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VerfGBbg, Beschluss vom 25. August 2023 - VfGBbg 6/23 EA -

 

Verfahrensart: abstrakte Normenkontrolle
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 103 Abs. 2 Satz 2; LV, Art. 103 Abs. 2 Satz 1
- VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 2
- Haushaltsgesetz 2023/2024; § 2 Abs. 1 Nr. 3; Haushaltsgesetz 2023/2024, § 10
Schlagworte: - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (nicht erfolgreich)
- Aussetzung eines Gesetzes (nicht erfolgreich)
- Folgenabwägung
- strenger Maßstab bei Außervollzugsetzung eines Gesetzes
- besonders strenger Maßstab beim Haushaltsgesetz
- Budgetrecht des Parlaments
- Haushaltsgesetz
- Ermächtigung zu Kreditaufnahmen
- Keine gewachsene Rechtsprechung
- offene und klärungsbedürftige Fragen
- notlagebedingten Kreditaufnahmen
- Verbot der strukturellen Neuverschuldung außergewöhnlichen Notsituationen
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 25. August 2023 - VfGBbg 6/23 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 6/23 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 6/23 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

der Mitglieder des Landtags Brandenburg

Dr. Hans-Christoph Berndt, Dennis Hohloch, Lars Günther, Lars Hünich, Sabine Barthel, Birgit Bessin, Andreas Galau, Michael Hanko, Rolf-Peter Hooge, Steffen John, Lena Kotré, Daniel Freiherr von Lützow, Daniel Münschke, Volker Nothing, Lars Schieske, Felix Teichner, Peter Drenske, Steffen Kubitzki, Wilko Möller, Kathleen Muxel, Dr. Daniela Oeynhausen, Marianne Spring-Räumschüssel, Andreas Kalbitz,

Landtag Brandenburg,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,

Antragsteller,

Verfahrensbevollmächtigte                H.
                                                                 Rechtsanwälte,

 

beteiligt:

1.      Landtag Brandenburg,
vertreten durch die Präsidentin,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,

Verfahrensbevollmächtigter               Prof. Dr. W.



2.      Landesregierung Brandenburg
- Staatskanzlei -,
Heinrich-Mann-Allee 107,
14473 Potsdam,

Verfahrensbevollmächtigter               Prof. Dr. K.,

 

3.      Landesrechnungshof Brandenburg,
vertreten durch den Präsidenten,
Graf-von-Schwerin-Straße 1,
14469 Potsdam,

 

wegen

Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung; vorläufige Außervollzugsetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Landes Brandenburg für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 (Haushaltsgesetz 2023/2024 ‌‑ HG 2023/2024) vom 16. Dezember 2022 (GVBl.I/22, [Nr. 35], S.1; GVBl.I/22, [Nr. 35], S.16)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 25. August 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

1.    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2.    Auslagen der Antragsteller sind nicht zu erstatten.

 

 


 

Gründe:

A.

Das mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene abstrakte Normenkontrollverfahren von 23 Mitgliedern des Landtags Brandenburg richtet sich gegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024.

§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 ermächtigt das Ministerium der Finanzen und für Europa des Landes Brandenburg (das Finanzministerium) in Ausnahme vom sog. Neuverschuldungsverbot (Art. 103 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg, LV) aufgrund einer vom Landtag festgestellten außergewöhnlichen Notsituation (Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV) Kredite von insgesamt bis zu 2 Milliarden Euro in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 aufzunehmen. § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 ermächtigt das Finanzministerium, in „Mehrausgaben zur Bekämpfung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine“ in entsprechender Höhe einzuwilligen.

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erstreben die Antragsteller die vorläufige Außervollzugsetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024.

I.

1. Die in der Hauptsache zur Überprüfung gestellten Bestimmungen sind in Reaktion auf die verschiedenen Auswirkungen des seit dem 24. Februar 2022 andauernden Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine entstanden. Anlass war die Beobachtung grundlegender Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen durch den Ukraine-Krieg (u. a. Energieknappheit, Vervielfachung der Energiepreise, Inflation, Flüchtlingsbewegungen). Es bestand die Befürchtung, die nach der Corona-Pandemie einsetzende wirtschaftliche Erholung werde gefährdet (vgl. LT‑Drs. 7/6685, S. 2). Die Kreditaufnahmen in Höhe von bis zu 2 Milliarden Euro sollen der Finanzierung von Maßnahmen des Landes zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs in sechs Maßnahmenbereichen dienen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen, LT‑Drs. 7/6783, S. 3 sowie Anlage 3, S. 4 f.; Begründung zur Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation, LT‑Drs. 7/6685). Das Finanzierungspaket für die sechs Maßnahmenbereiche wird auch als Brandenburg-Paket bezeichnet.

Die angegriffenen Bestimmungen - § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 - lauten:

§ 2
Kreditermächtigungen

(1) Das für Finanzen zuständige Ministerium wird ermächtigt, zur Deckung von Ausgaben nachfolgend aufgeführte Kredite aufzunehmen:

1.    gemäß § 18 Absatz 1 Satz 4 in Verbindung mit § 18 Absatz 4 Nummer 1 der Landeshaushaltsordnung zur Umsetzung finanzieller Transaktionen

a.    bis zur Höhe von 330 434 400 Euro im Haushaltsjahr 2023,

b.    bis zur Höhe von 24 213 600 Euro im Haushaltsjahr 2024.

2.    gemäß § 18 Absatz 3 Nummer 1 in Verbindung mit § 18a Absatz 2 Satz 2 der Landeshaushaltsordnung infolge der von der wirtschaftlichen Normallage negativ abweichenden konjunkturellen Entwicklung

a.    bis zur Höhe von 70 153 100 Euro im Haushaltsjahr 2023,

b.    bis zur Höhe von 1 249 400 Euro im Haushaltsjahr 2024,

3.    gemäß § 18 Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit § 18b der Landeshaushaltsordnung zur Bekämpfung der vom Landtag gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 Landesverfassung festgestellten außergewöhnlichen Notsituation aufgrund der infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eingetretenen Energieknappheit, der damit einhergehenden Vervielfachung der Energiepreise und der allgemeinen Inflation sowie der als Kriegsfolge aber auch aus anderen Gründen erneut angewachsenen Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine als auch aus anderen Herkunftsländern

a.    bis zur Höhe von 1 200 000 000 Euro im Haushaltsjahr 2023,

b.    bis zur Höhe von 800 000 000 Euro im Haushaltsjahr 2024.

Soweit die Ermächtigung gemäß Buchstabe a bis zum endgültigen Jahresabschluss des Haushaltsjahres 2023 nicht in Anspruch genommen wird, steht sie im Haushaltsjahr 2024 abweichend von § 18 Absatz 5 Satz 3 der Landeshaushaltsordnung zusätzlich zur Deckung von Ausgaben für die Bekämpfung der vom Landtag festgestellten außergewöhnlichen Notsituation zur Verfügung.

(…).

§ 10
Mehrausgaben zur Bekämpfung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine

Zur Bekämpfung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wird das für Finanzen zuständige Ministerium abweichend von § 9 sowie von § 37 der Landeshaushaltsordnung ermächtigt, in über- und außerplanmäßige Ausgaben einzuwilligen:

1.    bis zur Höhe von 1 200 000 000 Euro im Haushaltsjahr 2023,

2.    bis zur Höhe von 800 000 000 Euro im Haushaltsjahr 2024.

Soweit die Ermächtigung nach Satz 1 Nummer 1 im Haushaltsjahr 2023 nicht in Anspruch genommen wird, steht sie im Haushaltsjahr 2024 zusätzlich für Einwilligungen zur Verfügung. Ausgaben nach Satz 1 sind nachrangig zu entsprechenden Maßnahmen des Bundes, der Europäischen Union oder bestehenden regulären Hilfesystemen zu gewähren und müssen in Entsprechung der vom Landtag gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 Landesverfassung festgestellten außergewöhnlichen Notsituation darauf gerichtet und geeignet sein, wesentliche Beeinträchtigungen infolge der eingetretenen Energieknappheit, der damit einhergehenden Vervielfachung der Energiepreise und der allgemeinen Inflation sowie der erneut angewachsenen Flüchtlingsbewegungen abzumildern. Überschreiten die Ausgaben nach Satz 1 im Einzelfall Landesmittel in Höhe des Betrages von 7 500 000 Euro, ist die Einwilligung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen des Landtages einzuholen. Im Übrigen ist der Ausschuss für Haushalt und Finanzen des Landtages unverzüglich über die Einwilligungen nach Satz 1 zu unterrichten.

2. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Landesregierung für den Doppelhaushalt 2023/2024 vom 27. September 2022 (LT-Drs. 7/6352 Neudruck) hatte die in der Hauptsache zur Prüfung gestellten Bestimmungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024) noch nicht enthalten. Der Landtag überwies den Gesetzentwurf in seiner 73. Sitzung am 12. Oktober 2022 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und zur Mitberatung an alle Fachausschüsse.

Mit Änderungsanträgen vom 22. November 2022 beantragten Abgeordnete der Fraktionen SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Gesetzesentwurf u. a. dahingehend abzuändern, dass § 2 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2023/2024 um die - hier angegriffenen - Kreditermächtigungen (Nr. 3) ergänzt werden solle und die Ermächtigung zu Mehrausgaben zur Bekämpfung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine (§ 10 Haushaltsgesetz 2023/2024) eingefügt werde.

Die Begründung des Änderungsantrags zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 lautet:

Voraussetzung für die Kreditaufnahme ist zunächst, dass der Landtag gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz der Verfassung des Landes (LV) in Verbindung mit § 18b LHO eine außergewöhnliche Notsituation feststellt. Durch den mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschluss über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation wird die Rechtsgrundlage für eine Kreditaufnahme auf Grundlage der Ausnahmeregelung des § 18 Absatz 3 Nummer 2 LHO „außergewöhnliche Notsituation“ geschaffen. Die Höhe der Kreditermächtigung ist wie in § 18 Absatz 4 LHO vorgegeben in § 2 Absatz 1 Nummer 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 für das Haushaltsjahr 2023 mit 1.200.000.000 Euro und das Haushaltsjahr 2024 mit 800.000.000 Euro bestimmt. Das Erfordernis der Kreditaufnahme wird entsprechend § 18 Absatz 5 Satz 1 LHO wie folgt dargelegt:

Die in § 2 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a und b vorgesehene jährliche Kreditermächtigung dient der Finanzierung der Auswirkungen und Folgen der in Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eingetretenen Energieknappheit, der inflationären Preisentwicklungen sowie der angewachsenen Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern in den Jahren 2023 und 2024.

In Folge der durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bestehenden außerordentlichen gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen muss von einem über das Jahr 2023 hinausgehenden Zeitraum ausgegangen werden. Die Wahl dieses Zeitraums als auch der Kreditermächtigung für die Jahre 2023 und 2024 berücksichtigt dabei insbesondere die finanzielle Beteiligung des Landes an den Maßnahmen des Bundes, welcher drei Entlastungspakete mit einem Volumen von insgesamt ca. 95 Milliarden Euro mit umfangreichen Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht hat, deren Wirkungen bis 2024 reichen. Insbesondere das dritte Entlastungspaket umfasst neben kurzfristigen Hilfen auch strukturelle Veränderungen (z. B. Wohngeldreform), Maßnahmen zur Vermeidung schleichender Steuererhöhungen im Zusammenhang mit der Inflation sowie einen umfassenden Abwehrschirm zur Deckelung der gestiegenen Gas- und Strompreise für nahezu alle Verbraucherinnen und Verbraucher.

Die Ermächtigung zur Kreditaufnahme im Haushaltsjahr 2023 ist zudem in § 2 Absatz 1 Nummer 3 Satz 2 ergänzt um den Zusatz, dass abweichend von § 18 Absatz 5 Satz 3 LHO im Haushaltsjahr 2023 nicht ausgeschöpfte Teile der Ermächtigung im Haushaltsjahr 2024 zusätzlich zur Deckung entsprechender Mehrausgaben zur Verfügung stehen.

Auf diese Weise wird zur Krisenbewältigung für die Jahre 2023 und 2024 insgesamt ein stabiler und zugleich flexibler Planungsrahmen geschaffen.

Für die Jahre 2023 und 2024 entstehen in den folgenden Bereichen die nachfolgend dargestellten Bedarfe für Entlastungs-, Unterstützungs- und Anpassungsmaßnahmen des Landes. Deren Umsetzung und Wirksamwerden hat dabei nur ergänzenden Charakter und beschränkt sich auf Bereiche, die durch Maßnahmen Dritter, wie der EU und des Bundes, nicht oder nicht ausreichend abgedeckt werden. Mit den benannten Maßnahmen werden auch Unterstützungen für die Kommunen im Umfang von mindestens 500.000.000 Euro gewährt und damit auch die kommunale Ebene bei der Planung abgesichert. Ebenfalls sind die notwendigen finanziellen Beteiligungen des Landes an Bundesmaßnahmen enthalten (zum Beispiel die Ausweitung der Wohngeldleistungen oder auch die notwendige Landesbeteiligung zur Finanzierung des 49‑Euro-Tickets).

Ergänzende Entlastungsmaßnahmen für Bürgerinnen und Bürger insbesondere mit geringem und mittlerem Einkommen

230.000.000 Euro

Insbesondere Bürgerinnen und Bürger im geringen und mittleren Einkommensbereich sind von den inflationsbedingten Preisanstiegen in den verschiedensten Bereichen des täglichen Lebens außerordentlich betroffen - zum Beispiel auf Grund steigender Kosten für die Kinderbetreuung im Bereich der Krippen, Kindertagesstätten sowie schulischen und außerschulischen Betreuung und Versorgung. Die seitens des Bundes mit seinen Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen in dieser Hinsicht nicht abgedeckten Bedarfe werden durch ergänzende landesseitige Maßnahmen berücksichtigt und damit eine Lücke geschlossen.

Maßnahmen zur Aufrechterhaltung öffentlicher Aufgaben, der Funktionsfähigkeit und Aufgabenwahrnehmung der privaten Wirtschaft sowie von Einrichtungen, Institutionen, Vereinen und Verbänden in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Kultur, Sport, Gesundheit sowie im Sozialbereich

600.000.000 Euro

Berücksichtigt sind unter anderem Unterstützungsmaßnahmen auf Grund gestiegener Energie- und Gaskosten bei öffentlichen oder privaten Institutionen, Einrichtungen und Unternehmen, soweit die Kostensteigerungen nach Einbeziehung der Entlastungsmaßnahmen des Bundes noch die Aufgabenwahrnehmung und Funktionsfähigkeit gefährden. Auch erfasst werden Unterstützungsmaßnahmen auf Grund gestiegener Sozialausgaben (z. B. Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege), die in Folge der Energie- und Gaspreisentwicklung durch zunehmende Fallzahlen und Fallzahlkosten angewachsen sind.

Maßnahmen zur Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen, für einen Transformationsprozess hin zu einer CO₂-armen Produktionsweise sowie den Ausbau er Erneuerbaren Energien

400.000.000 Euro

Die hohe Abhängigkeit von fossilen Energiequellen stellt ein erhebliches Risiko für die Bürgerinnen und Bürger sowie die brandenburgische Wirtschaft dar, welches in Folge der aktuellen Energieknappheit und veränderter Lieferketten in Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine noch stärker und dringlicher zu Tage getreten ist. Dieses Risiko gilt es abzubauen. Um dies zu erreichen, sind Maßnahmen für einen Transformationsprozess der Energieversorgung hin zu einer CO₂-armen Produktionsweise (z. B. im Bereich der Wasserstoffinfrastruktur), den Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie Maßnahmen im Bereich von Energieeffizienz- und Energiesparvorhaben im Land erforderlich.

Maßnahmen zur Aufnahme, Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Integration von Geflüchteten

150.000.000 Euro

Im Bereich der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten sind unter anderem Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeits- und Ausbildungsangebote für Geflüchtete, die Ermöglichung des Zugangs zu Sprachkursen, die Schaffung von Kita- und Schulplätzen sowie die Ermöglichung des Zugangs zu einer medizinischen und psychologischen Versorgung erforderlich.

Maßnahmen zur Aufrechterhaltung, zum Ausbau und zur Modernisierung kritische Infrastrukturen aufgrund veränderter Risiko- und Gefahrenlagen, insbesondere in Krisen- und Katastrophenfällen

120.000.000 Euro

Abgebildet ist der erforderliche Bedarf zum Ausbau und der Modernisierung der kritischen Infrastruktur, welcher auf Grund der aktuellen Krise eine gesteigerte Bedeutung zuzumessen ist. Berücksichtigt sind insbesondere Maßnahmen zur Stärkung der Krisenfestigkeit und Krisenreaktionsfähigkeit des Landes in Katastrophenfällen im Bereich der kritischen Infrastruktur (insbesondere der Versorgungsinfrastruktur im Energiebereich).

Pauschale Vorsorge für weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Energieknappheit, der inflationären Preisentwicklung und deren Folgen sowie zur zusätzlichen Stärkung der zuvor benannten Bereiche          

500.000.000 Euro

Die pauschale Vorsorge orientiert sich an den Erfahrungen mit den Rettungsschirmen des Landes zur Coronapandemiebekämpfung. Sie ist zur Stärkung der zuvor benannten Bereiche sowie für weitere Maßnahmen vorgesehen, bei denen der sachliche und zeitliche Verursachungs- und Wirkungszusammenhang zu den die Notsituation auslösenden Ereignissen feststellbar ist und die darauf gerichtet und geeignet sind, unter Berücksichtigung der Bedürftigkeit sowie der Entlastungsmaßnahmen Dritter, wesentliche Beeinträchtigungen der Energieknappheit sowie der inflationären Preisentwicklung und deren Folgen auf ein vertretbares Niveau abzumildern.

(LT-Drs. 7/6783, Anlage 3 zu § 2 Abs. 1 HG 2023/24, dort S. 4 f.).

Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen nahm die Änderungsanträge zu § 2 Abs. 1 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 an und empfahl dem Landtag, den geänderten Gesetzentwurf in 2. Lesung anzunehmen (vgl. LT-Drs. 7/6783, S. 1 ff.).

Ferner beantragte der Ausschuss, der Landtag möge gemäß Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV i. V. m. § 18b Landeshaushaltsordnung (LHO) feststellen, dass aufgrund der infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eingetretenen Energieknappheit, der damit einhergehenden Vervielfachung der Energiepreise und der allgemeinen Inflation sowie der als Kriegsfolge aber auch aus anderen Gründen erneut angewachsenen Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine als auch aus anderen Herkunftsländern eine außergewöhnliche Notsituation im Land Brandenburg für die Jahre 2023 und 2024 bestehe, die sich der Kontrolle des Staates entziehe und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtige, um die Voraussetzungen für eine Kreditermächtigung in Höhe von 2 Milliarden Euro zur Finanzierung der Auswirkungen und Folgen der außergewöhnlichen Notsituation im Haushaltsgesetz 2023/2024 zu schaffen (vgl. Antrag vom 6. Dezember 2022, LT‑Drs. 7/6685, S. 2).

In der Antragsbegründung heißt es:

(…) Nachdem sich die Wirtschaftsleistung und damit auch die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte nach dem coronabedingten Einbruch im Jahr 2021 und zunächst auch noch in 2022 wieder deutlich erholt hatte, veränderte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar 2022 in kurzer Zeit abermals die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen in grundlegender Weise und bremste die weitere wirtschaftliche Erholung erneut deutlich ab.

Insgesamt steht Deutschland nach aktuellen Einschätzungen im kommenden Jahr eine Rezession sowie eine anhaltend hohe Inflation bevor. In 2023 wird mit einem Abschwung des Bruttoinlandsprodukts um circa 0,2 Prozent und einer allgemeinen Preissteigerung von 7,4 Prozent gerechnet. Seit Mitte des Jahres 2022 haben die hohen Preise für Energie und Lebensmittel die Kaufkraft deutlich geschwächt und den privaten Konsum gedämpft. Zugleich haben sich die wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland in den letzten Monaten substanziell eingetrübt.

Die Bewältigung dieser Krise ist eine Gemeinschaftsaufgabe, bei der es auf den Zusammenhalt und ein schnelles, koordiniertes und zielgerichtetes Handeln ankommt. Sie hat weitreichende politische und gesellschaftliche Auswirkungen und führt zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen für Bürgerinnen und Bürger, von Unternehmen, von sozialen wie kulturellen Institutionen und Einrichtungen, aber auch der Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Tragweite und Dauer des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nicht abschließend bemessen werden. Festhalten lässt sich jedoch, dass es bislang keinerlei Anzeichen für ein baldiges Ende des Krieges und der damit einhergehenden Verwerfungen gibt. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Auswirkungen aufgrund ihrer enormen gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tragweite über das Jahr 2023 hinausgehen. Auch eine weitere Eskalation des Konflikts kann nicht ausgeschlossen werden. Diese Grundannahme spiegelt sich auch in den auf Bundesebene beschlossenen Maßnahmen wider, deren Entlastungswirkungen bis 2024 reichen.

Die Bundesregierung hat angesichts der stark steigenden Preise drei Entlastungspakete mit einem Volumen von insgesamt ca. 95 Milliarden Euro mit umfangreichen Maßnahmen zur Entlastung und sozialen Unterstützung auf den Weg gebracht. Insbesondere das dritte und umfangreichste Entlastungspaket umfasst neben kurzfristigen Hilfen auch strukturelle Veränderungen (Reformen bei Wohngeld, Grundsicherung/Bürgergeld, Erhöhung des Kindergeldes). Dazu kommen Maßnahmen zur Vermeidung schleichender Steuererhöhungen im Zusammenhang mit der Inflation (Inflationsausgleichsgesetz). Mit einem umfassenden Abwehrschirm im Umfang von 200 Milliarden Euro werden darüber hinaus die gestiegenen Gas- und Strompreise für Verbraucherinnen und Verbraucher in nahezu allen Bereichen gedeckelt. Über die substantielle Beteiligung der Länder an diesen Maßnahmen haben sich der Bundeskanzler und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 2. November 2022 verständigt. Deren Umsetzung und Wirksamwerden steht deshalb als gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern zur Bewältigung der Krise im Vordergrund.

Neben der finanziellen Beteiligung an den Maßnahmen des Bundes sind ergänzend Entlastungs-, Unterstützungs- und Anpassungsmaßnahmen des Landes in Bereichen erforderlich, die durch Maßnahmen Dritter wie der EU und des Bundes nicht oder nicht ausreichend abgedeckt werden. Dies gilt vor allem auch für Maßnahmen zur Abkehr von fossilen Brennstoffen oder den Ausbau und die Modernisierung der kritischen Infrastruktur, die bereits zuvor aus anderen Gründen (Klimaschutz, veränderte Bedrohungslage) eine hohe Bedeutung besaßen, deren Dringlichkeit sich aber mit der aktuellen Krise nochmals potenziert hat. Nach vorläufiger Einschätzung sind in den Jahren 2023 und 2024 für die Beteiligung an den Maßnahmen des Bundes sowie für ergänzende Maßnahmen des Landes Brandenburg insbesondere die nachfolgend benannten Maßnahmen und Bedarfe erforderlich:

1.    Ergänzende Entlastungsmaßnahmen für Bürgerinnen und Bürger

insbesondere mit geringem und mittlerem Einkommen

230.000.000 Euro

2.    Maßnahmen zur Aufrechterhaltung öffentlicher Aufgaben, der Funktionsfähigkeit und Aufgabenwahrnehmung der privaten Wirtschaft sowie von Einrichtungen, Institutionen, Vereinen und Verbänden in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Kultur, Sport, Gesundheit sowie im Sozialbereich

600.000.000 Euro

3.    Maßnahmen zur Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen, für einen Transformationsprozess hin zu einer CO₂-armen Produktionsweise sowie den Ausbau der Erneuerbaren Energien

400.000.000 Euro

4.    Maßnahmen zur Aufnahme, Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Integration von Geflüchteten                                                     

150.000.000 Euro

5.    Maßnahmen zur Aufrechterhaltung, zum Ausbau und zur Modernisierung kritischer Infrastrukturen aufgrund veränderter Risiko- und Gefahrenlagen, insbesondere in Krisen- und Katastrophenfällen                      

120.000.000 Euro

6.    Pauschale Vorsorge für weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Energieknappheit, der inflationären Preisentwicklung und deren Folgen sowie zur zusätzlichen Stärkung der Maßnahmebereiche 1. - 5.     

500.000.000 Euro

Mit den benannten Maßnahmen werden auch Bedarfe auf der kommunalen Ebene im Umfang von mindestens 500.000.000 Euro unterstützt. Ebenfalls ist darin die notwendige finanzielle Beteiligung des Landes an Bundesmaßnahmen enthalten. Dies umfasst beispielsweise die Ausweitung der Wohngeldleistungen oder auch die notwendige Landesbeteiligung zur Finanzierung des 49-Euro-Tickets.

Um für diese zusätzlichen krisenbedingten Bedarfe insgesamt die weitere finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes zu gewährleisten, muss auf der Grundlage des vorliegenden Beschlusses von der Veranschlagung einer notlagenbedingten Kreditermächtigung Gebrauch gemacht werden. Die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Notsituation nach Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 Landesverfassung in Verbindung mit § 18 Absatz 3 Nummer 2 Landeshaushaltsordnung liegen vor. Das Haushaltsgesetz 2023/2024 wird zur Finanzierung der erforderlichen Maßnahmen die Aufnahme von Krediten bis zur Höhe von insgesamt 2.000.000.000 Euro gemäß § 18 Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit § 18b Landeshaushaltsordnung vorsehen; im Haushaltsjahr 2023 bis zur Höhe von 1.200.000.000 Euro, im Haushaltsjahr 2024 bis zur Höhe von 800.000.000 Euro. Die Ermächtigung zur Kreditaufnahme im Haushaltsjahr 2023 wird im Haushaltsgesetz 2023/2024 zudem ergänzt um den Zusatz, dass abweichend von § 18 Absatz 5 Satz 3 Landeshaushaltsordnung im Haushaltsjahr 2023 nicht ausgeschöpfte Teile der Ermächtigung im Haushaltsjahr 2024 zusätzlich zur Deckung entsprechender Mehrausgaben zur Verfügung stehen. Auf diese Weise wird zur Krisenbewältigung für die Jahre 2023 und 2024 insgesamt ein stabiler und zugleich flexibler Planungsrahmen bereitgestellt.

Angesichts der enormen, bereits jetzt absehbaren zusätzlichen Bedarfe wären alternativ zur Finanzierung in Betracht zu ziehende weitreichende Ausgabenkürzungen kontraproduktiv. Sie wären nicht ohne substantielle Eingriffe in den Bereichen möglich, die krisenbedingt gerade gestärkt werden müssen, sodass am Ende auf diesem Wege die zusätzlich erforderlichen Mittel nicht bereitgestellt werden könnten. Ebenso scheidet die Nutzung der Allgemeinen Rücklage als Finanzierungsinstrument für die zusätzlichen Bedarfe aus, da diese bereits vollständig mit dem Haushaltsplanentwurf 2023/2024 einschließlich eines für 2022 prognostizierten Überschusses verplant ist. Eine Nutzung der aktuell in der Allgemeinen Rücklage noch befindlichen Mittel für die zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen käme daher weitreichenden Ausgabenkürzungen gleich. Auch aus dem Ergebnis der Steuerschätzung vom Oktober 2022 ergeben sich trotz inflationsbedingter Mehreinnahmen keine zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten für die krisenbedingten Mehrbedarfe. Das Ergebnis auf Landesebene berücksichtigt bereits die Anteile des Landes von ca. einer halben Milliarde Euro jährlich an den steuerlichen Entlastungsmaßnahmen des Bundes, weshalb nach Einberechnung des kommunalen Finanzausgleichs für das Land insgesamt in 2023/2024 keine Mehreinnahmen verbleiben. Zusammengefasst ist deshalb festzustellen, dass zur Krisenbewältigung keine Alternativen zur Verfügung stehen, um auf eine notlagenbedingte Kreditaufnahme verzichten zu können.

Infolgedessen sind sowohl Konsolidierungspotentiale als auch die Allgemeine Rücklage und steuerliche Mehreinnahmen bei der Umsetzung der Tilgungsverpflichtung der notlagenbedingten Kreditaufnahme in den Folgejahren zu berücksichtigen, um eine Tilgung in angemessener Zeit zu bewerkstelligen. Die gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 3 Landesverfassung in Verbindung mit § 18b Landeshaushaltsordnung erforderliche Tilgungsregelung ist bereits im Haushaltsgesetz enthalten und wird um die Tilgungsleistungen aufgrund der zusätzlichen notlagenbedingten Kreditaufnahme in 2023/2024 ergänzt. Die Zins- und Tilgungsleistungen erfolgen aus dem Landeshaushalt. Für die vollständige Tilgung der aufgenommenen Kredite wird wiederum ein Zeitraum von 30 Jahren angesetzt, beginnend ab dem Jahr 2026 und endend am 31. Dezember 2055. Die Höhe der jährlichen Tilgungsraten und der Zeitraum der Tilgung sind angemessen im Hinblick auf den Umfang der Kreditaufnahme.

(vgl. LT‑Drs. 7/6685, S. 2-4).

In seiner 77. Sitzung am 14./15. Dezember 2022 stellte der Landtag per Beschluss das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV i. V. m. § 18b LHO fest (vgl. BePr 7/77 i. V. m. LT‑Drs. 7/6685, LT‑Drs. 7/6685-B) und nahm den vom Ausschuss für Finanzen und Haushalt empfohlenen Gesetzentwurf in 2. Lesung an (vgl. LT-Drs. 7/6783, BePr 7/77).

In seiner 78. Sitzung am 16. Dezember 2022 beschloss der Landtag Brandenburg das Haushaltsgesetz 2023/2024, das am selben Tag im Gesetzblatt verkündet wurde.

Eine - über die Beschreibung der Maßnahmenbereiche im Brandenburg-Paket (LT‑Drs. 7/6783 bzw. BePr 7/77 i. V. m. LT‑Drs. 7/6685) hinausgehende - Konkretisierung der zu finanzierenden Maßnahmen - erfolgt einer Pressemitteilung des Finanzministeriums zufolge auf Ministerialebene. Jedes Fachministerium solle passende konkrete Maßnahmen identifizieren, mit einer Begründung ausarbeiten und bei dem Finanzministerium beantragen (vgl. Pressemitteilung Nr. 72/2022 des Finanzministeriums vom 16. Dezember 2022, „Brandenburg-Paket zielt auf nachhaltige Entlastungswirkung“, S. 4 f.). Das Finanzministerium prüfe die Vereinbarkeit mit der vom Landtag beschlossenen Notlagenerklärung. Es müsse sich um Maßnahmen handeln, die im Zusammenhang mit der aktuellen Krisensituation und der darauf beruhenden Notlagenerklärung stehen (vgl. § 10 Satz 2 Haushaltsgesetz 2023/2024). Überschritten die Ausgaben für die beantragten Maßnahmen einen Betrag von über 7,5 Millionen Euro, sei die Einwilligung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen des Landtags einzuholen. Im Übrigen sei der Ausschuss für Haushalt und Finanzen des Landtags unverzüglich über die nach § 10 Satz 1 Haushaltsgesetz 2023/2024 vom Finanzministerium erteilten Einwilligungen zu unterrichten (vgl. § 10 Sätze 3 und 4 Haushaltsgesetz 2023/2024).

II.

Die Antragsteller haben am 16. Mai 2023 einen Normenkontrollantrag gestellt und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

1. Sie halten die in der Hauptsache gestellten Anträge für zulässig und begründet. Der Beschluss über die außergewöhnliche Notlage im Sinne des Art. 103 Abs. 2 LV, § 2 Abs. 1 Nr. 3 und des § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 sei mit Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV unvereinbar und nichtig.

Die Antragsteller sind der Ansicht, der Beschluss des Landtags, mit dem dieser eine außergewöhnliche Notlage im Sinne des Art. 103 Abs. 2 LV festgestellt hat, stelle im Wege der abstrakten Normenkontrolle rügefähiges Landesrecht dar. Dies ergebe sich daraus, dass Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV eine Beschlussfassung des Landtags als gesetzesersetzenden Rechtsakt vorsehe und der Beschluss die dogmatische Basis der angegriffenen Gesetzesregelungen darstelle. Die Überprüfung müsse aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes möglich sein.

Der Normenkontrollantrag sei begründet. „§ 2 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 i. V. m. § 18b LHO“ erwiesen sich als materiell verfassungswidrig. Sie entsprächen nicht dem Ausnahmetatbestand des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV. Gleiches gelte für den Landtagsbeschluss, mit dem die außergewöhnliche Notlage im Sinne des Art. 103 Abs. 2 LV festgestellt worden sei.

Nach Art. 103 Abs. 1 LV sei der Landeshaushalt grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen. Davon könne im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen (Art. 103 Abs. 2 LV) abgewichen werden. Bei der Konkretisierung der Krisenbegriffe komme dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu, der allerdings nicht grenzenlos sei. Rechtsfolgenseitig komme es zu einer strikten Bindung der zusätzlichen Kredite an diejenigen Finanzbedarfe, die in unmittelbarem Veranlassungszusammenhang mit der tatbestandlichen Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation stünden und nicht anderweitig gedeckt werden könnten.

a. Die Antragsteller sind der Auffassung, die Beurteilung und Einschätzung des Gesetzgebers, ob eine Notlage im Sinne des Art. 103 Abs. 2 LV vorliege, müsse nachvollziehbar und vertretbar sein und korrespondiere mit einer erhöhten Darlegungslast, die ihn dazu zwinge, sich für die Inanspruchnahme des Ausnahmevorbehalts (Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV) zu rechtfertigen.

Der Haushaltsgesetzgeber habe bei der Beurteilung, ob eine außergewöhnliche Notsituation vorliege, den ihm zustehenden Spielraum überschritten. Der entsprechende Beschluss des Landtags sei daher verfassungswidrig. Das tatsächliche Bestehen einer außergewöhnlichen Notsituation in Brandenburg werde nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere enthalte der Beschluss über die Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation keine nachvollziehbare und vertretbare Darlegung der Notsituation. Die Antragsbegründung enthalte nur rudimentäre Einschätzungen in Bezug auf die ganze Bundesrepublik Deutschland. Ein konkreter Bezug zu Brandenburg fehle. Die Ausführungen zur Wirtschaftslage seien völlig pauschal; spezifische Fakten würden nicht genannt. Es werde nicht annähernd ersichtlich, ob und welche Auswirkungen durch die Krise tatsächlich bestehen könnten; die Aussagen dazu blieben völlig abstrakt. Des Weiteren werde nicht ersichtlich, weshalb ergänzende Entlastungs-, Unterstützungs- und Anpassungsmaßnahmen des Landes erforderlich seien und diese nicht oder nicht ausreichend durch Maßnahmen Dritter wie der Europäischen Union (EU) und des Bundes abgedeckt seien. Der Haushaltsgesetzgeber setze sich nicht hinreichend mit den bereits vorliegenden Hilfsprogrammen von Bund und EU auseinander. Die Begründung offenbare, dass Maßnahmen bezweckt würden, die bereits zuvor aus anderen Gründen (Klimaschutz, veränderte Bedrohungslage) eine hohe Bedeutung besessen hätten, mithin gerade keinen unmittelbaren Bezug zur behaupteten Notlage hätten. Auch werde nicht begründet, welche absehbaren zusätzlichen Bedarfe bestünden und weshalb diese nicht durch Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen beglichen werden könnten. Es bestünden weitere Rücklagen und Finanzierungsmöglichkeiten als Alternativen.

b. Die Antragsteller halten ferner § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 für unbestimmt. Sie sind der Ansicht, dass - unabhängig von der „Rechtmäßigkeit des Beschlusses“ - die Regelungen und die bezweckten Maßnahmen umso detaillierter bestimmt sein müssten, je größer das Finanzvolumen für durch „ein Sondervermögen zu finanzierende Maßnahmen“ sei.

§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 erachten die Antragsteller insbesondere deshalb für unbestimmt, weil der Tatbestand mit nicht näher definierten Begriffen formuliert sei („Ausgaben“, „Energieknappheit“, „allgemeine Inflation“, „<die> [als Kriegsfolge aber] auch aus anderen Gründen erneut angewachsenen Flüchtlingsbewegungen“). Auch die Ermächtigung zur Einwilligung in über- und außerplanmäßige Ausgaben gemäß § 10 Satz 1 Haushaltsgesetz 2023/2024 sei unbestimmt. Sie enthalte keine konkreten Voraussetzungen und lasse keinen konkreten Zweck, keine konkrete Zielrichtung und insbesondere keine konkret zu fördernden Maßnahmen erkennen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung von § 10 Satz 3 Haushaltsgesetz 2023/2024. Dieser sei ebenfalls unbestimmt; er wiederhole lediglich die Formulierung in § 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024.

Der Zweck der Kreditaufnahme sowie der Ausgabenermächtigung sei allein in abstrakter Weise dargelegt. Wozu die Kreditaufnahme bestimmt sei und welche Ausgaben oder zu fördernde Maßnahmen konkret gefördert werden sollten, sei völlig unbestimmt. Aus diesem Grund seien die Kreditaufnahme und Ausgabenermächtigung verfassungswidrig.

Eine hinreichend konkrete Zweckbestimmung folge auch nicht aus den in der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Finanzen und Haushalt (LT‑Drs. 7/6783, S. 80-82) bezeichneten Maßnahmenbereichen, in denen Bedarfe für Entlastungs-, Unterstützungs- und Anpassungsmaßnahmen bestehen sollen (Maßnahmenpakete des sog. Brandenburg-Pakets). Die Beschlussempfehlung habe nur mittelbar im Gesetzgebungsverfahren Wirkung entfaltet, aber keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden. Mangels Verpflichtungswirkung gegenüber der Exekutive könne sie nicht ausreichen; im Übrigen sei sie ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Die Antragsteller meinen, den sechs Maßnahmenbereichen des Brandenburg-Paktes könne nicht entnommen werden, welche konkreten Maßnahmen in den einzelnen Bereichen bezweckt würden. Insbesondere seien deren Beschreibungen zu allgemein und pauschal.

Eine derart unbestimmte Zwecksetzung der Maßnahmen entspreche nicht der Gewährleistung einer durch das Budgetrecht garantierten Regierungskontrolle. Die Maßnahmenpakete ermächtigten die Exekutive zu weitreichenden Ausgaben sowie dazu, etwaige Defizite im Haushalt auszugleichen, die in irgendeinem (fernen) Bezug zur Ukraine-Krise stünden. Dies sei mit der restriktiven Ausnahmeregelung des Art. 103 Abs. 2 LV nicht in Einklang zu bringen.

c. Weiter sind die Antragsteller der Ansicht, es bedürfe eines - konkreten - Veranlassungszusammenhangs zwischen dem die Notlage auslösenden Ereignis und der erhöhten Kreditaufnahme. Sowohl die Kreditaufnahme als solche als auch die durch die Kreditaufnahme finanzierten Maßnahmen müssten final auf die Überwindung der außergewöhnlichen Notlage bezogen sein. Dies setze einen konkreten Veranlassungszusammenhang für jeden wesentlichen Ausgabenposten und für jedes Maßnahmepaket voraus, meinen die Antragsteller und stützen sich dafür auf das Urteil des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen vom 27. Oktober 2021 (P.St. 2783, P.St. 2827, das die Errichtung eines Sondervermögens zum Gegenstand hat). Ein solcher Zusammenhang bestehe überwiegend nicht.

d. Der Haushaltsgesetzgeber habe nach Ansicht der Antragsteller bei der Beurteilung der krisenbedingten erheblichen Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage auch zu prüfen, ob er über Spielräume - wie etwa Ausgabenkürzungen, Einnahmeerhöhungen oder aber auch die Auflösung gebildeter Rücklagen - verfüge, um eine Neuverschuldung zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Es sei substanziell zu begründen, weshalb zur Verfügung stehende Spielräume nicht oder nicht in vollem Umfang ausgenutzt würden. Eine dahingehende Darlegung fehle insbesondere im Hinblick auf die Auflösung von Rücklagen. Die im Gesetzgebungsverfahren gehaltenen Ausführungen genügten nicht.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet.

Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache sei nicht zu befürchten, da die Antragsteller lediglich eine vorläufige Regelung bis zur Entscheidung in der Hauptsache begehrten. Die einstweilige Außervollzugsetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 führe lediglich dazu, dass dem Finanzministerium vorläufig untersagt werde, zur Deckung von Ausgaben Kredite aufzunehmen und in über- und außerplanmäßige Ausgaben einzuwilligen. Selbst wenn man das Begehren als eine Vorwegnahme der Hauptsache betrachtete, wäre diese aufgrund des schwerwiegenden Verstoßes gegen die Verfassung und ihre Grundsätze ‌‑ namentlich Art. 103 Abs. 1, Abs. 2 LV - dringend erforderlich.

Der Eilantrag habe auch in der Sache Erfolg; insbesondere sei die abstrakte Normenkontrolle in der Hauptsache zulässig und offensichtlich begründet.

Zwar dürfe ein Gesetz nur dann vorläufig außer Kraft gesetzt werden, wenn die Nachteile, die mit seinem In-Kraft-Treten bei späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, in Ausmaß und Schwere die Nachteile deutlich überwögen, die im Falle der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten.

Die Antragsteller sind jedoch der Auffassung, dass im Hinblick auf das Haushaltsgesetz als ein Gesetz mit zeitlich begrenzter Wirkung eine Ausnahme gelte. Sie verweisen auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2011 (VerfGH 19/10), der zu entnehmen sei, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Haushaltsgesetzes mit ihrem Gewicht in die Folgenabwägung einzustellen seien. Andernfalls entstünde eine Rechtsschutzlücke. Wenn nur eine bloß nachträgliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit erreicht werden könne, da ein Hauptsacheverfahren regelmäßig erst nach dem Gültigkeitszeitraum des jeweiligen Haushaltsgesetzes abgeschlossen wäre, könne drohenden Gefahren durch verfassungswidrige Haushaltsgesetze nicht (rechtzeitig) entgegengetreten werden.

Der Eilantrag sei offensichtlich begründet, da das in der Hauptsache angestrengte abstrakte Normenkontrollverfahren zum gegenwärtigen Zeitpunkt als offensichtlich begründet erscheine. § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 verstießen gegen Art. 103 Abs. 1, Abs. 2 LV.

Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten, weil die Unvereinbarkeit des angegriffenen Landesrechts mit höherrangigem Verfassungsrecht bereits nach Prüfung im Eilverfahren offensichtlich feststehe. Die „offensichtliche Rechtswidrigkeit“ indiziere den schweren Nachteil, weil in der Regel kein Interesse am Vollzug einer „rechtswidrigen Norm“ bestehe. Eine einstweilige Anordnung sei zu erlassen, wenn sich die Hauptsache schon zum Zeitpunkt der Eilrechtsentscheidung als zulässig und offensichtlich begründet erweise.

Zudem überwögen die Nachteile durch das Gesetz deutlich.

Dies folge bereits aus dem Erfordernis der restriktiven Anwendung des Art. 103 Abs. 2 LV. Das Verbot der Neuverschuldung müsse dadurch geschützt werden, dass „das offensichtlich rechtswidrige Haushaltsgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 i. V. m. §§ 18, 18b LHO)“ künftig nicht mehr vollzogen werden dürfe. Nur dadurch könne dem Verbot der Neuverschuldung und den engen Voraussetzungen der Kreditaufnahme zum Erfolg verholfen werden. Erginge eine einstweilige Anordnung nicht, sei konkret zu befürchten, dass zwischenzeitlich - ggf. mehrere Monate bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren - unter Inanspruchnahme der angegriffenen Bestimmungen Kredite in Milliardenhöhe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 LV aufgenommen und auf Basis der Ausgabenermächtigungen ausgegeben würden. Mit Schreiben vom 17. April 2023 habe das Finanzministerium dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen des Landtags mitgeteilt, es seien bereits Einwilligungen in Ausgaben im Rahmen des „Ukraine“-Pakets erteilt worden (i. H. v. 479,6 Millionen Euro). Eine Kreditaufnahme und Auszahlung drohe damit unmittelbar.

Der Vollzug der verfassungswidrigen Regelungen im Haushaltsgesetz 2023/2024 stünde in Widerspruch zu dem Verfassungsgrundsatz, dass eine Neuverschuldung durch Kredit nur ausnahmsweise in Anspruch genommen werden dürfe. Der Möglichkeit der Verletzung grundlegender Verfassungsprinzipien komme besonderes Gewicht zu. Schon darin liege ein schwerer Nachteil im Sinne von § 30 VerfGGBbg. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass das einmal ausgezahlte Geld nicht zurückerlangt werden könne. Die Auswirkungen der verfassungswidrigen Kreditaufnahme könnten nur abgemildert, nicht aber beseitigt werden. Die in der Zwischenzeit angefallenen Zinsverpflichtungen würden spätere Haushaltsjahre belasten und den politischen (Entscheidungs-)Spielraum künftiger Regierungen zulasten künftiger Generationen erheblich beschränken.

Durch die einstweilige Anordnung wäre das Finanzministerium nur für den Zeitraum, den das Gericht zur Prüfung auf die Verfassungsmäßigkeit benötige, gehindert, § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 zu vollziehen, d. h. das per Kredit aufgenommene Geld auszugeben. Der Haushalt könne unabhängig von den angegriffenen Regelungen im Übrigen weiter vollzogen werden.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei aufgrund der sonst drohenden erheblichen Nachteile für das Gemeinwohl dringend geboten. Dies gelte insbesondere, da das Haushaltsgesetz ein Gesetz mit nur zeitlich begrenzter Wirkung darstelle, bei dem die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit besonders in die Folgenabwägung einzustellen seien. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes erfordere es gerade bei einem Haushaltsgesetz, dessen Regelungsgehalt sich in dem Haushaltsjahr, für das es gelte, erschöpfe, eine endgültige Vereitelung der Verfassungsgrundsätze durch einstweilige Anordnung zu verhindern. Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei dringlich. Die mit einer etwa erforderlichen Rückabwicklung verbundenen Nachteile würden umso schwerwiegender, je weiter die Ausgaben fortschritten. Je eher die Anordnung ergehe, desto größer sei die Möglichkeit, dass die Landesregierung und der Landtag im Falle des Erfolgs des Antrags in der Hauptsache (überhaupt) noch wirkungsvoll reagieren könnten.

Der Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die lediglich die Schaffung vollendeter Tatsachen bis zur alsbaldigen Klärung im Hauptsacheverfahren verhindere, wiege auch unter Berücksichtigung des maßgeblichen strengen Maßstabs weniger schwer als die andernfalls drohende Gefahr einer Belastung des politischen Gestaltungsspielraums für zukünftige Haushalte durch erhebliche Zinsbelastungen bei einer Kreditaufnahme im Umfang von bis zu 2 Milliarden Euro.

3. Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2023 haben die Antragsteller ihr Vorbringen vertieft, wonach die Kreditaufnahme und Mittelvergabe nicht im Zusammenhang mit der Notsituation stehe, sondern als ein allgemeines Wirtschaftspaket zu bewerten sei. Art. 103 Abs. 2 LV diene nicht der Finanzierung allgemeiner politischer Maßnahmen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zeitnah erforderlich, da die Landesregierung die durch Kredit aufgenommenen Finanzmittel zu verteilen beginne bzw. Verträge anbahne. Die Antragsteller verweisen auf verschiedene Dokumente im Zusammenhang mit dem sog. Brandenburg-Paket, unter anderem die Vereinbarung der Landesregierung Brandenburg mit dem Landkreistag Brandenburg und dem Städte- und Gemeindebund Brandenburg über die Umsetzung der Maßnahmen des Brandenburg-Pakets zur Unterstützung der kommunalen Bedarfe (Brandenburg-Paket - Kommunalteil).

III.

Die Landesregierung hält den Antrag für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erweise sich unter inhaltlichen (a.) und zeitlichen (b.) Aspekten als eine Vorwegnahme der Hauptsache.

a. Die mit dem Antrag erstrebte Aussetzung der Anwendbarkeit der § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/24 stelle mit Blick auf den Anwendungsbereich und die Zielsetzung der angegriffenen Normen eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Es handele sich um gesetzgeberische Maßnahmen in einer außergewöhnlichen Notsituation (Art. 103 Abs. 2 LV), hervorgerufen durch den Krieg in der Ukraine und dazu bestimmt, im Geltungszeitraum des Haushaltsgesetzes schnell, unmittelbar und zur Gegensteuerung bereits eingetretener und zur Abwehr möglicher drohender weiterer Folgen der Notsituation die Handlungsfähigkeit des Landes durch zusätzliche finanzielle Ausstattung zu sichern. Schon ein Aussetzen des Gesetzes über einen kürzeren oder längeren Zeitraum könne dazu führen, dass das Ziel des Gesetzes nicht erreicht werden könne und sogar der Haushalt insgesamt ins Ungleichgewicht geriete. Das entspräche - nicht formal, aber in der Sache angesichts des besonderen Regelungsgegenstands der Kreditermächtigung und der Beschreibung des Bereichs möglicher über- und außerplanmäßiger Ausgaben - einer Vorwegnahme der Hauptsache. Es wäre zudem bereits unter diesem Aspekt ein empfindlicher Eingriff in die Krisenreaktionsfähigkeit des Gesetzgebers und der gesetzesausführenden Verwaltung.

b. Die Antragsteller erstrebten auch in zeitlicher Hinsicht mehr, als sie in der Hauptsache erreichen könnten. Die verfassungsrechtliche Beanstandung eines finanzrelevanten Gesetzes könne nach feststehender Rechtsprechung nicht zu einer Nichtigkeit des Gesetzes ex tunc, sondern allein zur Feststellung der Unvereinbarkeit des Gesetzes mit höherrangigem Verfassungsrecht ex nunc führen. Eine Rückabwicklung finanzrelevanter Vorgänge stünde aus Gründen der Rechtssicherheit und aufgrund des Erfordernisses einer verlässlichen, in ihren Wirkungen kalkulierbaren Finanz-, Ausgaben- und Haushaltsplanung bei finanzrelevanten Gesetzen rückwirkenden Eingriffen entgegen. Hätten die Antragsteller Erfolg, würde in die Ausgaben- und Haushaltswirtschaft früher als mit einer Hauptsacheentscheidung eingegriffen.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unbegründet.

Die meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöse, mache es notwendig, einen strengen Maßstab anzuwenden. Das Verfassungsgericht habe größte Zurückhaltung zu wahren. Jeder Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfassungsprozess sei ein Eingriff in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans. Dies gelte insbesondere, wenn ein bereits in Kraft getretenes Gesetz außer Vollzug gesetzt werden solle, denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei stets ein Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Die Gründe für den Eingriff in den Bereich des Gesetzgebers müssten über die allgemein erforderlichen schwerwiegenden Gründe hinaus besonderes Gewicht haben.

Die strengen Maßstäbe für die Außervollzugsetzung eines Gesetzes würden auch und gerade für Haushaltsgesetze gelten. Bei der Haushaltsgesetzgebung komme dem Gesetzgeber eine überragende verfassungsrechtliche Stellung zu. Dieser treffe mit der Entscheidung über den Haushaltsplan eine wirtschaftliche Grundentscheidung für zentrale Bereiche der Politik während des Planungszeitraums. Demnach sei die Aussetzung des Vollzugs eines Haushaltsgesetzes an besonders strengen Anforderungen zu messen.

Nichts anderes ergebe sich aus der von den Antragstellern zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2011 (VerfGH NRW 19/10). Dort sei es um eine kreditfinanzierte Rücklage gegangen, die für die laufende Haushaltsführung kaum relevant gewesen sei. Bei den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bestimmungen, deren vorläufige Aussetzung verlangt werde, gehe es dagegen um Finanzmittel, die für den Haushaltsvollzug in der Ukraine-Krise erforderlich seien.

Erginge die erstrebte einstweilige Anordnung, erwiesen sich aber später die angegriffenen Vorschriften als verfassungsgemäß, wäre in der Zwischenzeit eine Kreditaufnahme zur Finanzierung der notlagenbedingten Ausgaben, insbesondere zur Abdeckung der flüchtlingsbedingten Kosten und der Kosten der Energiekrise, nicht möglich. Es entstünden erhebliche Finanzierungslücken, die in der Haushaltsplanung nicht vorgesehen und durch Steuermittel oder andere Finanzierungsquellen nicht abgedeckt werden könnten. Nur in Ausnahmefällen ließen sich eilige krisenbedingte Ausgabenbedarfe aufschieben, laufende außergewöhnliche Belastungen ließen sich nicht nachholend decken. Außerdem wären in der Krise vereinbarte Kofinanzierungen mit dem Bund und der EU seitens des Landes nicht finanziell unterlegbar. Dem Gesetzgeber würde, in der Sache nicht nur zeitweise, das von ihm entwickelte Krisenabwehrinstrumentarium aus der Hand genommen. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache wären Krisenabwehrmaßnahmen - jedenfalls kreditfinanzierte - nicht möglich; die geplanten wirtschaftlichen Impulssetzungen wären ausgeschlossen. Die Nachteile wären irreversibel oder nur erschwert revidierbar. Zudem drohe die Gefahr, dass bereits begonnene Krisenabwehrmaßnahmen aus dem Haushalt weiterfinanziert werden müssten und in anderen Bereichen Haushaltssperren drohten.

Im Einzelnen gehe es dabei um die Bestandteile des sog. Brandenburg-Pakets, das 2023 und 2024 umgesetzt werden solle und für das die Kreditaufnahme des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 vorgesehen sei.

Den vielfältigen Herausforderungen aufgrund des Angriffskriegs auf die Ukraine - die Energiepreisentwicklung und das Steigen der Nahrungsmittelpreise, die zu erheblicher Inflation geführt hätten, und die Ausgabensteigerungen aufgrund der Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine - solle mit den Maßnahmen des Brandenburg-Pakets zum einen durch finanzielle Beteiligung des Landes an den Maßnahmen des Bundes zur Krisenbewältigung entgegengewirkt werden. Zum anderen sollten ergänzende Entlastungs-, Unterstützungs- und Anpassungsmaßnahmen in den Bereichen wirksam werden, die von den Maßnahmen des Bundes und der EU nicht oder nicht ausreichend abgedeckt würden. Die parlamentarische Begründung zur Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation (LT-Drs. 7/6685 vom 6. Dezember 2022, S. 3) nenne sechs Bereiche, in denen die Mittel einzusetzen seien. Diese sechs Maßnahmenbereiche bildeten das zentrale Handlungsfeld des Landes Brandenburg, um den zum Zeitpunkt der Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation bestehenden krisenhaften Herausforderungen zu begegnen. Sie seien in weitem politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden. Auch die Oppositionsparteien im Landtag hätten notlagenbezogene Unterstützungsmaßnahmen gefordert und ausdrücklich beantragt.

Nach der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 2023/2024 habe sich die Landesregierung auf einen Katalog von 70 Einzelmaßnahmen zur Krisenabwehr verständigt. Erginge eine einstweilige Anordnung, die die weitere Inanspruchnahme der Kreditermächtigung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 sowie die Anwendung des § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 zur Umsetzung der Maßnahmen bis zur Hauptsacheentscheidung aussetzte, wäre bei den Adressaten der Krisenabwehrmaßnahmen eine große Verunsicherung die Folge und damit ein erheblicher Nachteil für das Gemeinwohl, da die Planungssicherheit hinsichtlich der Verfügbarkeit öffentlicher Mittel entfiele. Nach dem Stand vom 1. Juni 2023 seien von den zur Verfügung stehenden 2 Milliarden Euro 1,156 Milliarden Euro noch nicht bewilligt.

Im Falle einer einstweiligen Anordnung käme ein Ausgleich der dann nicht verfügbaren Kreditermächtigung durch sonstige Haushaltsmittel grundsätzlich nicht in Betracht. Zum einen seien in den Haushaltsplänen für 2023 und 2024 in Vollzug zu bringende Einsparungen - globale Minderausgaben - von 342,7 Millionen Euro und 363,1 Millionen Euro veranschlagt, was 2,1 % und 2,2 % des jeweiligen Haushaltsvolumens entspreche und damit am oberen Rand möglicher globaler Minderausgaben liege. Damit bestünden im Haushalt an anderer Stelle keine Reserven. Zum anderen würden nach der aktuellen Steuerschätzung vom Mai 2023 für das laufende und das kommende Haushaltsjahr Steuermindereinnahmen von 7 Millionen Euro und 77 Millionen Euro prognostiziert; auch die Einnahmenentwicklung könne den (zeitweiligen) Entfall der Kreditermächtigung nicht kompensieren.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass mit dem Brandenburg-Paket teilweise zeitlich befristet auch rechtliche Verpflichtungen finanziert würden. Im Falle eines Aussetzens des Gesetzes durch eine einstweilige Anordnung müssten diese Maßnahmen in anderer Weise gedeckt werden, was die Haushaltsrisiken weiter erhöhen und die finanzielle Handlungsfähigkeit zusätzlich einschränken würde. Damit hätte eine einstweilige Anordnung unmittelbare Auswirkungen auf den Haushaltsvollzug, die nicht durch andere Haushaltsmittel kompensiert werden könnten. Die schweren Nachteile für die Handlungsfähigkeit des Staates würden unmittelbar eintreten.

Insgesamt würde der Erlass einer einstweiligen Anordnung dazu führen, dass die geplanten Krisenabwehrprogramme und Maßnahmen nicht weiter finanziert werden könnten. Das betreffe die gesamte Gesellschaft, Bürger, die regionale Wirtschaft vom Handwerk über kleine bis hin zu großen Unternehmen, die durch hohe Energieabhängigkeiten von den Folgen des Ukraine-Schocks besonders betroffen seien. Auch Kommunen und soziale Einrichtungen wären in besonderer Weise betroffen.

Erginge eine einstweilige Anordnung nicht, käme das Verfassungsgericht in der Hauptsache aber zu dem Ergebnis einer Unvereinbarkeit der angegriffenen Normen mit Art. 103 Abs. 2 LV, hätten die Antragsteller ihr Kontrollziel erreicht. Unzutreffend sei in diesem Zusammenhang die Behauptung, im Wege der Entscheidung der Hauptsache könne allein eine nachträgliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Haushaltsgesetzes erreicht werden. Der Doppelhaushalt 2023/2024 gelte bis zum Ende des Jahres 2024 und entfalte bis zu diesem Zeitpunkt Ermächtigungswirkungen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei auch eine Entscheidung in der Hauptsache erreichbar; bis dahin nicht genutzte Kreditermächtigungen könnten zurückgenommen werden. Hierbei sei noch einmal zu berücksichtigen, dass die Grundsätze der geordneten Finanz- und Haushaltsplanung die Erstreckung einer Verfassungswidrigkeit in die Vergangenheit (ex tunc) ausschlössen. Für einen solchen gravierenden Übergriff in den Handlungsbereich der ersten und zweiten Gewalt gebe es keine Rechtfertigung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht, wie dargelegt, aus der von den Antragstellern herangezogenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2011 (VerfGH 19/10), in dessen Hauptsache es um die Verfassungsmäßigkeit einer kreditfinanzierten Rücklage gegangen sei. Der brandenburgische Haushaltsgesetzgeber hingegen habe für die Jahre 2023/2024 für die Deckung notlagenindizierter Ausgaben Vorsorge zu treffen gehabt. Veränderte eine einstweilige Anordnung diese rechtlichen Handlungsmöglichkeiten, läge darin ein schwerer Nachteil, der nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg zu verhindern sei. Auch dies spreche für den weiteren Vollzug des Gesetzes.

Soweit die Antragsteller meinten, ein weiterer Vollzug des Gesetzes begründe Zinsverpflichtungen und verenge den Spielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber, sei darauf zu verweisen, dass Zins- und Tilgungsleistungen keine aktuelle Belastung begründeten. Mit Blick auf zukünftige Belastungen gelte, dass zukünftige Haushaltsgesetzgeber zahlreiche und unter Umständen heute noch nicht erkennbare Gestaltungsmöglichkeiten auf der Einnahmen- und Ausgabenseite hätten, die den Vorgriff in die Zukunft relativierten.

Zugunsten des Gesetzgebers seien schließlich die Gründe zu bewerten, die bei summarischer Prüfung für die Verfassungsgemäßheit der angegriffenen Norm sprächen.

Die Beurteilung, ob eine Notsituation im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV vorliege, sei grundsätzlich dem Gesetzgeber zugewiesen. Es handele sich um eine Frage der politischen Einschätzung mit erheblichen finanziellen Konsequenzen. Diese Entscheidung könne in der repräsentativen Demokratie nach der Landesverfassung nur im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren getroffen werden. Die Verfassung, hier insbesondere die bewusst offen formulierten Voraussetzungen der Notlagenverschuldung, ziehe den verbindlichen Rahmen, innerhalb dessen durchaus verschiedene Verständnisse möglich seien. Dabei komme dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der zu respektieren sei. Auch die verfassungsgerichtliche nachträgliche Kontrolle müsse darauf beschränkt sein, ob die Beurteilung und Einschätzung des Gesetzgebers nachvollziehbar und vertretbar seien.

Der Verfassungsgeber des für den Notlagebegriff in Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV Orientierung bietenden Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG habe sich bewusst einer abschließenden Definition der Notlage wegen der Vielzahl und Unterschiedlichkeit denkbarer Anwendungsfälle enthalten.

Liege eine Notlage vor, gelte für die mögliche Kreditaufnahme auf der Rechtsfolgenseite ein Rahmen. Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV enthalte keine betragsmäßige, absolute Grenze der Verschuldungshöhe. Der Rahmen werde relativ, in Abhängigkeit von der Krise, bestimmt. Es dürften solche, aber auch nur solche Mittel durch Kredite beschafft werden, die zur Überwindung und Bewältigung der Notsituation notwendig seien. Die Entscheidung über konkrete, den Kreditbedarf auslösende Maßnahmen sei nicht verfassungsrechtlich determiniert. Grundsätzlich verfüge der Haushaltsgesetzgeber über ein weites Ermessen, welche haushaltsrechtlichen Möglichkeiten er zur Krisenbewältigung einsetze. Aus der möglichen Ungewissheit über die tatsächliche Eignung der Maßnahme zur Überwindung der Ausnahmesituation folge sein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Hierbei dürfe und müsse er auch die gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der in Betracht kommenden Maßnahmen einschätzen und bewerten. Die gebotene Gesamtabwägung sei primär eine politische Aufgabe des Haushaltsgesetzgebers.

Die Landesregierung meint, dass zwischen der Notlage, der Kreditaufnahme und der konkret finanzierten Maßnahme ein Veranlassungszusammenhang im Sinne einer Krisenkonnexität bestehen müsse. Diesen Vorgaben entspreche § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024.

Der Ukraine-Krieg sei ein von außen kommendes Ereignis. Es sei für den Gesamtstaat Bundesrepublik und erst recht für das Land Brandenburg unkontrollierbar. Die Folgen habe der Gesetzgeber bei seinem Beschluss zur Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation benannt: Erhebliche Mehrkosten bei der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge samt aller erforderlicher Maßnahmen auf den Gebieten vor allem der Sozial- und Bildungspolitik, ferner die Vervielfachung der Energiepreise mit erheblichen Auswirkungen auf die ökonomischen Rahmenbedingungen bis hin zur gegenwärtigen Rezession und den Folgen für die energetische Transformation. Die vom Gesetzgeber bezeichneten und zu finanzierenden Gegenmaßnahmen seien - im Rahmen der Handlungsmöglichkeiten des Landes - nach der plausiblen und im Rahmen des Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers maßgeblichen Einschätzung des Haushaltsgesetzgebers notwendig. Dabei sei es dem Gesetzgeber auch möglich, mittelbare Folgen des „Ukraine-Schocks“ einzubeziehen. Nur so könne dem Sinn der Notlagenermächtigung, die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten und zu stärken, entsprochen werden. Die Landesregierung verweist insofern auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 1. April 2022 (VGH N 7/21), wonach auch solche Folgekosten und Nebenzwecke kreditfinanzierbar seien, die einen mittelbaren Zusammenhang zu der Notsituation aufwiesen.

Der „Ukraine-Schock“ habe unmittelbare und mittelbare Folgen mit erheblichen Beeinträchtigungen der Finanzlage des Landes ausgelöst. Dies betreffe die erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine, die neben dem Bund vorrangig das Land und seine Kommunen belasteten. Darüber hinaus wirkten sich die erhöhten Energiepreise in allen Handlungsfeldern des Landes aus, von erhöhten Eigenkosten in der Verwaltung über notwendige Hilfen an energieintensive Bereiche der Wirtschaft, der sozialen und kulturellen Institutionen und die Kommunen.

Die Krisenabwehrmaßnahmen seien nachvollziehbar, plausibel und vertretbar, sowie krisenangemessen. Von einer - von den Antragstellern behaupteten - offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der Maßnahmen könne nicht die Rede sein. Gerade umgekehrt gehe es um die Erhaltung der verfassungsrechtlich geforderten Handlungsfähigkeit des Landes in der Krise. Es gebe keine durch den Vollzug des Brandenburg-Pakets drohenden Schäden, die durch eine einstweilige Anordnung abzuwehren wären. Solche Schäden drohten vielmehr umgekehrt, wenn die Umsetzung der Krisenreaktionsmaßnahmen ausgesetzt würde.

Selbst bei summarischer Prüfung sprächen daher die gewichtigeren Gründe für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Das sei bei der Folgenabwägung im Rahmen einer einstweilen Anordnung zu berücksichtigen, um die originäre Gestaltungszuständigkeit des Gesetzgebers zu schützen. Dies gelte selbst bei einer offeneren Einschätzung des Ausgangs der Hauptsacheentscheidung. Mit Blick speziell auf das Haushaltsgesetz habe das Bundesverfassungsgericht kürzlich im Beschluss vom 22. November 2022 (2 BvF 1/22) formuliert: Wenn die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellationen etwa gleichwertig gegenüberstünden, verbiete es der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt sei, ob es vor der Verfassung Bestand habe.

IV.

Der Landtag hält den Antrag für unzulässig, weil mit ihm der Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt werde, die zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen würde. Jedenfalls erweise sich der Antrag als unbegründet. Weder eine Evidenzkontrolle noch eine summarische Prüfung noch eine Folgenabwägung sprächen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung.

1. Würden § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung durch das Verfassungsgericht bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt, könnten - bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache - zur Bekämpfung der Folgen des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Haushaltsjahr 2023 und ggf. 2024 keine Kredite aufgenommen werden und keine entsprechenden über- und außerplanmäßigen Ausgaben bewilligt werden. Der Vollzug könne in den jeweiligen Haushaltsjahren nicht nachgeholt werden. Kredite könnten nicht rückwirkend aufgenommen werden.

Es liege in der Natur der Sache des Haushaltsgesetzes als Zeitgesetz, dass die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führe, wenn die beantragte einstweilige Anordnung erlassen werde, weil der Haushaltsvollzug weder rechtlich noch tatsächlich nachgeholt werden könne. Dies gelte insbesondere, wenn es beim Haushaltsvollzug in besonderem Maße darauf ankomme, die zu finanzierenden Maßnahmen zeitnah zu ergreifen, wie dies im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Überwindung von außergewöhnlichen Notsituationen im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV der Fall sei.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unbegründet.

a. Schon im Regelfall müssten die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machten. Im Fall der (vorläufigen) Außervollzugsetzung eines Gesetzes müssten sie darüber hinaus besonderes Gewicht haben. Dies gelte auch, wenn die Aussetzung des Vollzugs eines Haushaltsgesetzes begehrt werde. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ein Parlamentsgesetz stelle einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dar. Die parlamentarische Gestaltungsfreiheit bedürfe auch und gerade in solchen Bereichen eines besonderen Schutzes, in denen gesetzgeberischen Entscheidungen typischerweise keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Bürger zukomme - wie beim Haushaltsgesetz. Dem Gesetzgeber komme bei der Haushaltsgesetzgebung nach Art. 101 Abs. 3 LV eine überragende verfassungsrechtliche Stellung zu. Er treffe mit der Entscheidung über den Haushaltsplan, der ein Wirtschaftsplan und zugleich ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform sei, eine wirtschaftliche Grundentscheidung für zentrale Bereiche der Politik während des Planungszeitraums. Haushaltsgesetz und Haushaltsplan seien eines der zentralen Steuerungsinstrumente des Parlaments gegenüber der Regierung. Deshalb sei die Aussetzung des Vollzugs eines Haushaltsgesetzes an besonders strengen Anforderungen zu messen.

b. Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung hätten die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen würden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiesen sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Eine Prüfung auf eine offensichtliche Begründetheit sei nur in Ausnahmekonstellationen - wie der drohenden Vereitelung von Grundrechtsschutz - angezeigt. Eine Rechtsschutzlücke, die durch eine erst nach Ablauf des Haushaltsjahres ergehende Entscheidung des Verfassungsgerichts entstehen könnte, könne nicht mit einer Situation gleichgesetzt werden, in der die irreversible Verletzung von Grundrechten zu befürchten sei. Funktional sei die Verletzung objektiven Verfassungsrechts (hier: Art. 103 Abs. 2 LV) nicht mit der Verletzung von Grundrechten vergleichbar.

Aus den Fällen, in denen das Bundesverfassungsgericht eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vornehme (Verletzung der Schutzgüter des Art. 79 Abs. 3 GG; Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen) könne kein allgemeiner Grundsatz abgeleitet werden, wonach im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung allein wegen der drohenden Schaffung von irreversiblen Folgen eine Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache stets geboten wäre. Diese Gesichtspunkte seien im Rahmen der Folgenabwägung zu berücksichtigen.

Wenn das Ergebnis der anzustellenden Folgenabwägung sei, dass die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellationen einander in etwa gleichgewichtig gegenüberstünden, verbiete es der Grundsatz der Gewaltenteilung, das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt sei, ob es vor der Verfassung Bestand habe. Danach könne der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben. Selbst bei einer Evidenzkontrolle oder summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache wäre das Ergebnis nicht, dass die Hauptsache offensichtlich begründet wäre. Offensichtliche Begründetheit sei schon deshalb zu verneinen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Art. 103 Abs. 2 LV in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg bisher keine Konturierung erfahren hätten. Gleiches gelte für vergleichbare Regelungen auf der Bundesebene. Auch die Rechtsprechung von Verfassungsgerichten anderer Länder gehe teils weit auseinander und lasse allenfalls grobe Konturen erkennen. Im Übrigen würden sich § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 - im Falle einer hier nicht vorzunehmenden Evidenzkontrolle oder summarischen Prüfung - als materiell vereinbar mit Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV erweisen.

aa. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen vielfältige Folgen stelle eine außergewöhnliche Notsituation im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV dar.

An die Darlegung und Begründung der gesetzgeberischen Einschätzung und Beurteilung seien im Rahmen der der Nachvollziehbarkeits- und Vertretbarkeitskontrolle keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Anderenfalls würde die verfassungsgerichtlich nur eingeschränkte Überprüfbarkeit der von der Verfassung in die Verantwortung des Gesetzgebers gelegten Entscheidung über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen, die beispielsweise in dem Beschlusserfordernis des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV zum Ausdruck käme, überkompensiert. Strenge prozedurale Anforderungen seien im Wortlaut von Art. 103 Abs. 2 LV nicht angelegt. Zu strenge Anforderungen würden dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung, in Krisenzeiten die (finanzielle) Handlungsfähigkeit des Staates zu stärken, zuwiderlaufen. Würden an den Detailgrad der Darlegungen und Begründungen überzogene Anforderungen gestellt, könnte der Staat auf Krisen, die ein sofortiges Handeln erfordern, nicht kurzfristig regieren, wie es durch die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen gerade bezweckt sei. Je offensichtlicher die tatbestandlichen Voraussetzungen vorlägen, je größer der allgemeine politische Konsens über deren Vorhandensein sei, je vielfältiger, unberechenbarer, umfassender und einschneidender die krisenhafte Situation sei, desto geringer müssten die Begründungs- und Darlegungslasten ausfallen.

Der Krieg gegen die Ukraine wirke als exogener Schock auf die Wirtschaftsabläufe in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Brandenburg ein. Aus dem Krieg und dessen Folgen ergäben sich auch für das Land Brandenburg einschneidende humanitäre, gesellschaftliche und wirtschaftliche Verwerfungen (u. a. steigende Verbraucherpreise, erhöhte Produktionskosten für Unternehmen), deren weitere Entwicklung derzeit nicht absehbar sei und auch landesseitige Stützungs- und Abfederungsmaßnahmen erforderlich machten. Die wirtschaftlichen Verwerfungen, insbesondere die Energiepreisexplosion und die rasant steigende Inflation, seien nicht Ausdruck typischer Wirtschaftszyklen, sondern unmittelbare Kriegsfolge. Der Landtag verweist auf das Jahresgutachten 2022/23 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung „Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten“ vom 28. Oktober 2022, den Bericht zur kurz- und mittelfristigen Entwicklung der Weltwirtschaft „World Economic Outlook Update: Inflation Peaking amid Low Growth“ von Januar 2023 sowie die Europäische Wirtschaftsprognose der EU-Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, für Winter 2023 „European Economic Forecast Institutional Paper 194“ von Februar 2023.

Angesichts des allgemeinen politischen und wissenschaftlichen Konsenses - auch der Antragsteller - darüber, dass der Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen für die Bundesrepublik Deutschland und das Land Brandenburg eine außergewöhnliche Notsituation sei, träfen den Haushaltsgesetzgeber bzw. Landtag keine überzogenen Begründungs- und Darlegungslasten hinsichtlich des Bestehens der außergewöhnlichen Notsituation. In einem solchen offensichtlichen, im Gesetzgebungsverfahren unbestritten gebliebenem Fall würde eine Darlegungs- und Begründungslast keinen Kontroll- oder Transparenzzuwachs bringen; sie liefe auf eine bloße Förmelei hinaus. Darlegungs- und Begründungslasten würden überspannt, wenn bei deutschlandweiten Kriegsfolgen und Wirtschaftskrisen im Einzelnen dargelegt und begründet werden müsste, inwiefern diese bundesweite Krise auch das Land Brandenburg treffe. In einem Wirtschaftsraum, der so weitgehend integriert sei wie die Bundesrepublik Deutschland, wirkten sich derartig grundlegende wirtschaftliche Verwerfungen zwangsläufig auf alle Gliedstaaten aus.

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen Folgen entzögen sich auch der Kontrolle des Staates. Es liege weder in den Einflussmöglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland noch des Landes Brandenburg, den Krieg zu beenden. Dies sei derart offensichtlich, dass es einer detaillierten Darlegung und Begründung seitens des Haushaltsgesetzgebers nicht bedurfte habe.

Die Ausgaben, die für die Beseitigung der aus dem Krieg in der Ukraine folgenden Verwerfungen in Brandenburg und für etwaige vorbeugende Maßnahmen erforderlich seien, beeinträchtigten die Finanzlage des Landes Brandenburg erheblich im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV. In Anbetracht der tiefgreifenden Verwerfungen infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine seien vielfältige Unterstützungsmaßnahmen auf allen staatlichen Ebenen erforderlich geworden, die so zuvor nicht geplant gewesen seien (z. B. Flüchtlingskosten).

Soweit die Antragssteller vorbrächten, es sei nicht hinreichend dargelegt worden, wieso neben Hilfsprogrammen seitens der EU und des Bundes eigene Hilfsprogramme des Landes Brandenburg erforderlich seien, erläuterten die Antragsteller selbst nicht, mit welchen Maßnahmen sich der Landtag ihrer Auffassung nach hätte auseinandersetzen müssen. Angesichts der Vielschichtigkeit der Krise, der dynamischen Entwicklung des Kriegs- und Krisengeschehens und der vielfältigen Auswirkungen auf alle staatlichen Ebenen könne vom Haushaltsgesetzgeber nicht verlangt werden, dass er alle Maßnahmen anderer Ebenen in ihrer genauen Ausgestaltung antizipiere, auf ihre potentielle Wirksamkeit überprüfe und gegebenenfalls die Unwirksamkeit oder verbleibende Lücken detailliert darlege und begründe, wieso eigene Maßnahmen des Landes Brandenburg erforderlich seien. Eine solche Anforderung würde den weitreichenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers de facto auf Null reduzieren und dem Sinn und Zweck der Ausnahme vom Neuverschuldungsverbot, die Handlungsfähigkeit des Landes Brandenburg auch in Krisensituationen aufrechtzuerhalten, zuwiderlaufen.

bb. Entgegen der Auffassung der Antragsteller überschreite der Umfang der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 enthaltenen Kreditermächtigungen nicht den von Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV gezogenen Rahmen. Die in § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 vorgesehenen Maßnahmen erwiesen sich weder als zu unbestimmt, noch als zur Krisenbewältigung ungeeignet.

cc. Zunächst sähen weder Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG noch Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV eine konkrete (absolute) Begrenzung der Höhe der zulässigen Kreditaufnahme vor.

Ob die zulässige Neuverschuldung durch das Erfordernis eines spezifischen Veranlassungszusammenhangs zwischen der Notsituation und der Neuverschuldung begrenzt werde und verfassungsgerichtlich überprüfbar sei, sei eine sich im Hauptsacheverfahren stellende Frage. Zudem werde die Frage eine Rolle spielen, inwiefern der Verfassungsgerichtsbarkeit bei der Prüfung der Eignung der Krisenbewältigungsmaßnahmen im Einzelfall funktionale Grenzen gesetzt seien; es könne nicht Aufgabe einer Eignungsprüfung durch das Verfassungsgericht sein, einzelne Maßnahmen aus dem Gesamtgefüge der geplanten Maßnahmen herauszubrechen und isoliert auf ihre Eignung, aufgegebene Einsparungsmöglichkeiten oder ähnliches zu untersuchen. Ein hinreichender Veranlassungszusammenhang zwischen den vorgesehenen kreditfinanzierten Krisenbewältigungsmaßnahmen und dem auslösenden Kriegsgeschehen in der Ukraine sei in dem Beschluss über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation (LT-Drs. 7/6685) und der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Haushalt und Finanzen (LT-Drs. 7/6783) dargelegt und begründet worden, der einer Nachvollziehbarkeits- und Vertretbarkeitskontrolle standhalte, wozu der Landtag im Einzelnen ausführt.

dd. § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 genüge auch den Bestimmtheitsanforderungen, die an kreditfinanzierte Krisenbewältigungsmaßnahmen hinsichtlich der Zweckbestimmung zu stellen seien. Weder bei Beschlussfassung über das Haushaltsgesetz 2023/2024 am 16. Dezember 2022 noch heute sei hinreichend konkret absehbar, in welchem Ausmaß und mit welchen Mitteln eine Abfederung der Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine im Einzelnen erforderlich werde. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass im Haushaltsgesetz 2023/2024 (einschließlich des Haushaltsplans) keine kleinteiligste Maßnahmenbestimmung erfolgt sei und die Konkretisierung der Mittelverwendung zum Teil erst im Haushaltsvollzug zu erfolgen habe. Mit dem in § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 vorgesehenen Verfahren könnten Mittel für Akutmaßnahmen, die angesichts der unberechenbaren Lage jederzeit erforderlich werden könnten, schnell mobilisiert werden. Bei einer detaillierten Festschreibung geplanter Maßnahmen im Haushaltsgesetz oder Haushaltsplan würden sonst gegebenenfalls im Vollzug nur eingeschränkt mögliche Mittelumschichtungen erforderlich.

ee. Sollte das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg einen finalen Veranlassungszusammenhang verlangen, werde in der Hauptsache zudem zu klären sein, ob die Prüfung der Zulässigkeit einer notlagenbedingten Kreditaufnahme Elemente einer Verhältnismäßigkeit beinhalten müsse; die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte anderer Länder verneine dies.

Auch die als besondere Ausprägung des Erforderlichkeitskriteriums zu verstehende Forderung nach vorheriger Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Konsolidierungskräfte des Haushalts zur Reduzierung der Neuverschuldung lasse sich mit Art. 103 Abs. 2 LV nicht begründen. Eine solche wertende Einschränkung würde dem Gesetzgeber in Fällen von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen mittelbar Ausgaben- und damit Aufgabenbeschränkungen auferlegen, die dem Telos der Ausnahmeregelung, nämlich der Beseitigung und Vorbeugung von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen, zuwiderliefen. Daher müsse die anderweitige Verwendung möglicherweise bestehender Rücklagen entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht begründet werden und unterliege auch keiner verfassungsgerichtlichen Prüfung.

3. Die Folgenabwägung ergebe, dass die Nachteile, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Normenkontrollantrag in der Hauptsache der Erfolg aber zu versagen wäre (a.), die Nachteile, die zu befürchten seien, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung unterbliebe, der Normenkontrollantrag in der Hauptsache jedoch Erfolg hätte (b.), erheblich überwögen (c.).

a. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung, würde ein wesentlicher Teil des Haushaltsgesetzes 2023/2024 außer Vollzug gesetzt. Ein solches (teilweises) Außervollzugsetzen eines Haushaltsgesetzes sei ein erheblicher Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers.

Wollte der Haushaltsgesetzgeber die vorgesehenen und geplanten Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges auf die Ukraine dennoch durchführen, so stellten sich in erheblichem Umfang Fragen der haushaltspolitischen Priorisierung für die Haushaltsjahre 2023/2024 neu. Die bereits getroffenen Priorisierungsentscheidungen des Haushaltsgesetzgebers wären mit dem zusätzlichen Bedarf, der auf die Ersetzung der außer Vollzug gesetzten Kreditermächtigungen entfiele, neu abzuwägen und gegebenenfalls zu korrigieren, worin ein gewichtiger Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers läge.

Alternativ würde der Erlass der einstweiligen Anordnung zu einer Situation führen, in der die von der Landesregierung geplanten Programme zur Bewältigung der Auswirkungen des Angriffskrieges auf die Ukraine nicht weiter finanziert werden könnten. Die in § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 zum Ausdruck kommenden Zwecke könnten dann jedenfalls kurz- und mittelfristig nicht erreicht werden. Dies würde zu erheblichen sozialen, wirtschaftlichen und humanitären Verwerfungen führen. Die damit verbundenen sozialen, wirtschaftlichen und humanitären Folgen wären für die Bürger des Landes Brandenburg erheblich und träfen sie unmittelbar. Sie könnten aktuell nicht mehr beseitigt werden, auch wenn sich später die Verfassungsmäßigkeit des Haushaltsgesetzes erweisen sollte. Ein Nachholen der geplanten Maßnahmen in späteren Haushaltsjahren käme angesichts der zeitlichen Verbindung zur außergewöhnlichen Notsituation kaum in Betracht und könnte nicht die gleiche Wirkung entfalten.

b. Würde die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen und stellte sich in der Hauptsache heraus, dass die Kreditermächtigungen in § 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 verfassungswidrig waren, könnte es zu verfassungswidrigen Verpflichtungen zulasten des Landeshaushalts in Höhe von bis zu 2 Milliarden Euro kommen.

Für die Annahme eines besonders schwerwiegenden Verfassungsverstoßes würde es an einem mit Art. 79 Abs. 3 GG vergleichbaren Schutz der möglicherweise verletzten Verfassungsnorm (Art. 103 LV) fehlen. Eine Gewichtung der Schwere des Verfassungsverstoßes, die sich nicht am materiellen Gehalt der möglicherweise verletzten Verfassungsnorm, sondern an der finanziellen Belastung des Haushalts orientiert, käme von vornherein nicht in Betracht, weil sie den Charakter von Verfassungsrecht missachtete und auf eine Bewertung der Schwere eines Verfassungsverstoßes anhand mathematischer Formeln hinausliefe.

Da nicht zwingend sei, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichts in der Hauptsache erst im Jahr 2025 erginge, sei auch nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass die Kreditermächtigungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufgebraucht wären. Wenn bzw. soweit die Hauptsacheentscheidung zu spät käme, folgte daraus eine Belastung des Landeshaushalts mit finanziellen Verpflichtungen (Schuldzins und Tilgung) aus verfassungswidrigen Einnahmen aus Krediten. Dieser Schaden wäre jedoch nicht irreversibel. Dem Haushaltsgesetzgeber stünden unterschiedliche Möglichkeiten zur Bewältigung dieser finanziellen Folgen für den Landeshaushalt zur Verfügung.

c. Die für eine einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssten schon im Regelfall so schwer wiegen, dass ihr Erlass unabdingbar wäre. Werde mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung eines Gesetzes - auch eines Haushaltsgesetzes - begehrt, müssten diese schwerwiegenden Gründe besonderes Gewicht haben. Solche besonders schwerwiegenden Gründe wären gegeben, wenn die drohenden Nachteile irreversibel seien. Seien die drohenden Nachteile dagegen nur sehr erschwert revidierbar, überwiege das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse nicht. Die Anwendung dieser Maßstäbe angewendet führe hier zu dem Ergebnis, dass die Nachteile bei Erlass einer einstweiligen Anordnung und späterem Misserfolg des Antrags die Nachteile überwögen, die bei einem Unterlassen der einstweiligen Anordnung und späterem Erfolg des Antrags in der Hauptsache einträten.

V.

Der Landesrechnungshof verweist bezüglich der aus seiner Sicht zu berücksichtigenden verfassungsrechtlichen Erwägungen auf seine Stellungnahme zum Hauptsacheverfahren.

1. Zu der Frage, ob § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Satz 1 Haushaltsgesetz 2023/2024 mit Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV vereinbar seien, führt der Landesrechnungshof aus:

Die Beurteilung des Gesetzgebers, es habe eine außergewöhnliche Notlage vorgelegen, sei vertretbar. Die zahlreichen, im Antrag angeführten Gründe ‌‑ Energieknappheit, Inflation, Flüchtlingskrise aufgrund der ukrainischen als auch anderen Flüchtlingsbewegungen - legten nahe, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt im Dezember 2022 von einer - sich rapide verschärfenden und nach Art und Maß unvorhersehbaren - Krise habe ausgegangen werden können. Angesichts der sich als ernsthaft und dringlich darstellenden Bedrohungsszenarien habe seinerzeit sogar von einem komplexen, multiplen Krisengeschehen ausgegangen werden können.

Nicht zu beanstanden sei, dass die Antragsbegründung auf die gesamtdeutschen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abgestellt habe. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass Auswirkungen gesamtdeutscher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und die Entwicklung von Inflation naturgemäß nicht vor innerdeutschen Ländergrenzen und damit auch nicht vor Brandenburg Halt machten. Bei dem im Beschluss dargestellten Krisenszenario aus Energieknappheit, steigenden Energiepreisen und allgemein hoher Teuerungsrate handele es sich gerade nicht um eine regional begrenzte Krise.

Ob § 2 Abs. 1 Satz 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 angesichts der in der Norm verwendeten, nicht näher definierten Begriffe (Energieknappheit, allgemeine Inflation) hinreichend bestimmt sei, sei fraglich. § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 wiederhole lediglich die zur Begründung einer außergewöhnlichen Notsituation angeführten Gründe, ohne diese näher zu bestimmen. Konkrete Maßnahmen würden nicht benannt; die Auslegung der aufgeführten unbestimmten Rechtsbegriffe werde dadurch der Exekutive überlassen.

Der Haushaltsgesetzgeber müsse darlegen, welche Erwägungen für seine Beurteilung der krisenhaften Situation und die zu ihrer Bewältigung ergriffenen Maßnahmen maßgeblich gewesen seien. Dies betreffe insbesondere die Gesamtsumme von Krediten, die kreditfinanzierten Projekte und Maßnahmenpakete, ihre Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit zur Krisenbekämpfung sowie die Dauer des kreditfinanzierten Krisenbewältigungsprogramms. Ihm stehe ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der einer Vertretbarkeitskontrolle unterliege.

Der Landesrechnungshof gibt zu bedenken, ob die Maßnahmen hinreichend bestimmt seien. Der Wortlaut der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen (LT-Drs. 7/6783), in der in sechs Ziffern die einzelnen Maßnahmenpakete aufgeführt und begründet worden seien, die zusammen das sog. Brandenburg-Paket bildeten, spreche gegen eine hinreichende Bestimmtheit. Anhand der Begründungen könne weder die Geeignetheit der kreditfinanzierten Maßnahmen zur Bewältigung der Krise überprüft werden noch deren Erforderlichkeit. Aufgrund der Verwendung nicht näher definierter Begriffe bei der Beschreibung der Maßnahmenpakete und Beispielsaufzählungen für Maßnahmen sei eine Begrenzung der Anwendungsbereiche nicht möglich. Konkrete Maßnahmen, wie die in den Überschriften der Maßnahmenpakete angeführte Zielstellung erreicht werden solle, würden nicht genannt. Welche Schritte zur Zielerreichung erforderlich seien, bleibe offen.

Darüber hinaus werfe die Veranschlagungspraxis des Brandenburg-Pakets weitere verfassungsrechtliche Fragen auf.

Dass im Haushaltsplan 2023/2024 lediglich eine Gesamtmittelveranschlagung für das Brandenburg-Paket mit der jeweils für das Haushaltsjahr geltenden Höchstgrenze für Ausgaben vorgenommen werde, berühre die Grundsätze der Vollständigkeit und der Einheit gemäß Art. 101 Abs. 2 Satz 1 LV. Der Grundsatz der Vollständigkeit (Art. 101 Abs. 2 Satz 1 LV) verlange, dass alle Einnahmen und Ausgaben des Landes in den Haushaltsplan einzustellen seien. Es solle erkennbar sein, aus welchen Quellen sich das Land finanziere und wofür und in welcher Höhe diese Einnahmen verausgabt werden. Daher müssten die im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben mit Zweckbestimmungen und Beträgen versehen sein. Nach dem Grundsatz der Einheit dürfe es nur einen Haushaltsplan, ein einziges „Rechenwerk“ für den Haushaltsgesetzgeber geben. Die Durchbrechung dieser Grundsätze führe jedoch nicht zwingend zu einer Beeinträchtigung des Budgetrechts des Parlaments.

Es sei fraglich, ob dem Parlament eine substanzielle Einflussmöglichkeit auf die Art und Weise der Mittelverausgabung verbleibe. Bei der beschriebenen Konstruktion im Haushaltsgesetz 2023/2024 kenne der Haushaltsgesetzgeber lediglich den rechtlichen sowie finanziellen Rahmen. Er wisse, bis zu welcher maximalen Höhe Kredite tatsächlich aufgenommen werden könnten und kenne die grobe allgemeine Zweckrichtung. Mangels Kenntnis konkreter Projekte und dafür vorgesehener Budgetansätze würden Entscheidungen zur jeweiligen Kreditaufnahme und der konkreten Mittelverwendung, mithin die Budgetverantwortung, weitestgehend der Exekutive übertragen. Der vorgesehene Antrags- und Bewilligungsmechanismus für die einzelnen, konkretisierten Maßnahmen bis zu einer Höhe von 7,5 Millionen Euro lege die Entscheidung über ihre Bewilligung ins alleinige Ermessen des Finanzministeriums. In der Folge sei für zahlreiche Mittel eine parlamentarische Mitwirkung ausgeschlossen. Die in § 10 Satz 4 Haushaltsgesetz 2023/2024 vorgesehene Berichtspflicht ermögliche lediglich eine Kenntnisnahme bewilligter Mittel, sie ersetze weder eine Mitwirkung noch eine Kontrolle der bereits stattgegebenen Mittel.

Der Landesrechnungshof ist der Auffassung, das Brandenburg-Paket und die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024 dafür vorgesehenen Kreditermächtigungen und Mehrausgaben gemäß § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 widersprächen dem Grundsatz der Jährlichkeit, da nicht in Anspruch genommene Ermächtigungen auch in das Haushaltsjahr 2024 übertragen werden dürften.

VI.

In weiteren Schriftsätzen haben die Antragsteller sowie die Äußerungsberechtigten ihr Vorbringen und ihre Auffassungen wiederholt und vertieft.

1. Mit Schriftsätzen vom 13. Juli 2023 und vom 4. August 2023 haben die Antragsteller auf die Stellungnahmen des Landtags, der Landesregierung und des Landesrechnungshofs repliziert. Sie betonen, dass eine Folgenabwägung nicht geboten sei, da § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 evident verfassungswidrig sei. Dies spreche für eine einstweilige Anordnung und ergebe auch eine Abwägung. Die Maßnahmen des Brandenburg-Pakets seien nicht durch die außergewöhnliche Notlage begründet. Es handele sich um allgemein-politische Projekte, denen es überwiegend am Veranlassungszusammenhang fehle. Art. 103 Abs. 2 LV sei eine Ausnahmenorm und daher eine Überprüfung im einstweiligen Anordnungsverfahren dringend geboten. Da bereits - Stand 1. Juni 2023 - von den geplanten 2 Milliarden Euro beinahe die Hälfte bewilligt worden sei, liege eine Zweckverfehlung des Gesetzes bei seiner Aussetzung fern. Es könnte höchstens zu einer zeitlichen Verzögerung der Auszahlung und Bewilligung des gesamten Kreditvolumens kommen. Wenn nur eine ex-nunc-Feststellung der Unvereinbarkeit erreicht werden könne, folge daraus, dass nicht zugewartet werden könne, bis eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache erfolge. Denn bis dahin wäre von dem verfassungswidrigen Gesetz bereits umfassend und insoweit endgültig Gebrauch gemacht worden. Die Antragsteller halten den Vortrag zum drohenden schweren Nachteil bei Aussetzen des Gesetzes für pauschal und unsubstantiiert. Von den geplanten 2 Mrd. Euro seien am 1. Juni 2023 bereits beinahe die Hälfte bewilligt worden. Es sei nicht vorgetragen, dass ein schwerer Nachteil entstünde, wenn nunmehr eine vorläufige einstweilige Anordnung erginge. Offen bleibe, inwieweit die behaupteten „Finanzierungslücken (…) nicht durch Steuermittel oder andere Finanzierungsquellen abgedeckt werden können“ und weshalb „laufende außergewöhnliche Belastungen sich nicht nachholend decken“ ließen. Relevant sei dabei auch, dass die angebliche „Finanzierungslücke“ unzulässigen Zwecke diene. Es müsse dargelegt werden, welche konkreten zulässigen Projekte deshalb nicht finanziert werden könnten. Gleiches gelte für Maßnahmen, die solche des Bundes und der EU ergänzen sollen. Dies werde nicht dargelegt. Der Verweis der Landesregierung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2022 (2 BvF 1/22) gehe fehl. Dort sei eine Folgenabwägung aufgrund der Annahme eines offenen Ausgangs des Verfahrens vorgenommen worden, wohingegen im vorliegenden Fall die Erfolgsaussichten offensichtlich gegeben seien.

Die Antragsteller sind der Ansicht, dass keine offenen klärungsbedürftigen Rechtsfragen dem Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegenstünden. Es sei „im Gegenteil so, dass die Verfassungsrechtsprechung der Länder (…) zu den hier gegenständlichen Maßnahmen eindeutig“ sei. Die vom Landtag betonten Ausführungen zur Relevanz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2022 (2 BvF 1/22) für das hiesige Verfahren teilen die Antragsteller nicht. Es sei falsch, die offensichtliche Begründetheit der Hauptsache zu verneinen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der maßgeblichen Verfassungsnorm (Art. 103 Abs. 2 LV) in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts bisher keine Konturierung erfahren habe. Der Antrag im Hauptsacheverfahren sei offensichtlich begründet, weil mehrere offensichtliche Verstöße im rechtlich auskonturierten Kontext festzustellen seien - die Antragsteller nennen unter anderem die Bestimmtheit, Veranlassungszusammenhang und Darlegungspflicht.

Im Rahmen der Folgenabwägung sei zu berücksichtigen, dass keine Nachteile drohten, wenn die einstweilige Anordnung erginge. Der Landtag und die Landesregierung hätten einen eigenen bzw. ihnen drohenden Nachteil nicht substantiiert behauptet. Dagegen, dass die Zwecke des Gesetzes endgültig vereitelt würden, spreche die bereits bis 1. Juni 2023 erfolgte Bewilligung in Höhe von circa 1 Milliarde Euro. Um die Schuldenbremse nicht leerlaufen zu lassen, müsse eine einstweilige Anordnung möglich sein.

2. Die Landesregierung betont in ihrer weiteren Stellungnahme vom 3. August 2023 insbesondere, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebe eine Vorwegnahme der Hauptsache, ohne hierfür spezifische Gründe geltend zu machen. Er sei auf die Außervollzugsetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 gerichtet. Ab dem Zeitpunkt einer solchen Feststellung dürften die Normen nicht mehr vollzogen werden, also keine weiteren Notlagenkredite aufgenommen und für Maßnahmen zur Notlagenbekämpfung verausgabt werden. Darin liege die inhaltliche und zeitliche Vorwegnahme der Hauptsache. Anders als die Antragsteller meinten, gebiete der Ausnahmecharakter des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV, der ausnahmsweise eine Neuverschuldung in einer außergewöhnlichen Notsituation erlaube, gerade keine vorläufige Außervollzugsetzung. Im Gegenteil sei aus dem Ausnahmecharakter abzuleiten, dass das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ohne Durchbrechung gelten müsse. Sinn und Zweck der in dieser Situation ausnahmsweise erlaubten Neuverschuldung liege darin, die Handlungsfähigkeit des Landes zu sichern und zu erhalten. Jedes Aussetzen in der Notsituation gefährde die in den Normen bestimmten Zwecke und Handlungsbereiche.

B.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Ob der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung möglicherweise wegen einer Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig ist, kann dahinstehen. Er ist jedenfalls unbegründet.

I.

Gemäß § 30 Abs. 1 Gesetz über das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

1. Ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg vorliegen, ist grundsätzlich, soweit sich das Begehren in der Hauptsache nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet darstellt, nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu beurteilen (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 26. Juli 2022 ‌‑ VfGBbg 9/22 EA ‑‌, Rn. 37, 39, vom 10. Dezember 2021 ‌‑ VfGBbg 24/21 EA ‑‌, Rn. 28, und vom 3. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 9/20 EA ‑‌, Rn. 38, ‌https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

a. Bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 30 Abs. 1 VerfGGBbg ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Beschlüsse vom 26. Juli 2022 ‌‑ VfGBbg 9/22 EA ‑‌, Rn. 50, vom 10. Dezember 2021 ‌‑ VfGBbg 24/21 EA ‑‌, Rn. 45, und vom 3. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 9/20 EA ‑‌, Rn. 38, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die Gründe müssen so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen. Das Verfahren nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg ist zudem nicht darauf angelegt, möglichst lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz vor dem Eintritt auch endgültiger Folgen zu bieten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2023 ‌‑ 2 BvE 4/23 ‑‌, Rn. 67 m. w. N., juris). Wird mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Außervollzugsetzung eines Gesetzes begehrt, gilt ein besonders strenger Maßstab. In diesem Fall kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn besonders wichtige Gründe des Allgemeinwohls diese erfordern. Dies ergibt sich sowohl aus dem Demokratieprinzip wie der dem Rechtsstaat zugrundeliegenden Gewaltenteilung, die grundsätzlich die Beachtung eines formell gültig zustande gekommenen Gesetzes als bindend und wirksam fordern, bis seine Verfassungswidrigkeit einwandfrei und endgültig im Hauptsacheverfahren festgestellt wird (vgl. Urteil vom 30. November 1993 ‌‑ VfGBbg 3/93 EA ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie im Fall der begehrten Außervollzugsetzung eines Gesetzes daher darüberhinausgehend besonderes Gewicht haben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 160, und vom 26. August 2015 ‌‑ 2 BvF 1/15 ‑‌, BVerfGE 140, 99-114, Rn. 12, juris).

Wenn die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellationen einander in etwa gleichgewichtig gegenüberstehen, verbietet es die mit Blick auf die Gewaltenteilung notwendige Zurückhaltung des Verfassungsgerichts, das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt ist, ob es vor der Verfassung Bestand hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 172, und vom 26. August 2015 ‌‑ 2 BvF 1/15 ‑‌, BVerfGE 140, 99-114, Rn. 12, und vom 26. März 2003 ‌‑ 1 BvR 112/03 ‑‌, BVerfGE 108, 45-52, Rn. 29, juris).

b. Dieser strenge Maßstab gilt auch für das Haushaltsgesetz. Eine Absenkung der Maßgaben für die Außervollzugsetzung von Gesetzen kann für den Sonderfall des Haushaltsgesetzes weder aus den rechtlichen noch aus den funktionellen Besonderheiten dieses Gesetzes gefolgert werden. Dass das Haushaltsgesetz als staatliches Binnenrecht keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfaltet, führt nicht dazu, dass die Gestaltungsentscheidung des Gesetzgebers im Verhältnis zum Verfassungsgericht und seinen Kompetenzen aus verfassungsrechtlicher Sicht weniger schutzwürdig wäre. Vielmehr bedarf die parlamentarische Gestaltungsfreiheit auch und gerade in solchen Bereichen eines besonderen Schutzes, in denen gesetzgeberischen Entscheidungen typischerweise keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Bürger zukommt. Insbesondere bei der Haushaltsgesetzgebung kommt dem Gesetzgeber eine überragende verfassungsrechtliche Stellung zu. Dieser trifft mit der Entscheidung über den Haushaltsplan, der ein Wirtschaftsplan und zugleich ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform ist, eine wirtschaftliche Grundentscheidung für zentrale Bereiche der Politik während des Planungszeitraums. Demnach ist die Aussetzung des Vollzugs eines Haushaltsgesetzes oder eines entsprechenden Änderungsgesetzes an besonders strengen Anforderungen zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 163, juris).

Eine Ausnahme für das Haushaltsgesetz ist auch nicht deshalb prinzipiell geboten, weil ihm eine zeitlich begrenzte Wirkung zukommt und ein Hauptsacheverfahren gegebenenfalls erst nach Ablauf der Geltungsdauer des Gesetzes entschieden würde. Zwar kann das Verfassungsgericht eine einstweilige Anordnung für notwendig befinden, wenn dem Gericht die erforderliche Zeit für eine gewissenhafte Prüfung der für die Entscheidung der Hauptsache erheblichen Rechtsfragen fehlt; auch dies setzt jedoch voraus, dass hierdurch absehbare schwere Nachteile vermieden werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2023 ‌‑ 2 BvE 4/23 ‑‌, Rn. 97, juris). Von entscheidender Bedeutung bleibt dabei, ob die inmitten stehenden Nachteile solcher Art und solchen Gewichts sind, dass sie vermögen, das Aussetzungsinteresse durchschlagen zu lassen, z. B. irreversible oder nur sehr erschwert revidierbare Nachteile drohen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 160, juris).

Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach allein wegen der drohenden Schaffung von irreversiblen Folgen durch die angegriffene Maßnahme eine (summarische) Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bereits im Eilverfahren stets geboten wäre oder eine Kontrolle auf eine evidente Begründetheit vorzunehmen wäre. Vielmehr stellt die Frage, ob durch die angegriffene Maßnahme ein endgültiger und nicht wiedergutzumachender Schaden eintreten oder nur unter ganz erheblichen Schwierigkeiten wiederausräumbare vollendete Tatsachen geschaffen würden, einen der Gesichtspunkte dar, welcher im Rahmen der umfassenden - aber ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmenden - Folgenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 169 m. w. N., juris).

Entgegen der Auffassung der Antragssteller entsteht dadurch, dass das Verfassungsgericht an dem grundsätzlichen Prüfungsmaßstab festhält, keine Rechtsschutzlücke. Der bewährte Maßstab schließt gerade nicht aus, dass ein Eilantrag, dem in der Hauptsache ein Normenkontrollverfahren gegen Regelungen eines Haushaltsgesetzes zugrunde liegt, Erfolg haben kann. Es ist eine Frage der Einzelfallkonstellation, ob die Folgenabwägung zugunsten des Aussetzungsinteresses ausfällt. Die Rechtsschutzmöglichkeit ist mithin eröffnet; lediglich die Erfolgsaussichten sind abhängig von dem konkret zur Prüfung stehenden Einzelfall.

c. Soweit die Antragsteller sich auf eine offensichtliche Begründetheit des Hauptsachebegehrens stützen, lassen sie außer Acht, dass im Verfahren nach § 30 VerfGGBbg die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, mithin die Erfolgsaussichten in der Hauptsache - jenseits der Berücksichtigung einer offensichtlichen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit - außer Betracht zu bleiben haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2023 ‌‑ 2 BvE 4/23 ‑‌, Rn. 68 m. w. N., juris). Zwar kann in Ausnahmekonstellationen - wie in bestimmten Fällen aus Gründen des Grundrechtsschutzes, z. B. bei Versammlungsverboten - eine summarische Prüfung angezeigt sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 170, vom 5. Mai 2021 ‌‑ 1 BvR 781/21 ‑‌, BVerfGE 157, 394-417, Rn. 29, und vom 23. Juni 2004 ‌‑ 1 BvQ 19/04 ‑‌, BVerfGE 111, 147-160, Rn. 15, juris). Eine Ausweitung dieser im Hinblick auf die Besonderheiten des Grundrechtsschutzes bestehenden Ausnahme auf sämtliche Fallgestaltungen, in denen der Eintritt von Folgen droht, welche nicht ohne Weiteres behebbar wären, ist nicht angezeigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 170, juris).

II.

Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antrag im Normenkontrollverfahren erweist sich weder insgesamt als offensichtlich unzulässig (1.) noch als unbegründet. Eine zuverlässige Aussage über die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags lässt sich in Ansehung der aufgeworfenen, bisher in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung weithin ungeklärten Fragen nicht treffen (2.). Darauf, ob der Normenkontrollantrag offensichtlich begründet ist, wie die Antragsteller meinen, kommt es dabei nach dem maßgeblichen Prüfungsmaßstab nicht an; es ist auch keine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache geboten (vgl. dazu bereits oben). Die vorzunehmende Folgenabwägung fällt gegen eine vorläufige Außervollzugsetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 aus (dazu 3.).

1. Der in der Hauptsache erhobene Normenkontrollantrag (Anträge zu 1. bis 3.) nach Art. 113 Nr. 2 LV, § 39 VerfGGBbg ist nicht offensichtlich unzulässig.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Hauptsache kommen in Bezug auf die Statthaftigkeit des Antrags zu 1. in Betracht, der darauf gerichtet ist, den Beschluss des Landtags über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV (BePr 7/77 i. V. m. LT-Drs. 7/6685, LT-Drs. 7/6685-B) isoliert für nichtig zu erklären. Zweifel bestehen, ob der mit dem Antrag zu 1. zur Überprüfung gestellte Beschluss des Landtags zulässiger Prüfungsgegenstand im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens ist.

Gemäß Art. 113 Nr. 2 LV entscheidet das Verfassungsgericht auf Antrag bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Landesrecht mit dieser Verfassung. Gemäß § 39 Nr. 1 VerfGGBbg ist der Antrag nur zulässig, wenn einer der Antragsberechtigten Landesrecht wegen seiner förmlichen oder sachlichen Unvereinbarkeit mit der Verfassung für nichtig hält.

Ob es sich bei dem Beschluss um mit dem Normenkontrollantrag überprüfbares „Landesrecht“ im Sinne des Art. 113 Nr. 2 LV, § 39 Nr. 1 VerfGGBbg handelt, ist fraglich. Zum überprüfbaren Landesrecht gehören formelle und materielle Landesgesetze (vgl. Lieber, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art.  113 LV, Anm. 2.2, S. 693). Welche Rechtsnatur dem Beschluss gemäß Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV zukommt, hat das Verfassungsgericht noch nicht entschieden. Sollte der Beschluss als schlichter Parlamentsbeschluss zu bewerten sein, dürfte eine isolierte Überprüfung nur in Ausnahmefällen und grundsätzlich nur insoweit in Betracht kommen, als sie funktionell an die Stelle eines Gesetzes treten, so etwa bei der Zustimmung zu Staatsverträgen zwischen Ländern, die in einigen Ländern lediglich per Parlamentsbeschluss erfolgt (vgl. Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 93, Rn. 121; Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG-Kommentar, Stand: Januar 2022, § 76 Rn. 30).

Die Klärung, ob der Beschluss, mit dem der Landtag eine außergewöhnliche Notlage im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV festgestellt hat, isoliert im Wege der abstrakten Normenkontrolle zur Überprüfung gestellt werden kann und welche Anforderungen im Hinblick auf weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen zu stellen sind, ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Von einer offensichtlichen Unzulässigkeit, auch des Antrags zu 1., ist mithin nicht auszugehen.

2. Der Normenkontrollantrag ist auch nicht offensichtlich unbegründet, und zwar weder hinsichtlich der Ermächtigung zu Kreditaufnahmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Haushaltsgesetz 2023/2024) noch im Hinblick auf die Ermächtigung zur Erteilung der Einwilligung in Mehrausgaben (§ 10 Haushaltsgesetz 2023/2024).

Eine offensichtliche Unbegründetheit ist schon deshalb zu verneinen, weil der Normenkontrollantrag gewichtige und komplexe verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die klärungsbedürftig sind und zu denen das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg bislang noch keine Rechtsprechung ausdifferenziert hat.

a. Anders als das Vorbringen in der Antragsschrift in weiten Teilen nahelegen könnte, besteht keine einheitliche Rechtsprechung zu den zu bedenkenden Rechtsfragen. Zwar sind die Bestimmungen der Landesverfassung, die die Antragsteller für maßgeblich erachten - Art. 103 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 2 und 3 LV -, den Vorschriften des Grundgesetzes - Art. 109 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG und Art. 115 Abs. 2 Sätze 6 bis 8 GG - nachgebildet. Die Normen sind im Zuge der Föderalismusreform II (vgl. BT-Drs. 16/3885) im Jahr 2009 grundlegend umgestaltet worden (vgl. Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 115 Rn. 4 f.; Art. 109 Rn. 35, Vorb. zu Art. 104a-115 Rn. 10). In die Landesverfassung haben die Regelungen erst im Jahr 2019 Eingang gefunden (vgl. Siebentes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg vom 16. Mai 2019, GVBl.I/19, [Nr. 16]). Es fehlt insbesondere an einer gewachsenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die notlagebedingte Kreditaufnahme (Art. 109 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Art. 115 Abs. 2 Sätze 6 bis 8 GG), die zur Auslegung und vergleichend herangezogen werden könnte. Die Tatbestandsvoraussetzungen der maßgeblichen Verfassungsnormen haben in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bislang noch keine Konturierung erfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 175, juris).

Soweit Verfassungsgerichte anderer Bundesländer sich mit notlagebedingten Kreditaufnahmen befasst haben (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 1. April 2022 ‌‑ VGH N 7/21 ‑‌, juris; HessStGH, Urteil vom 27. Oktober 2021 ‌‑ P.St. 2783 ‑‌, juris; VerfGH NRW, Urteil vom 15. März 2011 ‌‑ VerfGH 20/10 ‑‌, juris), bedarf es angesichts des mitunter abweichenden Wortlauts der anzuwendenden Bestimmungen und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Fallkonstellationen einer eingehenden Prüfung, ob und inwiefern dort herausgearbeitete Maßstäbe für das hiesige Verfahren bedeutsam sein können. Sie können nicht ohne vertiefte Prüfung herangezogen werden.

b. Derzeit erscheint es vor dem Hintergrund der offenen und klärungsbedürftigen Fragen (aa.) jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das angegriffene Gesetz den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die notlagenbedingte Kreditaufnahme aus Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV nicht in jeder Hinsicht entspricht (bb.). Ebenso ist angesichts der zu klärenden Fragen die Möglichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Haushaltsgrundsätze berührt und verletzt sein können.

Gemäß Art. 103 Abs. 1 Satz 1 LV ist der Haushalt des Landes grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Diese Bestimmung entspricht Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG. Nach Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV, der der grundgesetzlichen Bestimmung des Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG nachgebildet ist, kann im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, aufgrund eines Beschlusses des Landtages von dem in Art. 103 Abs. 1 LV genannten Grundsatz - der sog. Schuldenbremse, d. h. dem Verbot einer strukturellen Neuverschuldung - abgewichen werden.

aa. Dabei ist insbesondere noch offen, welche Tatbestandvoraussetzungen für eine Kreditaufnahme in außergewöhnlichen Notsituationen gemäß Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV erfüllt sein müssen. Art. 103 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LV lauten: „Im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, kann aufgrund eines Beschlusses des Landtages von dem in Absatz 1 genannten Grundsatz abgewichen werden. Der Beschluss nach Satz 2 ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden.“

Klarheit besteht im Wesentlichen über die formellen Voraussetzungen, die eine notlagebedingte Kreditaufnahme nach Art. 103 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LV verlangt: Es muss ein Mehrheitsbeschluss des Landtags getroffen werden, mit dem das Abweichen vom Neuverschuldungsverbot aufgrund einer außergewöhnlichen Notsituation im Sinne des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV festgestellt wird (Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV). Weitere formelle Anforderung ist die Verbindung des Beschlusses mit einem Tilgungsplan (Art. 103 Abs. 2 Satz 3 LV).

In materieller Hinsicht dürfte zu prüfen sein, ob über das Merkmal „Fall von (…) außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ hinaus noch weitere ungeschriebene Tatbestandsmerkmale zu prüfen sind. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Bestehen und eine etwaige Reichweite eines sogenannten Veranlassungszusammenhangs. Dabei stellt sich die Frage, ob erstens eine Kausalbeziehung zwischen Notsituation und dem erhöhten Finanzbedarf bzw. Kreditaufnahme bestehen muss, und zweitens, ob es ggf. zusätzlich eines Veranlassungszusammenhangs bedarf (bisher offengelassen: BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 189 f., juris; einen solchen aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Wortlauts der Landesverfassungsbestimmung (Art. 117 Abs. 1 Verfassung für Rheinland-Pfalz, LV RP) annehmend: VerfGH RP, Urteil vom 1. April 2022 ‌‑ VGH N 7/21 ‑‌, juris; ebenfalls bejahend - gestützt auf die Genese der hessischen Verfassungsnorm (Art. 141 Abs. 4 Verfassung des Landes Hessen, HV): HessStGH, Urteil vom 27. Oktober 2021 ‌‑ P.St. 2783 ‑‌, Rn. 267 ff., juris). Falls ein Veranlassungszusammenhang bejaht würde, könnten auch Überlegungen zu seinem Ausmaß anzustellen sein (einen finalen und konkreten Zusammenhang fordernd: HessStGH, Urteil vom 27. Oktober 2021 ‌‑ P.St. 2783 ‑‌, Rn. 267 ff., juris).

Insbesondere ist ungeklärt, ob das - von den Antragstellern eingeforderte - Erfordernis von gesteigerten Bestimmtheitsanforderungen aus Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV herauszulesen ist. Das Kernvorbringen der Antragsteller stützt sich darauf, dass der (Haushalts-)Gesetzgeber die Zwecke, für die kreditfinanzierte Mittel vergeben werden, konkret im Haushaltsgesetz festlegen müsse. Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen hat in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 2021, in der es um die Errichtung eines Sondervermögens zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie ging, die Ansicht vertreten, dass der Gesetzgeber die Zwecke, für die kreditfinanzierte Mittel vergeben werden, hinreichend bestimmt festzulegen habe, um sicherzustellen, dass der Haushaltsvollzug ausschließlich der Krisenbewältigung diene (HessStGH, Urteil vom 27. Oktober 2021 ‌‑ P.St. 2783 ‑‌, Rn. 259, juris). Der parlamentarischen Verantwortung werde indes nicht genügt, wenn der Landtag die für die Krisenbekämpfung für notwendig erachteten Kreditmittel zur Verfügung stelle, die konkrete Mittelverwendung aber lediglich durch allgemein gefasste Vorgaben regele und im Übrigen in das Ermessen der Exekutive stelle (vgl. HessStGH, a. a. O., Rn. 263). Inwieweit die Ausnahmevorschrift des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV dementsprechende Bestimmtheitsanforderungen aufstellt oder ob dies ggf. eine Frage des Grundsatzes der Spezialität oder anderer Haushaltsgrundsätze wie der Jährlichkeit und Jährigkeit sein kann, und ob diese dem grundsätzlichen Verbot der strukturellen Neuverschuldung zugrunde liegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 194 ff., juris), bedarf einer näheren, im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht leistbaren Prüfung. Es kann sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob und wenn ja in welcher Regelungsdichte kreditfinanzierte Krisenbewältigungsmaßnahmen vom Haushaltsgesetzgeber zu bestimmen sind oder dies auch im Haushaltsvollzug erfolgen kann.

Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens könnte ferner zu bedenken sein, ob und inwieweit eine Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten ist. Dabei geht es um die Frage, ob der Tatbestand des Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV voraussetzt, dass die Kreditaufnahme nach Umfang und Verwendung zur Abwehr der notlagebedingten Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage geeignet, erforderlich und angemessen ist (noch nicht entschieden, ob diese Punkte zu prüfen sind, aber eine ggf. erfolgende Befassung im Rahmen der Hauptsache zum Eilverfahren 2 BvF 1/22 in Aussicht stellend: BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 192, juris; ablehnend: VerfGH RP, Urteil vom 1. April 2022 ‌‑ VGH N 7/21 ‑‌, Rn. 111 f., juris).

Zu prüfen sein wird, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für die notlagenbedingte Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der strukturellen Neuverschuldung nach Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV im Grundsatz verfassungsgerichtlich voll überprüfbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 187, juris). Einschränkungen der Kontrolldichte könnten sich insbesondere durch dem Gesetzgeber zukommende Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 193, juris; VerfGH RP, Urteil vom 1. April 2022 ‌‑ VGH N 7/21 ‑‌, Rn. 104, juris; HessStGH, Urteil vom 27. Oktober 2021 ‌‑ P.St. 2783 ‑‌, Rn. 239, juris). Dies gilt insbesondere für die Frage, ob eine Naturkatastrophe oder eine außergewöhnliche Notsituation vorliegt, die sich der Kontrolle des Staates entzieht. Das damit verknüpfte prognostische Elemente enthaltende Merkmal der erheblichen Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage ist ebenfalls auslegungsbedürftig. Auch diesbezüglich könnte die Kontrolldichte eingeschränkt sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 187, juris).

Gegenstand des Hauptsacheverfahrens könnte des Weiteren sein, inwieweit mit einem Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers Darlegungslasten im Gesetzgebungsverfahren korrespondieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 193, juris).

Schließlich könnte im Hauptsacheverfahren zu erörtern sein, ob die Grundsätze der Jährlichkeit und Jährigkeit auch für die Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen gelten und ob ihre Einhaltung einer strikten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 194 ff., juris).

bb. Vorstehende Umstände berücksichtigt erscheint es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die angegriffenen Regelungen nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine notlagenbedingte Kreditaufnahme entsprechen.

Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Landesrechnungshof bereits im Gesetzgebungsverfahren Bedenken geäußert hat. Er hatte die bevorstehenden Ausschussberatungen zum Doppelhaushalt 2023/2024 und die damit verbundenen Planungen der Regierungskoalition zur Vorbereitung eines Beschlusses über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation für die Jahre 2023 und 2024 und die Aufnahme neuer Kredite zum Anlass genommen, Stellung zu nehmen: Es sei in Anbetracht der noch nicht vorliegenden Steuerschätzung und der noch nicht hinreichend bestimmten Hilfen des Bundes von bis zu 200 Milliarden Euro noch nicht ausgemacht, dass die Kreditaufnahme als solche als auch die durch diese finanzierten Maßnahmen auf die Überwindung der außergewöhnlichen Notlage bezogen seien. Das beabsichtigte Vorgehen werfe für das Jahr 2024 zusätzliche verfassungsrechtliche Fragen auf. Die notwendige Darlegung des Veranlassungszusammenhangs für das Folgejahr 2024 sei derzeit noch nicht möglich. Künftige wirtschaftliche und politische Entwicklungen, Möglichkeiten der Einsparung von Mitteln an anderer Stelle oder Einnahmesteigerungen, die einer Kreditaufnahme entgegenstehen würden, seien zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Eine Kreditaufnahme verstieße auch gegen den Grundsatz der Nachrangigkeit der Verschuldung gegenüber anderen Handlungsmöglichkeiten. Angesichts prognostischer Unsicherheiten hinsichtlich des aktuellen Krisenverlaufs und deren finanzwirtschaftlichen Auswirkungen sollte die außergewöhnliche Notlage nach Ansicht des Landesrechnungshofs nicht schon für 2024 festgestellt werden (vgl. Landesrechnungshof, Pressemitteilung Nr. 5/2022 vom 18. Oktober 2022).

Die von den Antragstellern vorgebrachten Bedenken, die vom Landesrechnungshof angeführten Gesichtspunkte sowie die in den Stellungnahmen des Landtags und der Landesregierung vorgetragenen Umstände und Argumente bedürfen einer eingehenden Betrachtung. Eine Prüfung auf die Vereinbarung der angegriffenen Normen mit der Landesverfassung ist im Rahmen dieses Eilverfahrens weder geboten (vgl. oben) noch möglich.

 

3. Die dementsprechend gebotene Folgenabwägung fällt gegen eine vorläufige Außerkraftsetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 aus.

Im Rahmen der bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens anzustellenden Folgenabwägung sind die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten (vgl. Beschlüsse vom 26. Juli 2022 ‌‑ VfGBbg 9/22 EA ‑‌, Rn. 49, und vom 10. Dezember 2021 ‌‑ VfGBbg 24/21 EA ‑‌, Rn. 45, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dabei ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die für eine Außervollzugsetzung eines Gesetzes sprechenden Gründe ein besonderes Gewicht haben müssen.

a. Würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen und erwiese sich die auf eine außergewöhnliche Notlage gestützte Kreditermächtigung und Einwilligung in entsprechende Mehrausgaben im Hauptsacheverfahren (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024) als verfassungswidrig, könnten zwar ggf. bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen zurückgenommen werden. Erreicht werden könnte dies angesichts des Haushaltsvollzugs zum Stand 1. Juni 2023 jedoch nur hinsichtlich eines Betrags in Höhe von 1,156 Milliarden Euro. Nach dem - auch von den Antragstellern zugrunde gelegten - Vortrag der Landesregierung (Stand 1. Juni 2023) sind „von den zur Verfügung stehenden 2 Milliarden Euro 1,156 Milliarden Euro noch nicht bewilligt“ worden. Angesichts dessen liegt die Befürchtung nahe, dass im laufenden und bevorstehenden Haushaltsjahr - gestützt auf verfassungswidrige Bestimmungen - auch in Höhe der noch verbleibenden 1,156 Milliarden Kredite aufgenommen würden und entsprechende Verpflichtungsermächtigungen in dieser Höhe erteilt würden. Der Landeshaushalt würde im Umfang weiterer 1,156 Milliarden Euro aufgrund einer verfassungswidrigen Zuführung belastet. Künftige Haushaltsgesetzgeber verlören entgegen der Zielsetzung des Art. 103 Abs. 1 LV dadurch zudem in Höhe der durch die Kreditaufnahme ausgelösten Belastungen den zur Bewältigung dann anstehender Probleme benötigten Handlungsspielraum.

Dass Zins- und Tilgungsleistungen keine aktuelle Belastung begründeten und sich zukünftig - heute noch nicht erkennbare - Gestaltungsmöglichkeiten auf der Einnahmen- und Ausgabenseite ergeben könnten, dürfte den Nachteil nicht abmildern. Ob sich solche Spielräume ergeben, ist ungewiss. Demgegenüber besteht schon jetzt Gewissheit darüber, dass künftige Landtage Zins- und Tilgungsleistungen haushalterisch zu berücksichtigen haben werden. Die für die Kreditaufnahmen zu leistende Tilgung beginnt mit dem Haushaltsjahr 2026 und endet 2055 (vgl. LT-Drs. 7/6685-B). Auch im Falle einer günstigen Konjunkturentwicklung und Einnahmeentwicklung schränkten die Zins- und Tilgungsbelastungen jedenfalls in ihrer Belastungshöhe die Handlungsmöglichkeiten des Haushaltsgesetzgebers ein. Jedoch ist plausibel, dass dem Haushaltsgesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zur Bewältigung der finanziellen Folgen für den Landeshaushalt zur Verfügung stehen.

b. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung und würden § 2 Abs. 1 Nr. 3 sowie § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 einstweilen außer Vollzug gesetzt, hätte dies zur Folge, dass von den Kreditermächtigungen im Haushaltsgesetz in der noch nicht beanspruchten Höhe bis zur Hauptsacheentscheidung kein Gebrauch gemacht werden könnte; Maßnahmen zur Krisenbewältigung könnten nicht mehr bewilligt werden.

Bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung stünden der Landesregierung die vom Landtag mit dem Haushaltsgesetz 2023/2024 zum Zweck der Bewältigung von Auswirkungen des Ukraine-Kriegs deklarierten Mittel in Höhe der noch zur Verfügung stehenden Kreditermächtigung (vorläufig) nicht (mehr) zur Verfügung. Dass ein Ausgleich der dann nicht verfügbaren Kreditermächtigung durch sonstige Haushaltsmittel grundsätzlich nicht in Betracht kommt, hat die Landesregierung in ihrer Stellungnahme dezidiert aufgezeigt. Der Unmöglichkeit der Inanspruchnahme und weiteren Verwendung dieser Kreditmittel hätte erhebliche Folgen für die von der Landesregierung geplanten kurz- und mittelfristigen Programme und Maßnahmen. Ein Ausfall der geplanten Maßnahmen hätte nach Einschätzung des Landtags erhebliche soziale, wirtschaftliche, humanitäre, unmittelbare und unumkehrbare Folgen für die Bürger des Landes Brandenburg. Es erscheint ungewiss, ob im Falle der Verfassungsgemäßheit angesichts der zeitlichen Verbindung zur außergewöhnlichen Notsituation ein Nachholen der geplanten Maßnahmen in späteren Haushaltsjahren in Betracht käme; jedenfalls dürfte ein Nachholen nicht die gleiche Wirkung mit Blick auf die Zweckrichtung der zu verwendenden Mittel entfalten können.

Mit der vorläufigen Außervollzugsetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 wäre ein erheblicher Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers verbunden. Wollte der Haushaltsgesetzgeber die vorgesehenen und geplanten Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine trotz der Außervollzugsetzung durchführen, so stellten sich zudem in erheblichem Umfang Fragen der haushaltspolitischen Schwerpunktsetzung für die Haushaltsjahre 2023/2024 neu. Die bereits getroffenen Leitentscheidungen des Haushaltsgesetzgebers wären mit dem zusätzlichen Bedarf, der auf die Ersetzung der außer Vollzug gesetzten Kreditermächtigungen entfiele, neu abzuwägen und gegebenenfalls zu korrigieren, worin ein gewichtiger Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers läge.

Sollte eine erneute Abwägung und ggf. Korrektur nicht gangbar sein oder keine hinreichenden Mittel hervorbringen können, könnten die von der Landesregierung geplanten Programme zur Bewältigung der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs nicht weiter (ko-)finanziert werden. Nach dem Vortrag der Landesregierung würde dem Gesetzgeber das von ihm entwickelte Krisenabwehrinstrumentarium - das sog. Brandenburg-Paket - aus der Hand genommen. Notlagebedingte Ausgaben, insbesondere zur Abdeckung der flüchtlingsbedingten Kosten und der Kosten der Energiekrise, wären nicht möglich. Laufende außergewöhnliche Belastungen ließen sich nicht nachholend decken. Die in der Krise vereinbarten Kofinanzierungen mit dem Bund und der Europäischen Union wären seitens des Landes nicht finanziell unterlegbar. Zudem bestünde die Gefahr, dass bereits begonnene Krisenabwehrmaßnahmen aus dem Haushalt weiterfinanziert werden müssten und in anderen Bereichen Haushaltssperren drohten. Unklar erscheint, ob angesichts der Bewilligung von 844 Millionen Euro (Stand: 1. Juni 2023) die von der Landesregierung befürchtete Planungsunsicherheit auf Empfängerseite drohte. Jedenfalls dürfte eine Außervollzugsetzung aber zur befürchteten Verunsicherung führen, was angesichts der wirtschaftlichen Implikationen der Krise (Inflation, Preissteigerungen) nicht unerhebliche mikro- und makroökonomische Auswirkungen wahrscheinlich machen könnte.

c. Vor diesem Hintergrund genügen die ohne einstweilige Anordnung eintretenden Folgen nicht, um den hier mit der einstweiligen Anordnung verbundenen Eingriff in den Gestaltungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers zu rechtfertigen. Es fehlt an einem eindeutigen Überwiegen der Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung; vielmehr sind die Gründe eher als gleichgewichtig zu bewerten.

Zwar wären bei einem Erfolg in der Hauptsache verfassungswidrig Kreditaufnahmen und Bewilligungen in Milliardenhöhe erfolgt, die angesichts ihres Volumens erhebliche, den Landeshaushalt belastende finanzielle Auswirkungen haben. Diese können insofern schwerwiegend sein, als dass sie von künftigen Generationen zu tragen und vom Haushaltsgesetzgeber zu berücksichtigen sind. Demgegenüber kann der Erlass der einstweiligen Anordnung zu einer Situation führen, in welcher die von der Landesregierung geplanten Programme zur Bewältigung der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs nicht weiter finanziert werden könnten. Damit bestünde die erhebliche Gefahr, dass der mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 und § 10 Haushaltsgesetz 2023/2024 verfolgte Zweck der Krisenbewältigung nicht erreicht werden könnte. Die hiermit verbundenen wirtschaftlichen Folgen träfen Bürger, Landkreise, Kommunen und Unternehmen - und damit Brandenburgs gesamte Gesellschaft und Wirtschaft - insgesamt unmittelbar.

Dabei ist entscheidend, dass die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen müssen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen und im Fall der begehrten Außervollzugsetzung eines Gesetzes darüber hinausgehend besonderes Gewicht haben müssen. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Maßstab ist im Bereich der Haushaltsgesetzgebung besonders streng, da dem Landtag das Budgetrecht zukommt und dieser eine wirtschaftliche Grundentscheidung für zentrale Bereiche der Politik in Gesetzesform trifft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2022 ‌‑ 2 BvF 1/22 ‑‌, Rn. 163, juris).

C.

Die notwendigen Auslagen der Antragsteller sind nicht zu erstatten. Besondere Billigkeitsgründe im Sinne von § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg, die eine angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens und des fehlenden Anwaltszwangs nur ausnahmsweise in Betracht kommende Auslagenerstattung rechtfertigen würden (vgl. zum Maßstab Beschluss vom 26. Juli 2022 ‌‑ VfGBbg 9/22 EA ‑‌, Rn. 56, https://verfassungsgericht.brandenburg.de), sind nicht ersichtlich.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen.

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß