in weiten Teilen nicht erkennen, ob sich sein Vorbringen auf den angegriffenen Beschluss oder das zugrundeliegende Ausgangsverfahren bezieht.

Soweit der Beschwerdeführer auf Schriftstücke des Ausgangsverfahrens verweist oder die Beiziehung von Akten beantragt, verkennt er die Begründungserfordernisse des § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

Möller

Dresen

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Sokoll

Dr. Strauß