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VerfGBbg, Beschluss vom 11. Dezember 2020 - VfGBbg 84/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 46
- StPO, § 143a; StPO, § 147 Abs. 4
Schlagworte: - Akteneinsicht
- Pflichtverteidiger
- Verteidiger
- Strafverfahren
- Unzureichende Begründung
- Subsidiarität
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 11. Dezember 2020 - VfGBbg 84/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 84/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 84/20

 

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

 

Beschwerdeführer,

wegen

Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 5. Oktober 2020 ‌‑ 2 VAs 10/20 ‑;‌ Beschluss des Amtsgerichts Lübben vom 14. September 2020 - 40 Ds 1311 Js 2546/19 (161/19)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 11. Dezember 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Lammer und Sokoll

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.


 

Gründe:

A.

I.

Der Beschwerdeführer begehrte Akteneinsicht in einem gegen ihn geführten Strafverfahren beim Amtsgericht Lübben ‌‑ 40 Ds 1311 Js 2546/19 (161/19) ‑.‌ Das Amtsgericht lehnte den Antrag mit hier angegriffenem Beschluss vom 14. September 2020 mit der Begründung ab, dass gemäß § 147 Abs. 4 StPO lediglich dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger habe, selbst Akteneinsicht zu gewähren sei. Dem Beschwerdeführer sei jedoch in dem zugrundeliegenden Strafverfahren ein Pflichtverteidiger bestellt worden. Dieser sei berechtigt, ihm zu Verteidigungszwecken mitzuteilen, was er aus den Akten erfahren habe.

Bezüglich desselben Strafverfahrens beantragte der Beschwerdeführer zudem zunächst beim Verwaltungsgericht Cottbus die Mitteilung der vollständigen Namen der befassten Richter, die Aushändigung beglaubigter Kopien der Ernennungsurkunden und Lichtbilder sowie Prozesskostenhilfe. Das Verwaltungsgericht Cottbus erklärte mit Beschluss vom 14. Juni 2020 ‌‑ VG 8 K 1162/20 ‑‌ den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Brandenburgische Oberlandesgericht.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht lehnte den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab und verwarf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem hier ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 5. Oktober 2020 ‌‑ 2 VAs 10/20 ‑.‌ Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei gemäß §§ 23 ff Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) statthaft, jedoch unzulässig, da er den binnen der Monatsfrist gemäß § 26 EGGVG zu wahrenden Begründungsanforderungen des § 24 EGGVG nicht entspreche. Das Oberlandesgericht trat den Ausführungen der angehörten Generalstaatsanwaltschaft bei, es gehe aus der Begründung des Beschwerdeführers nicht hervor, ob, wann und mit welcher Begründung er sein Begehren gegenüber dem Amtsgericht Lübben geltend gemacht habe, ob und mit welchem Inhalt sein Gesuch abgelehnt und ein etwaiger Bescheid ihm bekannt gegeben worden sei.

II.

Der Beschwerdeführer macht mit seiner Verfassungsbeschwerde geltend, die Akteneinsicht in die Strafakte dürfe ihm nicht verweigert werden, da sein Verteidiger seine Pflichten nicht wahrnehme, nicht mit ihm kommuniziere und die Akteneinsicht bzw. ‌‑auskunft selbst nicht gewähre. Der Beschwerdeführer habe ihn daher als befangen abgelehnt. Da der Rechtsanwalt die Verteidigung nicht übernehme, sei der Beschwerdeführer selbst zur Akteneinsicht und zum Erhalt einer Aktenkopie - letzteres da er inhaftiert sei - berechtigt. Andernfalls könne er sein Recht auf Verteidigung nicht wahrnehmen.

Die unterbliebene Übersendung von Geschäftsverteilungsplan und Identitätsnachweisen des entscheidenden Richters verstoße gegen das Grundrecht des gesetzlichen Richters, zumal der Beschwerdeführer diesen wegen Befangenheit und Nichtzuständigkeit abgelehnt habe. Kopien von Richterernennungsurkunden stünden ihm aufgrund seiner Grundrechte auf Gleichbehandlung, Pressefreiheit als Journalist und auf den gesetzlichen Richter zu.

