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VerfGBbg, Beschluss vom 15. Dezember 2023 - VfGBbg 18/23 EA -

 

Verfahrensart: sonstige Verfahren
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 30 Abs. 5 Satz 2
- LV, Art. 55 Abs. 2; LV, Art. 56 Abs. 1; LV, Art. 56 Abs. 2; LV, Art. 67 Abs. 1; LV, Art. 70
- GOLT, § 81
Schlagworte: - Gesonderte Übermittlung der Begründung
- Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, unbegründet
- Hauptsacheantrag, offensichtlich unbegründet
- Haushalt
- Notlagenbeschluss
- Gesetzgebungsverfahren
- Beratungsdauer
- Sachverständigenanhörung
- Beschlussempfehlung
- Beschlussfassung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. Dezember 2023 - VfGBbg 18/23 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 18/23 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 18/23 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

  1. AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg,,
    vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden
    Dr. Hans-Christoph Berndt,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  2. Dr. Hans-Christoph Berndt
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  3. Dennis Hohloch
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  4. Sabine Barthel
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  5. Birgit Bessin
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  6. Peter Drenske
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  7. Andreas Galau
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  8. Lars Günther
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  9. Michael Hanko
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  10. Rolf-Peter Hooge
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  11. Lars Hünich
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  12. Steffen John
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  13. Andreas Kalbitz
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  14. Lena Kotré
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  15. Steffen Kubitzki
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  16. Daniel Freiherr von Lützow
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  17. Wilko Möller
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  18. Daniel Münschke
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  19. Kathleen Muxel
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  20. Volker Nothing
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  21. Dr. Daniela Oeynhausen
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14473 Potsdam,
  22. Lars Schieske
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  23. Marianne Spring-Räumschüssel
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  24. Felix Teichner
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  25. Dr. Philip Zeschmann
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,

Antragsteller,

Verfahrensbevollmächtigter               H.,
                                                                 Rechtsanwälte,

 

gegen

1.   Ausschuss für Haushalt und Finanzen (AHF) des Landtags Brandenburg,
vertreten durch die Vorsitzende
Landtag Brandenburg,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,

      Antragsgegner zu 1.,

 

2.   Landtag Brandenburg,
vertreten durch die Präsidentin;
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,

Antragsgegner zu 2.,

beteiligt:

Landesregierung Brandenburg
- Staatskanzlei -,
Heinrich-Mann-Allee 107,
14473 Potsdam,

wegen

Vorläufige Regelung zur Ausgestaltung parlamentarischer Verfahrensabläufe, v.a. zur Verhinderung missbräuchlicher Verfahrensbeschleunigung und damit verbundener Verletzung u.a. des Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung

in dem das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Dr. Koch, Müller, Sokoll und Dr. Strauß am 15. Dezember 2023 einstimmig beschlossen hat, dass die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt werden,

 

wird gemäß § 30 Abs. 5 Satz 2 Gesetz über das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) die Begründung gesondert übermittelt.

 

Gründe:

A.

Die Antragsteller zu 2. bis 25. sind Mitglieder des Landtags Brandenburg. Sie bilden im Landtag die AfD-Fraktion, die Antragstellerin zu 1.

Der isolierte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zielt darauf ab, dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen (AHF) des Landtags Brandenburg, dem Antragsgegner zu 1., aufzugeben, die Sachverständigenanhörung zum „Beschluss über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Art. 103 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung in Verbindung mit § 18b Landeshaushaltsordnung“ nicht mehr im Dezember 2023 durchzuführen sowie die Erarbeitung der Beschlussempfehlung zu diesem Beschluss auf die nächste reguläre Sitzung des AHF am 11. Januar 2024 zu verschieben.

Dem Antragsgegner zu 2., dem Landtag Brandenburg, soll aufgegeben werden, den vorgenannten Beschluss nicht vor einer Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache zur abstrakten Normenkontrolle zu §§ 2, 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 (VfGBbg 22/23) zur Abstimmung zu stellen, hilfsweise nicht vor dem regulären Januar-Plenum.

I.

Die Antragstellerin zu 1. ist Oppositionsfraktion im Landtag Brandenburg. Die Antragsteller zu 7., 18. und 23. sind ordentliche Mitglieder des AHF, dessen Vorsitzende die Antragstellerin zu 23. ist. Die Antragsteller zu 6., 12. und 21. sind stellvertretende Mitglieder des AHF.

Der Landtag Brandenburg behandelte in seiner 96. Sitzung am 13. Dezember 2023 den am 5. Dezember 2023 eingegangenen, am 8. sowie am 12. Dezember 2023 in überarbeiteter Fassung an die Abgeordneten verteilten 16‑seitigen Antrag der Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Beschluss über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 103 Absatz. 2 Satz. 2 Landesverfassung in Verbindung mit § 18b Landeshaushaltsordnung“ (LT‑Drs. 7/8857). Der Landtag überwies den Antrag an den AHF mit dem Auftrag, sich mit diesem Antrag zu befassen und für die 97. Sitzung des Landtags am Freitag, den 15. Dezember 2023, eine Beschlussempfehlung zu erarbeiten. Der AHF tagte daraufhin noch am 13. Dezember 2023 von 19:50 Uhr bis 21:00 Uhr in einer Sondersitzung.

Den Ausschussmitgliedern lag dazu eine Stellungnahme der Koalitionsfraktionen mit folgendem Inhalt als sog. Tischvorlage vor.

Stellungnahme Notlageerklärung

Fraktionen SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen

Aus Verantwortung für das Land Brandenburg war es notwendig das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 15. November 2023 zu prüfen.

