VerfGBbg, Beschluss vom 9. September 2016 - VfGBbg 92/15 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 - VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 20 Abs. 1; VerfGGBbg, § 46 - SGG, § 73a |
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Schlagworte: | - Subsidiarität - Anhörungsrüge - Begründungsanforderungen |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 9. September 2016 - VfGBbg 92/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 92/15
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
H.
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
L.
wegen | Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. November 2015 (S 38 AS 5586/13) |
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 9. September 2016
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer und Partikel
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Behandlung eines Prozesskostenhilfeantrags.
I.
Die Beschwerdeführerin begehrte vom Beklagten des Ausgangsverfahrens (nachfolgend: Beklagten) den Ersatz von Kosten einer anwaltlichen Vertretung nach einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren. Auf einen anwaltlichen Kostenfestsetzungsantrag über 309,40 € erkannte der Beklagte einen Erstattungsbetrag von 85,68 € an. Die Beschwerdeführerin erhob nach erfolglosem Vorverfahren Klage, die sie zunächst nicht bezifferte, und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Das Sozialgericht Cottbus gab der Klage, die in der mündlichen Verhandlung auf (weitere) 57,12 € konkretisiert worden war, mit Urteil vom 8. Oktober 2015 in Höhe von 28,56 € statt und ordnete an, dass der Beklagte der Beschwerdeführerin die Hälfte der Kosten zu erstatten habe.
Mit Beschluss vom 17. November 2015 lehnte das Sozialgericht den Prozesskostenhilfeantrag ab. Die Bewilligung sei nicht mehr notwendig, nachdem die Klage teilweise Erfolg gehabt und die Beschwerdeführerin die Kosten insoweit nicht zu tragen habe. Mangels Bezifferung hätten die Erfolgsaussichten zunächst nicht beurteilt werden können. Soweit die Klage möglicherweise auf den Betrag gerichtet gewesen sein sollte, der im Kostenfestsetzungsantrag zum Widerspruchsverfahren genannt worden sei, sei sie nur zu einem geringen Teil begründet gewesen. Im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Bezifferung habe es für den über den ausgeurteilten Betrag hinausgehenden Antrag keine Erfolgsaussichten gegeben.
Die Beschwerdeführerin hat gegen diesen Beschluss Anhörungsrüge erhoben.
II.
Die Beschwerdeführerin hat am 21. Dezember 2015 parallel zur Anhörungsrüge Verfassungsbeschwerde erhoben und geltend gemacht, die Ablehnung der Prozesskostenhilfe verletze sie in ihrem Grundrecht aus Art. 52 Abs. 3 Landesverfassung (LV). Das Sozialgericht verkenne das Grundrecht der Rechtsschutzgleichheit. Prozesskostenhilfe sei nicht nur in dem Umfang zu bewilligen, in dem die Klage Erfolg habe, sondern müsse immer dann bewilligt werden, wenn überhaupt hinreichende Erfolgsaussicht in Bezug auf den gesamten Streitgegenstand bestehe.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Bran-denburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen genügt, die sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität ergeben. Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass dieser – über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus – alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern; vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, vgl. etwa Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 28/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Erst wenn dies ergebnislos geblieben ist, kann er das Verfassungsgericht anrufen. Macht der Beschwerdeführer in Anbetracht dieses Erfordernisses noch von einem besonderen Rechtsbehelf Gebrauch, muss er dessen Ergebnis abwarten und kann zunächst noch keine Verfassungsbeschwerde erheben, sofern nicht der Rechtsbehelf von vornherein offensichtlich aussichtslos gewesen war (vgl. Beschlüsse vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 33/12 -; vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Vorliegend hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben, ohne das Ergebnis des von ihr parallel betriebenen Anhörungsrügeverfahrens abzuwarten. Über die bei dem Sozialgericht Cottbus angebrachte Anhörungsrüge ist eigenem Vorbringen zufolge zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde noch nicht entschieden. Daher ist die Verfassungsbeschwerde insgesamt, also nicht nur in Bezug auf eine etwaige Gehörsverletzung, unzulässig (vgl. Beschlüsse vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -; vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 33/12 -; vom 21. Januar 2011 - VfGBbg 28/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Dass die Anhörungsrüge etwa offensichtlich aussichtslos wäre, kann auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden. Sie hat keine näheren Ausführungen zur Anhörungsrüge gemacht und diese auch nicht vorgelegt. Im Hinblick auf das Begründungserfordernis des § 46 VerfGGBbg obliegt es jedoch ihr, all die Gesichtspunkte dem Landesverfassungsgericht zu unterbreiten, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde maßgeblich sind (vgl. Beschlüsse vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 19/04 -, vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 45/15 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Es ist nicht Aufgabe des Landesverfassungsgerichtes, den Sachverhalt über ihren Vortrag hinaus aufzuklären und so Zweifel über das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen auszuräumen.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist aber auch ungeachtet dessen unzulässig, denn das Vorbringen der Beschwerdeführerin genügt nicht dem aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg folgenden Begründungserfordernis. Danach muss die Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte hinreichend deutlich aufzeigen (vgl. BVerfGE 98, 169, 196). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (Beschluss vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfGE 88, 40, 45; 99, 84, 87; 101, 331, 345; 105, 252, 264; 108, 370, 386 f). Demnach muss die Beschwerdeführerin ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus ihrer Sicht im Einzelnen liegt. Dem genügt ihr Vorbringen nicht. Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, worin die grundsätzlich unrichtige Anschauung des Sozialgerichts von der Bedeutung der grundrechtlich verbürgten Rechtsschutzgleichheit liegen soll.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Partikel | |