Die im Falle des Oberlandesgerichtsbeschlusses entscheidenden Richter habe der Beschwerdeführer ebenfalls als befangen abgelehnt. Mit dem Beschluss verstießen diese zudem gegen die Rechtsweggarantie. Die Hinzuziehung der Generalstaatsanwaltschaft durch das Oberlandesgericht sei wegen der allein die gerichtliche Zuständigkeit betreffenden Frage unerklärt.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig, da sie nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt.

Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Die Anforderungen an die Beschwerdebegründung müssen bezüglich jeder der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Maßnahmen der hoheitlichen Gewalt jeweils gesondert erfüllt sein (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 18. September 2020 ‌‑ VfGBbg 13/20 EA ‑,‌ Rn. 9, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

1. Es obliegt dem Beschwerdeführer dabei auch, dem Verfassungsgericht alle Gesichtspunkte zu unterbreiten, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde maßgeblich sind (Beschluss vom 9. September 2016 ‌‑ VfGBbg 92/15 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdeschrift hinsichtlich des Beschlusses des Amtsgerichts Lübben vom 14. September 2020 nicht. Aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers ist das Verfassungsgericht nicht in der Lage zu überprüfen, ob er den Rechtsweg erschöpft hat und dem aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg abgeleiteten Grundsatz der Subsidiarität gerecht geworden ist. Ein Beschwerdeführer hat nach diesem Grundsatz vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden Verfahren zu verhindern oder zu beheben (st. Rspr., Beschluss vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 12/19 ‑,‌ Rn. 7, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Vorliegend ist bereits nicht erkennbar, ob der Beschwerdeführer, der lediglich angegeben hat, den ihm beigeordneten Rechtsanwalt „abgelehnt“ zu haben, einen Antrag auf einen Verteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Strafprozessordnung (StPO) gestellt und im Falle des für ihn negativen Ausgangs eines solchen Antrags eine gemäß § 143a Abs. 4 StPO statthafte sofortige Beschwerde erhoben hat. Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachte Beanstandung, die Akteneinsicht sei dem Beschwerdeführer (auch deshalb) nicht möglich, da der ihm beigeordnete Verteidiger seine Pflichten nicht wahrnehme, könnte im Falle der Bestellung eines anderen Pflichtverteidigers unmittelbar im fachgerichtlichen Verfahren behoben werden.

2. In formaler Hinsicht gehört zum Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg auch, dass die angegriffenen Entscheidungen sowie die zugrundeliegenden Rechtsschutzanträge und anderen Dokumente, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, vorzulegen oder wenigstens durch inhaltliche Wiedergabe zur Kenntnis zu bringen sind. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es zur Erfüllung der Begründungsanforderungen in der Regel auch einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 18. September 2020 ‌‑ VfGBbg 13/20 EA ‑,‌ Rn. 9, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des angegriffenen Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 5. Oktober 2020 ‌‑ 2 VAs 10/20 ‑‌ nicht vor.

Bezüglich der Rüge des Beschwerdeführers, das Oberlandesgericht habe nicht in der Besetzung des ergangenen Beschlusses entscheiden dürfen, da er die Richter als befangen abgelehnt habe, kann das Gericht weder beurteilen, ob und mit welchem Inhalt ein Ablehnungsgesuch angebracht, noch ob und wie darüber entschieden worden ist. Soweit dem Beschwerdeführer die Einreichung von Kopien nicht möglich war, hätte er zumindest Ablauf und Inhalt der behaupteten Ablehnung darlegen müssen.

Soweit der Beschwerdeführer sich inhaltlich gegen die Versagung der Übersendung von Geschäftsverteilungsplan und Identitätsnachweisen wendet, ist er der Begründung des Oberlandesgerichts, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei unzulässig, da eine hinreichende Begründung nicht vorgelegen habe, nur durch den Einwand entgegengetreten, eine Verfristung seiner Gesuche gebe es „verfassungs- und spezialrechtlich“ nicht und eine schlüssige Sachverhaltsdarstellung sei mit der [parallel eingereichten] Klage gegeben gewesen. Damit knüpft er nicht in hinreichendem Maße an die Entscheidungsgründe des oberlandesgerichtlichen Beschlusses an, die maßgeblich auf die fehlende Darlegung des Verfahrensverlaufs im Hinblick auf einen Antrag des Beschwerdeführers beim Amtsgericht Lübben abstellten.

C.

Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Becker

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Dr. Lammer

Sokoll