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VerfGBbg, Beschluss vom 16. Dezember 2022 - VfGBbg 57/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- LV, Art. 52 Abs. 3
- StPO, § 275 Abs. 1 Satz 1; StPO, § 338 Nr. 7
Schlagworte: - Begründungsanforderungen
- Urteilsverfassungsbeschwerde
- Verstoß gegen gerichtliches Willkürverbot
- Anforderungen an eine formgerechte Unterschrift
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Dezember 2022 - VfGBbg 57/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 57/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 57/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

H.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:              Rechtsanwalt
                                                                 S.,

 

beteiligt:

Präsident
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts,
Gertrud-Piter-Platz 11,
14770 Brandenburg an der Havel,

wegen

Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30. April 2020 ‌‑ (2) 53 Ss 24/20 (10/20)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. Dezember 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

            Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, mit der die Revision gegen ein ihn betreffendes Strafurteil des Landgerichts als unbegründet verworfen wurde.

I.

Der Beschwerdeführer wurde am 18. Februar 2019 durch Urteil des Amtsgerichts wegen Untreue in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 208,00 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19. Februar 2019 Berufung ein. Die Berufungshauptverhandlung, an der als einziger Berufsrichter der Vizepräsident des Landgerichts als Vorsitzender teilnahm, fand am 27. November 2019 statt. Mit dem am Schluss der Hauptverhandlung verkündeten Urteil verwarf das Landgericht die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts mit der Maßgabe als unbegründet, dass auf eine Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 110,00 € erkannt wurde.

Hiergegen legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27. November 2019 Revision ein. In seiner Revisionsbegründungsschrift vom 19. Januar 2020 rügte er die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit seiner Verfahrensrüge machte der Beschwerdeführer geltend, dass die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils nicht innerhalb des nach § 275 Abs. 1 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO) vorgeschriebenen Zeitraums zu den Akten gebracht worden seien. Die sich bei den Akten befindlichen Urteilsgründe enthielten eine unzureichende, den Anforderungen des § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht genügende Unterschrift und seien daher lediglich als Urteilsentwurf anzusehen. Auf der letzten Seite der Begründung befinde sich außer der Seitenzahl und dem Aktenzeichen lediglich die gedruckte Unterschriftenzeile „Xyz“. Darüber befinde sich ein nahezu senkrecht verlaufender, L-förmiger Abstrich, der nach circa 1,5 cm in einem kurzen Bogen 90 Grad nach rechts abknicke und sich circa 0,5 cm horizontal fortsetze. Die horizontale Linie setze sich nach einer Unterbrechung leicht ansteigend über circa 4 cm weiter nach rechts fort, sie werde dabei aber an drei weiteren Stellen für jeweils zwischen 1 und 4 Millimetern unterbrochen. Klare Auf- und Abstriche seien nicht zu erkennen. Damit sei das Urteil entgegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht von dem Berufsrichter, der an der Entscheidung mitgewirkt habe, unterschrieben. Zwar stelle die herrschende Rechtsprechung keine allzu großen Anforderungen an die Unterschriftsleistung. Gleichwohl müsse die Unterschrift wenigstens aus einem ausreichend gekennzeichneten individuellen Schriftzug bestehen. Sie dürfe nicht nur ein Namenskürzel oder ein abgekürztes Handzeichen aufweisen, sondern habe charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen zu enthalten. Der Schriftzug müsse die Möglichkeit bieten, anhand einzelner erkennbarer Buchstaben die unterzeichnende Person zu identifizieren. Seien dagegen keine Buchstaben zu erkennen und bestehe die Unterschrift lediglich aus der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder Linien, fehle es ‑ insoweit verwies der Beschwerdeführer auf einen Beschluss des Kammergerichts vom 27. November 2013 (3 Ws [B] 535/13 ‑ 122 Ss 149/13,‌ BeckRS 2014, 12128) ‑ an dem Merkmal einer Schrift und damit an einer formgerechten Unterschrift.

So liege es auch im vorliegenden Fall. Die Unterschrift des Vorsitzenden bestehe im Wesentlichen aus einer kürzeren senkrechten und einer längeren waagerechten, unregelmäßig unterbrochenen Linie. Eine direkte Verbindung dieser Linien bestehe nicht. Rückschlüsse auf einen Buchstaben, der im Namen des Vorsitzenden enthalten sei, geschweige denn auf den Namen selbst ließen sich daraus nicht ziehen. Auch der gedruckte Name des erkennenden Richters ersetze die erforderliche Unterschriftsleistung nicht. Folglich liege kein vollständiges schriftliches Urteil vor, so dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO gegeben sei. Nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist könne die Unterschriftsleistung auch nicht mehr nachgeholt werden, so dass das Urteil auf der geltend gemachten Verletzung beruhe.

Der aufgezeigte Verfahrensmangel stelle zudem einen sachlich-rechtlichen Mangel dar, weil das Brandenburgische Oberlandesgericht ohne Urteilsgrundlage die ihm mit der ebenfalls erhobenen Sachrüge angetragene sachlich-rechtliche Prüfung des Urteils des Landgerichts nicht vornehmen könne.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragte im Revisionsverfahren, die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet zu verwerfen. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass die Verfahrensrüge nicht durchgreife. Im Rahmen des § 338 Nr. 7 StPO sei es unerheblich, ob die Unterschrift des Vorsitzenden den Formerfordernissen nach § 275 Abs. 2 StPO entspreche. Die Frist des § 275 Abs. 1 StPO sei bereits dann eingehalten, wenn die das Urteil tragenden Entscheidungsgründe im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich erstellt worden seien. Unschädlich sei, wenn sie fehlerhaft, unvollständig oder abhandengekommen seien.

Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 30. April 2020 verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht die Revision des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers greife nicht durch und die aufgrund der erhobenen Sachrüge veranlasste Überprüfung des angefochtenen Urteils habe keine Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhe. Ergänzend zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft sei lediglich Folgendes zu bemerken: Die Unterzeichnung des angefochtenen Urteils durch den Vorsitzenden werde noch den Anforderungen gerecht, die von der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt würden. Insoweit nahm der Senat auf einen Beschluss des Kammergerichts vom 23. März 2020 (3 Ws [B] 53/20, 162 Ss 18/20,‌ juris) Bezug. Hiernach genüge es, dass einerseits ein Schriftzug als ein aus Buchstaben bestehendes Gebilde erkennbar sei, wohingegen bloße Striche und geometrische Formen nicht ausreichten, und dass andererseits jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kenne, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen könne. Auch wenn das Schriftbild durch eine stark verkürzte und vereinfachte Ausformung der Buchstaben geprägt sei, könne es nach dem Gesamteindruck der gebotenen großzügigen Betrachtung noch als „Schriftzug“ bewertet werden, der mit einem als „X“ zu identifizierenden Großbuchstaben beginne und mit mehreren unterschiedlich geformten kleinen Buchstaben fortsetze, die in der Gesamtschau eine hinreichend individuelle Charakteristik aufwiesen. Darüber hinaus kenne der Senat die Unterschrift aus anderen Verfahren, könne die Urheberschaft aus diesem Schriftbild herauslesen und zuordnen und es handele sich ‑ insoweit verwies der Senat auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1997, 3380) - auch ersichtlich nicht lediglich um eine Paraphe.

II.

Mit seiner am 27. Juni 2020 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) bzw. Art. 52 Abs. 3 LV durch den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30. April 2020 ‑ (2) 53 Ss 24/20 (10/20).

Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, wonach die Unterzeichnung des angegriffenen Urteils durch den Vorsitzenden den gesetzlichen Anforderungen des § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO noch gerecht werde, sei unvertretbar. Damit liege ein Verstoß gegen das aus Art. 52 Abs. 3 LV abgeleitete Willkürverbot vor. Zwar sei ein Richterspruch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg nicht bereits dann willkürlich, wenn die Rechtsanwendung fehlerhaft sei; Willkür liege aber jedenfalls dann vor, wenn er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar sei und sich deshalb der Verdacht aufdränge, er beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Entscheidung müsse ganz und gar unverständlich erscheinen und das Recht in einer Weise falsch anwenden, die jeden Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschreite. So liege es hier.

Ein Schriftzug als solcher sei ‑ auch bei der vom Senat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts geforderten großzügigen Betrachtungsweise ‑ in der vermeintlichen Unterschrift des Vizepräsidenten des Landgerichts nicht mehr erkennbar. Auch ein angeblicher Großbuchstabe „X“ am Beginn des Schriftzugs sei entgegen der Behauptung des Senats offensichtlich nicht erkennbar. Dieser werde auch nicht mit unterschiedlich geformten, kleinen Buchstaben fortgesetzt. Die Feststellung, dass der Senat die Unterschrift des Vorsitzenden aus anderen Verfahren kenne, sei für sich gesehen auch nach dem vom Senat insoweit in Bezug genommenen Beschluss des Kammergerichts vom 23. März 2020 nicht ausreichend. Vielmehr werde in dem Beschluss des Kammergerichts unmissverständlich festgestellt, dass dazu mindestens einzelne Buchstaben erkennbar sein müssten, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehle. Das sei hier nicht der Fall. Das Kammergericht habe darüber hinaus noch einmal festgestellt, dass die Grenze individueller Charakteristik insbesondere bei der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerade oder nahezu gerader) Linien eindeutig überschritten sei. Darauf, ob die Mitglieder des erkennenden Senats meinten, die vermeintliche Unterschrift zu kennen, könne es nicht ankommen. Da das Unterschriftserfordernis auch den berechtigten Interessen des Angeklagten diene, könne vermeintliches Sonderwissen der befassten Richter nicht genügen.

Soweit das Brandenburgische Oberlandesgericht in seiner Entscheidung auf den Schriftsatz der Generalstaatsanwaltschaft vom 19. März 2020 Bezug nehme, rechtfertige dies die Verwerfung der Revision ebenfalls nicht. Insoweit bleibe schon unklar, warum der Senat sich die Argumentation der Generalstaatsanwaltschaft einerseits zu eigen mache, es aber andererseits trotzdem für erforderlich erachte, noch Ausführungen zu den Merkmalen einer Unterschrift zu machen. Jedenfalls beträfen die Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft einen ganz anderen Fall. Vorliegend gehe es nicht um unvollständige oder abhandengekommene Urteilsgründe, sondern es fehle an einer formgerechten Unterschrift. Dass dieser Umstand den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO begründe, stehe ‑ der Beschwerdeführer verweist insoweit auf Kommentarliteratur zur Strafprozessordnung ‑ außer Frage.

III.

Der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht allerdings nicht entgegen, dass die Verletzung von Landesgrundrechten im Rahmen eines bundesrechtlich (durch die Strafprozessordnung) geregelten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (st. Rspr. seit dem Beschluss vom 16. April 1998 ‌‑ VfGBbg 1/98 ‑,‌ aus jüngerer Zeit z. B. Beschluss vom 19. Februar 2021‌‑ VfGBbg 9/20 ‑,‌ Rn. 23, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de) liegen vor, da die Gewährleistung des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Prozessgrundrechts aus Art. 52 Abs. 3 LV ‑ in seinem Anwendungsbereich ‑ derjenigen des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz entspricht.

2. Soweit der Beschwerdeführer sich für die Begründung seiner Verfassungsbeschwerde neben Art. 52 Abs. 3 LV ausdrücklich auch auf Art. 12 Abs. 1 Satz 2 LV beruft, fehlt ihm indes die Beschwerdebefugnis. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 LV ist offensichtlich ausgeschlossen, da Art. 52 Abs. 3 LV das Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht in der Ausprägung des Willkürverbotes verbürgt und somit als speziellere Vorschrift das in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 LV enthaltene allgemeine Willkürverbot verdrängt (vgl. Beschluss vom 15. Juni 2017 ‌‑ VfGBbg 50/16 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

3. Im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen Art. 52 Abs. 3 LV genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

Notwendig ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 10/19 ‑,‌ Rn. 7, vom 19. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 28/20 ‑,‌ Rn. 9, vom 20. August 2021 ‌‑ VfGBbg 68/20 ‑,‌ Rn. 20, und vom 21. Januar 2022 ‌‑ VfGBbg 57/21 ‑,‌ Rn. 35, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). 

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gerecht.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts ist, Gerichtsentscheidungen nach Art eines Rechtsmittelgerichts zu überprüfen. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind vielmehr Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in Ausnahmefällen, vornehmlich bei der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot, in Betracht. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt jedoch nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen u. a. dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 20. Oktober 2017 ‌‑ VfGBbg 20/16 ‑,‌ vom 16. August 2019 ‌‑ VfGBbg 67/18 ‑,‌ und vom 22. Januar 2021 ‌‑ VfGBbg 62/18 ‑,‌ Rn. 11, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Gemessen daran hat der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Willkürverbot nicht substantiiert aufgezeigt. Die Beschwerde benennt zwar zutreffend die Maßstäbe, nach denen ein Willkürverstoß angenommen werden kann, lässt aber insbesondere die notwenige Auseinandersetzung mit der zur Unterschriftsleistung ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) vermissen. Der Beschwerdeführer legt vielmehr allein die seiner Auffassung nach erfolgte Abweichung des Oberlandesgerichts von den vom Kammergericht Berlin in seiner Entscheidung vom 23. März 2020 (3 Ws [B] 53/20, 162 Ss 18/20) aufgestellten Maßstäben dar. Dies genügt aber zur Begründung der Willkürlichkeit der Entscheidung nicht. Darauf, ob die hier angegriffene Entscheidung von der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin abweicht, kommt es für ihre Vertretbarkeit nicht an, zumal das Brandenburgische Oberlandesgericht an dessen Rechtsprechung nicht gebunden ist. Zu einer Auseinandersetzung mit der vom BGH ‑ auch im zivilrechtlichen Bereich ‑ ergangenen Rechtsprechung hätte zudem auch deshalb Anlass bestanden, weil das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 30. April 2020 auf das in NJW 1997, 3380 veröffentlichte Urteil des BGH (vom 10. Juli 1997 ‑ IX ZR 24/97 ‑) ausdrücklich Bezug genommen hat.

Nach der vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Entscheidung des BGH ergebe sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift, was unter einer Unterschrift zu verstehen sei. Eine Unterschrift setze danach einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstelle und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lasse. Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheine (Handzeichen, Paraphe), stelle demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar. Es sei zudem ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert sei. Diese Entscheidung spiegelt die gefestigte Rechtsprechung der Zivilsenate wider, wonach die Anforderungen an eine Unterschrift schon dann erfüllt sind, wenn ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug vorliegt, der individuelle und entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 ‌‑ XII ZB 17/97 ‑,‌ Rn. 3, vom 27. September 2005 ‌‑ VIII ZB 105/04 ‑,‌ Rn. 8, und vom 9. Februar 2010 ‌‑ VIII ZB 67/09 ‑,‌ Rn. 10, und Urteil vom 22. Oktober 1993 ‌‑ V ZR 112/92 ‑,‌ Rn. 5) . Eine dem Schriftzug beigefügte vollständige Namenswiedergabe in Maschinen- oder Stempelschrift kann zur Deutung vergleichend herangezogen werden. Der Namenszug kann flüchtig geschrieben sein und braucht weder die einzelnen Buchstaben klar erkennen zu lassen noch im Ganzen lesbar zu sein (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1991 ‌‑ XI ZB 6/91 ‑,‌ Rn. 11, juris). Auch ein vereinfachter, von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichneter und nicht lesbarer Namenszug kann danach als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 ‌‑ XII ZB 17/97 ‑,‌ Rn. 3, vom 27. September 2005 ‌‑ VIII ZB 105/04 ‑,‌ Rn. 8, und vom 9. Februar 2010 ‌‑ VIII ZB 67/09 ‑,‌ Rn. 10, juris). Auch in Strafsachen hat der BGH ausgeführt, dass in nicht unbedenklicher Weise abstrahierte Unterschriften noch den Anforderungen genügen können (BGH, Beschluss vom 30. August 1988 ‌‑ 1 StR 377/88 ‑,‌ Rn. 3, juris).

Vor dem Hintergrund dieser großzügigen Rechtsprechung hätte es zur Begründung der Willkürlichkeit der angegriffenen Entscheidung einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den an eine Unterschrift zu stellenden Maßstäben bedurft, zumal der Beschwerdeführer die ‑ nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Bewertung als Unterschrift bedeutsame ‑ Beurteilung des Senats, dass es sich ersichtlich nicht lediglich um eine Paraphe handelt, ebenso wenig in Zweifel gezogen hat wie die tatsächliche Urheberschaft des Vizepräsidenten des Landgerichts an dem in Rede stehenden Schriftzug und den Umstand, dass der Vizepräsident auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Letzteres stellt auch nicht ein etwaiges Sonderwissen der Richter des Oberlandesgerichts dar, sondern ergibt sich auch aus den zum Strafverfahren geführten Akten. Bereits auf der der Verfassungsbeschwerde ebenfalls in Kopie beigefügten Abschlussverfügung befindet sich eine vergleichbare Unterschriftsleistung.

Die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Willkürverbot hat der Beschwerdeführer schließlich auch nicht insoweit aufgezeigt, als er die Annahme der Generalstaatsanwaltschaft in Frage gestellt hat, wonach eine fehlende Unterschrift unter dem landgerichtlichen Urteil den Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO von vornherein nicht zu begründen vermöge. Auf die Vertretbarkeit dieser Auffassung kommt es nicht an, weil es insoweit jedenfalls an der Darlegung der Kausalität eines etwaigen Verfassungsverstoßes fehlt. Der Beschwerdeführer hat selbst darauf hingewiesen, dass das Brandenburgische Oberlandesgericht die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft zwar zunächst in Bezug genommen, den Schriftzug des Vorsitzenden aber sodann dennoch einer eigenständigen Prüfung unterzogen hat, bei der es zu dem Schluss gekommen ist, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen erfüllt sind. Auf der Annahme, eine fehlende Unterschrift könne den Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO nicht begründen, beruht die angegriffene Entscheidung danach jedenfalls nicht.

Der Beschluss ist mit 6 zu 3 Stimmen ergangen. Er ist unanfechtbar.


 

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß