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VerfGBbg, Beschluss vom 28. März 2001 - VfGBbg 46/00 -

 

Verfahrensart: Organstreit
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 55 Abs. 2; LV, Art. 56 Abs. 2; LV, Art. 67 Abs.1
- VerfGGBbg, § 36 Abs. 1
- GeschOLT, § 25 Abs. 1 Satz 1; GeschOLT, § 27 Abs. 2; § 33;
  GeschOLT, § 28 Abs. 2
Schlagworte: - Parlamentsrecht
- Abgeordneter
- Fraktion
- Beteiligtenfähigkeit
- Rederecht
- Opposition
- Tagesordnung
amtlicher Leitsatz: 1. Zur Frage von Sachaussprachen zu Angelegenheiten, für die in der Sache selbst der Bund und nicht das Land zuständig ist.

2. Zur Frage einer Verletzung des Rederechts des Abgeordneten durch den Landtagspräsidenten.
Fundstellen: - DÖV 2001, 559
- DVBl 2001, 1146
- NVwZ-RR 2001, 490
- LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 12, 9
- LVerfGE 12, 92
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 28. März 2001 - VfGBbg 46/00 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 46/00



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Organstreitverfahren

1. der Fraktion der Deutschen Volksunion
im Landtag Brandenburg,
vertreten durch die Vorsitzende Liane Hesselbarth,
Am Havelblick 8, 14473 Potsdam,

2. des Abgeordneten Sigmar-Peter Schuldt,
ebenda,

Antragsteller,

gegen

1. den Landtag Brandenburg,
vertreten durch den Präsidenten des Landtags,
Am Havelblick 8, 14473 Potsdam,

2. den Präsidenten des Landtags Brandenburg,
ebenda,

Antragsgegner,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. M. u. a.,

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr.Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 28. März 2001

b e s c h l o s s e n :

  1. Der Antrag zu 1. wird als unbegründet, der Antrag zu 4. als unzulässig zurückgewiesen.

  2. Hinsichtlich der Anträge zu 2. und 3. wird das Verfahren eingestellt.

G r ü n d e :

A.
I.

Die Antragstellerin zu 1. brachte mit Datum vom 19. Mai 2000 folgenden Antrag in den Landtag ein:

„Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung
Der Landtag möge beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, im Bundesrat eine Gesetzesinitiative einzubringen mit dem Ziel, die in den §§ 18 ff. ParteiG geregelte staatliche Finanzierung der politischen Parteien abzuschaffen.

Begründung:
Politische Parteien haben zwar eine hohe verfassungsrechtliche Stellung. Aus Art. 21 GG ergibt sich aber keinesfalls zwingend eine staatliche Finanzierung. Die jetzige Form der Staatsfinanzierung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Im übrigen hat die Staatsfinanzierung dazu beigetragen, daß die ehrenamtliche Tätigkeit Schaden genommen hat. Obwohl im ersten Deutschen Bundestag mehr Parteien vertreten waren als heute, war das damalige Parlament außerordentlich leistungsfähig. Eine staatliche Finanzierung gab es damals noch nicht. Durch die staatliche Finanzierung wird nahezu verhindert, daß neue politische Kräfte parlamentarischen Einfluß gewinnen. Dies ist demokratiefeindlich.“

Die Landtagsverwaltung verteilte diesen Antrag am 22. Mai 2000 als Drucksache 3/1182 an die Fraktionen und Abgeordneten. Der Antrag wurde als Tagesordnungspunkt 9 in den Entwurf der Tagesordnung zur 17. Sitzung des Landtags Brandenburg am 23. Juni 2000 aufgenommen.

Unmittelbar nach Beginn der Landtagssitzung am 23. Juni 2000 stellte ein Abgeordneter auf die Frage des Präsidenten, ob es Bemerkungen zur Tagesordnung gebe, den Antrag, den streitgegenständlichen Antrag der Antragstellerin von der Tagesordnung abzusetzen. Das Thema des Antrags sei zwar hochinteressant, aber Aufgabe des Deutschen Bundestags. Daraufhin erhielt der Antragsteller zu 2. das Wort. Er vertrat die Ansicht, daß die Absetzung des Antrags gegen die Verfassung des Landes Brandenburg und gegen die Geschäftsordnung des Landtags verstoße. Als er einen der Väter des Grundgesetzes zitierte, wurde er von dem Antragsgegner zu 2. mit der Bemerkung unterbrochen, der Herr gehöre nicht zum Landtag Brandenburg, insofern könne man auf seine Aussage verzichten. Der Antragsteller zu 2. setzte das begonnene Zitat fort. Später machte der Antragsgegner zu 2. darauf aufmerksam, daß die Redezeit von 3 Minuten abgelaufen sei. Der Antragsteller zu 2. beendete daraufhin mit den Worten „Danke, Herr Präsident“ seinen Redebeitrag. Nachdem ein weiterer Abgeordneter gesprochen hatte, wurde über den Geschäftsordnungsantrag abgestimmt. Der Landtag stimmte mehrheitlich für die Absetzung des Antrags der Antragstellerin von der Tagesordnung.

In seiner 13. Sitzung am 11. Oktober 2000 setzte das Landtagspräsidium den streitgegenständlichen Beratungsantrag auf die Tagesordnung der 22. Sitzung des Landtags Brandenburg am 18. Oktober 2000. Der Antrag der DVU-Fraktion „Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung“ wurde nunmehr inhaltlich beraten. Der Abgeordnete Firneburg begründete den Antrag der DVU-Fraktion. Im Anschluß daran nahm ein Abgeordneter einer der Koalitionsfraktionen, ein weiterer aus der Fraktion der PDS Stellung. In der nach Beendigung der Aussprache durchgeführten Abstimmung wurden sowohl die Überweisung des Antrags der Antragstellerin an den Hauptausschuß als auch der Antrag selbst mehrheitlich abgelehnt.

II.

Mit dem am 7. September 2000 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Durchführung eines Organstreitverfahrens rügen die Antragsteller die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 55 Abs. 2, 56 Abs. 2 und 67 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (Landesverfassung – LV).

1. a. Die Antragstellerin sieht ihre Rechte aus Art. 55 Abs. 2 und 67 Abs. 1 LV durch die Absetzung ihres Antrags von der Tagesordnung der Plenarsitzung des Landtags am 23. Juni 2000 verletzt. Eine solche „Absetzung von der Tagesordnung“ sei weder in der Landesverfassung noch in der Geschäftsordnung des Landtags vorgesehen. Zwar enthielten §§ 17 ff. Geschäftsordnung des Landtags Brandenburg (GeschOLT) keine Verpflichtung, daß sich das Plenum mit Anträgen und/oder Gesetzesinitiativen auch inhaltlich befassen müsse. Eine solche Verpflichtung ergebe sich aber aus Art. 67 Abs. 1 und 55 Abs. 2 LV sowie aus den elementaren Grundregeln der Demokratie.

b. Die Absetzung des Antrags verletze das Recht der Opposition auf Chancengleichheit. Art. 55 Abs. 2 LV schütze nicht nur die Opposition als solche, sondern bei mehreren Oppositionsfraktionen im Landtag auch jede einzelne dieser Oppositionsfraktionen. Die Mitwirkung einer Fraktion an der parlamentarischen Willensbildung i. S. von Art. 67 Abs. 1 LV sei von vornherein undenkbar, wenn ordnungsgemäß eingebrachte sowie im Einklang mit der Verfassung des Landes und des Bundes stehende Anträge oder Gesetzesinitiativen einer Minderheitsfraktion von den Mehrheitsfraktionen im Landtag einfach von der Tagesordnung abgesetzt werden könnten und so im Plenum des Landtags inhaltlich nicht behandelt und entschieden würden. Zugleich verstoße dies gegen elementare Grundprinzipien der parlamentarischen Demokratie, deren wesentlicher Bestandteil eine funktionierende Opposition sei. Es könne nicht länger angehen, daß eine Mehrheit des Landtags nach ihrem Belieben Anträge der Opposition von der Tagesordnung streiche. Die inhaltliche Erörterung von formell ordnungsgemäß eingebrachten Oppositionsanträgen im Plenum des Landtags müsse obligatorisch sein. Die Fragen nach der Zuständigkeit des Landtags und der Zweckmäßigkeit eines Antrags gehörten eindeutig in die inhaltliche Debatte über den Antrag und müßten in der Geschäftsordnungsdebatte außen vor bleiben.

c. Die Mehrheit des Plenums habe sich bei der Absetzung des Antrags von der Tagesordnung von sachfremden Kriterien leiten lassen. Der Landtag habe die Möglichkeit, die Landesregierung aufzufordern, eine Bundesratsinitiative mit dem Inhalt einer Änderung des Parteiengesetzes einzubringen. Die Länder wirkten ihrerseits nach Art. 50 Grundgesetz (GG) bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Dem Landtag sei daher unbenommen, auch Bundes- und Europaangelegenheiten und entsprechende Initiativen zu beraten. Bei der staatlichen Parteienfinanzierung handele es sich zudem um ein aktuelles und brisantes Thema, das in der Öffentlichkeit diskutiert werde.

d. Das Rechtsschutzinteresse sei gegeben. Insbesondere bestehe nach wie vor Wiederholungsgefahr. Beispielsweise sei die LT-Drucksache 3/625 („Bundesratsinitiative zur Aufhebung der Sanktionen der EU gegen Österreich“) von der Tagesordnung der Plenarsitzung vom 23. Februar 2000 abgesetzt worden. Auch habe das Landtagspräsidium den streitgegenständlichen Antrag nur „um des Friedens unter den Fraktionen willen“ und nicht in Anerkenntnis einer Rechtspflicht auf die Tagesordnung der 22. Plenarsitzung gesetzt. Daneben bestehe mit Blick auf die in Rede stehenden Verfassungsverstöße und das gefährdete Ansehen der Antragsteller in der Öffentlichkeit ein Rehabilitationsinteresse. Die Antragsteller seien auf eine faire und gleichberechtigte Behandlung durch die Antragsgegner angewiesen.

2. Der Antragsteller zu 2. fühlt sich durch das Verhalten des Antragsgegners zu 2. in der Plenardebatte vom 23. Juni 2000 in seinem Rederecht aus Art. 56 Abs. 2 LV i. V. m. §§ 25 Abs. 1; 27 und 28 Abs. 1 GeschOLT verletzt. Er sei nicht nur daran gehindert worden, inhaltlich zu dem – abgesetzten – Antrag Stellung zu nehmen, ihm sei darüber hinaus die Möglichkeit genommen worden, seine Redezeit zur Geschäftsordnung - 3 Minuten - auszuschöpfen. Er sei zweimal von dem Antragsgegner zu 2. unterbrochen worden und habe seine Ausführungen nach 2 Minuten vorzeitig beenden müssen. Der Antragsgegner zu 2. habe ihm das Wort entzogen. Nach §§ 25 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GeschOLT habe ihm nicht eine Redezeit von höchstens 3 Minuten, sondern von mindestens 3 Minuten zugestanden. Gehe man von einer Höchstdauer von 3 Minuten aus, stehe die Redezeit im Belieben des Antragsgegners zu 2., der willkürlich ihre Dauer festlegen könne. Es müsse im Ermessen des Abgeordneten liegen, ob er die ihm nach der Geschäftsordnung jeweils zustehende Höchstredezeit ausschöpfe. Dem Antragsteller zu 2. könne nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden. Als Redner im Landtagsplenum stehe er im Blickpunkt der Öffentlichkeit; ihm könne nicht zugemutet werden, den offenen Konflikt mit dem Landtagspräsidenten zu suchen. Fragen der Zumutbarkeit und der Wahrung berechtigter Interessen sprächen für eine Austragung des Konflikts unter Ausschluß der Öffentlichkeit.

Die Antragsteller haben zunächst folgende Anträge gestellt:

  1. festzustellen, daß die Absetzung des Antrags der Fraktion der Antragstellerin zu 1. im Landtag Brandenburg mit dem Titel „Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung“, LT-Drucksache 3/1182, von der Tagesordnung der 17. Sitzung des Landtags Brandenburg am 23. Juni 2000 gegen die brandenburgische Landesverfassung verstößt,
  2. den Antragsgegner zu 2. dazu zu verpflichten, den Antrag der Fraktion der Antragstellerin zu 1. mit dem Titel „Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung“, LT-Drucksache 3/1182, auf die Tagesordnung der nächsten Landtagssitzung zu setzen,
  3. den Antragsgegner zu 2. dazu zu verpflichten, der Antragstellerin zu 1. und dem Antragsteller zu 2. zur Begründung des Antrags mit dem Titel „Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung“, LT-Drucksache 3/1182, und in der Aussprache über diesen Antrag gemäß Anlage 4 der Geschäftsordnung des Landtags Brandenburg das Wort zu erteilen,
  4. festzustellen, daß die in der Sitzung des Landtags Brandenburg vom 23. Juni 2000 durch den Antragsgegner zu 2. erfolgte zweimalige Unterbrechung der Ausführungen des Antragstellers zu 2. zur Geschäftsordnung des Landtags Brandenburg und die Wortentziehung gegen die brandenburgische Landesverfassung verstoßen hat.

Die Anträge zu 2. und 3. sind inzwischen übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

Die Antragsgegner beantragen, die verbliebenen Anträge zurückzuweisen.

Zur Begründung führen sie folgendes aus:

1. Für den Antrag zu 1. bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis; eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet.

a. Die von den Antragstellern gerügten Rechte auf Chancengleichheit der Opposition (Art. 55 Abs. 2 Satz 1 LV) sowie die „elementaren Grundregeln der Demokratie“ träten hinter dem speziell geregelten Initiativrecht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV zurück. Die Entscheidung des Landtags, den streitbefangenen Antrag von der Tagesordnung der Parlamentssitzung am 23. Juni 2000 abzusetzen, verletze nicht das Recht der Antragsteller, im Landtag Anträge zu stellen. Zwar gehöre zum Initiativrecht grundsätzlich auch die Möglichkeit, den jeweiligen Antrag im Plenum in der Sache beraten zu können. Dieses Erörterungsrecht finde jedoch seine verfassungsrechtliche Grenze in der Pflicht des Plenums, die eigenen Zuständigkeiten zu wahren. Der Landtag müsse das Recht haben, eine über die Erörterung der eigenen Zuständigkeit hinausgehende inhaltliche Befassung abzulehnen, wenn er tatsächlich nicht zuständig ist.

In Bezug auf den Antragsgegenstand – Abschaffung der Parteienfinanzierung – bestehe eine Zuständigkeit des Landtags Brandenburg erkennbar nicht. Unabhängig von der Ländermitwirkung im Bundesrat ziele der Antrag auf die Streichung der §§ 18 ff. Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz – ParteiG). Eine dementsprechende Zuständigkeit fehle dem Landesparlament offenkundig. Ein Landesparlament dürfe sich möglicherweise dann mit bundespolitischen Themen befassen, wenn das jeweilige Bundesland in besonderer Weise hiervon betroffen sei. Dies sei bei der Parteienfinanzierung nicht der Fall. Keinesfalls habe sich die Landtagsmehrheit von „sachfremden Erwägungen“ leiten lassen. Ebensowenig spielten „unbequeme politische Auffassungen“ von Seiten der Opposition eine Rolle. So sei beispielsweise eine Bundesratsinitiative der Antragstellerin zu 1. zur Abschaffung der Ökosteuer behandelt worden. Solche Beispiele ließen sich beliebig erweitern.

b. Jedenfalls sei eine Verletzung des Initiativrechts der Antragsteller deshalb nicht gegeben, weil sich der Landtag in seiner 22. Sitzung am 18. Oktober 2000 mit dem Antrag sachlich auseinandergesetzt habe. Hervorzuheben sei hierbei, daß das Motiv des Parlaments nicht darin gelegen habe, einen Verfassungsverstoß nachträglich zu „heilen“. Die Entscheidung des Landtags, den streitbefangenen Antrag erneut auf die Tagesordnung zu setzen, sei vielmehr erfolgt, weil man sich zuvor der vom Präsidenten in der Sitzung des Präsidiums am 11. Oktober 2000 vertretenen Auffassung angeschlossen habe und im Interesse einer fortdauernden, sachgerechten Parlamentsarbeit nicht den Eindruck habe aufkommen lassen wollen, daß Abgeordnetenrechte beschränkt würden.

2. Der Antrag zu 4. sei schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Auch wenn man davon ausgehe, daß die tatsächliche Redezeit des Antragstellers zu 2. in der Sitzung vom 23. Juni 2000 weniger als 3 Minuten betragen habe, fehle dem vorliegenden Antrag das Rechtsschutzbedürfnis. Abgesehen davon, daß es sich ausweislich des Plenarprotokolls nicht um eine Wortentziehung gehandelt habe, die eine Mahnung und eine ausdrückliche Entscheidung des Präsidenten voraussetze (§ 28 Abs. 2 GeschOLT), hätte der Antagsteller zu 2. auf schnellerem und einfacherem Wege die Einhaltung der ihm zur Verfügung stehenden Redezeit erreichen können. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, den Präsidenten in der Plenarsitzung darauf hinzuweisen, daß seiner Auffassung nach erst zwei Minuten verstrichen gewesen seien. Wenn sich der Antragsteller zu 2. jedoch rügelos auf die Hinweise des Präsidenten eingelassen und sich sogar noch beim Präsidenten bedankt habe, sei ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des Verfassungsgerichts nicht erkennbar. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, sei der Feststellungsantrag unbegründet, weil dem Antragsteller zu 2. eine Redezeit von drei Minuten zur Verfügung gestanden habe. Bei der in § 27 Abs. 2 GeschOLT genannten Redezeit handele es sich nicht um eine Mindestredezeit. Die Vorschrift bestimme, daß Bemerkungen zur Geschäftsordnung u. a. „nicht länger als drei Minuten dauern“ dürften. Damit sei in der Geschäftsordnung keine Mindestzeit enthalten, nach der ein Redner zur Geschäftsordnung mindestens drei Minuten sprechen dürfe. Die Drei-Minuten-Grenze sei vielmehr eine Obergrenze.

III.

Die Landesregierung hat gemäß § 37 Abs. 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) von dem Organstreitverfahren Kenntnis erhalten.

B.
I.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten (vgl. § 22 Abs. 1 VerfGGBbg).

II.

1. Der Antrag zu 1. gegen den Landtag ist im Organstreitverfahren gemäß Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1; 35 ff. VerfGGBbg zulässig.

a. Als Fraktion des Landtags ist die Antragstellerin durch die Landesverfassung mit eigenen Rechten ausgestattet (vgl. Art. 67 Abs. 1 LV) und deshalb im Organstreitverfahren beteiligtenfähig (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 1996 - 14/96 EA -, LVerfGE 4, 190, 195; vgl. auch BVerfG, NJW 1986, 907). Sie ist ferner antragsbefugt im Sinne des § 36 Abs. 1 VerfGGBbg; sie macht geltend, durch die Ablehnung der inhaltlichen Beratung ihres Initiativantrags unter anderem in ihrem Recht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 LV auf Stellung von Anträgen im Landtag verletzt zu sein.

b. Dem Antrag zu 1. fehlt nicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb entfallen, weil der streitgegenständliche Antrag in der Landtagssitzung vom 18. Oktober 2000, möglicherweise unter dem Druck des vorliegenden Verfahrens, dann doch noch beraten worden ist. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht allein durch das Nachholen der zuvor abgelehnten Handlung. Darüber hinaus wäre vielmehr erforderlich, daß zum Ausdruck kommt, daß die zunächst erfolgte Ablehnung eine verfassungsrechtlich geschützte Position des Antragstellers verletzt habe (vgl. dazu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. November 2000 – VfGBbg 31/00 –, S. 10 f. des Umdrucks). Allenfalls dann könnte davon ausgegangen werden, daß sich auch in Zukunft Gleichartiges nicht wiederholen werde. Die in der Antragserwiderung enthaltenen Ausführungen lassen jedoch nicht den Schluß zu, daß eine Absetzung ähnlich gelagerter Beratungsanträge der Antragstellerin von der Tagesordnung nicht mehr vorkommen wird. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht somit fort.

2. Die Anträge zu 2. und 3. sind übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit ist das Verfahren einzustellen (vgl. § 13 VerfGGBbg i. V. m. § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung analog).

3. Der Antrag zu 4. ist unzulässig.

a. Zwar ist der einzelne Abgeordnete im Organstreitverfahren beteiligtenfähig, wenn er geltend macht, in ihm aufgrund seines Abgeordnetenstatus zustehenden Rechten verletzt zu sein. Nach Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV, § 25 Abs. 1 Satz 1 GeschOLT hat jeder Abgeordnete das Recht, im Landtag das Wort zu ergreifen. Der Antragsteller zu 2. macht hier somit ein Recht geltend, das sich aus seiner organschaftlichen Stellung als Abgeordneter ergibt (vgl. BVerfGE 90, 286, 342 m.w.N.). Der Präsident des Landtags ist ebenfalls in der Landesverfassung (vgl. Art. 69 Abs. 4 LV) und in der Geschäftsordnung des Landtags mit eigenen Rechten ausgestattet. Ferner stehen der Antragsteller zu 2. und Antragsgegner zu 2. in einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zueinander. Sie streiten um den Umfang der Rechte und Pflichten des Präsidenten einerseits und des Abgeordneten andererseits.

b. Eine Verletzung des Antragstellers zu 2. in seinen Abgeordnetenrechten ist jedoch, soweit es um die von dem Antragsteller zu 2. als Unterbrechung bezeichneten Bemerkungen des Antragsgegners zu 2. in der Sitzung vom 23. Juni 2000 geht, von vornherein nicht zu erkennen. Damit ist der Antragsteller zu 2. in dieser Hinsicht nicht antragsbefugt.

aa. Freilich kann ein Abgeordneter im verfassungsrechtlichen Organstreitverfahren geltend machen, seine Redefreiheit werde durch eine Ordnungsmaßnahme des Präsidenten eingeschränkt (vgl. BVerfG, NJW 1982, 2233 m.w.N.). Bei den hier streitgegenständlichen Bemerkungen des Landtagspräsidenten handelt es sich jedoch nicht um Ordnungsmaßnahmen im Sinn von §§ 33 ff. GeschOLT. Ausweislich des Plenarprotokolls hat der Präsident den Antragsteller zu 2. weder zur Sache verwiesen noch ermahnt oder gerügt. Das Wort hat er ihm ebenfalls nicht entzogen. Die erste Bemerkung des Präsidenten fiel, nachdem der Antragsteller zu 2. über Ausführungen zur Geschäftsordnung hinausgehend unter Wiedergabe von Äußerungen eines der Väter des Grundgesetzes in der Sache selbst zum Thema „Parteienfinanzierung“ sprach. Der Landtagspräsident hat dies zum Anlaß genommen für eine kurze Bemerkung dahingehend, daß ihm – gemeint war erkennbar: im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte – eine Wiedergabe von Äußerungen eines der Väter des Grundgesetzes, der nicht zum Landtag gehöre, verzichtbar erscheine. Der Landtagspräsident hat aber nicht einen Verweis oder eine Rüge ausgesprochen und den Antragsteller zu 2. in seinen Ausführungen fortfahren lassen. Ähnliches gilt für die zweite Bemerkung des Landtagspräsidenten, mit der er auf den Ablauf der Redezeit hinwies. Auch hier hat er keine Konsequenzen gezogen oder angekündigt. Es wäre dem Antragsteller zu 2. möglich gewesen, weiterzureden. Statt dessen hat er von sich aus mit einem „Danke, Herr Präsident“ seinen Redebeitrag beendet.

bb. Es kann letztlich dahinstehen, ob nicht auch Unterbrechungen eines Redebeitrags eines Abgeordneten durch den Parlamentspräsidenten, etwa in Form eines wiederholten Dazwischenredens oder mehrfacher kommentierender Bemerkungen, ein solches Ausmaß annehmen können, daß sie sich als Störung der freien Rede und damit als unzulässiger Eingriff in das Rederecht des Abgeordneten darstellen. Denn diese Grenze ist hier offensichtlich nicht erreicht. Der Landtagspräsident hat hier im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte durch seine erste Bemerkung erkennbar einem Ausufern in die Sache hinein entgegengesteuert. Sitzungsleitende Bemerkungen dieser Art sind – unter der Voraussetzung, daß der Hinweis kein über die Sitzungsleitung hinausgehendes eigenständiges Gewicht erlangt - von dem Abgeordneten im Parlament hinzunehmen. Auch die zweite Bemerkung des Landtagspräsidenten, daß die (für Geschäftsordnungsbeiträge geltende) Redezeit von 3 Minuten abgelaufen sei, stellt sich ihrer Art nach selbst für den Fall, daß die Redezeit in Wahrheit nicht voll ausgeschöpft war, von vornherein nicht als verfassungswidrige Beschränkung des Rederechts des Abgeordneten dar, jedenfalls so lange als nicht Konsequenzen in Form von Ordnungsmaßnahmen oder gar Wortentzug gezogen oder angekündigt werden. Eine derartige Querele „um Minutenbruchteile“ gehört in dieser Phase nicht vor das Verfassungsgericht, sondern ist zunächst an Ort und Stelle parlamentarisch auszutragen. Es ist dem Abgeordneten unbenommen, den Ablauf der Redezeit in Zweifel zu ziehen, mit seinen Ausführungen fortzufahren und es notfalls auf eine Mahnung oder einen Wortentzug (vgl. § 28 Abs. 2 GeschOLT) ankommen zu lassen. Wenn es so weit kommt, mag er sich dieserhalb an das Verfassungsgericht wenden.

III.

Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Der Beschluß des Landtagsplenums vom 23. Juni 2000, den streitgegenständlichen Antrag von der Tagesordnung abzusetzen, verletzt nicht die Rechte der Antragstellerin aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 LV.

1. Nach Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV haben die Abgeordneten u. a. das Recht, im Landtag Anträge zu stellen. Die Fraktionen bestehen aus Abgeordneten; sie wirken gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 2 LV mit eigenen Rechten und Pflichten als selbständige und unabhängige Gliederungen an der Arbeit des Landtags mit und unterstützen die parlamentarische Willensbildung. Daraus folgt, daß eine Fraktion ebenso wie der einzelne Abgeordnete das Recht hat, Anträge in den Landtag einzubringen. Dies bestätigt sich in der Geschäftsordnung des Landtags, indem § 52 Abs. 1 Satz 1 GeschOLT bestimmt, daß Gesetzentwürfe, Anträge und Entschließungsanträge u. a. von jedem Abgeordneten und einer Fraktion eingebracht werden können. Wesentlicher Teil des verfassungsrechtlich verankerten Initiativrechts ist die Möglichkeit, den Adressaten der Initiative – das Plenum – zu erreichen und den jeweiligen Antrag dort zu beraten (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 1999 – VfGBbg 2/98 -, DVBl 1999, 708, 709).

2. Grundsätzlich gehört es auch zum Initiativrecht der Antragstellerin, den jeweiligen Antrag im Plenum in der Sache beraten zu können. Jedoch findet dieses Erörterungsrecht seine verfassungsrechtliche Grenze in der Pflicht des Plenums, die eigenen Zuständigkeiten zu wahren. Insoweit stehen sich das Antragsrecht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV und die Bindung des Landtags an den eigenen Kompetenzrahmen gemäß Art. 2 Abs. 5 Satz 2 LV gegenüber. In einer solchen Situation muß der Landtag entscheiden können, eine weitergehende als die auf die Erörterung der eigenen Zuständigkeit beschränkte inhaltlich Befassung abzulehnen, wenn er tatsächlich nicht zuständig ist (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 1999 – VfGBbg 2/98 -, DVBl 1999, 708, 710). Der Landtag kann nicht darauf verwiesen werden, die Erörterung seiner eigenen Zuständigkeit ausschließlich im Rahmen der inhaltlichen Debatte über den jeweiligen Antrag durchzuführen. Das Plenum hat vielmehr das Recht, die Diskussion über die eigene Zuständigkeit in eine Geschäftsordnungsdebatte vorzuverlagern und eine Sachdebatte als Ergebnis dieser Diskussion endgültig abzulehnen, wenn die Angelegenheit nicht in die Kompetenz des Landtags fällt. Dies gilt auch dann, wenn der umstrittene Beratungsgegenstand bereits auf der Tagesordnung steht und es nicht um die Aufnahme eines Antrags in die Tagesordnung der laufenden Sitzung geht (ein solcher Fall lag dem Urteil des Gerichts vom 28. Januar 1999, a. a. O., zugrunde).

3. Hiernach durfte es der Landtag ablehnen, den streitgegenständlichen Antrag in der Sache selbst zu beraten.

a. Der Antrag der Antragstellerin zu 1. vom 19. Mai 2000, LT-Drucksache 3/1182, zielt auf die Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung. Die gesetzliche Regelung der staatlichen Parteienfinanzierung fällt aber nicht in den Kompetenzbereich des Landes, sondern in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Dies ergibt sich aus Art. 21 Abs. 3 GG. Art. 21 Abs. 1 betrifft unmittelbar in Satz 4 und mittelbar in den Sätzen 1 und 3 die finanziellen Verhältnisse der Parteien als Gegenstand einer Regelung durch Bundesgesetz nach Abs. 3 (vgl. BVerfGE 3, 383, 404; 20, 56, 115; 24, 300, 353).

b. Auch die Einleitung des streitgegenständlichen Antrags mit der Wendung: „Der Landtag möge beschließen: Die Landesregierung wird aufgefordert, im Bundesrat eine Gesetzesinitiative einzubringen mit dem Ziel, die in §§ 18 ff. ParteiG geregelte staatliche Finanzierung der politischen Parteien abzuschaffen“, führt hier nicht dazu, daß der Antrag in der Sache selbst im Landtag beraten werden mußte. Das Landesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Januar 1999 in einem obiter dictum ausgeführt, daß sich das Landesparlament „unter bestimmten Voraussetzungen“ auch mit bundespolitischen Themen befassen dürfe und im Rahmen der ihm obliegenden Kontrolle der Landesregierung auf deren Verhalten im Bundesrat „in gewissem Umfange“ Einfluß nehmen und auf diesem Wege (mittelbar) auch Bundesangelegenheiten erörtern könne (a. a. O., S. 710 f.). Wann derartige Voraussetzungen für eine Befassung des Landtags mit Bundesangelegenheiten anzunehmen sind, hatte das Gericht nicht zu entscheiden. Auch der hier vorliegende Fall gibt hierzu keinen Anlaß. Jedenfalls liegt nämlich eine Verpflichtung des Landtags dann nicht vor, wenn die Einkleidung als Aufforderung zu einer Bundesratsinitiative sich lediglich als landespolitische Hülle für ein bundespolitisches Anliegen darstellt. So liegt es hier. Die Art und Weise der Parteienfinanzierung berührt nicht spezifische Interessen des Landes Brandenburg. Die mittelbaren Auswirkungen, etwa auf das demokratische Klima oder auch haushaltswirtschaftlicher Art, betreffen alle Bundesländer gleichermaßen. Auch die Antragstellerin selbst legt einen besonderen Landesbezug nicht dar. Wie die Antragsbegründung erkennen läßt, sucht sie vielmehr ganz allgemein ein bundespolitisches Thema im Landtag zur Sprache zu bringen. Der parlamentarische Antragsteller muß sich in einem solchen Fall ggf. damit begnügen, daß der Antrag mitsamt seiner Begründung – immerhin – als Parlamentsdrucksache verteilt, auf die Tagesordnung gesetzt und unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern (nur) in einer Geschäftsordnungsdebatte behandelt wird.

4. Soweit sich die Antragstellerin auch auf das Recht auf Chancengleichheit der Opposition (Art. 55 Abs. 2 Satz 2 LV) und das Recht auf Schutz der parlamentarischen Minderheit beruft, kommt diesen Rechten gegenüber dem Ini-tiativrecht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV hier keine weitergehende Bedeutung zu. Bezogen auf die Parlamentsarbeit konkretisiert sich der parlamentarische Minderheitenschutz und die Chancengleichheit der Opposition darin, daß jeder Abgeordnete ohne Rücksicht auf Fraktionszugehörigkeit das Recht hat, Anträge zu stellen. Der allgemeine Grundsatz der Chancengleichheit und des Schutzes der parlamentarischen Minderheit tritt dahinter zurück (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 1999 – VfGBbg 2/98 -, DVBl 1999, 708, 710). Auch soweit die Antragstellerin auf die frühere Behandlung von Beratungsgegenständen mit bundesrechtlichen Bezügen im Landtag verweist, ergibt sich daraus unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit kein Anspruch auf eine inhaltliche Aussprache im Landtag in Fällen wie dem hier zugrundeliegenden. Der Grundsatz der Chancengleichheit im Parlament schließt es nicht ein, angesichts eventueller früherer Kompetenzüberschreitungen durch den Landtag neuerlich Kompetenzüberschreitungen verlangen zu können (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 1999 – VfGBbg 2/98 -, DVBl 1999, 708, 711).

C.

Die Entscheidung ist mit acht Stimmen gegen eine ergangen.

Dr. MackeDr. Dombert
Prof. Dr. Harms-ZieglerHavemann
Dr. JegutidseDr. Knippel
Prof. Dr. Schröder Weisberg-Schwarz
Prof. Dr. Will