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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Januar 2023 - VfGBbg 67/21 -

 

Verfahrensart: Organstreit
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 113 Nr. 1; LV, Art. 72 Abs. 3 Satz 2; LV, Art. 72 Abs. 3 Satz 1; LV, Art. 72 Abs. 1
- VerfGGBbg, § 36 Abs. 3; VerfGGBbg, § 36 Abs. 2; VerfGGBbg, § 36 Abs. 1; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 2; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 1; VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2
Schlagworte: - Untersuchungsausschuss
- Qualifizierte Minderheit
- Fraktion
- Beteiligtenfähigkeit
- Antragsbefugnis
- Rechtsschutzbedürfnis
- Begründungsanforderungen
- Beweiserhebung
- Ablehnung
- Wertungsspielraum
- Sachverständiger
- Ordnungsgeld
nichtamtlicher Leitsatz: 1. Die qualifizierte Minderheit eines Untersuchungsausschusses, auf deren Antrag der Untersuchungsausschuss gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verpflichtet ist, Beweise zu erheben, ist im Organstreitverfahren beteiligtenfähig im Sinne von Art. 113 Nr. 1 LV, § 12 Nr. 1, § 35 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Ihre Antragsbefugnis folgt unmittelbar aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV.
2. Einer Fraktion des Landtags Brandenburg steht zwar kein eigenes Beweisantragsrecht im Untersuchungsausschuss zu. Jedoch kann sie als ständige Gliederung des Landtags, die gemäß Art. 67 Abs. 1 LV mit eigenen Rechten ausgestattet ist, grundsätzlich die diesem zustehenden Kontrollrechte prozessstandschaftlich wahrnehmen. Dies gilt auch für den Fall einer möglichen Verletzung des Beweisantragsrechts der qualifizierten Minderheit im Untersuchungsausschuss durch die Ausschussmehrheit.
3. Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV stellt das Kernstück des Minderheitenschutzes im Untersuchungsausschussrecht dar und begründet einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Beweiserhebung.
4. Die Ablehnung eines Beweisantrags der qualifizierten Minderheit durch die Mehrheit bedarf einer hinreichenden Begründung, die sich aus dem Ablehnungsbeschluss ergeben muss. Ein „Nachschieben von Gründen“ im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist unzulässig.
5. Dem Untersuchungsausschuss steht bei der Entscheidung über Art und Umfang der Beweiserhebung ein Wertungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle - im Hinblick auf die Einhaltung seiner Grenzen - unterliegt. Auch vor dem Hintergrund des Beweiserhebungsrechts der qualifizierten Ausschussminderheit aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV hat sich das Verfassungsgericht mit Rücksicht auf die parlamentarische Autonomie und die besondere Natur des Untersuchungsverfahrens auf die Prüfung zu beschränken, ob die Begründung der Mehrheit nachvollziehbar und der durch die Verfahrensautonomie der Mehrheit eröffnete Wertungsrahmen in vertretbarer Weise ausgefüllt worden ist.
6. Weder die oder der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses noch der Untersuchungsausschuss selbst sind befugt, gegen säumige Sachverständige ein Ordnungsgeld zu verhängen. § 22 Abs. 5 Sätze 1, 2 Gesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages Brandenburg (Untersuchungsausschutzgesetz, UAG) eröffnet lediglich die Möglichkeit, beim zuständigen Gericht die Festsetzung eines Ordnungsgelds zu beantragen.
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Januar 2023 - VfGBbg 67/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 67/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 67/21

In dem Organstreitverfahren

  1. der parlamentarischen Minderheit des Untersuchungsausschusses 7/1
    der 7. Wahlperiode des Landtags Brandenburg, bestehend aus

    a) Dr. Hans-Christoph Berndt, MdL,

    b) Lars Günther, MdL,

    c) Lars Hünich, MdL,

    Antragsteller zu 1.,


    Landtag Brandenburg,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,

  2. AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg,
    vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden
    Dr. Hans-Christoph Berndt,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,

Antragstellerin zu 2.,

Verfahrensbevollmächtigter               A.
                                                                 Rechtsanwälte,

 

gegen

Untersuchungsausschuss 7/1
der 7. Wahlperiode des Landtags Brandenburg,
vertreten durch den Vorsitzenden,
Landtag Brandenburg,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,

Antragsgegner,

Verfahrensbevollmächtigter               Prof. Dr. B.,

 

beteiligt:

  1. Landtag Brandenburg,
    vertreten durch die Präsidentin,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  2. Landesregierung Brandenburg
    - Staatskanzlei -,
    Heinrich-Mann-Allee 107,
    14473 Potsdam,
wegen

Ablehnung der von der Ausschussminderheit eingebrachten Beweisanträge BA63, BA68, BA83, BA84 und BA85 sowie des Antrags auf Verhängung eines Ordnungsgelds gegen einen Sachverständigen im Untersuchungsausschuss 7/1 des Landtags Brandenburg

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. Januar 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

1.   Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner gegen Art. 72 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg verstoßen hat, soweit er in der Sitzung vom 23. April 2021 den Beweisantrag BA68 der Antragsteller zu 1. als unzulässig abgelehnt hat.

Soweit das Organstreitverfahren die Ablehnung des Beweisantrags BA63 aus der Sitzung des Antragsgegners vom 14. Mai 2021 und die Ablehnung des Antrags auf Verhängung eines Ordnungsgelds gegen den Sachverständigen Prof. Dr. C. aus der Sitzung des Antragsgegners vom 23. April 2021 betrifft, wird der Antrag verworfen.

Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

2.   Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe:

A.

I.

Die Antragsteller wenden sich im Wege des Organstreitverfahrens gegen die Ablehnung der von den Antragstellern zu 1. gestellten Beweisanträge BA63, BA68, BA83, BA84 und BA85 sowie gegen die Ablehnung eines Antrags auf Verhängung eines Ordnungsgelds gegen einen Sachverständigen im Rahmen der Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses.

II.

Der Landtag Brandenburg setzte am 23. September 2020 einen Untersuchungsausschuss zur „Untersuchung der Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der Erkrankung COVID-19 (UA 7/1)“ - den Antragsgegner - ein.

Der Ausschuss erhielt folgenden Untersuchungsauftrag (vgl. LT-Drs. 7/1991, S. 1ff.):

„1. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, ob das Handeln (oder Unterlassen) der Brandenburger Landesregierung, der politischen Leitungen der zuständigen Ministerien und der ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden Behörden kurz vor Beginn und während der „SARS‑CoV-2/COVID-19-Pandemie“ geeignet, erforderlich und angemessen waren. Er soll klären, a) ob und inwieweit es dazu beigetragen hat, die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 bzw. der Infektionskrankheit COVID‑19 und deren negative Einwirkung auf die Gesundheit der brandenburgischen Bevölkerung zu minimieren und b) ob es bessere Alternativen zum Regierungshandeln gab. Der Untersuchungsgegenstand bezieht sich insoweit allein auf bereits abgeschlossene, in der Vergangenheit liegende Vorgänge. Maßgebender Zeitpunkt für sämtliche Vorgänge der Untersuchung ist daher der Tag, an dem der Einsetzungsbeschluss gefasst wurde (Stichtag). Alle bis zu diesem Stichtag getätigten Handlungen (oder Unterlassungen) der Landesregierung im Rahmen ihrer Krisenpolitik im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der Erkrankung COVID-19 sollen daher vom Untersuchungsausschuss beleuchtet werden. Die nachfolgenden Konkretisierungen des Untersuchungsgegenstands beziehen sich ausschließlich auf die oben genannte zeitliche Grenze.

2. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend untersuchen, ob die im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie umgesetzten Eingriffe der Landesregierung in die Freiheit der Bürger mit dem grundgesetzlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip und sämtlichen weiteren verfassungsrechtlichen Regelungen zum Schutz von individuellen oder kollektiven Rechtsgütern und gesetzlichen Regelungen in Einklang standen.

3. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, welche gesundheitlichen, wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Wirkungen die von der Landesregierung getroffenen Maßnahmen verursacht haben, und in welchem Verhältnis diese a) zu den von der Landesregierung zur Einsetzung der Eindämmungsverordnungen zugrunde gelegten Schadensszenarien der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie sowie b) zu den tatsächlich beobachteten Folgen der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie stehen.

4. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, wann der Landesregierung und den ihr unterstehenden Behörden welche Informationen, Erkenntnisse, Hinweise und Daten zur Beurteilung des Gesundheitsrisikos des Coronavirus SARS-CoV-2 sowie des Krankheitsverlaufs und der Gefahren von COVID-19 vorlagen, wie sie damit umgegangen sind und welche Anstrengungen unternommen wurden, die Entscheidungsgrundlage qualitativ für alle relevanten Stellen, auch die ausführenden Behörden, zu optimieren. Der Untersuchungsausschuss soll aufklären, ob die Landesregierung alles Erforderliche getan hat, um sich kontinuierlich ein möglichst objektives Lagebild zu verschaffen.

5. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, wann die Landesregierung und die ihr unterstehenden Behörden welche Informationen, Erkenntnisse, Hinweise und Daten zur Beurteilung der Auswirkungen der Maßnahmen für die brandenburgische Wirtschaft und das gesellschaftliche Klima hatten und welche Maßnahmen getroffen wurden, um die diesbezügliche Entscheidungsgrundlage qualitativ für alle relevanten Stellen, auch die ausführenden Behörden zu optimieren.

6. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, welche Teile der Informationen, Erkenntnisse, Hinweise und Daten aus den Punkten 4. und 5. als Grundlage für die jeweilige Lagebewertung und die Entwicklungsprojektionen von der brandenburgischen Landesregierung, den Gesundheitsämtern, den kommunalen Trägern, den Krankenhäusern sowie den Ministerien und angeschlossenen Behörden genutzt wurden und in den Entscheidungsprozess über die zur Eindämmung geplanten Maßnahmen eingeflossen sind.

7. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, welche Handlungen und Unterlassungen die Landesregierung in Handlungsautonomie und welche in Zusammenarbeit und enger Abstimmung mit der Bundesregierung, den Bundesbehörden und anderen Landesregierungen unternommen hat.

8. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, welche Krisen-pläne/Pandemiepläne der Landesregierung vorlagen und welche Tauglichkeit diese Pläne in der Bewältigung der Coronavirus SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie unter Beweis gestellt haben.

9. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, welche Lehren seitens der Landesregierung auch im Zusammenwirken mit der Bundesregierung und anderen Landesregierungen aus der Krisensimulation der Bundesregierung „Kabinett Merkel II“ im Jahr 2010, der Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ aus dem Jahr 2012 (Bundestagsdrucksache 17/12051 vom 03.01.2013) gezogen wurden und welche Maßnahmen aufgrund dessen für das Krisenmanagement im Land Brandenburg ergriffen wurden und welche davon, bezogen auf den oben genannten Untersuchungszeitraum, geholfen, geschadet oder nichts genützt haben.

10. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, ob und inwieweit Mängel in der Organisationsstruktur oder der Ausübung der den Brandenburger Behörden und Ämtern übertragenen Befugnisse im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht sowie im Rahmen eines rechtlich gebotenen und zulässigen Informationsaustausches untereinander dazu beigetragen haben, dass die Folgen der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie oder die Folgen der Eindämmungsmaßnahmen in Brandenburg bis zum für den Untersuchungsausschuss maßgebenden Stichtag schwerer ausgefallen sind.“

Dem Antragsgegner gehören insgesamt elf stimmberechtigte Mitglieder an. Die Antragsteller zu 1. sind Abgeordnete des 7. Brandenburger Landtags und gehören der AfD‑Fraktion, der Antragstellerin zu 2., an, die sie als Mitglieder in den Antragsgegner entsandt hat.

Der Antragsgegner beschloss - nach dem Vortrag der Antragsteller - in seiner Sitzung am 19. März 2021, den von den Antragstellern zu 1. gestellten Beweisantrag BA60. Danach sollte über die Tatsache, ob die zwischen März 2020 und dem für den Antragsgegner maßgebenden Stichtag, dem 23. September 2020, von der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg erlassenen Eindämmungs-, Umgangs- und Quarantäneverordnungen rechtmäßig, insbesondere verfassungsmäßig waren, Beweis erhoben werden durch Beauftragung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, das von dem Sachverständigen Prof. Dr. C. anzufertigen und mündlich zu erläutern sei. Der Sachverständige teilte dem Antragsgegner in der Folgezeit mit, aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung das Gutachten nicht erstellen zu können; eine diesbezügliche (amts-)ärztliche Bescheinigung legte er nicht vor und forderte der Antragsgegner nicht ein. Daraufhin beantragten die Antragsteller zu 1. in der Sitzung des Antragsgegners vom 23. April 2021 „gemäß § 22 Absatz 5 Satz 2 und 3 UAGBbg i. V. m. § 18 Absatz 2 UAGBbg die Verhängung eines Ordnungsgelds gegen den Sachverständigen Prof. Dr. C.“. Nach dem Sitzungsprotokoll merkte der Vorsitzende des Antragsgegners an, die Argumente hierzu seien bereits per E-Mail im Vorfeld der Sitzung ausgetauscht und die Kommunikation den Mitgliedern zur Kenntnis gegeben worden. Prof. Dr. C. sei als emeritierter Professor von den Pflichten seines Amtes entbunden und müsse keine konkret-funktionellen Dienstaufgaben mehr wahrnehmen. Er könne gemäß § 75 Strafprozessordnung (StPO) nicht verpflichtet werden, ein Gutachten gegen seinen Willen zu erstatten. Auch das Brandenburgische Untersuchungsausschussgesetz gehe davon aus, dass bei Gutachtenaufträgen, die umfangreich und zeitintensiv seien, nicht ohne weiteres von einer durchsetzbaren Verpflichtung geeigneter Sachverständiger ausgegangen werden könne, so dass es jeweils einer Verständigung mit dem Gutachter und einer einvernehmlichen Lösung bedürfe (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2 Gesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags Brandenburg ‑ Untersuchungsausschussgesetz, UAG - vom 19. Juni 2019, GVBl.I/19, [Nr. 41] Begründung zu § 22 UAG, LT-Drucksache 6/11272, S. 16). Der Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgelds wurde in derselben Sitzung bei insgesamt zehn abgegebenen Stimmen gegen die drei Stimmen der Antragsteller zu 1. und bei einer Enthaltung von der Ausschussmehrheit abgelehnt.

Die Antragsteller zu 1. beantragten mit Beweisantrag BA68 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Geeignetheit von Mund-Nase-Bedeckungen für die Eindämmung von SARS-CoV-2 bezüglich der Tatsache, 1. ob das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen für die Eindämmung von SARS-CoV-2 geeignet war, 2. welche Auswirkungen die sogenannte SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie und die Krisenpolitik auf die Gesundheit der Bevölkerung hatten, 3. welche Schäden für die Gesundheit der Bevölkerung die Maßnahmen im Rahmen der Krisenpolitik der Landesregierung verursacht hatten. Als Sachverständigen benannten sie Prof. Dr. D., Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. In der Sitzung des Antragsgegners vom 23. April 2021 wurde dieser Beweisantrag mehrheitlich von dem Antragsgegner gegen die drei Stimmen der Antragsteller zu 1. als unzulässig abgelehnt. Die beantragte Beweiserhebung sei missbräuchlich und das Beweismittel im Übrigen gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 Alt. 5 UAG ungeeignet. Die von den Antragstellern zu 1. benannte Person sei als Sachverständiger für das Beweisthema nicht geeignet. Unabhängig von seiner früheren Forschungstätigkeit am Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Universität E. sei er öffentlich mit Äußerungen über die Pandemiemaßnahmen bekannt geworden, die als offensichtlich falsche Tatsachenbehauptungen zu bewerten seien und wissenschaftlich auf keiner tragfähigen Grundlage basierten. Einen solchen Beweisantrag in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu stellen sei missbräuchlich und könne dem Untersuchungsauftrag nicht gerecht werden.

Darüber hinaus begehrten die Antragsteller zu 1. mit den Beweisanträgen BA83, BA84 sowie BA85 eine Zeugenvernehmung der damaligen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, des Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern Dr. Markus Söder sowie des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn zu der Tatsache, 1. wie der Ablauf der Sitzungen der Ministerpräsidentenkonferenz im untersuchungsrelevanten Zeitraum war, 2. wie Beschlüsse, auch bezogen auf ihren Inhalt, auf der Ministerpräsidentenkonferenz bis zum 23. September 2020 zustande gekommen sind und welchen Einfluss die Sitzungen und Beschlüsse der gemeinsam mit der Bundeskanzlerin durchgeführten Ministerpräsidentenkonferenz auf die Strategieentwicklung der Landesregierung im Zeitraum von der Initiierung der ersten sogenannten Corona-Maßnahmen der Landesregierung bis zum Stichtag für den Untersuchungsausschuss hatten. Diese Beweisanträge wurden in der Sitzung des Antragsgegners vom 14. Mai 2021 ebenfalls mehrheitlich gegen die drei Stimmen der Antragsteller zu 1. als unzulässig abgelehnt. Die Beweisanträge BA83, BA84 sowie BA85 lägen sowohl außerhalb der Untersuchungskompetenz des Untersuchungsausschusses als auch außerhalb des Untersuchungsauftrags. Darüber hinaus seien sie für den Untersuchungsgegenstand ohne Bedeutung. Der Antragsgegner sei ein Hilfsorgan des Landtags und könne daher nur solche Gegenstände zum Inhalt seiner Untersuchung machen, die überhaupt in den Zuständigkeitsbereich des Plenums fielen. Die Beweiserhebungsbefugnis beschränke sich nach der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung auf Untersuchungsgegenstände mit Landesbezug. Dies könne nur ganz ausnahmsweise die Vernehmung von Regierungsmitgliedern des Bundes oder anderer Länder rechtfertigen. Eine solche Ausnahme sei aber hier nicht gegeben. Soweit es um die Beratung von Regierungsmitgliedern im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz (im Folgenden: MPK) gehe, falle deren koordinative Tätigkeit schon mangels organisatorischer Eingliederung in ein einzelnes Bundesland nicht in den Zuständigkeitsbereich des Landes Brandenburg. Sie etabliere auch keinen gemeinsamen Zuständigkeitsbereich aller Länder, der einer vollumfänglichen Untersuchung durch den Untersuchungsausschuss eines jeden einzelnen Landesparlaments offenstehe. Ferner könnten Regierungsmitglieder eine Vernehmung mit Blick auf die Vertraulichkeit von Informationen in der Zusammenarbeit mit den Ländern und dem Bund verweigern, weil dies in den Kernbereich ihrer exekutiven Eigenverantwortung falle. Darüber hinaus fehle es an einem Anknüpfungspunkt, der eine parlamentarische Kontrolle der Beschlüsse der MPK rechtfertigen würde. Beschlüsse der MPK seien nicht dem Handlungs- und Verantwortungsradius des Landtags zurechenbar. Vielmehr stellten sich die Beschlüsse als koordinierter Länderwille und Forum des Meinungsaustauschs zwischen den Ländern dar. Die Beratungen und Entscheidungen der MPK könnten überdies nur in dem Maße für den Untersuchungsgegenstand relevant sein, wie Ministerpräsident Dr. Woidke sie im Ergebnis aus der MPK mitgenommen habe. Dazu habe sich der Ministerpräsident in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung am 23. April 2021 geäußert. Die im Beweisantrag benannten Tatsachen zum Ablauf der Sitzungen der MPK oder zum Zustandekommen der Beschlüsse seien hiernach als unerheblich für den Untersuchungsauftrag zu bewerten, weil sich daraus keine Schlüsse bezüglich etwaiger Handlungsfehler oder Unterlassungen der Landesregierung ableiten ließen. Die Beweisanträge wären schließlich auch unter dem Gesichtspunkt eines Antrages „ins Blaue hinein" nicht zulässig.

Mit weiterem Beweisantrag BA63 begehrten die Antragsteller zu 1. die Einholung eines medizinethischen Sachverständigengutachtens zu den Auswirkungen der SARS‑CoV-2/COVID-19-Pandemie und der Krisenpolitik auf die Gesundheit der Bevölkerung zu der Tatsache, 1. welche Auswirkungen die sogenannte SARS‑CoV‑2/COVID-19-Pandemie und die Krisenpolitik auf die Gesundheit der Bevölkerung hatten sowie 2. welche Schäden für die Gesundheit der Bevölkerung die Maßnahmen im Rahmen der Krisenpolitik der Landesregierung verursacht hatten. Als Sachverständige benannten die Antragsteller zu 1. Prof. Dr. F., Vorsitzende des G.. Ebenfalls in der Sitzung des Antragsgegners vom 14. Mai 2021 wies dieser den Beweisantrag gegen die drei Stimmen der Antragsteller zu 1. als unzulässig zurück. Dem Beweisantrag mangele es an Bestimmtheit. Ihm sei insbesondere nicht zu entnehmen, was bewiesen werden solle. Die Auswirkungen der Pandemie beträfen empirische und nicht ethische Fragen. Welche Auswirkungen (etwa psychologische, wirtschaftliche, soziale oder medizinische) gemeint seien, lasse der Antrag nicht erkennen. Darüber hinaus stünden die Tatsachen, die bewiesen werden sollen, bereits als erwiesen fest. Insbesondere durch die Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. H. in der Sitzung vom 9. März 2021 seien einschlägige ethische Fragen der Pandemiebewältigung ausführlich geklärt worden. Die Erhebung eines weiteren Sachverständigenbeweises sei daher nicht geboten.

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 25. August 2021 teilten die Antragsteller zu 1. dem Antragsgegner mit, sie hielten die Beschlüsse, mit denen die Beweisanträge BA63, BA68, BA83 bis BA85 sowie der Ordnungsgeldantrag gegen den Sachverständigen Prof. Dr. C. zurückgewiesen worden waren, für rechtswidrig. Sie verletzten die Antragsteller zu 1. in ihren Rechten als qualifizierte Minderheit. Die rechtswidrigen Entscheidungen seien in der nächsten Sitzung des Antragsgegners zu berichtigen. In der Sitzung vom 8. Oktober 2021 beschloss der Antragsgegner bei drei Enthaltungen der Antragsteller zu 1. einstimmig, zu dem Schreiben der Antragsteller keine Stellungnahme abzugeben.

III.

Die Antragsteller haben am 22. Oktober 2021 bei dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg ein Organstreitverfahren anhängig gemacht und wenden sich gegen die Ablehnung der Beweisanträge BA63, BA68, BA83, BA84 und BA85 sowie die Ablehnung des Antrags auf Verhängung eines Ordnungsgelds gegen den Sachverständigen Prof. Dr. C..

Zur Begründung tragen sie vor, die Ablehnung ihrer Beweisanträge und die unterlassene Durchsetzung des beschlossenen Sachverständigenbeweises verletze sie in nicht zu rechtfertigender Weise in ihrem Recht auf Beweiserhebung aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Die Antragsteller zu 1. rügen hierbei die Verletzung ihres Beweiserhebungsrechts; die Antragstellerin zu 2. rügt die Verletzung des Beweiserhebungsrechts der Antragsteller zu 1. sowie die Verletzung des Rechts des Landtags auf ordnungsgemäße Durchführung des Untersuchungsauftrags durch den Antragsgegner.

Die Anträge seien zulässig und begründet. Hierzu im Einzelnen:

1. Die Beweisanträge BA83, BA84 und BA85 seien hinreichend bestimmt gewesen; dies gelte sowohl für die Angabe des Beweismittels als auch des Beweisziels. Der Antragsgegner habe den ihm bei der Auslegung des Untersuchungsauftrags eröffneten Wertungsrahmen überschritten. Nach dem im Einsetzungsbeschluss formulierten Untersuchungsgegenstand sei unter anderem aufzuklären, ob der Umgang der Landesregierung mit der Coronapandemie verhältnismäßig und die damit verbundenen Maßnahmen gerechtfertigt gewesen seien. Die von der Landesregierung getroffenen Maßnahmen basierten auf Beschlüssen der MPK. Um feststellen zu können, ob die von der Landesregierung getroffenen Maßnahmen rechtmäßig waren, sei es daher zwingend erforderlich, auch die Beschlüsse der MPK zu kennen. Diese könnten Anhaltspunkte dafür geben, wie die in Brandenburg getroffenen Entscheidungen zum Umgang mit den Coronamaßnahmen zustande gekommen seien und warum es zu Fehlentscheidungen gekommen sei. Ferner könnten die auf der MPK getroffenen Beschlüsse Anlass zu weiterer Aufklärung geben. Die beantragte Beweiserhebung greife auch nicht in Grundrechte der in den Beweisanträgen genannten Amtsträgerin und Amtsträger ein. Staatsfunktion und grundrechtliche Freiheit stünden in einem Spannungsverhältnis. Die ältere Auffassung, dass Personen in öffentlich-rechtlichen Sonderstatusverhältnissen sich nicht auf Grundrechte berufen könnten, sei überwunden. Auch im Beamtenverhältnis sowie für politische Amtsträgerinnen und Amtsträger beanspruchten die Grundrechte Geltung. Dabei sei zu unterscheiden. Die bloße Amtsführung sei keine Grundrechtsausübung. Soweit Beamtinnen und Beamte oder politische Amtsträgerinnen und Amtsträger ausschließlich als Amtswalter berührt seien, liege kein Grundrechtseingriff vor. Soweit eine Maßnahme dagegen (auch) die persönliche Rechtsstellung betreffe, berühre sie auch die Grundrechte der betroffenen Amtspersonen. Die Pflicht zur Offenbarung von Amtshandlungen oder Zuständen innerhalb der öffentlichen Verwaltung im Rahmen einer parlamentarischen Untersuchung sei deshalb nicht schon aus sich heraus ein Grundrechtseingriff gegenüber den beteiligten Amtsträgerinnen und Amtsträgern. Einen Eingriff in die Grundrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern begründe sie aber immer dann, wenn die Maßnahmen (auch) deren persönliche Rechtsstellung berührten, etwa, weil Amtshandlung und persönliche Umstände untrennbar miteinander verbunden seien. Dabei blieben die besonderen Anforderungen des öffentlichen Amtes nicht unberücksichtigt. Sie seien auf der Rechtfertigungsebene in die Abwägung einzustellen. Je stärker der Amtsbezug des grundrechtlich geschützten Verhaltens sei, umso mehr müsse er im Konflikt mit anderen Rechtsgütern auf der Rechtfertigungsebene zurücktreten. Daher könne es in solchen Fällen durchaus zum Gegenstand der Untersuchung gehören, Zeugen anzuhören, um - wie vorliegend - „Material“ für die politische Bewertung oder zur Einschätzung der Verantwortlichkeiten erst zu gewinnen. Gegenstand des Untersuchungsausschusses sei schon seiner amtlichen Bezeichnung nach die „Aufklärung“ des Einflusses der Sitzungen und Beschlüsse der gemeinsam mit der Bundeskanzlerin durchgeführten MPK auf die Strategieentwicklung der Landesregierung im untersuchungsrelevanten Zeitraum. Dies setze aber die Aufklärung des Ablaufs der Sitzungen der MPK im untersuchungsrelevanten Zeitraum sowie die Kenntnis über das Zustandekommen der Beschlüsse der MPK bis zum 23. September 2020 voraus. Aufgrund der Befragung des für die Landesregierung teilnehmenden Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dr. Dietmar Woidke, sei zwar bereits bekannt, dass die Bundeskanzlerin an den Sitzungen der MPK teilgenommen und das Wort ergriffen habe. Ihre Einschätzung und Gedanken zu den Konferenzen und ihren Beschlüssen seien jedoch nicht bekannt. Nach dem Bericht der Landesregierung mit Stand vom 9. Februar 2021 zum Themenkomplex 1.) des Untersuchungsausschusses seien auch die Beschlüsse der MPK ab März 2020 von Bedeutung für Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus im Land Brandenburg gewesen. Somit sei zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags auch der Eindruck, den die Bundeskanzlerin von der MPK gewonnen habe, relevant für die Aufklärung. Setze der Landtag einen allgemein auf „Aufklärung“ gerichteten Untersuchungsausschuss ein, könnten der qualifizierten Ausschussminderheit entsprechend allgemein auf Aufklärung gerichtete Beweisanträge nicht vorenthalten werden. Nur so könne geprüft werden, ob die Handlungen der brandenburgischen Landesregierung, der politischen Leitungen der zuständigen Ministerien und der ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden Behörden kurz vor Beginn und während der Coronapandemie verhältnismäßig gewesen seien. Der Antrag stelle sich nicht als unzulässige Ausforschung „ins Blaue hinein“ dar. Die Befragung des brandenburgischen Ministerpräsidenten allein gebe zwar erste Anhaltspunkte, um aber die verschiedenen Sichtweisen nachzuvollziehen, bedürfe es der Befragung weiterer Teilnehmer zu diesem Themenkomplex. Hinzu komme, dass jede weitere Zeugenaussage die vorausgegangene Zeugenaussage stützen könne. Die Beweisanträge BA83, BA84 und BA85 zielten auf eine Beweisverschaffung durch Zeugenvernehmung, da nur Personen, die an der MPK beteiligt gewesen seien, Auskunft über den Ablauf dieser Konferenz und das Zustandekommen von Beschlüssen geben könnten. Den genannten Zeugen stehe kein Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht zu. Dies gelte auch im Falle von Herrn Spahn, der kein ordentliches Mitglied der MPK sei. Bereits der Umstand, dass er an der MPK teilgenommen habe, führe dazu, dass er als Zeuge geladen werden könne. Der Ablehnung der Beweisanträge BA83, BA84 und BA85 liege zwar eine Begründung zugrunde, die im Rahmen der Sitzung erfolgt sei, in der auch über den Beweisantrag abgestimmt worden sei. Die Begründung genüge inhaltlich jedoch nicht den Anforderungen, die an eine hinreichende Begründung zu stellen seien. Insbesondere sei nicht hinreichend dargelegt, welche betroffenen Belange zur Ablehnung der Beweisanträge geführt hätten.

2. Die Ablehnung des Beweisantrags BA63 sei ebenfalls rechtswidrig. Zutreffend sei der Antragsgegner in seiner Begründung zwar davon ausgegangen, dass Gegenstand des Beweisantrags BA63, wie sich aus dessen Überschrift und dessen Begründung ergebe, die Einholung eines medizinethischen Sachverständigengutachtens sein solle. Der Antragsgegner gehe jedoch mehrheitlich fehl, soweit er annehme, dass die Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie keine Frage der Medizinethik seien, sondern lediglich der Virologie, Epidemiologie, der Allgemeinmedizin und anderer bereichsnaher Fachgebiete. Die medizinisch begründeten Maßnahmen, die die Landesregierung im Rahmen ihrer Krisenpolitik im untersuchungsrelevanten Zeitraum angeordnet habe, sollten nach dem Willen der Antragsteller zu 1. insofern unter medizinethischen Gründen bewertet werden. Das beinhalte vor allem, aber nicht nur, eine Bewertung der Frage, ob die weitreichenden Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens durch die Corona-Krisenpolitik der Landesregierung aus medizinethischer Sicht geeignet, erforderlich und angemessen gewesen seien. Wie sich unschwer aus der zur Auslegung des Beweisantrags heranzuziehenden Begründung ergebe, seien dabei vor allem die Kontaktbeschränkungen sowie die Verschiebung von medizinischen Eingriffen auf unbestimmte Zeit in die Betrachtung einzubeziehen. Der Antragsgegner sei zu der unzutreffenden Auffassung gelangt, dass die Tatsachen, die erwiesen werden sollen, bereits erwiesen seien. Dabei nehme der Antragsgegner auf die Einvernahme der Vorsitzenden des I., Frau Prof. Dr. H. zu ethischen Fragestellungen Bezug. Sodann begründe er überraschend ausführlich, jedoch unter Vorwegnahme des Inhalts des beantragten Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. F., weswegen von dieser keine abweichende Stellungnahme zu erwarten sei. Mithin bewerte der Antragsgegner mehrheitlich ein noch nicht abgegebenes Sachverständigengutachten. Dies sei eine unzulässige Antizipation des Beweisergebnisses. Der Antragsgegner könne vor Abgabe des Sachverständigengutachtens nicht wissen, welchen Inhalt dieses haben werde. Eine Bewertung hinsichtlich der Verwertbarkeit sei insofern erst im Anschluss an die Beweisaufnahme geboten, die Beweiserhebung daher zulässig.

3. Die Ablehnung des Beweisantrags BA68 sei ebenfalls rechtswidrig. Prof. Dr. D. sei bis zum Eintritt in seinen Ruhestand im Jahre 2012 als Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Universität E. tätig gewesen. Allein diese Tätigkeit qualifiziere ihn schon als Sachverständigen für die im Beweisantrag genannte Beweisfrage. Der Antragsgegner befasse sich in der mehrheitlich beschlossenen Ablehnungsbegründung jedoch umfangreich mit seiner Auffassung zu den in der öffentlichen Wahrnehmung bekannt gewordenen Äußerungen des benannten Sachverständigen und werte diese dahingehend ab, dass sie sich „jedweder wissenschaftlichen Erkenntnis entziehen“. Er verbreite „offensichtlich falsche Tatsachen“, die „wissenschaftlich auf keiner geeigneten Grundlage basieren“. Insofern handele es sich nicht nur um eine anmaßende Beurteilung der wissenschaftlichen Expertise des benannten Sachverständigen durch die Mehrheit des Antragsgegners, die aufgrund des Werdegangs des benannten Sachverständigen und seiner im Laufe seiner Karriere veröffentlichten Publikationen nicht ohne Weiteres in Abrede gestellt werden könne, sondern insbesondere auch um eine unzulässige Antizipation des Beweisergebnisses. Eine Bewertung hinsichtlich der Verwertbarkeit sei insofern erst im Anschluss an die Beweisaufnahme geboten. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller zu 1. ihr Beweisantragsrecht missbräuchlich ausgeübt hätten, seien nicht erkennbar. Aus denselben Gründen sei das angebotene Beweismittel auch nicht ungeeignet. Im Übrigen habe der Antragsgegner zu diesem Aspekt keine eigenständigen Ausführungen gemacht, womit er schon gegen das Erfordernis der ausreichenden Begründung seiner ablehnenden Entscheidung verstoßen habe.

4. Zuletzt habe dem Antrag zur Verhängung eines Ordnungsgelds gegen den Sachverständigen Prof. Dr. C. offenkundig stattgegeben werden müssen. Der Sachverständige wolle sich durch seine unzureichend entschuldigte Ablehnung, das Sachverständigengutachten zu erstatten, der Beweiserhebung entziehen. Ein tatsächlicher Ablehnungsgrund liege nicht vor - dies folge weder aus der Tatsache, dass es sich bei dem Sachverständigen um einen emeritierten Hochschullehrer handele, noch aus dem Umstand, dass dieser schwerwiegend erkrankt sei. Im Fall einer schweren Erkrankung sei es die Pflicht des Sachverständigen gewesen, diese Erkrankung durch ein amtsärztliches Attest nachzuweisen. Ein solches amtsärztliches Attest liege bis heute nicht vor. Die Antragsteller hätten den Vorsitzenden des Antragsgegners bereits im Vorfeld darum ersucht, vom Sachverständigen ein entsprechendes amtsärztliches Attest einzufordern. Dies habe der Antragsgegner jedoch abgelehnt. Vorsorglich haben die Antragsteller darauf hingewiesen, dass § 75 StPO im parlamentarischen Untersuchungsverfahren nach ihrer Ansicht keine Anwendung finde. Die für das hiesige Untersuchungsverfahren allein maßgebende Vorschrift für Sachverständige sei § 22 UAG. Eine entsprechende Verweisung auf § 75 StPO sei in dieser Norm nicht enthalten. § 22 Abs. 1 UAG verweise lediglich auf die §§ 19 bis 21 UAG. § 22 Abs. 3 UAG verweise auf § 18 Abs. 2 und 3 UAG, woraus sich hier jedoch nur die Antragsberechtigung der Antragsteller ergebe. Ferner gebe es im Untersuchungsausschussgesetz keine Generalverweisung in die Strafprozessordnung. § 18 Abs. 3 UAG erkläre lediglich, dass die Vorschriften über den Strafprozess im Übrigen für Maßnahmen nach dieser Vorschrift, d. h. nach § 18 Abs. 1 UAG, entsprechend Anwendung fänden. Hierzu zähle aber § 75 StPO gerade nicht. Im Übrigen ergebe sich die Pflicht zur Erstattung des Gutachtens direkt aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 UAG. Die Antragsberechtigung aus § 18 Abs. 2 UAG sei Ausdruck des verfassungsrechtlich verankerten Minderheitenrechts im parlamentarischen Untersuchungsverfahren aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV, wodurch eine Beweiserhebung gegen den Willen der Ausschussmehrheit durchgesetzt werden könne.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß festzustellen, dass

1. der Beschluss des Antragsgegners in seiner 9. Sitzung vom 14. Mai 2021 zum Beweisantrag BA63 gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV verstößt,

2. der Beschluss des Antragsgegners in seiner 8. Sitzung vom 23. April 2021 zum Beweisantrag BA68 gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV verstößt,

3. der Beschluss des Antragsgegners in seiner 9. Sitzung vom 14. Mai 2021 zu den Beweisanträgen BA83, BA84 und BA85 gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV verstößt,

4. der Beschluss des Antragsgegners in seiner 8. Sitzung vom 23. April 2021 zu dem Antrag der Antragsteller zu 1. auf Verhängung eines Ordnungsgelds gegen den Sachverständigen Prof. Dr. C. gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV verstößt.

 

IV.

Der Antragsgegner erachtet die Anträge im Organstreitverfahren teilweise bereits für unzulässig und jedenfalls in vollem Umfang für unbegründet.

1. Den Antragstellern zu 1. fehle es an einer Antragsbefugnis im Sinne von § 36 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Eine Verletzung individueller Abgeordnetenrechte stehe vorliegend nicht in Rede. Art. 56 LV vermittele einzelnen Abgeordneten keinen Anspruch gegen einen Untersuchungsausschuss nach Art. 72 LV, den durch Einsetzungsbeschluss definierten Untersuchungsauftrag wirksam wahrzunehmen. Hieran ändere auch Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV nichts. Diese Verfassungsbestimmung verpflichte zwar einen Untersuchungsausschuss dazu, auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder bestimmte Beweise zu erheben. Die Norm solle jedoch allein gewährleisten, dass das Recht der einsetzungsberechtigten Minderheit auf effektive Beweisaufnahme nicht unterlaufen werde, indem im Ausschuss die Mehrheit eine gegenstandsadäquate und „kritische" Beweisaufnahme zu Lasten der Einsetzungsminderheit vereitele. Das Untersuchungsrecht selbst bleibe ausschließlich ein Recht des Plenums und kondensiere nicht zu einem selbstständigen Minderheitenrecht eines Mitgliederfünftels im Ausschuss, dem insoweit nur eine gegenüber dem Plenum dienende Funktion zufalle. Die Antragsgemeinschaft eines „Mitgliederfünftels“ sei keine stabil organisierte Repräsentation von einsetzungsberechtigten Minderheiten im Plenum, sondern könne sich aus rechtlicher Sicht situativ und unabhängig von einer Fraktionszugehörigkeit formieren.

2. Der Antrag sei jedenfalls auch unbegründet.

a. Die Ablehnung des Antrags, Prof. Dr. C. ein Ordnungsgeld aufzuerlegen, sei mit Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV vereinbar. Zwar könnten Untersuchungsausschüsse grundsätzlich externe Rechtsgutachter mit der Erstellung von Gutachten beauftragen, jedoch handele es sich hierbei nicht um eine förmliche Beweiserhebung, da Beweise nur über entscheidungserhebliche Tatsachen erhoben werden könnten. Der richtige Inhalt einer Rechtsnorm sei ein juristisch-methodisches Erkenntnisproblem, aber keine Tatsachenfrage. Der zugrundeliegende Beweisbeschluss sei auch kein geeigneter Vollstreckungstitel, der mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden könne. Denn Zwangsmittel griffen in Grundrechte ein und bedürften daher notwendigerweise einer gesetzlichen Grundlage. § 22 Abs. 5 UAG beziehe sich jedoch nach Abs. 1 nur auf Beweismittel nach § 15 UAG. Rechtsgutachten zählten hierzu aber nicht.

Darüber hinaus könne der benannte Sachverständige als Professor des öffentlichen Rechts im Ruhestand mangels spezifischen Verpflichtungstatbestands nicht mit Zwangsmitteln zur Erstattung eines Gutachtens gegen seinen Willen verpflichtet werden. Sachverständige könnten grundsätzlich nur unter besonderen Voraussetzungen aufgrund einer hinreichend bestimmten und verhältnismäßigen Ermächtigung einseitig zur Begutachtung verpflichtet werden. Für den dem Untersuchungsverfahren als Leitbild dienenden Strafprozess sei eine solche begrenzte Verpflichtung in § 75 StPO vorgesehen. Nach keiner der in dieser Norm genannten Fallgruppen lasse sich jedoch eine Sonderpflicht begründen, die den Grundrechtseingriff einer einseitigen Verpflichtung bei einem pensionierten Hochschullehrer und früheren Bundesverfassungsrichter, der weder öffentlich bestellt sei noch seine Wissenschaft zum Erwerb ausübe, rechtfertigen würde. Ob ein Professorenamt eine öffentliche Bestellung sei, könne offenbleiben. Richtigerweise sei dies nicht der Fall, weil mit der Übertragung des Amtes allein Aufgaben in Forschung, Lehre und Selbstverwaltung verbunden seien, aber keine Funktionen als öffentlicher Gutachter. Erst recht gebe es keine öffentlich bestellten Verfassungsrechtssachverständigen. Jedenfalls übe Prof. Dr. C. als Pensionär kein aktives Amt mehr aus, an das aufgrund der Ernennung öffentliche Pflichten knüpfen könnten. Soweit die Antragsteller argumentierten, § 75 StPO finde keine Anwendung, sondern ausschließlich § 22 UAG, überzeuge dies nicht. Einerseits treffe es zwar zu, dass § 22 UAG keine explizite Pflichtenbegrenzung enthalte. Andererseits kenne § 22 UAG aber schon generell keine Regelung, wie die Verpflichtung des Sachverständigen begründet werden solle. Schon § 22 Abs. 3 Satz 1 UAG spreche eher dafür, dass die Grundlage der Beauftragung insgesamt eine Absprache sei, in deren Rahmen dann eine Frist bestimmt werde. Die einseitige Bestimmung einer Frist sei nicht möglich. § 22 Abs. 3 Satz 2 UAG sei unergiebig. Diese Regelung sei nicht als Ausnahme von der konsensualen Pflichtenbegründung konzipiert, sondern stelle klar, dass bei den dortigen ‌‑ komplexen - Gutachtenaufträgen die bestellten Sachverständigen bereits in die Formulierung und Strukturierung des Gutachtenauftrags einbezogen werden könnten. § 22 Abs. 5 Satz 1 UAG setze wiederum „die zur Erstattung des Gutachtens verpflichteten Sachverständigen“ voraus, deren Verpflichtungsgrund aber im Gesetz nicht normiert sei. Ohne eine explizite Ermächtigungsgrundlage zur einseitigen Bestellung könne der von § 22 Abs. 4 und 5 UAG vorausgesetzte Verpflichtungsgrund nur im Konsens mit der zu bestellenden Person geschaffen werden. Die strukturanaloge Bestimmung des § 28 Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) auf Bundesebene verweise ebenfalls nicht auf § 75 StPO. Gleichwohl werde ausnahmslos davon ausgegangen, dass die dortigen Grenzen der Sachverständigenpflicht auch gegenüber Untersuchungsausschüssen zur Anwendung gelangten. Nur so werde dort sichergestellt, dass nicht sämtliche Berufsträger in Deutschland, die für ein bestimmtes Fachgebiet über Sachverstand verfügen, von jedem beliebigen Untersuchungsausschuss in jedem beliebigen Land jederzeit willkürlich und ohne konkrete Beziehung zu diesem Land außerberuflich verpflichtet werden können, nur weil irgendeine Ausschussminderheit aus beliebigen Gründen gerne gerade diese Person beauftragen würde. Dies sei bei einem politischen Parlamentsausschuss mit unzumutbaren Risiken für Betroffene behaftet, erst recht, wenn sich gegebenenfalls irrational oder schikanös handelnde Minderheiten „ihre“ Sachverständigen durch schlichte Benennung aussuchen könnten.

Die Antragsteller hätten keinen Anspruch darauf, dass eine bestimmte Person als Sachverständiger beauftragt werde, sondern nur darauf, dass Sachverständigenbeweis mittels einer hierfür fachlich geeigneten, neutralen und unvoreingenommenen Person erhoben werde. Dies unterstreiche § 22 Abs. 2 UAG, der die Auswahl der Sachverständigen in die Hände des „Untersuchungsausschusses“ lege, also der Mehrheit anvertraue. Soweit § 22 Abs. 2 Halbsatz 2 UAG auf Minderheitenrechte nach § 15 Abs. 2 UAG verweise, seien diese nur „zu berücksichtigen“. Dem Anliegen einer Minderheit, die einen Beweisantrag stellt, sei im Rahmen der Auswahl angemessen Rechnung zu tragen; eine Minderheit könne aber die Auswahl nicht determinieren. Erst recht bestehe kein Anspruch darauf, einen derartigen Beweisbeschluss mit Zwangsmitteln durchzusetzen, wenn der Gutachter nicht zur Verfügung stehe oder zu einem Gutachten aus plausiblen Gründen nicht bereit sei. Nachdem sich der adressierte Gutachter krankheitsbedingt entschuldigt habe, sei es nicht verfassungsrechtlich geboten, Grund und Dauer der Erkrankung näher aufzuklären oder gar ein amtsärztliches Attest zu fordern. Der Antragsgegner habe die Erklärung des Gutachters akzeptieren, auf die Richtigkeit der Einlassung (zumal vor dem Hintergrund der Biografie des Gutachters) vertrauen und von einer Weiterverfolgung des Anliegens absehen dürfen. Es sei auch arbeitsökonomisch im Interesse effektiver und effizienter Aufklärung voraussichtlich kontraproduktiv, sich mit einem Gutachter in Konflikte zu verheddern, der offenkundig kein Gutachten erstellen möge. Es sei zu erwarten, dass dieser sich gegen eine Erzwingung der Begutachtung wehre und insoweit Rechtsschutz in Anspruch nehme. Des Weiteren sei kein Sachgrund erkennbar, warum zur Klärung der einschlägigen Rechtsfragen spezifisch dieser Gutachter ausgewählt werden müsse. Der zugrundeliegende Beweisbeschluss betreffe vornehmlich allgemeine Fragen des Verfassungsrechts, für die eine Vielzahl geeigneter Staatsrechtslehrerinnen und Staatsrechtslehrer fachlich in gleicher Weise in Betracht kämen. Daneben bestehe (ergänzend) die Möglichkeit, den Wissenschaftlichen Dienst des Landtags zu beauftragen. Zuletzt werde auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn ein Sachverständiger, der kein Gutachten erstatten möge, hierzu mit Ordnungsmaßnahmen gezwungen würde, wenn zuvor noch nicht einmal versucht worden sei, als milderes Mittel andere, gleichermaßen geeignete Sachverständige zu kontaktieren.

b. Der Antragsgegner habe des Weiteren den Beweisantrag BA63 im Einklang mit Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV als unzulässig ablehnen dürfen, weil das Thema bereits Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen sei, die hierbei ermittelten Tatsachen als „bewiesen" gelten durften und kein Anspruch darauf bestehe, zum gleichen Thema nochmals Beweis zu erheben. Zu medizinethischen Themen sei bereits die Sachverständige Prof. Dr. H. gehört worden und die Antragsteller hätten ausreichend Gelegenheit erhalten, hierzu Fragen zu stellen. Der Antragsgegner sei nicht verpflichtet, zum gleichen Beweisthema mehrmals Beweis zu erheben. Ob eine bereits abgeschlossene Beweisaufnahme zur weiteren Vertiefung nochmals aufgegriffen werden solle, entscheide die Mehrheit im pflichtgemäßen Verfahrensermessen. Einen Anspruch hierauf vermittle Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV jedenfalls solange nicht, wie die Antragsteller nicht dezidiert und präzise darlegten, inwiefern das Beweisthema noch nicht erschöpfend behandelt worden sei und zu welchen tatsächlichen, dem Beweis zugänglichen Fragen ergänzender Sachverstand benötigt werde. Insoweit verweise § 15 Abs. 3 Satz 2 UAG verfassungskonform auf die Regelung des § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO. Der Beweisantrag BA63 sei zudem zu unbestimmt.

c. Auch die Ablehnung des Beweisantrags BA68 sei mit Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV vereinbar. Es bestehe kein Anspruch, gerade Prof. Dr. D. mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen. Dieser sei offenkundig ungeeignet, zur Sachaufklärung beizutragen. Es bestünden bereits Zweifel an seinem einschlägigen Fachwissen und seiner Expertise, insbesondere in den hier relevanten Fächern der Biophysik, Infektiologie und gegebenenfalls ergänzend Virologie. Zudem sei er durch befremdliche Thesen zur Corona-Pandemie aufgefallen, die keinerlei fachwissenschaftliche Fundierung hätten, sich nicht seriös mit den - rasant angewachsenen - Erkenntnissen in der einschlägigen Fachwissenschaft auseinandersetzten und dem breiten Stand der wissenschaftlichen Forschung eklatant widersprächen. Neben verschiedentlichen Äußerungen, die durchweg außerhalb der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit stattfänden und vor allem in einschlägigen Foren der „Corona-Skeptiker"-Szene Verbreitung fänden, habe er beispielsweise ein an ein populäres Publikum gerichtetes Buch (gemeinsam mit seiner Ehefrau) verfasst, wo er sich zum Infektionsgeschehen sowie konkret zur Mund-Nase-Bedeckung völlig unqualifiziert, rein spekulativ und mit verzerrenden Behauptungen „ins Blaue hinein“ geäußert habe. So behaupte er etwa allein gestützt auf öffentliche und politische Statements die Gesundheitsschädlichkeit von Masken, qualifiziere Warnungen vor einer gefährlichen Pandemie als „Panikmache“ oder suggeriere mit verschwörungstheoretischen Anspielungen einen „Exklusivvertrag“ zwischen der Bundesregierung und Prof. Dr. Christian Drosten. Als wissenschaftliche Autorität für die These, dass die (nicht näher aufbereiteten) Analysen des Robert-Koch-Instituts keinen sog. Lockdown gerechtfertigt hätten, beziehe er sich auf einen Finanzwissenschaftler. Obgleich spätestens seit Februar 2020 rasant und in hoher Zahl weltweit fachwissenschaftliche Studien zu COVID-19 verfügbar gewesen seien, habe Prof. Dr. D. diese in seinem erschienenen Buch nicht aufgegriffen; eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den fachwissenschaftlichen Analysen und Daten finde nicht statt. Der benannte Sachverständige sei ein politischer Aktivist, der sich auf Foren und Kanälen mit wirren Thesen präsentiere, die eine Nähe zur „Querdenker“-Szene aufwiesen. Wäre der Antragsgegner dem Antrag nachgekommen, hätte er billigend in Kauf genommen, dass aus Haushaltsmitteln ein Gutachten finanziert würde, das einerseits keinerlei fachlichen Erkenntniswert habe, andererseits absehbar die Öffentlichkeit durch objektiv falsche und unwissenschaftliche Scharlatanerie täusche. Der Beweisantrag sei insoweit von vornherein objektiv missbräuchlich gestellt gewesen und habe vom Antragsgegner - auch zum Schutz der Bevölkerung vor Falschinformationen - nur abgelehnt werden können.

d. Zuletzt sei auch die Ablehnung der Beweisanträge BA83, BA84 und BA85 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Landtag könne nur das Verhalten der Landesregierung kontrollieren. Bei der MPK handele es sich um ein informelles Forum, um die Politik der Länder und ggf. die des Bundes zu koordinieren. Die MPK sei nicht in toto dem Land Brandenburg zuzuordnen. Die dortigen Beschlüsse beträfen vornehmlich die Abstimmung des Vollzugs von Bundesrecht im bundesstaatlichen „Vollzugsföderalismus“, hier insbesondere die koordinierte Inanspruchnahme von Ermächtigungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) durch die Länder. Der Kontrolle durch den Landtag unterliege hierbei nur die Tätigkeit des eigenen Regierungsmitglieds innerhalb der MPK, hier also die Verhandlungsposition des Ministerpräsidenten Dr. Woidke und die Umsetzung im Land. Der Ministerpräsident sei bereits als Zeuge vernommen worden und die Vernehmung abgeschlossen. Die Antragsteller hätten den Zeugen zu den einschlägigen Themen befragen können. Die Mitwirkung der damaligen Mitglieder der Bundesregierung sowie des bayerischen Ministerpräsidenten unterlägen der Kontrolle des Deutschen Bundestags bzw. des bayerischen Landtags, nicht aber des Landtags des Landes Brandenburg. Das Zusammenwirken in dem Koordinierungsgremium stelle auch für sich gesehen keinen unmittelbaren Bezug zum Land her. Weder die damalige Bundeskanzlerin oder der damalige Bundesgesundheitsminister noch der Ministerpräsident des Freistaats Bayern hätten in irgendeiner Weise Maßnahmen erlassen, die einen spezifischen Bezug zum Land Brandenburg aufwiesen. Dass die MPK unter anderem den Vollzug des IfSG sowie die Verordnungsgebung in den Ländern unverbindlich koordiniert habe, sei lediglich Ausfluss der dezentralen Vollzugsstruktur im Bundesstaat, vgl. Art. 83 Grundgesetz (GG). Der Antrag überschreite insoweit bereits die föderalen Kompetenzgrenzen aus Art. 30 GG. Im Übrigen seien die Beweisanträge missbräuchlich, weil sie ohne konkretes Aufklärungsziel ins Blaue hinein gestellt worden seien, um politische Prominenz zeugenschaftlich befragen zu können. Zudem sollten offenkundig solche Persönlichkeiten im Untersuchungsausschuss „vorgeführt" werden, die sich in den politischen Auseinandersetzungen besonders als Befürworter einer offensiven und konsequenten Pandemiebekämpfung exponiert hätten. Ginge es tatsächlich um eine ernsthafte Kontrolle der Landesexekutive, hätte man sich auf die Befragung der thematisch betroffenen Landesregierungsmitglieder konzentriert.

V.

Der Landtag Brandenburg und die Landesregierung Brandenburg haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

 

B.

I.

Die den Beschluss des Antragsgegners vom 14. Mai 2021 zum Beweisantrag BA63 und den Beschluss vom 23. April 2021 zum Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgelds betreffenden Anträge zu 1. und 4. sind unzulässig. Im Übrigen sind die Anträge im Organstreitverfahren zulässig.

Gemäß Art. 113 Nr. 1 LV, § 12 Nr. 1 VerfGGBbg entscheidet das Verfassungsgericht über die Auslegung der Landesverfassung aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch diese Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtags oder der Landesregierung mit eigenen Rechten ausgestattet sind.

1. Die Antragsteller und der Antragsgegner sind beteiligtenfähig im Sinne von Art. 113 Nr. 1 LV, § 12 Nr. 1, § 35 VerfGGBbg.  

a. In Bezug auf die Antragsteller zu 1. ergibt sich dies jedenfalls daraus, dass sie ein Fünftel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses bilden, auf dessen Antrag der Untersuchungsausschuss gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV verpflichtet ist, Beweise zu erheben (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2003 ‌‑ VfGBbg 95/02 ‑‌, und Beschluss vom 19. Februar 2009 ‌‑ VfGBbg 44/08 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Es handelt sich um die qualifizierte Minderheit der dem Antragsgegner angehörenden Abgeordneten.

b. Die Beteiligtenfähigkeit der Antragstellerin zu 2. folgt daraus, dass sie als Fraktion im Landtag Brandenburg gemäß Art. 67 Abs. 1 LV mit eigenen Rechten ausgestattet ist.

c. Der Antragsgegner ist ein nach der Verfassung des Landes Brandenburg mit eigener Zuständigkeit ausgestatteter Teil des Landtags, vgl. insbesondere Art. 72 Abs. 3 LV. Die von den Antragstellern beanstandeten Maßnahmen betreffen sämtlich Gestaltungsrechte im Zusammenhang mit Beweiserhebungen und fallen in den ausschließlichen Verantwortungsbereich des von dem Antragsgegner selbstständig wahrzunehmenden Untersuchungsauftrags, so dass er ebenfalls als beteiligtenfähig anzusehen ist (vgl. Lieber, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art.  72 LV, Anm. 11, S. 466).

2. Die Verfahrensbeteiligten sind prozessführungsbefugt.

a. Für die Antragsteller zu 1. ergibt sich dies bereits daraus, dass sie die Verletzung eigener Rechte als qualifizierte Minderheit der Mitglieder des Antragsgegners aus Art.  72 Abs.  3 LV geltend machen.

b. Die Antragstellerin zu 2. kann als Landtagsfraktion grundsätzlich in einer Art Pro-zessstandschaft vor dem Verfassungsgericht das dem Landtag zustehende Recht auf ordnungsgemäße Durchführung des Untersuchungsauftrags durch den von ihm eingesetzten Untersuchungsausschuss geltend machen (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2003 ‌- VfGBbg 95/02 -‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dieses Recht ist auch dann betroffen, wenn - was hier geltend gemacht wird - durch eine verfassungswidrige Ablehnung von Beweisanträgen der Zweck der Untersuchung gefährdet wird.

c. Der Antragsgegner ist passiv prozessführungsbefugt, da Rechtsverletzungen durch von ihm gefasste Beschlüsse im Streit stehen (vgl. Urteil vom 16.  Oktober 2003 ‌- VfGBbg 95/02 -‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

3. Die Antragsteller sind lediglich insoweit antragsbefugt, als sie sich gegen die Ablehnung der Beweisanträge BA63, BA68, BA83, BA84 und BA85 durch den Antrags-gegner wenden. Soweit sie die Ablehnung des Antrages auf Verhängung eines Ordnungsgelds angreifen, fehlt es ihnen an der Antragsbefugnis.

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg ist ein Antrag im Organstreitverfahren nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Zu fordern ist insofern, dass ein Antragsteller im Organstreitverfahren substantiiert die Möglichkeit aufzeigt, in eigenen Rechten und Pflichten bzw. solchen des Organs, dessen Teil er ist, verletzt zu sein (vgl. Beschluss vom 21. September 2019 ‌- VfGBbg 58/18 -‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Diesen rechtlichen Anforderungen genügen die Antragsteller nur hinsichtlich eines Teils ihrer Anträge.

a. Soweit sich ihre Anträge gegen die Ablehnung der Beweisanträge BA63, BA68, BA83, BA84 und BA85 durch den Antragsgegner richten, folgt die Antragsbefugnis für die Antragsteller zu 1. unmittelbar aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV; eine Verletzung in sich daraus ergebenden Rechten ist nicht von vornherein ausgeschlossen.

b. In Bezug auf die Ablehnung der Beweisanträge BA63, BA68, BA83, BA84 und BA85 ist auch die Antragstellerin zu 2. antragsbefugt. Sie hat zwar nicht die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte aufgezeigt, denn als Fraktion steht ihr kein eigenes Beweisantragsrecht im Untersuchungsausschuss zu. Jedoch kann sie als ständige Gliederung des Landtags grundsätzlich die diesem zustehenden Kontrollrechte prozessstandschaftlich wahrnehmen. Hier ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin zu 2. die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts des Landtags auf ordnungsgemäße Durchführung des Untersuchungsauftrags durch eine Verletzung des Beweisantragsrechts der qualifizierten Minderheit im Untersuchungsausschuss durch die Ausschussmehrheit.

c. Es fehlt den Antragstellern jedoch die Antragsbefugnis, soweit sie sich gegen die Ablehnung ihres Antrages auf „Verhängung eines Ordnungsgelds gegen den Sachverständigen Prof. Dr. C.“ wenden, denn unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ist ausgeschlossen, dass sie das geltend gemachte Recht auf Verhängung eines Ordnungsgelds gegen den Sachverständigen herleiten können. Dem steht bereits die Regelung in § 22 Abs. 5 Sätze 1, 2 UAG entgegen. Hieraus ergibt sich, dass weder die oder der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses noch der Untersuchungsausschuss selbst befugt sind, gegen säumige Sachverständige ein Ordnungsgeld zu verhängen. Insofern wird lediglich die Möglichkeit eröffnet, beim zuständigen Gericht die Festsetzung eines Ordnungsgelds zu beantragen. Auf letzteres aber war der Antrag der Antragsteller zu 1. nach der eindeutigen Formulierung des Antragsschreibens vom 23. April 2021 gerade nicht gerichtet; dies tragen im Übrigen die Antragsteller auch in ihrer Antragsschrift nicht vor. Vielmehr kann der Antrag der Antragsteller zu 1. aus ihrem Schreiben vom 23. April 2021 nach seinem Wortlaut allein dahingehend verstanden werden, dass die Verhängung eines Ordnungsgelds durch den Untersuchungsausschuss selbst beantragt wurde. Hierzu jedoch sind der Antragsgegner selbst und dessen Vorsitzender mangels Rechtsgrundlage nicht berechtigt.

Offenbleiben kann vor diesem Hintergrund, ob im Zusammenhang mit der Verhängung eines Ordnungsgelds der Antrag im Organstreitverfahren gegen den Antragsgegner gestellt werden durfte oder vielmehr - mit Blick auf die Regelung in § 22 Abs.  5 Satz 1 UAG - gegen den Vorsitzenden des Antragsgegners zu richten gewesen wäre. Ebenso wenig kommt es im hiesigen Organstreitverfahren auf die weitergehende Frage an, ob der Vorsitzende hierbei lediglich die Funktion des Weiterleitens eines entsprechenden Antrags wahrnimmt oder ob er über eine eigene Prüfungskompetenz oder zumindest ein Recht auf Evidenzkontrolle vor Weiterleitung an das zuständige Gericht verfügt.

4. Der Antrag zu 1. - betreffend den Beschluss des Antragsgegners vom 14. Mai 2021 zum Beweisantrag BA63 - genügt nicht den Begründungsanforderungen der § 20 Abs. 1, § 36 Abs. 1, 2 VerfGGBbg. In Bezug auf die Anträge zu 2. und 3., die die Ablehnung der Beweisanträge BA68, BA83, BA84 und BA85 zum Gegenstand haben, sind die Begründungsanforderungen erfüllt.

Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg sind Anträge, die das Verfahren einleiten, zu begründen. Die Norm beansprucht als allgemeine Verfahrensvorschrift auch im Organstreitverfahren Geltung (vgl. z. B. Urteile vom 19. Februar 2016 ‌‑ VfGBbg 57/15 -‌, und vom 22. Juli 2016 ‌‑ VfGBbg 70/15 -‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; zu § 23 Abs. 1 BVerfGG: vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Oktober 1968 ‌‑ 2 BvE 2/67 ‑‌, BVerfGE 24, 252-259, Rn. 29, juris). Der Antrag im Organstreitverfahren ist gemäß § 36 Abs. 1 VerfGGBbg nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Die Bestimmung der Verfassung, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird, ist nach § 36 Abs. 2 VerfGGBbg zu bezeichnen. Über die bloße Bezeichnung der Zulässigkeitsvoraussetzungen hinaus ist auch im Organstreitverfahren eine nähere Substantiierung der Begründung der behaupteten Rechtsverletzung erforderlich (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Oktober 1968 ‌‑ 2 BvE 2/67 ‑‌, BVerfGE 24, 252‑259, Rn. 29, juris). Gefordert ist dabei eine Begründung, welche die mögliche Verletzung der Rechte der Antragsteller aufzeigt und die dem Antragsgegner zugeordnete rechtserhebliche Maßnahme benennt. Mit der Begründung müssen neben einem substantiierten Vortrag des entscheidungserheblichen Sachverhalts die wesentlichen rechtlichen Erwägungen unter Berücksichtigung einschlägiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen (vgl. Beschluss vom 21. September 2019 ‌‑ VfGBbg 58/18 ‑‌, Urteile vom 22. Juli 2016 ‌‌‑ VfGBbg 70/15 ‑‌, und vom 19. Februar 2016 ‌‑ VfGBbg 57/15 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Hierzu muss der Vortrag des Antragstellers die Verletzung der geltend gemachten verfassungsmäßigen Rechte schlüssig darlegen und als möglich erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 ‌‑ 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08 ‑‌, BVerfGE 134, 141‑202, 195, Rn. 161, m. w. N., juris). Erforderlich ist eine Auseinandersetzung mit den von dem im Organstreitverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen, der Antragsteller darf sich nicht auf den Gedanken des iura novit curia zurückziehen (vgl. Urteil vom 19. Februar 2016 ‌‑ VfGBbg 57/15 -, m. w. N.‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Die Antragsteller rügen ausweislich ihrer Antragsschrift, der Antragsgegner habe mit der Ablehnung des Beweisantrags BA63, welcher auf die Einholung eines medizinethischen Sachverständigengutachtens zu den Auswirkungen der SARS‑CoV‑2/COVID-19-Pandemie und der Krisenpolitik auf die Gesundheit der Bevölkerung durch Prof. Dr. F. gerichtet war, gegen ihr verfassungsmäßig gewährleistetes Beweiserhebungsrecht aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV verstoßen.

Art. 72 Abs. 3 LV verleiht den Untersuchungsausschüssen die hoheitliche Befugnis, zur Durchführung des Untersuchungsauftrags Beweise zu erheben. Als Beweismittel kommt grundsätzlich auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht, vgl. Art. 72 Abs. 5 LV i. V. m. § 22 UAG.

Der Antragsgegner hat seine ablehnende Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass - unterstellt, eine hinreichende Bestimmtheit des Beweisantrags BA63 ergebe sich unter wohlwollender Berücksichtigung der Begründung zum Beweisantrag - die medizinethischen Tatsachen, die bewiesen werden sollen, bereits als erwiesen feststünden. Hierbei hat er auf § 15 Abs. 3 Satz 1 Alt. 4 UAG Bezug genommen. Die Erhebung eines weiteren Sachverständigenbeweises sei gemäß § 15 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 UAG i. V. m. § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht geboten.

Zur näheren Begründung seiner Ablehnungsentscheidung hat der Antragsgegner ‑ ausweislich des Protokoll-Entwurfs vom 14. Mai 2021 - ausgeführt, er habe bereits in seiner 6. Sitzung am 19. März 2021 die Vorsitzende des I., Frau Prof. Dr. H., zu ethischen Fragestellungen angehört. Die Auswahl dieser Sachverständigen und der Beweisbeschluss zur Erhebung des Sachverständigenbeweises am 19. Februar 2021 seien mit elf Stimmen, d. h. einschließlich der Stimmen der Antragsteller zu 1., getroffen worden. Die Sachverständige habe im Rahmen der Anhörung umfangreich darüber berichtet, was seitens des I. den Entscheidungsträgern der Bundespolitik empfohlen worden sei. Sie sei auch darauf eingegangen, welche ethischen Gesichtspunkte zu Beginn der Pandemie in den Abwägungsprozessen bei der Strategieentwicklung seitens der Politik aus medizinethischer Sicht einfließen sollten. Zu der in der Begründung des Beweisantrags BA63 aufgeworfenen Frage, „ob die weitreichenden Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens aus medizinethischer Sicht tatsächlich geeignet, erforderlich und angemessen“ gewesen seien, habe die Sachverständige Prof. Dr. H. ausgeführt: „Wir haben uns (...) in unserer Empfehlung im März bezogen auf den damals geltenden Lockdown, und den haben wir für (...) vertretbar und zumutbar eingeschätzt“. Auch die weiteren Fragen der Begründung des Beweisantrags BA63, insbesondere wie es ethisch zu bewerten sei, dass etwa Operationen vieler Menschen auf unbestimmte Zeit verschoben wurden, seien bereits erwiesen. Aus ethischer Sicht seien, laut der Sachverständigen Prof. Dr. H., verschiedene sozialpsychologische Folgen mit in die Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen in den Blick zu nehmen gewesen. Zum einen seien „die Patienten zu berücksichtigen gewesen, deren medizinische Behandlung als derzeit nicht zwingend notwendig ausgesetzt werde, Personen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Sozialpsychiatrie und in Pflegeheimen, Frauen und Kinder die von häuslicher etwa durch sozialen Stress induzierter Gewalt bedroht seien und Personen, denen Vereinsamung drohe.“ Außerdem seien „eine ganze Reihe ökonomischer Folgen, insbesondere im Hotel-, Gastgewerbe und Kulturbereich und für Menschen, die Kleinunternehmer oder Selbstständige sind, zu berücksichtigen, aber auch die Notwendigkeit der Erhaltung funktionierender Versorgungsstrukturen und des marktwirtschaftlichen Gesamtsystems und schließlich die Berücksichtigung der Erhaltung elementarer Bedingungen demokratischer Kultur“.

Vor diesem Hintergrund lassen die Antragsteller bereits einen substantiierten Vortrag des entscheidungserheblichen Sachverhalts dahingehend vermissen, inwiefern das Beweisthema der medizinethischen Feststellungen durch die Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. H. am 19. März 2021 nicht erschöpfend behandelt worden sein soll und zu welchen weiteren Tatsachen bzw. Fragestellungen gegebenenfalls ein weiteres Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F. auf demselben Fachgebiet einzuholen wäre. Die Antragsteller haben dem Gericht in diesem Zusammenhang für eine nähere Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren weder den Beweisbeschluss zur Erhebung des Sachverständigenbeweises durch Prof. Dr. H. vom 19. Februar 2021 noch das Protokoll der Sitzung des Antragsgegners vom 19. März 2021 dargereicht. Soweit die Antragsteller erstmals mit dem Schriftsatz vom 12. Juli 2022 näher darauf eingehen, worin aus ihrer Sicht der weitergehende Erkenntnisgewinn einer Beauftragung von Frau Prof. Dr. F. gegenüber der bereits erfolgten Anhörung von Frau Prof. Dr. H. gelegen haben soll, bleibt dies nach § 36 Abs. 3 VerfGGBbg als verspätet unberücksichtigt (vgl. Beschluss vom 21. September 2019 ‌‑ VfGBbg 58/18 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Darüber hinaus mangelt es an einer substantiierten Auseinandersetzung mit den in Bezug auf den Beweisantrag BA63 aufgeworfenen Rechtsfragen. Die Antragsteller legen nicht näher dar, inwieweit der in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV verankerte Minderheitenschutz ihnen einen Anspruch darauf vermittelt, weiteren medizinethischen Sachverstand einzuholen.

Hierzu wären insbesondere rechtliche Erwägungen zu den Grenzen des Beweiserhebungsrechts im Sinne von Art. 72 Abs. 5 LV i. V. m. § 15 Abs. 3 Satz 1 4. Alt. UAG, auf die der Antragsgegner in seiner Ablehnungsentscheidung Bezug genommen hat, erforderlich gewesen. So setzen sich die Antragsteller weder mit dem Anwendungsbereich von § 15 Abs. 3 Satz 1 4. Alt. UAG noch mit der Frage auseinander, ob § 15 Abs. 3 Satz 1 4. Alt. UAG eine verfassungskonforme Begrenzung des Minderheitenschutzes parlamentarischer Untersuchungsausschüsse darstellt, soweit nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Beweiserhebung unzulässig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, bereits bewiesen ist.

Rechtliche Erwägungen fehlen auch zu der durch § 15 Abs. 3 Satz 2 UAG angeordneten entsprechenden Anwendung von § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO, auf die der Antragsgegner seine Ablehnungsentscheidung ebenfalls stützt. Mit der durch den Antragsgegner vertretenen Auslegung dieser Regelung dahingehend, dass die Anhörung eines weiteren Sachverständigen nur dann nicht abgelehnt werden kann, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen, setzen sich die Antragsteller nicht auseinander. Eine substantiierte Begründung, weswegen unter Berücksichtigung der entsprechenden Anwendung von § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO gleichwohl Prof. Dr. F. als (weitere) Sachverständige zu hören sei, lassen die Antragsteller bereits im Rahmen ihres Konfrontationsschreibens vom 25. August 2021 vermissen; der Mangel setzt sich im verfassungsgerichtlichen Verfahren fort.

Auf die verfassungsgerichtliche Prüfung, ob die weitere Begründung der Ablehnungsentscheidung des Antragsgegners bereits deshalb trägt, weil es dem Beweisantrag BA63 an hinreichender Bestimmtheit fehlt, kommt es unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten Erwägungen zu den Begründungsanforderungen im Organstreitverfahren nicht mehr an. 

5. Soweit die Anträge nicht bereits aus den oben genannten Gründen unzulässig sind, ist das Begehren der Antragsteller auf einen zulässigen Streitgegenstand gerichtet. 

Es fehlt den Antragstellern für die Anträge zu 2. und 3. zuletzt nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, das auch im Organstreitverfahren grundsätzlich Voraussetzung für die Sachentscheidung ist (vgl. z. B. Beschluss vom 20. Februar 2003 ‌‑ VfGBbg 112/02 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 ‌‑ 2 BvE 6/16 ‑‌, BVerfGE 147, 31-39, Rn. 17 m. w. N., juris). Ausfluss des Rechtsschutzbedürfnisses ist im Organstreitverfahren eine Konfrontationsobliegenheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 ‌‑ 2 BvE 6/16 ‑‌, BVerfGE 147, 31‑39, Rn. 19, juris). Der Antragsgegner muss wissen, was von ihm verlangt wird, und die Möglichkeit haben, dem Verlangen nachzukommen, um eine verfassungsgerichtliche Auseinandersetzung gegebenenfalls zu vermeiden. Diese dem Organstreitverfahren vorgelagerte Konfrontationsobliegenheit korrespondiert mit der Pflicht zur Festlegung auf konkrete Maßnahmen, deren Verfassungswidrigkeit vor dem Verfassungsgericht gerügt wird und die vom Verfassungsgericht noch zu überprüfen wären (vgl. Beschluss vom 21. September 2019 ‌‑ VfGBbg 58/18 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Die Antragsteller zu 1. haben ihrer Konfrontationsobliegenheit genügt, indem sie gegenüber dem Antragsgegner vor Anrufung des Verfassungsgerichts mit Schreiben vom 25. August 2021 die Ablehnung der Beweisanträge BA68, BA83, BA84 und BA85 gerügt haben. Aufgrund dessen bedurfte es keines weiteren Hinweises der Antragsteller zu 2. auf die bestehende Streitigkeit.

II.

Der Antrag zu 2. ist begründet. Der Antragsgegner hat insoweit die Rechte der Antragsteller aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV (hierzu unter 1.) verletzt, als er ohne eine ausreichende Begründung den Beweisantrag BA68 der Antragsteller zu 1. abgelehnt hat (hierzu unter 2. a.). Der die Ablehnung der Beweisanträge BA83, BA84 und BA85 betreffende Antrag zu 3. ist unbegründet (hierzu unter 2. b.).

1. Gemäß Art. 72 Abs. 1 Satz 1 LV hat der Landtag das Recht und auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Der Untersuchungsauftrag ist nach Art. 72 Abs. 1 Satz 2 LV in einem Beschluss festzulegen und darf gegen den Willen der Antragsteller nicht verändert werden. Die Untersuchungsausschüsse haben das Recht, Beweise zu erheben, vgl. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 LV. Sie sind nach Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV dazu verpflichtet, wenn dies von einem Fünftel der Ausschussmitglieder beantragt wird.

Dem Untersuchungsausschussrecht im Allgemeinen und den darin verbürgten Minderheitenrechten im Besonderen kommt in der parlamentarischen Demokratie herausragende Bedeutung zu. Neben dem Zitierungsrecht aus Art. 66 Abs. 1 LV, der Unterrichtungspflicht der Regierung gemäß Art. 94 LV und dem Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten nach Art. 56 Abs. 2 und Abs. 3 LV erhält das Parlament über Art. 72 Abs. 3 LV die Möglichkeit, sich ohne Mitwirkung von Regierung und Verwaltung über Sachverhalte zu informieren, die es zur Vorbereitung seiner Entscheidungen und zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt (vgl. insoweit zu Art. 44 GG z. B.: BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 ‌‑ 2 BvE 3/07 ‑‌, BVerfGE 124, 78‑161, Rn. 105, juris). Diese Kontrolle der Regierung wird naturgemäß vor allem von der Opposition und folglich in der Regel von einer Minderheit wahrgenommen. Dementsprechend stellt Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV das Kernstück des Minderheitenschutzes im Untersuchungsausschussrecht dar und begründet einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Beweiserhebung (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2003 ‌‑ VfGBbg 95/02 ‑‌, m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Das Untersuchungsverfahren wird dadurch gesteuert, dass der Untersuchungsausschuss die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen erhebt, vgl. Art. 72 Abs. 5 LV i. V. m. § 15 Abs. 1 UAG, oder aber beantragte Beweiserhebungen ablehnt.

Den Beweisanträgen der qualifizierten Minderheit der Ausschussmitglieder ist grundsätzlich Folge zu leisten, soweit das Antragsrecht nicht sachwidrig oder missbräuchlich ausgeübt wird. Mit einem Beweisbeschluss wird Klarheit geschaffen, was zum Aufklärungsprogramm des Ausschusses gehört. Gleiches gilt für die förmliche Ablehnung eines Beweisantrags. Die Ablehnung eines Beweisantrags der qualifizierten Minderheit durch die Mehrheit darf nicht allein auf das Mehrheitsprinzip gestützt sein; sie bedarf der Begründung (vgl. hierzu: BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 ‌‑ 2 BvE 2/01 ‑‌, BVerfGE 105, 197-235, Rn. 107, juris). Diese muss die wesentlichen Erwägungen für die Entscheidung erkennen lassen und nachvollziehbar aufzeigen, inwiefern ein Ablehnungsgrund geprüft und bejaht wurde (vgl. z. B. Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. Februar 2016 ‌‑ LVerfG 9/15 ‑‌, Rn. 71, juris). Entbehrlich ist eine substantiierte Begründung der Ablehnung nur dann, wenn der Ablehnungsgrund evident ist. Eine substantiierte Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar. Vielmehr soll sie der Ausschussminderheit die Berechtigung der Ablehnung plausibel machen und ihr die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind. Darüber hinaus ist sie unentbehrliche Voraussetzung einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle, die anderenfalls weitgehend zur Disposition der Ausschussmehrheit stünde (vgl. z. B. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2020 ‌‑ 6/20 ‑‌, Rn. 161 m. w. N., juris).

Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Beweiserhebungsrecht aus Art. 72 Abs. 3 LV werden durch das Untersuchungsausschussgesetz weiter präzisiert und konkretisiert. Danach darf die Ausschussmehrheit Beweisanträge der qualifizierten Minderheit nur dann zurückweisen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist. Das ist gemäß § 15 Abs. 3 UAG der Fall, wenn sie nicht im Rahmen des Untersuchungsauftrags liegt, wenn sie wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Untersuchung ohne Bedeutung oder schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel ungeeignet oder auch im Fall der Anwendung der nach dem UAG zulässigen Zwangsmittel unerreichbar ist oder wenn der Antrag ersichtlich zum Zwecke der Verschleppung des Verfahrens gestellt ist.

Die für die Ablehnung des Beweisantrags wesentlichen Erwägungen müssen sich aus dem dazugehörigen Ablehnungsbeschluss ergeben. Eine Nachholung der Begründung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vermag den Verfassungsverstoß, der in der Ablehnung eines Beweisantrags ohne hinreichende Begründung liegt, nicht nachträglich zu heilen (vgl. Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. Februar 2016 ‌‑ LVerfG 9/15 ‑‌, Rn. 71, juris). Ein „Nachschieben von Gründen“ würde weder den Zweck kritischer Selbstkontrolle der Ausschussmehrheit erfüllen, noch die Ausschussminderheit in die Lage versetzen, ihre Rechtsschutzmöglichkeiten vorab zu prüfen (vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2020 ‌‑ 6/20 ‑‌, Rn. 163, juris).

Dabei steht dem Untersuchungsausschuss bei der Entscheidung über Art und Umfang der Beweiserhebung ein Wertungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle - im Hinblick auf die Einhaltung seiner Grenzen -unterliegt (vgl. Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 10. Oktober 2006 ‌- Vf. 19-VIa-06 -‌, Rn. 43, juris; Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 3. Dezember 2020 ‌- Vf. 176-I-20 -‌, Rn. 35, juris; Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2002 ‌- 11/02 -‌, Rn. 90f., juris). Auch vor dem Hintergrund des Beweiserhebungsrechts der qualifizierten Ausschussminderheit aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV hat sich das Verfassungsgericht mit Rücksicht auf die parlamentarische Autonomie und die besondere Natur des Untersuchungsverfahrens als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse bei der Überprüfung von Entscheidungen eines Untersuchungsausschusses über Art und Umfang der Beweiserhebung auf die Prüfung zu beschränken, ob die Begründung der Mehrheit nachvollziehbar und der durch die Verfahrensautonomie der Mehrheit eröffnete Wertungsrahmen in vertretbarer Weise ausgefüllt worden ist. Daran kann es fehlen, wenn die Begründung der Ablehnung den Beleg der Sachwidrigkeit der abgelehnten Beweisanträge nicht erkennen lässt oder wenn eine Auslegung des Untersuchungsauftrags mit juristischen Auslegungsmethoden nicht mehr nachvollziehbar ist (BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 ‌‑ 2 BvE 2/01 ‑‌, BVerfGE 105, 197‑235, Rn. 108, juris).

2. Dies zugrunde gelegt, ergibt sich für die Beweisanträge BA68 einerseits und BA83, BA84 sowie BA85 andererseits Folgendes:

a. Der Antragsgegner hat durch seine unzureichend begründete ablehnende Entscheidung über den Beweisantrag BA68 (Beauftragung eines Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. D.) gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV verstoßen.

Art. 72 Abs. 3 LV verleiht den Untersuchungsausschüssen die hoheitliche Befugnis, zur Durchführung des Untersuchungsauftrags selbst Beweise zu erheben, insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, vgl. Art. 72 Abs. 5 LV i. V. m. § 22 UAG.

Nach § 22 Abs. 2 UAG erfolgt die Auswahl der Sachverständigen durch den Untersuchungsausschuss; die Rechte der antragstellenden Mitglieder nach § 15 Abs. 2 UAG - wonach Beweise zu erheben sind, wenn dies von einem Fünftel der Mitglieder beantragt wird - sind zu berücksichtigen. Dieser Mitgestaltungsanspruch ist im Lichte des durch Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV gewährleisteten Minderheitenschutzes dahin auszulegen, dass die qualifizierte Ausschussminderheit im Falle einer fehlenden Einigung auf eine Person verlangen kann, dass jedenfalls auch der von ihr vorgeschlagene Sachverständige bestellt wird (vgl. LT-Drs. 6/11272, S. 15 f., Begründung zu § 22 UAG). Hat die qualifizierte Minderheit demnach im Ergebnis Anspruch auf Anhörung eines von ihr vorgeschlagenen Sachverständigen, darf die Mehrheit dies nicht allein aufgrund ihres Stimmenübergewichts ablehnen, sondern nur, wenn in der Person des Sachverständigen ein tatsächlicher Ablehnungsgrund vorliegt (vgl. auch Gesetzesbegründung zur inhaltsgleichen Regelung in § 28 Abs. 2 PUAG: BT-Drs. 14/5790, S. 19; ebenso: Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2. Aufl. 2020, Rn. 942; Georgii, in: Waldhoff/Gärditz, § 28 PUAG, Rn. 7; Glauben, in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl. 2016, § 28 PUAG, Rn. 12). Dabei kommen als Ablehnungsgründe grundsätzlich die in § 15 Abs. 3 UAG geregelten Gründe in Betracht, soweit sie in Bezug auf die Person eines Sachverständigen Anwendung finden können. Können die Antragsteller zu 1. die Heranziehung eines bestimmten Sachverständigen demnach grundsätzlich erzwingen, da sie ein Fünftel der Mitglieder des Antragsgegners stellen, fehlt es vorliegend - auch unter Berücksichtigung eines Wertungsspielraums des Antragsgegners - an einer hinreichenden Begründung der Ablehnungsentscheidung. Weder lässt diese den angeführten Missbrauch des Beweisantragsrechts nachvollziehbar erkennen (aa.), noch ergibt sie hinreichend die (Un‑)Geeignetheit von Prof. Dr. B. als Sachverständiger zur Erstattung des begehrten Gutachtens (bb.).

aa. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 UAG ist eine Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuss unter anderem dann unzulässig, wenn der Antrag hierauf ersichtlich zum Zwecke der Verschleppung des Verfahrens gestellt ist. Die Vorschrift kodifiziert insofern verfassungsimmanente Grenzen - auch - der Minderheitenrechte aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt der Rechtsmissbrauch eine - ungeschriebene - verfassungsimmanente Beweiserhebungsgrenze dar, wonach insbesondere Beweisanträge zurückgewiesen werden können, die offensichtlich der Verzögerung dienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 ‌‑ 2 BvE 3/07 -‌, BVerfGE 124, 78‑161, Rn. 137, juris).

Der Antragsgegner legt in seiner Begründung weder dar, dass der Beweisantrag BA68 der Verzögerung dienen sollte, noch, dass dies offensichtlich sei. Sämtliche Ausführungen beziehen sich sinngemäß ausschließlich auf die (Un-)Geeignetheit des benannten Sachverständigen.

bb. Die Begründung des Antragsgegners dafür, dass der benannte Sachverständige als ungeeignetes Beweismittel im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 1 5. Alt. UAG anzusehen sei, trägt die Ablehnung des Beweisantrags BA68 nicht.

Da das Untersuchungsausschussgesetz das Tatbestandsmerkmal der Ungeeignetheit eines Beweismittels nach § 15 Abs. 3 Satz 1 5. Alt. UAG nicht näher konkretisiert, greift das Gericht insoweit auf die zum Strafprozessrecht entwickelten Grundsätze zu § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO zurück, an die sich das Untersuchungsausschussgesetz von Beginn an anlehnt (vgl. LT‑Drs. 1/110, S. 35, zu § 15). Diese Grundsätze können in Bezug auf die Person eines Sachverständigen allerdings nur entsprechend angewendet werden, denn die Auswahl eines Sachverständigen liegt im Strafprozess nach § 73 StPO in der Hand des Gerichts, so dass § 244 Abs. 3 StPO hierauf an sich keine Anwendung findet.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Strafprozess ist ein Beweismittel (völlig) ungeeignet, wenn ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis festzustellen ist, dass sich mit ihm das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 30. Januar 2013 ‌‑2 StR 468/12 ‑‌, Rn. 7, juris; Krehl, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 244 StPO, Rn. 149 m. w. N.). In Bezug auf den Sachverständigenbeweis ist das der Fall, wenn auszuschließen ist, dass der Sachverständige sich zur vorgelegten Beweisfrage überhaupt sachlich äußern kann (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2007 ‌‑ 2 StR 322/07 ‑‌, Rn. 2, juris). So liegt es beispielsweise, wenn der Sachverständige Untersuchungsmethoden anwendet, die unausgereift und nicht zuverlässig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1997 ‌‑ 4 StR 45/97 ‑‌, Rn. 6, juris).

Überträgt man dies auf die Auswahl des Sachverständigen, darf er danach dann nicht bestellt werden, wenn er die in Bezug auf den Gutachtenauftrag erforderliche fachliche und persönliche Eignung nicht mitbringt. In einem solchen Fall wäre das von ihm zu erstattende Gutachten offensichtlich unbrauchbar. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Sachverständiger zu erkennen gegeben hat, dass er zu einem unparteilichen Herangehen an den Gutachtenauftrag aufgrund persönlichen emotionalen Engagements nicht mehr in der Lage ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 1994 ‌‑ 1 StR 424/94 ‑‌, Rn. 18, juris; Trück, in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 2023, § 73 Rn. 19).

Auch in Bezug auf die Person des Sachverständigen bedarf der seine Bestellung ablehnende Beschluss einer Begründung, die alle tatsächlichen Umstände dartun muss, aus denen auf die mangelnde fachliche oder persönliche Eignung und damit die völlige Wertlosigkeit des durch ihn zu erbringenden Beweises geschlossen wird (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 21. August 2014 ‌‑ 1 StR 13/14 ‑‌, Rn. 15, juris).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Ablehnung des Beweisantrags BA68 nicht in der gebotenen Begründungstiefe gerecht (1). Die unzureichende Begründung kann auch nicht im verfassungsgerichtlichen Verfahren nachgebessert werden (2).

(1) Die nach Auffassung des Antragsgegners fehlende Eignung von Prof. Dr. D. zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens ist in den Ablehnungsgründen zum Beweisantrag BA68 nicht ausreichend dargelegt.

Prof. Dr. D. ist - ausweislich der Begründung des Beweisantrags BA68 - Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie und leitete über 20 Jahre das Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Universität E.. Vor diesem Hintergrund erscheint der benannte Sachverständige von seiner beruflichen Laufbahn her nicht von vornherein ungeeignet, ein Sachverständigengutachten zur Geeignetheit von Mund-Nase-Bedeckungen für die Eindämmung von SARS-CoV-2 zu erstellen. Sofern der Antragsgegner die Fachkunde des Sachverständigen zur Gutachtenerstellung trotz dessen Werdegangs aufgrund seiner öffentlichen Äußerungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in Abrede stellen will, genügt hierfür - auch unter Beachtung des dem Antragsgegner insoweit zustehenden Bewertungsspielraums - nicht die schlichte Zitierung einer 12-zeiligen Presseerklärung der Universität E., in der sich die Universitätsmedizin und das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene „an entscheidenden Stellen von den von Herrn D. vertretenen Positionen, die wir als irreführend bis falsch betrachten“ ohne nähere Gründe distanziert. Diese Presseerklärung beinhaltet lediglich in allgemeiner Form einen Bezug auf die „Covid-19-Pandemie“ und lässt weder erkennen, auf welche vertretenen Positionen sie sich konkret bezieht, noch wann und auf welchem Wege diese durch Herrn Prof. Dr. D. vertreten wurden. Selbst wenn - obgleich sich der Antragsgegner hierauf nicht stützt - ergänzend die weitere Presseerklärung der Universität E. herangezogen würde, ergibt sich nichts anderes, denn auch hierin bezieht sich die Universität lediglich in allgemeiner Form auf „im Internet kursierende Videos des Professors im Ruhestand … Herr D.“ und erklärt hierzu, die Meinungsäußerungen seien „in keiner Weise … mit der Universitätsmedizin E. abgestimmt“. Gleiches gilt, soweit der Antragsgegner Bezug nimmt auf ein Video von Prof. Dr. D.. Dieser Verweis ist einer Prüfung nicht zugänglich, da weder eine Quelle genannt noch das in Bezug genommene Video konkret bezeichnet wird. Auch wird der Inhalt des Videos durch den Antragsgegner lediglich rudimentär und im Sinne einer eigenen Interpretation mitgeteilt. So gibt dieses Begründungselement im Hinblick auf die fehlende Fachkunde des Prof. Dr. D. nichts her. Ebenso unergiebig zum Beleg der Annahme des Antragsgegners, dass sich die Äußerungen von Prof. Dr. D. jedweder wissenschaftlichen Erkenntnis entziehen, ist auch der bloße Verweis auf den Wissenschaftler Prof. Dr. J., der in mehreren Zeitungsartikeln Stellung zu den Äußerungen des Prof. Dr. D. genommen und diese widerlegt habe. Aus der Begründung des Ablehnungsbeschlusses ist nicht ersichtlich, mit welchen Thesen sich Prof. Dr. J. auf welche Weise und mit welchem Ergebnis im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Quellen werden ebenfalls nicht genannt. Aus dieser pauschalen Begründung heraus ist für das Verfassungsgericht die völlige Wertlosigkeit des beantragten Sachverständigenbeweises durch den konkret benannten Sachverständigen nicht hinreichend erkennbar. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner auch im Organstreitverfahren die Begründung seiner Ablehnungsentscheidung vom 23. April 2021 nicht aufgreift und vertieft, sondern sich vielmehr allein auf gänzlich neue Begründungserwägungen stützt.

 

Weitere Anhaltspunkte, wonach das beantragte Sachverständigengutachten aus in der Person des Gutachters liegenden Gründen zu keinem verwertbaren Beweisergebnis führen kann, sind in der Begründung zur Ablehnungsentscheidung nicht aufgeführt.

Sofern der Antragsgegner - für das Gericht durchaus nachvollziehbare - Bedenken hegt, das zu beauftragende Sachverständigengutachten könne zu keinem verwertbaren Beweisergebnis führen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Prof. Dr. D. in öffentlichen Äußerungen wiederholt die Existenz einer weltweiten Pandemie, die Pathogenität des Coronavirus und die Bedrohung für die Bevölkerung negiert und SARS‑CoV‑2 in der Vergangenheit wie ein reguläres „Erkältungscoronavirus“ eingestuft hat, hätte er dies in seiner Ablehnungsentscheidung substantiiert zum Ausdruck bringen und die seine Bedenken begründenden Tatsachen mitteilen müssen.

(2) Die erstmals im Organstreitverfahren mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 15. Dezember 2021 ergänzte Begründung der Ablehnungsentscheidung kann hierbei nicht in die vorliegende verfassungsgerichtliche Prüfung mit einbezogen werden.

Der Antragsgegner hat hierin insbesondere die fachliche Expertise von Prof. Dr. D. in Abrede gestellt und unter anderem erstmalig auf das von ihm und seiner Ehefrau verfasste Buch verwiesen.

Zwar können sich die wesentlichen Erwägungen für eine Ablehnungsentscheidung nicht nur aus dem Sitzungsprotokoll, sondern auch aus dem Kontext des ablehnenden Beschlusses ergeben, beispielsweise aus dem Protokoll über die Diskussion im Ausschuss oder eine vorgelegte oder verlesene Stellungnahme (vgl. z. B. Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2022, Rn. 559). Wie bereits dargestellt, vermag jedoch eine „nachgeschobene Begründung“ im gerichtlichen Verfahren den Verfassungsverstoß, der in der Ablehnung eines Beweisantrags ohne hinreichende Begründung liegt, nicht nachträglich zu heilen (vgl. Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. Februar 2016 ‌‑ LVerfG 9/15 ‑‌, Rn. 71, juris; Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2020 ‌‑ 6/20 ‑‌, Rn. 163, juris). An dieser Stelle kann offen bleiben, ob dieser Grundsatz uneingeschränkt auch für die Vertiefung einer bereits der Begründung des ablehnenden Beschlusses zugrunde liegenden Argumentation gilt, denn der Antragsgegner vertiefte im verfassungsgerichtlichen Verfahren seine bisherige Argumentation nicht nur, sondern stützte sie mit der von ihm nunmehr thematisierten wissenschaftlichen Schwerpunktsetzung des in Aussicht genommenen Sachverständigen und seiner spezifisch themenbezogenen Publikationstätigkeit auf neue Erwägungen, die gerade nicht dem Beschluss vom 23. April 2021 zugrunde lagen. Insofern wäre es Sache des Antragsgegners gewesen, die in der Antragserwiderung vom 15. Dezember 2021 angestellten Erwägungen bereits zum Gegenstand seiner ursprünglichen Ablehnungsentscheidung zu machen.

Dem Antragsgegner bleibt es unbenommen, bei einem erneuten Beweisantrag der Antragsteller zu 1. deren Rechte unter Berücksichtigung der hier getroffenen Entscheidung sowie gegebenenfalls zusätzlich heranzuziehender Umstände in einer Gesamtschau zu bewerten.

b. Der Antragsgegner hat die Antragsteller nicht in ihren durch die Landesverfassung verbürgten Rechten verletzt, soweit er die Beweisanträge BA83, BA84 und BA85, mit denen eine Zeugenbefragung von Frau Dr. Angela Merkel, Herrn Dr. Markus Söder und Herrn Jens Spahn erreicht werden sollte, als unzulässig abgelehnt hat.

Es kann offenbleiben, ob die Ablehnung auch deshalb von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, weil der Antragsgegner darauf abstellt, die beantragten Zeugenvernehmungen lägen außerhalb seiner Untersuchungskompetenz. Jedenfalls überschreitet die Begründung, die Beweisanträge BA83, BA84 und BA85 seien nicht mehr vom Untersuchungsauftrag gedeckt, den für den Antragsgegner anzuerkennenden Wertungsspielraum nicht.

Im Gegensatz zum Strafverfahren, welches auf die Feststellung zielt, ob eine Person einen fest umrissenen Straftatbestand verwirklicht und eine individuelle Schuld hat, geht es im Untersuchungsausschuss um die Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken und damit vor allem um die Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Parlaments (vgl. z. B. Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. Februar 2016 ‌‑ LVerfG 9/15 ‑‌, Rn. 60, juris; Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2. Aufl. 2020, Rn. 113). Was zur konkreten Beweiserhebung im Sinne von Art. 72 Abs. 3 LV gehört, ist nach dem Sinn und Zweck der Regelung und nach dem Rechtsgedanken von Art. 72 Abs. 3 Satz 4 LV - die Beweiserhebung ist unzulässig, wenn sie nicht im Rahmen des Untersuchungsauftrags liegt - an dem durch Beschluss des Landtags festzulegenden „Gegenstand der Untersuchungen“, dem „Untersuchungsauftrag“ (vgl. Art. 72 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 3 LV), zu messen (vgl. z. B. Urteil vom 16. Oktober 2003 ‌‑ VfGBbg 95/02 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Nach seinem Einsetzungsbeschluss soll der Antragsgegner umfassend aufklären, ob das Handeln (oder Unterlassen) der Brandenburger Landesregierung, der politischen Leitungen der zuständigen Ministerien und der ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht unterliegenden Behörden kurz vor Beginn und während der „SARS‑CoV‑2/COVID-19-Pandemie“ geeignet, erforderlich und angemessen waren (vgl. Ziffer I. A. 1. des Einsetzungsbeschlusses). Darüber hinaus soll der Antragsgegner umfassend aufklären, welche Handlungen und Unterlassungen die Landesregierung in Handlungsautonomie und welche in Zusammenarbeit und enger Abstimmung mit der Bundesregierung, den Bundesbehörden und anderen Landesregierungen unternommen hat (vgl. Ziffer I. A. 7. des Einsetzungsbeschlusses).

Soweit der Antragsgegner zur Begründung seiner Ablehnungsentscheidung auf diese Passagen des Einsetzungsbeschlusses Bezug nimmt und ausführt, die Beratungen und Entscheidungen der MPK könnten nur in dem Maße für den Untersuchungsgegenstand relevant sein, wie der Ministerpräsident sie im Ergebnis aus der MPK persönlich oder auch in die Kabinettsberatungen mitgenommen hat, entspricht dies spiegelbildlich den entsprechenden Anforderungen des Einsetzungsbeschlusses. Gegenstand der Untersuchungen ist demnach nur das Handeln oder Unterlassen der Brandenburger Landesregierung, von Landesministerien oder von deren Aufsicht unterliegenden Behörden. Zu Recht weist der Antragsgegner daher weiter darauf hin, dass Ministerpräsident Dr. Woidke bereits am 23. April 2021 als Zeuge vernommen worden war und aus den in den Beweisanträgen BA83 bis BA85 benannten Beweisthemen - „Einfluss der Sitzungen und Beschlüsse der gemeinsam mit der Bundeskanzlerin durchgeführten Ministerpräsidentenkonferenz auf die Strategieentwicklung der Landesregierung“ - keine Schlüsse bezüglich etwaiger Handlungsfehler oder Unterlassungen der Brandenburger Landesregierung abgeleitet werden könnten. Eine Zeugenbefragung von Frau Dr. Merkel, Herrn Dr. Söder und Herrn Spahn zu den von den Antragstellern zu 1. benannten Tatsachen, wie der Ablauf der Sitzungen der MPK im untersuchungsrelevanten Zeitraum war oder wie die Beschlüsse zustande gekommen sind, stellt sich insoweit mangels konkreten Bezugs zum Handeln oder Unterlassen der Brandenburger Landesregierung als unerheblich für den Untersuchungsauftrag dar, zumal der Verlauf der MPK bereits aus der Vernehmung des Ministerpräsidenten bekannt war. Auch hierauf hat der Antragsgegner in seiner Ablehnungsentscheidung Bezug genommen.

Die Begründungserwägung, die in den Beweisanträgen BA83, BA84 und BA85 benannten Zeugen hätten als ehemalige Bundeskanzlerin, damaliger Bundesgesundheitsminister und Ministerpräsident des Freistaates Bayern keine Maßnahmen mit einem spezifischen Bezug zum Land Brandenburg verantwortet, zu denen sie vernommen werden könnten, wahrt den Rahmen des dem Untersuchungsausschuss eingeräumten Wertungsspielraums. Derartige Maßnahmen seitens der Zeugen werden in den Beweisanträgen BA83, BA84 und BA85 nicht behauptet und sind auch nicht offenkundig. Für Beschlüsse der MPK als informelles Koordinationsgremium besteht keine Bindungswirkung; dies wurde im Zuge der SARS-CoV-2-Pandemie wiederholt deutlich durch von MPK-Beschlüssen abweichende Umsetzungsakte einzelner Bundesländer.

Eine Befragung zu der jeweiligen Wahrnehmung und Bewertung der Zeugen, welchen Einfluss die MPK-Sitzungen auf die Meinungsbildung der Landesregierung Brandenburg hatten, beinhalten die Beweisanträge nicht; im Übrigen wäre dies rein spekulativ. Auch wenn ein Beweisantrag grundsätzlich darauf abzielen darf, „Licht ins Dunkel“ zu bringen, um auf diese Weise die Aufklärung von politischen Verantwortlichkeiten zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2003 ‌‑ VfGBbg 95/02 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 ‌‑ 2 BvE 3/07 ‑‌, BVerfGE 124, 78‑161, Rn. 111, juris), ist eine Beweiserhebung „ins Blaue hinein“ unzulässig. Auch hierauf hat der Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise in seiner Ablehnungsbegründung hingewiesen und auf den Beschluss zum Beweisantrag BA50 Bezug genommen, wonach seitens der Landesregierung bereits Akten übersandt wurden, die die Vor- und Nachbereitung der MPK zwischen März und September 2020 hinsichtlich der Einführung und Lockerung von Corona-Eindämmungsmaßnahmen betreffen.

C.

Die notwendigen Auslagen der Beteiligten sind nicht zu erstatten. Insoweit kann offenbleiben, ob in einem Organstreitverfahren eine Auslagenerstattung bereits deshalb ausscheidet, weil die Beteiligten derselben Rechtsperson angehören (vgl. z. B. Urteil vom 20. Juni 1996 ‌‑ VfGBbg 3/96 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Jedenfalls sind besondere Billigkeitsgründe im Sinne von § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg, die eine angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens und des fehlenden Anwaltszwangs nur ausnahmsweise in Betracht kommende Auslagenerstattung rechtfertigen würden, nicht ersichtlich. Das teilweise Obsiegen der Antragsteller rechtfertigt für sich allein eine Anordnung der Erstattung der Auslagen im Organstreitverfahren - anders als im Verfassungsbeschwerdeverfahren, vgl. § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg - nicht.

D.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 VerfGGBbg.

E.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Entscheidung über den Antrag zu 2. mit acht zu einer Stimme und im Übrigen einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß