VerfGBbg, Urteil vom 16. Oktober 2003 - VfGBbg 95/02 -
Verfahrensart: |
Organstreit Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 67 Abs. 1; LV, Art. 72 Abs. 1; LV, Art. 72 Abs. 3 Satz 2 | |
Schlagworte: | - Parlamentsrecht - Untersuchungsausschuß - Fraktion - Beteiligtenfähigkeit - Antragsbefugnis - Rechtsschutzbedürfnis |
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amtlicher Leitsatz: | 1. Antragsbefugnis der Landtagsfraktion in einem Organstreitverfahren wegen Ablehnung eines Beweisantrags im Untersuchungsausschuß. 2. Was zur Beweiserhebung im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Landesverfassung gehört, ist am Untersuchungsauftrag zu messen. Setzt der Landtag einen allgemein auf „Aufklärung“ gerichteten Untersuchungsausschuß ein, können der qualifizierten Ausschußminderheit entsprechend allgemein auf Aufklärung gerichtete Beweisanträge nicht vorenthalten werden. |
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Fundstellen: | - LKV 2004, 177 - LVerfGE 14, 179 |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Urteil vom 16. Oktober 2003 - VfGBbg 95/02 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 95/02
In dem Organstreitverfahren 1. der beiden Mitglieder im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß 3/2 der 3. Wahlperiode des Landtags Brandenburg a) Heinz Vietze MdL Antragsteller zu 1., 2. der Fraktion der PDS im 3. Brandenburgischen Landtag, Antragstellerin zu 2., Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller zu 1. und 2.: Rechtsanwälte B., gegen den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß 3/2 der 3. Wahlperiode des Landtages Brandenburg, Antragsgegner, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. & C., F., wegen Ablehnung des Beweisantrags A 33 im 2. Untersuchungsausschuß der 3. Wahlperiode des Landtages Brandenburg hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2003 für R e c h t erkannt: Auf Antrag der Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 2. wird festgestellt: Die Ablehnung des Antrages A 33 durch den 2. Untersuchungsausschuß der 3. Wahlperiode des Landtages Brandenburg verletzt die Antragsteller zu 1. in ihrem Recht aus Art. 72 Abs. 2 Satz 2 der Landesverfassung. G r ü n d e : A. Die Antragsteller rügen die Verletzung des Beweiserhebungsrechts der Antragsteller zu 1. durch den Antragsgegner. I. Der Landtag Brandenburg setzte am 20. September 2001 einen aus acht Abgeordneten nebst Stellvertretern bestehenden Untersuchungsausschuß zur Aufklärung der Verantwortung der Landesregierung und der Landesvertreter in den Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsräten sowie der Geschäftsführer für den bisherigen Verlauf 1991 bis 2001 der Entwicklung a) der Landesentwicklungsgesellschaft für Städtebau, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg (LEG) und b) der LEG-Gruppe, ihrer Töchter und Beteiligungen ein. Von Seiten der PDS-Fraktion sind die Antragsteller zu 1. Mitglieder des Untersuchungsausschusses. In dem Einsetzungsbeschluß heißt es:
Nach seiner Konstituierung im November 2001 beschloß der Untersuchungsausschuß in seiner 3. Sitzung am 18. Dezember 2001, bestimmte Unterlagen - so insbesondere Protokolle der Geschäftsführer- und Aufsichtsratssitzungen der LEG und Kabinettsvorlagen und Beschlüsse der Landesregierung Brandenburg - bei der LEG bzw. der Landesregierung Brandenburg anzufordern (Beweisbeschluß B 2). Nachdem der Ausschuß in den ersten Monaten des Jahres 2002 die Unterlagen erhalten und gesichtet hatte, sahen die Antragsteller zu 1. weiteren Aufklärungsbedarf insoweit, als die Protokolle auf nicht beigefügte Anlagen - insbesondere Tisch- und Sitzungsvorlagen - Bezug nahmen. Auf einem Briefbogen der Antragstellerin zu 2. unterzeichneten die Antragsteller zu 1. unter dem 29. April 2002 einen an den Vorsitzenden des Antragsgegners gerichteten Antrag, durch die Vorlage aller Beschluss- und Tischvorlagen zu den Gesellschafterversammlungen, Aufsichtsratssitzungen und Geschäftsführersitzungen der LEG und aller ihrer Tochter- und Beteiligungsunternehmen im Zeitraum von 1991 bis 2001 durch die ... LEG ... die Punkte 1.3, 1.7, 9.1 und 9.3 des Einsetzungsbeschlusses aufzuklären (Beweisantrag A 31). In der 9. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 14. Mai 2002 hieß es mündlich zur Begründung, man könne ohne die in den Protokollen in Bezug genommenen Unterlagen nicht nachvollziehen, was in den Sitzungen geschehen sei. Die der SPD- und CDU-Fraktion angehörenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses äußerten Bedenken. Der Antrag müsse überarbeitet und konkretisiert werden, da er zu unbestimmt sei. Der Antrag wurde sodann in der Sitzung mehrheitlich abgelehnt. Unter dem 03. Juni 2002 stellten die Antragsteller zu 1., erneut auf einem Kopfbogen der Antragstellerin zu 2., folgenden Antrag:
In dem Antrag werden einige Protokolle beispielhaft genannt, in denen auf Sitzungsvorlagen verwiesen wird. In der 10. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 18. Juni 2002 wurde der Antrag behandelt. Mehrere Ausschußmitglieder äußerten erneut Bedenken. Über die - erfolgte - Vorlage der Protokolle hinaus könne die Vorlage von Beschluß- und Tischvorlagen nicht gefordert werden. Bei der folgenden Abstimmung wurde der Antrag mit vier zu drei Stimmen als unzulässig abgelehnt. Im weiteren Verlauf beschloß der Untersuchungsausschuß in seiner 12. Sitzung am 17. September 2002, daß ihm vorzulegen seien:
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 übersandte die LEG die bei uns vorliegenden und gesichteten Unterlagen zum ... Beweisbeschluss und verband dies mit dem Hinweis, dass die bei uns befindlichen Unterlagen sowohl bedingt durch die Rückführung einzelner Tochterunternehmen wie auch durch die Liquidation der LEG nicht in allen Fällen vollständig beigebracht werden können. II. Die Antragsteller haben gegen die Ablehnung des Antrags A 33 am 03. September 2002 das Verfassungsgericht angerufen. Die Antragsteller zu 1. sehen sich als qualifizierte Minderheit (Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV; § 15 Abs. 2 UAG: ein Fünftel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses) und halten sich dementsprechend für beteiligtenfähig. Der verfahrensgegenständliche Beweisantrag sei im Untersuchungsausschuß zutreffend als Antrag der der PDS angehörenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses verstanden worden. Die Antragsbefugnis ergebe sich aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 LV i.V.m. § 15 Abs. 2 Alt. 2 UAG einerseits und Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 LV i.V.m. § 15 Abs. 2 Alt. 1 UAG andererseits. Der Antragstellerin zu 2. komme gemäß Art. 67 LV eine eigene verfassungsrechtliche Stellung zu. Sie habe den Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestellt und sei als ständige Gliederung des Parlaments legitimiert, den Untersuchungsauftrag des Landtages zu sichern und so auch die Verletzung der Rechte der qualifizierten Minderheit (Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 LV; § 15 Abs. 2 Alt. 2 UAG) eigenständig geltend zu machen. Das Rechtsschutzbedürfnis bleibe ungeachtet der zwischenzeitlichen teilweisen Vorlage der Unterlagen durch die LEG aus der Zurückweisung des Beweisantrags A 33 bestehen. Andernfalls habe es der Antragsgegner durch nachträgliche Konzessionen in der Hand, Organstreitanträge aus politischen oder anderen Gründen zu Fall zu bringen. In der Sache selbst habe der Beweisantrag A 33 nicht zurückgewiesen werden dürfen. Die Versagungsgründe des § 15 Abs. 3 Untersuchungsausschußgesetz (UAG) hätten nicht vorgelegen. Die Protokolle ohne in Bezug genommene Anlagen reichten zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags nicht aus. Jedenfalls sei der Beweisantrag zulässig. Er sei ausweislich Ziffer III. C. des Einsetzungsbeschlusses (... und die Erfüllung der Aufgaben der jeweiligen Geschäftsführung durch die einzelnen Geschäftsführer in den Jahren 1991 bis 2001 ...) vom Untersuchungsauftrag gedeckt. Die Antragsteller beantragen
Der Antragsgegner beantragt,
Den Antragstellern zu 1. fehle bereits die Antragsbefugnis. Der verfahrensgegenständliche Beweisantrag sei auf einem Briefbogen der Antragstellerin zu 2. erfolgt und dieser zuzurechnen. Daher seien durch eine Ablehnung allenfalls Rechte der 21 Abgeordneten der PDS betroffen, die den Untersuchungsausschuß beantragt hatten. Auch der Antrag der Antragstellerin zu 2. sei mangels Antragsbefugnis unzulässig. Eine Fraktion besitze als solche kein Antragsrecht im Untersuchungsausschuß, so daß die Ablehnung eines gleichwohl durch sie gestellten Antrags sie auch nicht in ihren Rechten verletzen könne. Im Untersuchungsausschuß seien allein die 21 Abgeordneten der PDS antragsbefugt, die die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beantragt hatten (Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV). Auch aus einer etwaigen Verletzung des Untersuchungsrechts des Landtags könne die Antragstellerin zu 2. keine Antragsbefugnis herleiten. Die Ablehnung eines verfahrensrechtlich unzulässigen Beweisantrages könne keine Rechte des Landtages verletzen. In der Sache selbst handele es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Antrag nicht um einen Beweisantrag im technischen Sinne, sondern um einen Antrag, der im Rahmen der von dem Untersuchungsausschuß vorzunehmenden Sachverhaltsermittlung die Vorlage von ... Anlagen zu Sitzungsprotokollen bewirken soll. Ein solcher Antrag sei zunächst an § 16 UAG zu messen. Erst wenn durch die Unterlagen bestimmte Tatsachen bewiesen werden sollten, könne von einer Vorlage als Beweismittel die Rede sein. Die LEG sei als privatrechtliche Gesellschaft weder gemäß § 16 UAG noch aufgrund von Art. 72 Abs. 2 LV zur Aktenvorlage verpflichtet. Hier sei die Ablehnung des Antrages schon deshalb veranlasst gewesen, weil die LEG zur Vorlage von Unterlagen nicht verpflichtet sei und es sich nur um Sachverhaltsermittlung gehandelt habe. Die LEG habe allenfalls ersucht werden können, bestimmte Unterlagen vorzulegen. Durch den Beweisbeschluß B 26 vom 17. September 2002 habe sich die Hauptsache zumindest teilweise erledigt. Soweit noch die Beiziehung der Vorlagen zu den Geschäftsführersitzungen in Streit stehe, sei eine solche vom Untersuchungsauftrag, wie Ziffer 1.7 des Einsetzungsbeschlusses zeige, nicht gedeckt; bei den Geschäftsführungen der LEG und ihrer Tochter- und Beteiligungsunternehmen handele es sich nicht um Überwachungsorgane. III. Der Präsident des Landtags Brandenburg und die Landesregierung haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die den Landtagsfraktionen von SPD und CDU angehörenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben sich mit einer Stellungnahme an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gewandt. Danach seien sie bereit gewesen, den Beweisantrag A 33 bei einer Neueinbringung nunmehr anders zu behandeln. Da dies in Aussicht gestanden habe, sei die Antragstellerin zu 1. in der Lage gewesen, die in Frage stehende Rechtsverletzung durch eigenes zumutbares Handeln zu vermeiden, so daß das Organstreitverfahren mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei. Im übrigen dürfe die Mehrheit der Mitglieder im Untersuchungsausschuß Beweisanträge der qualifizierten Minderheit zurückweisen, wenn die Minderheit die ihr zustehenden Rechte sachwidrig ausübe. In der Sache selbst ergebe sich der Untersuchungsauftrag ausschließlich aus dem Katalog der insgesamt 89 Einzelfragen des Einsetzungsbeschlusses und decke den Beweisantrag A 33 nicht. Der Beweisantrag diene der Verfahrensverschleppung. Die LEG könne einem derartigen Beweisbeschluß nur mit einem unverhältnismäßig großen Personal- und Sachaufwand nachkommen. B. Der Antrag sowohl der Antragsteller zu 1. als auch der Antragstellerin zu 2. ist zulässig (I.) und hat auch in der Sache selbst Erfolg (II.). I. Der Antrag der Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 2. ist im Organstreitverfahren gemäß Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35 ff. Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zulässig. 1. Antragsteller und Antragsgegner sind im Sinne von Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35 VerfGGBbg im Organstreitverfahren beteiligtenfähig. Für die Antragsteller zu 1. ergibt sich dies jedenfalls daraus, daß sie ein Fünftel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses ausmachen, auf dessen Antrag der Untersuchungsausschuß Beweise zu erheben hat (Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 LV). Die Antragstellerin zu 2. ist als Fraktion im Landtag Brandenburg gemäß Art. 67 Abs. 1 LV mit eigenen Rechten ausgestattet und damit ebenfalls beteiligtenfähig (vgl. zur Beteiligtenfähigkeit einer Fraktion im Organstreitverfahren: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 20. Juni 1996 - VfGBbg 14/96 EA -, LVerfGE 4, 190, 195 sowie vom 21. August 2003 - VfGBbg 4/03 -; Beschluß vom 28. März 2001 - VfGBbg 46/00 -, LVerfGE 12, 92, 99). Es kommt unter diesen Umständen nicht darauf an, ob die Antragsteller - auch, wie vorgetragen - als Fraktion im Untersuchungsausschuß beteiligtenfähig wären (vgl. hierzu auch Knippel, in: Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit auf Landesebene, S. 51, 62; zur Beteiligtenfähigkeit einer Fraktion im Untersuchungsausschuß auf Bundesebene mit Blick auf § 60 Abs. 2 Geschäftsordnung Bundestag: BVerfGE 67, 100, 124; 70, 324, 351; BVerfG NJW 2002, 1936). Die Beteiligtenfähigkeit des Antragsgegners folgt aus Art. 72 Abs. 3 LV. 2. Die Verfahrensbeteiligten sind prozeßführungsbefugt (vgl. zu diesem Erfordernis im Organstreitverfahren Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Rn. 68 ff. zu § 64). a) Die Antragsteller zu 1. fühlen sich in ihrem Beweisantrags- und -erhebungsrecht aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 LV verletzt und machen damit ihnen selbst zustehende Rechte geltend. b) Die Antragstellerin zu 2. kann als Fraktion und damit als ständige Untergliederung des Parlaments (vgl. hierzu: BVerfGE 20, 56, 104; 45, 1, 28) grundsätzlich in einer Art Prozeßstandschaft (vgl. hierzu: BVerfGE 90, 286, 343) vor dem Landesverfassungsgericht das dem Landtagsplenum zustehende Recht auf ordnungsgemäße Durchführung des Untersuchungsauftrages durch den von ihm eingesetzten Untersuchungsausschuß wahrnehmen (vgl. zur Geltendmachung von Kontrollrechten des Plenums durch eine Fraktion gegenüber einem Untersuchungsausschuß BVerfGE 45, 1, 28; 105, 197, 220 unter Verweis auf BVerfGE 49, 70, 85; 64, 100, 125; 83, 175, 180). Das Parlament aber als Träger des Untersuchungsrechts braucht nicht tatenlos zuzusehen, wenn durch eine verfassungswidrige Ablehnung von Beweisanträgen der Zweck der Untersuchung in Gefahr gerät. Daher muß auch eine Fraktion als Teil und ständige Gliederung des Landtages an Stelle oder neben der in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV genannten Minderheit befugt sein, in prozeßstandschaftlicher Weise für das Parlament eine Verletzung des Beweiserhebungsrechts geltend zu machen (Knippel a.a.O., S. 61). c) Der Antragsgegner ist passiv prozeßführungsbefugt, nachdem eine Rechtsverletzung durch ihn - durch einen Beschluß im Untersuchungsausschuß - im Raum steht (vgl. im gleichen Sinne: BVerfGE 105, 197, 220; Niedersächsischer Staatsgerichtshof NVwZ 1986, 827 und 829; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Auflage 1991, Rn. 36 zu § 7). 3. Die Antragsbefugnis ergibt sich für die Antragsteller zu 1. unmittelbar aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 LV. Eine Verletzung in sich daraus ergebenden Rechten ist nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. allgemein: Lechner/Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 4. Auflage 1996, Rn. 4 zu § 64 sowie Rn. 51 ff. zu § 90). Die Antragstellerin zu 2. ist ebenfalls antragsbefugt. Zwar steht ihr als Fraktion kein eigenes Beweisantragsrecht im Untersuchungsausschuß zu. Jedoch kann sie als ständige Gliederung des Landtags grundsätzlich die diesem zustehenden Kontrollrechte prozeßstandschaftlich wahrnehmen (s.o. zu B. I. 2. b)) und ist dann für das Organstreitverfahren ihrerseits antragsbefugt (vgl. BVerfGE 67, 100, 126; 105, 197, 220). Das gilt, wie bereits ausgeführt, auch für die hier zugrunde liegende Konstellation einer möglichen Verletzung des Beweisantragsrechts der qualifizierten Minderheit im Untersuchungsausschuß durch die Ausschußmehrheit. Neben oder anstelle des Landtages kann deshalb auch eine Fraktion hierzu das Landesverfassungsgericht anrufen. 4. Das auch im Organstreitverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. etwa Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 20. Februar 2003 - VfGBbg 112/02 - m.w.N.) ist gegeben. Es genügt insoweit, daß weitere Fälle dieser Art nicht nur theoretisch in Betracht kommen (BVerfGE 87, 207, 209; 83, 175, 181; 24, 299, 300; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Auflage 1991, § 7 Rn. 40). Insbesondere ist hier das Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb entfallen, weil im weiteren Verlauf ein Teil der in Rede stehenden Unterlagen durch den Beweisbeschluß B 26 angefordert und zwischenzeitlich durch die LEG vorgelegt worden ist. Das bloße nachträgliche Einlenken reicht nicht aus (vgl. Staatsgerichtshof Hessen, LVerfGE 9, 211, 218 f.). Anderes kann dann gelten, wenn zum Ausdruck kommt, man sei sich bewußt, daß die zunächst eingenommene Haltung verfassungsrechtlich nicht in Ordnung gewesen sei (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 28. März 2001 - VfGBbg 46/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 12, 9, 19 und vom 16. November 2000 VfGBbg 31/00 , LVerfGE 10, 166, 168). Vorliegend ist dergleichen aber nicht zum Ausdruck gebracht worden. Seitens des Antragsgegners wird vielmehr weiterhin der Standpunkt vertreten, daß der Antrag A 33 in dieser Form unzulässig gewesen sei. 5. Die Frist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg ist gewahrt. II. Der Antrag der Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 2. hat auch in der Sache selbst Erfolg. Die Ablehnung des Antrags A 33 verstößt gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 LV. 1. a) Der Antrag A 33 ist, wenn auch auf dem Briefbogen der Antragstellerin zu 2. zu Papier gebracht, kein Antrag der Fraktion, sondern allein ein Antrag der Antragsteller zu 1. in ihrer Eigenschaft als eine qualifizierte Minderheit bildende Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Die Benutzung des Briefbogens der Fraktion ist irrelevant. Wer Antragsteller ist, ist Auslegungsfrage. Die Auslegung ergibt hier, daß die Antragsteller zu 1. als Mitglieder des Untersuchungsausschusses tätig geworden sind. Mit ihnen sind in einer den Untersuchungsausschuß betreffenden Angelegenheit eben die für die PDS in den Untersuchungsausschuß gewählten Landtagsmitglieder in Erscheinung getreten. Sie sind in diesem Zusammenwirken nicht direkt Vertreter der Landtagsfraktion. Als Antrag der Landtagsfraktion hätte der Antrag auch nicht zweifach unterschrieben zu werden brauchen. Letzten Endes liegt ja auch die Antragsberechtigung der beiden Ausschussmitglieder klar auf der Hand, während die der Landtagsfraktion für Anträge im Untersuchungsausschuß - zweifelhaft sein mag. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist von einem Antrag der Antragstellerin zu 1. als der geltungssichereren Variante auszugehen. b) Nach Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV ist der Untersuchungsausschuß verpflichtet, Beweise zu erheben, wenn dies von einem Fünftel der Ausschußmitglieder beantragt wird. Die Regelung ist Kernstück des Minderheitenschutzes im Untersuchungsausschußrecht (vgl. Knippel, in: Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit auf Landesebene, S. 51, 57) und begründet - ungeachtet der einfachgesetzlichen Ausgestaltung in dem als Beweiserhebungsnorm allein einschlägigen § 15 UAG - einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Beweiserhebung (vgl. zur Frage des Beweisantragsrechts der qualifizierten Minderheit im Untersuchungsausschuß auf Bundesebene BVerfGE 105, 197; Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Bonner Grundgesetz, 4. Auflage 2000, Rn. 158 ff. zu Art. 44 Abs. 2; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Oktober 2002, Rn. 197 ff. zu Art. 44). Hiernach wäre dem Beweisantrag A 33 zu entsprechen gewesen. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners richtet sich der Antrag A 33 auf die Erhebung von Beweisen im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 1 LV. Allerdings zielt dieser Beweisantrag nicht, jedenfalls nicht unmittelbar, auf die Klärung bestimmter Beweistatsachen, sondern auf die Einsichtnahme in weitere Unterlagen zur Überprüfung darauf, ob sich daraus etwas Be- oder Entlastendes ergibt. Insofern handelt es sich etwa bei strafprozessualer Betrachtungsweise um eine Art Beweisermittlungsantrag (vgl. hierzu - für den Bereich des Strafprozesses - Meyer-Goßner, Strafprozeßordnung, 46. Auflage 2003, Rn. 18, 23, 25 zu § 244; Schlüchter, in: SK StPO, Rn. 54 ff. und 68 ff. zu § 244; KMR StPO, Rn. 384 zu § 244). Für das Beweiserzwingungsrecht im Untersuchungsausschuß sind die Differenzierungen des Strafprozeßrechts indes unergiebig (in diesem Sinne auch Knippel a.a.O., S. 58). Während im Strafverfahren die Verwirklichung eines bestimmten fest umrissenen Tatbestandes im Hinblick auf die persönliche Schuld eines Menschen geprüft wird, geht es im Untersuchungsausschuß um die Aufklärung eines Sachverhalts unter politischen Gesichtspunkten (so Schlußbericht der Enquête-Kommission Verfassungsreform, BT-Drs. VII/5924 S. 4 f.). Was zur Beweiserhebung im Sinne von Art. 72 Abs. 3 LV gehört, ist unter diesen Umständen nach dem Sinn und Zweck der Regelung und nach dem Rechtsgedanken ihres Satzes 3 (Die Beweiserhebung ist unzulässig, wenn sie offensichtlich nicht im Rahmen des Untersuchungsauftrages liegt) an dem durch Beschluß des Landtages festzulegenden Gegenstand der Untersuchungen (Art. 72 Abs. 1 Satz 2 LV), dem Untersuchungsauftrag (Art. 72 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 LV), zu messen. Dieser braucht aber nicht (bloß) auf bestimmte Tatsachen bezogen zu sein. Vielfach wird er eher darauf abzielen, Licht ins Dunkel zu bringen, und auf die Aufklärung - Ermittlung oder Ausräumung - eines politisch interessierenden und politisch zu bewertenden Sachverhalts bzw. von politischen Verantwortlichkeiten gerichtet sein. In solchen Fällen kann es durchaus zum Gegenstand der Untersuchungen gehören, Einblick in Unterlagen zu nehmen, um Material für die politische Bewertung oder zur Einschätzung der Verantwortlichkeiten erst zu gewinnen. So verhält es sich vorliegend. Gegenstand des Untersuchungsausschusses ist schon seiner amtlichen Bezeichnung nach die Aufklärung der Verantwortung der Landesregierung und der Landesvertreter (noch ohne namentliche Benennung) für die (negative) Entwicklung der LEG und der LEG-Gruppe samt Töchtern und Beteiligungen; ähnlich umfassend und auf Rundum-Aufklärung gerichtet, sind die in den Feststellungsbeschluß aufgenommenen Einzelfragen gehalten. Bei einem solchen Untersuchungsauftrag dient auch die Einsichtnahme in die Sitzungsvorlagen der Gremien der Gesellschaft(en) einschließlich sogenannter Tischvorlagen der Erfüllung des Untersuchungsauftrags und stellt sich deshalb, gemessen am Untersuchungsauftrag, als Beweiserhebung i. S. von Art. 72 Abs. 3 LV dar. Es waren hier - ausweislich der Punkte 6.2 und 9.1 des Einsetzungsbeschlusses - auch die Geschäftsführersitzungen in den Untersuchungsauftrag mit aufgenommen. Jedenfalls aber ist es nicht so, daß die beantragte Beweiserhebung im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 3 LV offensichtlich nicht im Rahmen des Untersuchungsauftrages läge. Setzt der Landtag einen allgemein auf Aufklärung gerichteten Untersuchungsausschuß ein, können der qualifizierten Ausschußminderheit entsprechend allgemein auf Aufklärung gerichtete Beweisanträge nicht vorenthalten werden. Unbeschadet dessen liegt es in der Natur der Sache, daß die Unterlagen, in die Einblick genommen werden soll, hinreichend substantiiert bezeichnet sein müssen. Das war jedoch bei dem Beweisantrag A 33 jedenfalls mit der Konkretisierung auf die in den (vorliegenden) Sitzungsprotokollen erwähnten Vorlagen der Fall. Soweit der Antragsgegner die Auffassung vertritt, die LEG sei als privatrechtliches Unternehmen nicht zur Vorlage von Unterlagen an den Untersuchungsausschuß verpflichtet und habe deshalb hierum allenfalls ersucht werden dürfen, wäre dies im Untersuchungsausschuß für die Fassung des Beweisbeschlusses zu erörtern gewesen, konnte es jedoch nicht rechtfertigen, eine Beiziehung der betreffenden Unterlagen erst gar nicht zu versuchen. Der Beweisbeschluß B 2 vom 18. Dezember 2001 und die daraufhin erfolgte Übersendung von Unterlagen durch die LEG ebenso wie der Beweisbeschluß B 26 vom 17. September 2002 und die daraufhin erfolgte weitere Übersendung von Unterlagen führen im übrigen vor Augen, daß nach der eigenen Einschätzung des Untersuchungsausschusses die LEG zur Überlassung von Unterlagen durchaus bereit war. 2. Aus den nämlichen Gründen hat auch der Antrag der Antragstellerin zu 2. Erfolg. Nicht entgegen steht, daß ihr selbst - der Fraktion als solcher - das Beweisantragsrecht aus Art. 72 Abs. 3 Satz 2 LV nicht zusteht. Unbeschadet dessen kann sie, wie ausgeführt (s.o. zu B. I. 2. b] und 3.), in einer Art Prozeßstandschaft für den Landtag als ganzen ihrerseits Vorgänge und Verfahrensweisen in einem Untersuchungsausschuß, soweit es um die Vereinbarkeit mit dem Untersuchungsausschussrecht der Landesverfassung geht, zur Überprüfung des Landesverfassungsgerichts stellen. |
Dr. Macke | Prof. Dr. Dombert |
Prof. Dr. Harms-Ziegler | Havemann |
Dr. Knippel | Prof. Dr. Schröder |
Weisberg-Schwarz | Prof. Dr. Will |