Unsere Schlussfolgerung ist, es wird in Folge der Prüfungen erneut die Notlage für das Jahr 2024 erklärt.

In der Folge dessen wird die Kreditermächtigung für das Jahr 2023 zur Finanzierung der Maßnahmen zur Bewältigung der fortbestehenden außergewöhnlichen Notsituation auf 1.060.000.000 Euro angepasst.

Des Weiteren wird auf die vorliegenden 5 Beschlusspunkte und ausführliche Begründung in der Drucksache 7/8857 verwiesen.

Die Koalition bittet um Zustimmung zum „Beschluss über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 Landesverfassung in Verbindung mit § 18b Landeshaushaltsordnung“.

 

In dieser Sitzung des AHF beantragten die Mitglieder der AfD-Fraktion eine Anhörung von Sachverständigen nach § 81 der Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg (GOLT) zu diesem Antrag. Die Koalitionsfraktionen lehnten eine mündliche Anhörung von Sachverständigen ab und formulierten einen Verfahrensvorschlag, der eine schriftliche Stellungnahme der Sachverständigen vorsah. Dieser Beschluss wurde mit sechs Ja-Stimmen und vier Nein-Stimmen gefasst und hat folgenden Inhalt:

„1. Es wird eine schriftliche Anhörung durchgeführt;

2. Jede Fraktion kann bis Donnerstag, 14.12., 10:00 Uhr einen Anzuhörenden benennen, wobei der Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag als kommunale Spitzenverbände automatisch ebenfalls zur Anhörung eingeladen sind;

3. Die Anzuhörenden reichen bis Montag, 18.12., 10:00 Uhr, ihre jeweiligen Stellungnahmen beim Ausschussreferat des AHF ein;

4. Sodann kommt der AHF zu seiner 71. (Sonder-) Sitzung am Montag, 18.12., 13:00 Uhr zusammen, befasst sich mit den Stellungnahmen und erarbeitet eine Beschlussempfehlung für den Landtag.“

 

Die AfD-Fraktion benannte hierzu den Sachverständigen V. Andere Sachverständige wurden ausweislich eines vorgelegten E-Mail-Auszugs des Ausschussdienstes vom 14. Dezember 2023 nicht benannt. Der von der AfD-Fraktion benannte Sachverständige teilte nach Angaben der Antragsteller mit, dass er so kurzfristig nicht hinreichend zu den in diesem Zusammenhang aufzuwerfenden Fragen belastbar Stellung nehmen könne.

Die Antragsteller wiesen die Antragsgegner per E-Mail am 14. Dezember 2023 um 16:21 Uhr auf die aus ihrer Sicht bevorstehenden Rechtsverletzungen hin und forderten sie auf, sich bis zum 15. Dezember 2023, 11:00 Uhr, dahingehend zu erklären, dass eine Befassung des AHF und nachfolgend des Landtags Brandenburg erst in den regulären Januar-Sitzungen erfolgen werde. Eine Reaktion der Antragsgegner erfolgte nicht.

Am Mittwoch, den 20. Dezember 2023 sollte der Landtag zu seiner 98. Sitzung (Sondersitzung) zusammenkommen, über den Antrag der Landesregierung auf (erneute) Erklärung einer Notlage nebst Beschlussempfehlung des AHF beraten und diesen beschließen.

II.

Die Antragsteller haben am 15. Dezember 2023 nach 11:00 Uhr den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

1. Zur Begründung führen die Antragsteller im Wesentlichen wie folgt aus:

Das unverhältnismäßig schnelle Verfahren lasse eine angemessene Befassung der Abgeordneten und der Sachverständigen mit dieser verfassungsrechtlich komplexen Frage nicht zu. Dies verletze die Rechte der Abgeordneten und der Fraktion auf angemessene Mitwirkung, Beteiligung und gleichberechtigte Teilhabe. Daher solle den Antragsgegnern dem Grunde nach untersagt werden, die verfassungsgemäßen Rechte der Antragsteller zu missachten.

a. Der isolierte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei statthaft. Das in der Hauptsache durchzuführende Organstreitverfahren sei zulässig und begründet. Den Antragstellern stehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Sie seien insbesondere ihrer Konfrontationsobliegenheit nachgekommen. Die den Antragsgegnern gesetzte Frist sei fruchtlos abgelaufen. Zudem handele es sich um keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren. Die Entscheidung in der Hauptsache käme voraussichtlich zu spät und den Antragstellern könne in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden. Der Gegenstand des Hauptsacheverfahrens werde durch ein einmaliges oder nur kurze Zeit währendes Geschehen bestimmt, auf das eine Entscheidung in der Hauptsache keinen Einfluss mehr nehmen könne, weil es bis dahin bereits erledigt wäre. Ausnahmsweise dürfe hier auch die Verpflichtung der Antragsgegner zu einem bestimmten Verhalten erfolgen, da eine solche rechtsgestaltende Wirkung im Wege der einstweiligen Anordnung zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen im Sinne einer endgültigen Vereitelung des geltend gemachten Rechts erforderlich sei.

b. Der Antrag sei auch offensichtlich begründet. Die missbräuchliche Verfahrensgestaltung verletze die Antragsteller in ihren Oppositionsrechten (Art. 55 Abs. 2 Verfassung des Landes Brandenburg, LV) und in ihren aus dem freien Mandat abgeleiteten Rechten auf Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung (Art. 56 Abs. 1 LV), auf ebensolche Teilhabe in den Ausschüssen (Art. 56 Abs. 2, Art. 70 LV), auf Gleichbehandlung der Fraktionen (Art. 56 Abs. 1, Art. 67 Abs. 1 LV) und auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung (Art. 56 Abs. 1 LV i. V. m. § 81 GOLT).

Die Abgeordneten müssten dabei Informationen nicht nur erlangen, sondern diese auch verarbeiten können. Auch wenn der Parlamentsmehrheit ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung der Verfahrensabläufe im Parlament zustehe, entbinde die Verfahrensautonomie die Parlamentsmehrheit nicht von der Beachtung des durch Art. 56 LV garantierten Status der Gleichheit der Abgeordneten. Vorliegend sei das Abgeordnetenrecht bei der Gestaltung des Verfahrens ohne sachlichen Grund gänzlich oder in substanziellem Umfang missachtet worden.

Das Recht auf Gleichbehandlung insbesondere für die oppositionellen Fraktionen finde sich in Art. 55 Abs. 2 LV wieder. Die Fraktion sei durch die missbräuchliche Verfahrensbeschleunigung an der Ausübung ihrer Informations- und Kontrollfunktion gehindert. Ihr werde die Möglichkeit genommen, den Beratungsgegenstand hinreichend ausarbeiten zu lassen, Sachverständige zu hören und die Ergebnisse erfassen zu können. Die Fraktion leite dabei ihre Rechte von denen der Abgeordneten ab.

Darüber hinaus liege eine Verletzung der Rechte aller Antragsteller wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung gem. Art. 56 Abs. 1 LV wegen Verstoßes gegen § 81 GOLT vor. Zwar enthalte die Regelung in der Geschäftsordnung des Landtags keine zeitlichen Vorgaben. Die formell beschlossene schriftliche Anhörung von Sachverständigen sei jedoch aufgrund der Zeitvorgabe unmöglich umsetzbar, so dass dies zu einer Aushöhlung der Rechte der Antragsteller führe.

2. Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei gemäß § 30 VerfGGBbg zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten, weil die Verletzung der Rechte der Antragsteller durch die Antragsgegner bereits nach Prüfung im Eilverfahren offensichtlich feststehe. Zudem liege ein deutliches Überwiegen der Nachteile durch die geplante Vorgehensweise vor.

Der Beschluss der „außergewöhnlichen Notsituation“ sei zwingende Voraussetzung für die Außervollzugsetzung der sog. „Schuldenbremse“ nach Art. 103 Abs. 2 LV. Es sei zudem offen, ob ein derartiger Beschluss im Wege einer Verfassungsrechtsstreitigkeit angegriffen werden könne. Der Eingriff in die Autonomie des Parlaments bzw. der Parlamentsmehrheit und damit in die originäre Zuständigkeit eines anderen obersten Verfassungsorgans sei gerechtfertigt, da der Beschluss auch noch zu einem späteren Zeitpunkt gefasst werden könne, beispielsweise im Rahmen des Nachtragshaushalts. Auch der nur geringe zeitliche Aufschub von wenigen Wochen sei zu berücksichtigen. Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte ein Antrag in der Hauptsache Erfolg, käme es hingegen zu einer irreversiblen, substanziellen Verletzung elementarer verfassungsrechtlicher Rechte der Antragsteller.

III.

Die Antragsteller beantragen:

1. Dem Antragsgegner zu 1. wird aufgegeben,

a. die Sachverständigenanhörung zum „Beschluss über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 Landesverfassung in Verbindung mit § 18b Landeshaushaltsordnung“ nicht innerhalb der Kalenderwochen 50-52 (11.12. - 31.12.2023) durchzuführen,

b. die Erarbeitung der Beschlussempfehlung entsprechend dem Antrag gemäß Drs. 7/8857 zum „Beschluss über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 Landesverfassung in Verbindung mit § 18b Landeshaushaltsordnung“ auf die nächste reguläre Sitzung am 11.01.2024 zu verschieben;

2. Dem Antragsgegner zu 2. wird aufgegeben,

a. den Beschluss entsprechend dem Antrag gemäß Drs. 7/8857 zum „Beschluss über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 Landesverfassung in Verbindung mit § 18b Landeshaushaltsordnung“

nicht vor einer Entscheidung des Gerichts in dem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle zu §§ 2, 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 (VfGBbg 22/23) zur Abstimmung zu stellen,

hilfsweise:

nicht vor dem regulären Januar-Plenum im Zeitraum des 24.-26.01.2024 zur Abstimmung zu stellen;

3. Das Land Brandenburg hat den Antragstellern die notwendigen Auslagen zu erstatten.

IV.

Nach Ansicht des Antragsgegners zu 2. sind die Rechte der Antragsteller nicht verletzt. Verfassungsgerichtliche Aussagen existierten nur im Hinblick auf Gesetzgebungsverfahren, nicht jedoch für sonstige Beschlüsse des Parlaments. Zudem sei die Frist des § 42 Abs. 1 GOLT, wonach die Beratung von sonstigen Beratungsmaterialien frühestens am neunten Tag nach der Verteilung der Drucksachen beginnen soll, auch für den Neudruck eingehalten worden, da dieser am 8. Dezember 2023 eingebracht worden sei und nach ständiger Praxis der Tag des Einbringens mitgerechnet werde. Der ursprüngliche Beschluss sei bereits am 5. Dezember 2023 eingebracht worden. Die zur Verfügung stehende Zeit sei auch nicht unangemessen gewesen. Anders als in der von den Antragstellern zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2023 ‌- 2 BvE 4/23 ‑‌, www.bverfg.de) handele es sich hier nicht um einen 110-seitigen Änderungsantrag zu einem Gesetzesentwurf, der als „Paradigmenwechsel“ bezeichnet worden sei. Vielmehr handele es sich um einen Beschluss, der die Notlage nicht erstmalig feststelle, sondern den Notlagenbeschluss von Dezember 2022 für das Haushaltsjahr 2024 bestätigen solle. Zudem habe sich der dem Notlagenbeschluss zugrundeliegende Sachverhalt nicht grundlegend verändert. Die im Jahr 2023 eingetretenen Konsequenzen seien bekannt. Eine Einschätzung für das Jahr 2024 habe bereits 2022 vorgelegen und sei nun im Wesentlichen ergänzt und fortgeschrieben worden. Eingehender werde lediglich dargestellt, für welche fünf Maßnahmenbereiche finanzielle Mittel in bestimmter Höhe eingesetzt werden sollen.

Eine missbräuchliche Einschränkung der Beteiligungsrechte liege auch deshalb nicht vor, weil mit der Terminierung des Beschlusses noch im Jahr 2023 erkennbar die Absicht verbunden sei, den Grundsätzen der Vorherigkeit und der Jährlichkeit zu genügen.

Die Überweisung an den Ausschuss sei nicht erforderlich gewesen. Sowohl die Beratung im Ausschuss als auch der Beschluss einer Sachverständigenanhörung stellten eine zusätzliche Informationsquelle der Landtagsmitglieder dar und erweiterten die parlamentarischen Mitwirkungsrechte, statt diese zu verkürzen.

V.

Eine Erwiderung der Antragsteller auf die Stellungnahme des Antragsgegners zu 2. ist erst nach Beschlussfassung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingegangen.

B.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nur teilweise zulässig. Während der Hauptantrag zu 2. unzulässig ist, erweisen sich der Antrag zu 1. und der Hilfsantrag zu 2. als zulässig.

1. Der Hauptantrag zu 2. ist unzulässig. Weder genügen die Antragsteller insoweit der ihnen auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes obliegenden Substantiierungspflicht (§ 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg), noch steht ihnen insoweit ein Rechtsschutzinteresse zur Seite. Dem Vorbringen der Antragsteller ist nicht zu entnehmen, aus welchen verfassungsrechtlichen Gründen dem Landtag aufgegeben werden soll, über den Antrag aus der LT-Drs. 7/8857 bis zu einer gerichtlichen Entscheidung in dem Normenkontrollverfahren VfGBbg 22/23 nicht abzustimmen. Die Antragsteller haben den Antragsgegner zu 2. vor Anrufung des Gerichts auch nicht aufgefordert, eine Abstimmung bis auf weiteres zu unterlassen. Ihr Konfrontationsschreiben vom 14. Dezember 2023 hat sich auf die Forderung beschränkt, die Abstimmung der LT‑Drs. 7/8857 auf die reguläre Landtagssitzung im Januar 2024 zu verschieben. Im Übrigen geht es den Antragstellern mit dem Hauptantrag zu 2. nicht lediglich darum, die von ihnen aufgrund der Zügigkeit des Beratungs- und Abstimmungsprozesses im Landtag als verletzt erachteten Abgeordneten- und Fraktionsrechte einstweilen zu sichern. Vielmehr erstreben sie eine weit darüber hinausgehende Regelung in Bezug auf die verfassungsrechtliche Befugnis des Landtags, über ein ihm aus seiner Mitte zur Abstimmung unterbreitetes Anliegen zu befinden.

2. Die weiteren Anträge und Hilfsanträge sind zulässig.

a) Der Rechtsweg zum Verfassungsgericht ist eröffnet. Das vorliegende Verfahren ist verfassungsrechtlicher Art. Ein isolierter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist bereits vor der Antragstellung im Hauptsacheverfahren möglich. Antragsteller und Antragsgegner wären taugliche Beteiligte eines noch durchzuführenden Organstreitverfahrens und streiten im Kern um Positionen aus einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis.

b). Die Antragsteller sind antragsberechtigt. Die Antragsberechtigung im Verfahren über eine einstweilige Anordnung richtet sich nach der Beteiligtenfähigkeit in der Hauptsache.

aa) Die Antragstellerin zu 1. ist im Organstreitverfahren antragsberechtigt. Eine Fraktion im Landtag ist ein von der Verfassung anerkannter Teil des Verfassungsorgans Landtag (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2023 ‌‑ VfGBbg 67/21 ‑‌, Rn. 32, https://verfassungsgericht.brandenburg.de) und gemäß Art. 113 Nr. 1 LV, § 12 Nr. 1, § 35 VerfGGBbg in Organstreitigkeiten beteiligtenfähig.

bb) Die Antragsteller zu 2. bis 25. sind als Abgeordnete, die sich in ihrem freien Mandat dadurch verletzt sehen, dass ihre Beteiligungsrechte verkürzt werden, beteiligtenfähig. Jeder einzelne Abgeordnete ist berechtigt, gegen Maßnahmen, die seine verfassungsmäßig gewährleistete Rechtsstellung als Abgeordneter beeinträchtigen, das Verfassungsgericht anzurufen (vgl. Beschluss vom 20. Oktober 2017 ‌‑ VfGBbg 46/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 1955 ‌‑ 2 BvK 1/54 ‑‌, BVerfGE 4, 144-156, Rn. 17 f., juris).

c) Ihrer Konfrontationsobliegenheit ‑ als Ausfluss des Rechtsschutzbedürfnisses ‑ (vgl. Beschluss vom 21. April 2023 ‌‑ VfGBbg 30/22 -‌, Rn. 48, https://verfassungsgericht.brandenburg.de) sind die Antragsteller in Bezug auf die zulässigen Anträge nachgekommen, indem sie vor Anrufung des Verfassungsgerichts mit Schreiben vom 14. Dezember 2023 auf die ihrer Auffassung nach bevorstehenden Rechtsverletzungen hinwiesen und fruchtlos um eine Unterlassungserklärung ersuchten.

d) Auch liegt aus den von den Antragstellern dargelegten Gründen ‑ die sich auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2023 ‌‑ 2 BvE 4/23 ‑‌, Rn. 72 ff., www.bverfg.de) beziehen ‑ in Bezug auf den Antrag zu 1. und den Hilfsantrag zu 2. keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor.

e) Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin zu 1. für den Hilfsantrag, denn sie hätte ihr Rechtsschutzziel nicht auf einfacherem Weg erreichen können. Zwar ist nach § 42 Abs. 1 Satz 7 GOLT der Beratungsgegenstand auf Antrag einer Fraktion oder eines Fünftels der Mitglieder des Landtags zurückzustellen, wenn vor Eintritt in die Tagesordnung Einspruch erhoben wird, weil die Frist nach § 42 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GOLT nicht eingehalten worden ist. Doch ist dem Vortrag des Landtags zu entnehmen, dass es ständiger parlamentarischer Praxis entspricht, den Tag des Einbringens (gemeint ist wohl das Verteilen) bei der Berechnung der Frist des § 42 Abs. 1 Satz 1 GOLT mitzuzählen. Da die aktuelle Fassung der LT-Drs. 7/8857 am 12. Dezember 2023 verteilt worden ist, wäre die 9‑Tages-Frist bei Beschlussfassung am 20. Dezember 2023 eingehalten. Auch wenn dies möglicherweise von der in § 102 GOLT enthaltenen Berechnungsregel abweicht, können die Antragsteller nicht darauf verwiesen werden, zunächst mit der Erhebung eines Einspruchs eine Zurückstellung des Beratungsgegenstandes zu erstreben. Dem Vorbringen des Antragsgegners zu 2. zufolge wäre dieses Begehren aussichtslos gewesen.

C.

Ob die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung möglichweise bereits teilweise wegen Unzulässigkeit eines möglichen Hauptsacheverfahrens aufgrund fehlender Antragsbefugnis in der Hauptsache zurückzuweisen sind, kann dahinstehen. Anträge im Hauptsacheverfahren wären jedenfalls offensichtlich unbegründet. Deshalb kommt ein überwiegendes Interesse für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.

I.

Gemäß § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg vorliegen, ist grundsätzlich, soweit sich das Begehren in der Hauptsache nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet darstellt, nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu beurteilen (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 25. August 2023 ‌‑ VfGBbg 6/23 EA ‑‌, Rn. 117 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 30 Abs. 1 VerfGGBbg ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Beschlüsse vom 25. August 2023 ‌‑ VfGBbg 6/23 EA ‑‌, Rn. 118 m. w. N., und vom 19. März 2021 ‌‑ VfGBbg 3/21 EA ‑‌, Rn. 14 m. w. N., verfassungsgericht.brandenburg.de). Im Organstreitverfahren bedeutet der Erlass einer einstweiligen Anordnung einen Eingriff des Verfassungsgerichts in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans. Der Erlass kann allein der vorläufigen Sicherung des streitigen organschaftlichen Rechts des Antragstellers dienen, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung der Hauptsache durch Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Juli 2023 ‌‑ 2 BvE 4/23 ‑‌, Rn. 67, und vom 14. Juni 2017 ‌‑ 2 BvQ 29/17 ‑‌, BVerfGE 145, 348-364, Rn. 29).

Ist absehbar, dass der Antrag in der Hauptsache keinen Erfolg haben kann, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht geboten (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2021 ‌‑ VfGBbg 17/21 EA ‑‌, Rn. 16 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

II.

Ein noch zu stellender Antrag im Organstreit erscheint zum Entscheidungszeitpunkt zwar nicht als von vornherein unzulässig, jedoch als offensichtlich unbegründet. Daher verbleibt von vornherein kein Spielraum für eine Folgenabwägung.

Dem Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung steht entgegen, dass ein entsprechender Antrag im Hauptsacheverfahren nach der gebotenen summarischen Bewertung zum Entscheidungszeitpunkt offensichtlich unbegründet wäre.

Ob das Hauptsacheverfahren offensichtlich unbegründet ist, bestimmt sich maßgeblich danach, ob für das Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung über die einstweilige Anordnung kein Gesichtspunkt erkennbar ist, der dem gestellten Antrag zum Erfolg verhelfen könnte.

Die im Organstreitverfahren zu beurteilenden Rechtsfragen sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt. Dies gilt insbesondere für das Spannungsfeld zwischen der Geschäftsordnungsautonomie des Landtags einerseits und den Mitwirkungsrechten von Abgeordneten andererseits (vgl. nur Urteile vom 22. Juli 2016 ‌‑ VfGBbg 70/15 ‑‌, insb. Abschn. B.II.1.d, m. w. N., und vom 10. November 1994 ‌‑ VfGBbg 4/94 ‑‌, LVerfGE 2, 201, 211, verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Angesichts dessen lässt sich eine zuverlässige Aussage über die Erfolgsaussichten eines Antrags im Organstreitverfahren treffen.

Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Überprüfung ist die Frage, ob die Antragsgegner durch die verschiedenen angegriffenen Terminierungen die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der Antragsteller verletzt haben.

Die Fristsetzungen zur Sachverständigenanhörung, zur Erarbeitung der Beschlussempfehlung sowie zur Beschlussfassung im Landtag geben keinen Anlass zu verfassungsgerichtlicher Beanstandung. Insofern ist weder von den Antragstellern vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass im vorliegenden Fall Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass es sich um unangemessen kurze Terminierungen handelt, die die Antragsteller in ihren verfassungsmäßigen Rechten auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung verletzen könnten.

Die Terminierung zur Abstimmung des Notlagenbeschlusses auf den 20. Dezember 2023 durch den Antragsgegner zu 2. verletzt die Abgeordneten nicht in ihrem Recht aus Art. 56 LV.

Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Parlament abzustimmen (zu „beschließen“, vgl. Art. 65 LV), sondern auch zu beraten (zu „verhandeln“, vgl. Art. 64 Abs. 2 LV). Darüber hinaus haben sie nach Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV insbesondere das Recht, im Landtag und seinen Ausschüssen das Wort zu ergreifen, Fragen und Anträge zu stellen sowie bei Wahlen und Beschlüssen ihre Stimme abzugeben. Die Abgeordneten müssen dabei Informationen nicht nur erlangen, sondern diese auch verarbeiten können. Die gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung umfasst daher das Recht der Abgeordneten, sich über den Beratungsgegenstand auf der Grundlage ausreichender Informationen eine eigene Meinung bilden und davon ausgehend an der Beratung und Beschlussfassung des Parlaments mitwirken zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2023 ‌- 2 BvE 4/23 ‑‌ Rn. 88, www.bverfg.de). Diese Grundsätze betreffen zunächst nur das Gesetzgebungsverfahren. Ob diese auch bei der Fassung sonstiger Beschlüsse des Parlaments wie dem vorliegend in Frage stehenden Beschluss zur Feststellung der Notlage zu beachten sind, kann hier offenbleiben. Denn selbst bei Annahme einer Geltung für sonstige Beschlüsse kommt nach dem vorgetragenen Sachverhalt keine Verletzung dieser Abgeordnetenrechte in Betracht.

Dem Landtag bzw. der Landtagsmehrheit ist es nach Art. 65 LV grundsätzlich vorbehalten, die Prioritäten und Abläufe im Parlament zu bestimmen. Die Landesverfassung enthält keine konkreten Vorgaben für die zeitliche Gestaltung des Beratungsablaufs bis zur Abstimmung. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass eine abstrakte Bestimmung der Angemessenheit der Dauer einer konkreten Beratung nicht möglich ist. Vielmehr bedarf es der Berücksichtigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls sowohl hinsichtlich des konkreten Antrags und des Beschlussentwurfs als auch hinsichtlich weiterer, die Arbeitsabläufe des Parlaments bestimmender Faktoren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Juli 2023 ‌- 2 BvE 4/23 ‑‌, Rn. 90, und vom 15. Januar 2019, ‌‑ 2 BvL 1/09 ‑‌, BVerfGE 150, 345-378, Rn. 58, www.bverfg.de).

Dem Landtag steht ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung der Verfahrensabläufe im Parlament zu. Die Verfahrensautonomie entbindet die Parlamentsmehrheit jedoch nicht von der Beachtung des durch Art. 56 LV garantierten Status der Gleichheit der Abgeordneten. Den Abgeordneten steht das Recht zu, bei Beschlüssen ihre Stimme abzugeben (Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV). Dies setzt eine hinreichende Information über den Beratungsgegenstand voraus (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2023 ‌‑ 2 BvF 2/18 ‑‌, Rn. 93, www.bverfg.de). Das Abgeordnetenrecht wird dann verletzt, wenn es unter Berücksichtigung der konkreten zeitlichen Abläufe und der Komplexität der Beratungsgegenstände, bei der Gestaltung des Verfahrens ohne sachlichen Grund gänzlich oder in substanziellem Umfang missachtet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2023 ‌‑ 2 BvE 4/23 ‑‌, Rn. 88‑94, www.bverfg.de ).

An diesen für das Gesetzgebungsverfahren formulierten Maßstäben gemessen wäre ein noch zu stellender Antrag auf Feststellung einer Verletzung der Beteiligungsrechte der Antragsteller 2. bis 25. aus Art. 56 Abs. 1 LV schon deshalb offensichtlich unbegründet, weil keine Umstände vorgetragen oder sonst erkennbar sind, wonach es sich bei den vorgenommenen Terminierungen um eine missbräuchliche Beschleunigung des Verfahrens handelt, die eine Verarbeitung der maßgeblichen Informationen verhindert.

Insofern liegt der Sachverhalt vorliegend wesentlich anders als in dem von den Antragstellern einzig in Bezug genommenen Gesetzgebungsverfahren des Deutschen Bundestags zum Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz. Ungeachtet dessen, dass die Frist zwischen der Einbringung des Beschlussantrags und der Beratung im Plenum vorliegend länger ist als bei dem von den Antragstellern in Bezug genommenen Verfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2023 ‌- 2 BvE 4/23 ‑‌, www.bverfg.de), unterscheiden sich die zur Entscheidung gestellten Sachverhalte auch sonst wesentlich. Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lag zugrunde, dass nach Einbringung eines ersten Gesetzesentwurfs am 17. Mai 2023 zunächst nur eine zweiseitige Leitplankenerklärung vom 13. Juni 2023 für einen noch nicht bekannten überarbeiteten Entwurf existierte. Nach grundlegender Veränderung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs erfolgte die Vorlage einer 94-seitigen Synopse nebst 14-seitigem Begründungsteil am 30. Juni 2023. Am 3. Juli 2023 sowie 5. Juli 2023 sollten weitere Ausschusssitzungen erfolgen und am 7. Juli 2023 die zweite und dritte Lesung mit der Schlussabstimmung im Deutschen Bundestag stattfinden. Zwischen der Vorlage des grundlegend veränderten Entwurfs - auf grundlegend anderer Sachverhaltsgrundlage zu einem komplexen Sachverhalt - und der beabsichtigten Schlussabstimmung lag lediglich eine Woche.

Demgegenüber ist vorliegend der ursprüngliche Antrag bereits am 5. Dezember 2023 eingebracht worden. Die hier streitgegenständliche und nach unbestrittenem Vortrag des Antragsgegners zu 2. am 8. Dezember 2023 eingebrachte bzw. am 12. Dezember 2023 im Neudruck verteilte Vorlage umfasste insgesamt 16 Seiten. Die beabsichtigte Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und von Bündnis 90/Die Grünen, erneut eine Notlage im Sinne des Art. 103 Abs. 2 LV zu erklären, wurde auf den 20. Dezember 2023 festgelegt.

Zudem haben an dem in der 77. Sitzung des Landtags am 14./15. Dezember 2022 gefassten Notlagenbeschluss die Antragsteller mitgewirkt. Er war ihnen bekannt. Sie haben sich selbst ‑ bis auf den Antragsteller zu 25. ‑ im Rahmen des in Bezug genommenen Normenkontrollverfahrens VfGBbg 22/23 dezidiert mit dem ursprünglichen Beschluss über die außergewöhnliche Notlage im Sinne des Art. 103 Abs. 2 LV befasst und zu möglichen Gründen der Verfassungswidrigkeit vorgetragen. Die Sachverhalte unterscheiden sich nicht grundlegend:

Im Aufbau und Umfang weichen der Notlagenbeschluss aus dem Jahr 2022 und der Entwurf des neuen separaten Notlagenbeschlusses für 2024 zwar voneinander ab, inhaltlich handelt es sich jedoch im Wesentlichen um dieselben Begründungen für die Notlage. Es beziehen sich große Teile der Erläuterungen in der neuen Beschlussvorlage - außerhalb der knapp zwei Seiten umfassenden allgemeinen Begründung für die Notlagenfeststellung - nicht auf die Notlagenfeststellung selbst. Vielmehr enthalten sie Erläuterungen für die noch von der Landesregierung vorzubereitenden, erst später zu beschließenden Kreditermächtigungen im Haushaltsplan für einzelne Maßnahmenbereiche, die im Übrigen identisch (nur detaillierter aufgefächert) sind. Diese Erläuterungen sind nach den Darlegungen des Antragsgegners zu 2. für die spätere Verabschiedung des Nachtragshaushalts nicht verbindlich.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. November 2023 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, www.bverfg.de) mit den dort gestellten Anforderungen, die den Antragsgegner zu 2. gemäß der Begründung der Beschlussvorlage zur erneuten und separaten Feststellung der Notlage für das Jahr 2024 veranlassen, ist den Antragstellern bekannt. In der vorliegenden Konstellation ist zu berücksichtigen, dass die Haushaltsgrundsätze der Vorherigkeit und Jährlichkeit - deren Verletzung mit dem Notlagenbeschluss aus Dezember 2022 im Rahmen des in Bezug genommenen Normenkontrollverfahrens VfGBbg 22/23 geltend gemacht wurde - mit dem gestrafften Verfahren eingehalten werden sollten. Dem in der 77. Sitzung des Landtags am 14./15. Dezember 2022 gefassten Notlagenbeschluss lag auch derselbe Sachverhalt wie der nun beabsichtigten Notlagenerklärung zugrunde, nämlich der Überfall Russlands auf die Ukraine und die damit einhergehenden Folgen, wie sich der LT-Drs. 7/8857 entnehmen lässt. Die bereits im Dezember 2022 zugrunde gelegte Einschätzung für das Jahr 2024 soll mit dem nun zu fassenden Notlagenbeschluss ergänzt und fortgeschrieben werden.

Die Terminierungen zur Sachverständigenanhörung und zur anschließenden Erarbeitung der Beschlussempfehlung durch den Antragsgegner zu 1. sind als Bestandteile des gesamten Beschlussverfahrens zwar auch nach Auffassung des Landtags sehr knapp bemessen, jedoch aus denselben Gründen nicht im Sinne der dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen an Gesetzgebungsverfahren unangemessen kurz. Auch die Sachverständigenanhörung betrifft speziell den sachlich begrenzten Beschlussgegenstand der Feststellung der Notlage, als Voraussetzung und in Vorbereitung eines für einen späteren Zeitpunkt geplanten Gesetzesbeschlusses zum Nachtragshaushalt. Es ist insoweit auch keine Verletzung der Rechte der Antragsteller wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung gem. Art. 56 Abs. 1 LV in Verbindung mit § 81 GOLT erkennbar. Diese Regelung in der Geschäftsordnung des Landtags gibt für die Frist der Beauftragung der Sachverständigengutachten und der Anhörung der Sachverständigen wie auch der anschließenden Bewertung durch den AHF keinen spezifischen Handlungsrahmen vor. Zu einer Aushöhlung der Rechte der Antragsteller kommt es aus den zuvor dargelegten Gründen nicht. Des Weiteren geht bereits der Ansatz der Antragsteller fehl, dass für die Erarbeitung der Beschlussempfehlung lediglich drei Stunden zur Verfügung standen, nämlich der Zeitraum vom Eingang der Stellungnahmen am 18. Dezember 2023 um 10 Uhr bis zur Erarbeitung der Beschlussempfehlung am 18. Dezember 2023 um 13 Uhr. Richtig ist vielmehr, dass der AHF zu seiner Sitzung am 18. Dezember 2023 um 13 Uhr zusammenkommen sollte, um sodann zu den Stellungnahmen zu beraten und eine Beschlussempfehlung zu erarbeiten.

Die Frist zur schriftlichen Sachverständigenanhörung war nicht unangemessen kurz. Dass der benannte Sachverständige V. mitgeteilt hat, er könne so kurzfristig nicht hinreichend zu den in diesem Zusammenhang aufzuwerfenden Fragen belastbar Stellung nehmen, ergibt nichts anderes. Benennen die Abgeordneten einen Sachverständigen, der sich nicht in der Lage sieht, die ihm gesetzte Frist einzuhalten, zwingt dies von Verfassungs wegen nicht zu einer Verlängerung gesetzter Fristen und rechtfertigt nicht die Annahme einer Rechtsverletzung der benennenden Abgeordneten selbst. Anhaltspunkte dafür, dass kein Sachverständiger in der Lage war, die entsprechende Frist einzuhalten, bestehen nicht und sind von den Antragstellern auch nicht dargelegt worden. Der nicht näher erläuterte Hinweis auf angeblich verfassungsrechtlich komplexe Fragestellungen im Zusammenhang mit der erneuten Feststellung der Notlage reicht insoweit nicht aus, zumal in der Beschlussvorlage kurz und verständlich erläutert wird, welche verfassungsrechtlichen Erwägungen den Landtag zur erneuten Feststellung der Notlage veranlassen.

Die Antragstellerin zu 1. ist auch nicht in ihrem Recht aus Art. 67 LV verletzt. Der Verfassungsgeber hat mit Art. 67 LV die Fraktionen als eigenständige Akteure anerkannt (vgl. Urteile vom 22. Juli 2016 ‌‑ VfGBbg 70/15 ‑‌, m. w. N., und vom 10. November 1994 ‌‑ VfGBbg 4/94 ‑‌, LVerfGE 2, 201, 211, verfassungsgericht.brandenburg.de). Nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 LV wirken sie mit eigenen Rechten und Pflichten als selbstständige und unabhängige Gliederungen an der Arbeit des Landtags mit und unterstützen die parlamentarische Willensbildung. Daraus ergeben sich verschiedene Gewährleistungen nach innen und nach außen; insbesondere ordnet auch die Landesverfassung den Fraktionen verschiedene Rechte zu (vgl. Art. 69 Abs. 1 Satz 4 LV, Art. 70 Abs. 2 Satz 2 LV, vgl. Urteil vom 22. Juli 2016 ‌‑ VfGBbg 70/15 ‑‌, m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die verfassungsunmittelbare Anerkennung der Fraktion aufgrund von Art. 67 Abs. 1 LV verleiht der einmal konstituierten Fraktion Schutz gegen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Eingriffe in ihre Rechtsstellung bzw. in ihr von der Verfassung originär zugewiesene Rechte.

Die Rechte der Fraktionen finden ihre Grenze u. a. in den in Art. 56 Abs. 1 LV verankerten Rechten der (anderen) Abgeordneten und deren besonderen Mitwirkungsbefugnissen nach Art. 56 Abs. 2 LV sowie der Funktionsfähigkeit des Landtags. Umgekehrt können aber auch die Rechte der Abgeordneten durch die Fraktionsrechte eingeschränkt werden. In dieser parlamentsrechtlichen Gemengelage sind die kollidierenden Verfassungsrechtspositionen in einen schonenden Ausgleich zu bringen (vgl. Urteil vom 6. September 2023 ‌‑ VfGBbg 78/21 ‑‌, Rn. 95 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Art. 67 Abs. 1 Satz 2 LV gewährt in diesem Zusammenhang keine weiterreichenden Rechte als Art. 56 Abs. 1 LV. Insofern besteht vorliegend kein Anlass zu weitergehenden Erwägungen.

Das von der Antragstellerin zu 1. geltend gemachte Oppositionsrecht aus Art. 55 Abs. 2 LV begründet im vorliegenden Zusammenhang keine konkreten Oppositionsfraktionsrechte. Die Ausgestaltung von Rechten der parlamentarischen Opposition vollzieht sich über die Rechte parlamentarischer Minderheiten; ein über diese Rechte hinausgehender Gewährleistungsgehalt lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen (vgl. Beschluss vom 28. März 2001 ‌‑ VfGBbg 46/00 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; Urteil vom 6. September 2023 ‌‑ VfGBbg 78/21 ‑‌, Rn. 83, ‌https:/verfassungsgericht.‌brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 ‌‑ 2 BvE 9/20 ‑,‌ BVerfGE 160, 411, 424 f., Rn. 42, www.bverfg.de). Art. 55 Abs. 2 LV hat zudem die Rechte aller Oppositionsmitglieder im Blick und ist nach der Rechtsprechung des Gerichts daher erst verletzt, wenn die parlamentarische Betätigungsmöglichkeit der die Opposition bildenden Fraktionen, Gruppen und einzelnen Abgeordneten insgesamt nicht ihrem Anteil am Parlament entspricht (vgl. Urteil vom 22. Juli 2016 ‌‑ VfGBbg 70/15 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die Antragstellerin zu 1. kann in der vorliegenden Konstellation aus dem Normgehalt des Art. 55 Abs. 2 LV aus den bereits dargelegten Gründen keine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte aufzeigen.

D.

Die notwendigen Auslagen der Antragsteller sind nicht zu erstatten. Besondere Billigkeitsgründe im Sinne von § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg, die eine angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens und des fehlenden Anwaltszwangs nur ausnahmsweise in Betracht kommende Auslagenerstattung rechtfertigen würden (vgl. zum Maßstab Beschluss vom 26. Juli 2022 ‌‑ VfGBbg 9/22 EA ‑‌, Rn. 56, https://verfassungsgericht.brandenburg.de), sind nicht ersichtlich.

E.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen.

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Dr. Koch

Müller

Sokoll

Dr. Strauß