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VerfGBbg, Beschluss vom 16. August 2019 - VfGBbg 67/18 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2
- RVG, § 14
- VV RVG, Nr. 3102
- SGG, § 88; SGG, § 136 Abs. 3 analog
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- unzureichende Begründung
- Willkür
- Sozialgericht
- Untätigkeitsklage
- Überprüfung
- Verfahrensgebühr
- Mindestgebühr
- unterdurchschnittliche Bedeutung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. August 2019 - VfGBbg 67/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 67/18




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

K.

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:              RA L.

 

beteiligt:

Präsident des Sozialgerichts Cottbus, Vom-Stein-Straße 28, 03050 Cottbus,

 

wegen Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 6. September 2018 (S 30 SF 1770/17 E)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

 

am 16. August 2019

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

                                    Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Cottbus zur Festsetzung erstattungsfähiger außergerichtlicher Kosten.

I.

Der Beschwerdeführer beantragte die Überprüfung eines Bescheides des Jobcenters Oberspreewald-Lausitz und erhob mangels Reaktion des Jobcenters Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Cottbus. Das Jobcenter trug zunächst vor, den Überprüfungsantrag nicht erhalten zu haben. Auf Aufforderung des Sozialgerichts reichte der Beschwerdeführer den Antrag nebst Zugangsnachweis zur Akte. Daraufhin entschied das Jobcenter abschlägig über den Antrag und das gerichtliche Verfahren wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Jobcenter erklärte sich zur Übernahme der Kosten bereit. Der Beschwerdeführer beantragte Festsetzung der außergerichtlichen Kosten, insbesondere einer Verfahrensgebühr nach § 14 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Nr. 3102 Vergütungsverzeichnis (VV RVG) in Höhe von 120 Euro und einer Terminsgebühr nach § 14 RVG, Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 60 Euro. Das Sozialgericht Cottbus setzte daraufhin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom
10. Februar 2017 die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten fest, wobei es die durch den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers getroffene Bestimmung der Gebühren als unbillig erachtete, die Verfahrensgebühr mit der doppelten Mindestgebühr von 100 Euro veranschlagte und eine Terminsgebühr nicht für gerechtfertigt hielt. Hinsichtlich der Kriterien des § 14 RVG erachtete die Urkundsbeamtin lediglich die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer als durchschnittlich; weitere Kriterien dagegen sämtlich als unterdurchschnittlich. 

Hiergegen erhob das Jobcenter mit Schreiben vom 20. April 2017 Erinnerung mit der Begründung, dass die Festsetzung der doppelten Mindestgebühr als Verfahrensgebühr nicht angemessen sei. Vielmehr sei nur die Mindestgebühr gerechtfertigt, da die Bedeutung des Verfahrens in allen Belangen nach § 14 RVG unterdurchschnittlich gewesen sei. Die Bedeutung der Angelegenheit sei unterdurchschnittlich gewesen, da lediglich die Bescheidung eines Überprüfungsantrages, der sich auf einen Bescheid aus dem Jahre 2013 bezogen habe, begehrt worden sei. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers Klägers seien unterdurchschnittlich. Der Beschwerdeführer beziehe aktuell weiterhin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei unterdurchschnittlich gewesen. Durch den Verfahrensbevollmächtigten sei lediglich die Frist des § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) überwacht worden. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei ebenfalls unterdurchschnittlich gewesen. Durch den Verfahrensbevollmächtigten sei lediglich Klage eingereicht und diese kurz begründet worden. Danach seien nach Aufforderung nur noch der streitige Antrag und das Faxprotokoll übersandt worden. Das Haftungsrisiko sei ebenfalls unterdurchschnittlich gewesen. Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 25. April 2017 ebenfalls Erinnerung, mit der er auf der Festsetzung einer Terminsgebühr bestand, mit der Begründung, dass das Jobcenter durch Erlass des Bescheides den Bescheidungsanspruch anerkannt habe. Hierzu nahm das Jobcenter mit Schreiben vom
30. November 2017 Stellung. Das Sozialgericht Cottbus änderte mit Beschluss vom 6. September 2018 (S 30 SF 1770/17 E) den Kostenfestsetzungsbeschluss ab, setzte die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten unter Zugrundelegung der Mindestgebühr von 50 Euro als Verfahrensgebühr auf insgesamt 71,40 Euro fest und wies die Erinnerung des Beschwerdeführers zurück. Zur Begründung verwies das Gericht analog § 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen des Jobcenters, denen es sich vollumfänglich anschloss. Diese Erinnerung sei zulässig und begründet. Daraus resultiere dann die Zurückweisung der (zulässigen) Erinnerung des Beschwerdeführers.

Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 18. Oktober 2018 zugestellt.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 18. Dezember 2018 Verfassungsbeschwerde erhoben.

Er rügt die Verletzung des Art. 52 Abs. 3 Landesverfassung (LV). Der Beschluss des Sozialgerichts vom 6. September 2018 sei willkürlich, er sei schlechthin unhaltbar. Es sei zweifelhaft, ob der Richter die Ausführungen des Jobcenters inhaltlich überprüft habe. Der in Bezug genommene § 136 SGG gelte für Kostenfestsetzungsbeschlüsse nicht. Die Festsetzung der Verfahrensgebühr sei willkürlich. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer sei nicht unterdurchschnittlich. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könnten auch geringe Beträge für Bedürftige eine große Bedeutung haben. Von den Sozialgerichten würden typischerweise Untätigkeitsklagen mit 120 Euro festgesetzt; insoweit fehle es an einer Begründung, warum dies im vorliegenden Fall nicht gelten solle. Zwar seien Umfang und Schwierigkeit der Sache jeweils unterdurchschnittlich gewesen. Dies rechtfertige aber noch nicht die Festsetzung der Mindestgebühr. Diese sei vielmehr nur dann angemessen, wenn praktisch kein geringerer Aufwand mehr denkbar sei und alle Kriterien nach § 14 RVG als unterdurchschnittlich anzusehen seien. Dies habe im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht zugetroffen, da das Jobcenter den Erhalt des Antrags bestritten habe. Der Unterzeichner habe daher den Antrag und Nachweise für seinen Zugang vorlegen müssen. Damit aber liege der Aufwand jedenfalls über dem minimalen Aufwand, der die Festsetzung der Mindestgebühr rechtfertige.

Der Beschwerdeführer beantragt,

                        den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 6. September 2018 (S 30 SF 1770/17 E) aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht Cottbus zurückzuverweisen.

III.

Der Präsident des Sozialgerichts Cottbus hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

1. Notwendig ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 22. März 2019 - VfGBbg 38/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

2. Mit der Begründung, die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer sei verkannt worden und das anforderungsgemäße Nachreichen eines Antrags mit Sendebericht hebe die anwaltliche Tätigkeit aus der Mindestgebühr heraus, zeigt die Beschwerdeschrift nicht auf, dass der Beschluss des Sozialgerichts das Willkürverbot des Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV verletzt. Denn die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in Ausnahmefällen, vornehmlich bei Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot, in Betracht. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst dann, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen unter anderem dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (st. Rspr., vgl. Beschluss vom
20. Oktober 2017 - VfGBbg 20/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt nicht, dass diese Grenzen hier überschritten sind. Die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R -, NJW 2010, 1400) betrifft einen anderen Sachverhalt. Auch führt das Bundessozialgericht aus, dass der Faktor der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers im Rahmen der Bewertung der Bedeutung der Angelegenheit  eine differenzierte Betrachtung je nach Fallkonstellation erfordert und weit unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse, als eigenständiger Faktor gemäß § 14 RVG, auch eine Herabbemessung der Mittelgebühr rechtfertigen können; (nur) in den allermeisten Fällen würden andererseits schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit einhergehen, sodass eine Kompensation dieser Kriterien eintrete. Diese Entscheidung steht der Annahme des Sozialgerichts nicht entgegen, dass vorliegend die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer unterdurchschnittlich ist und den Ansatz der Mindestgebühr zulässt. Auch im Hinblick darauf, dass die Festsetzung einer Mindestgebühr für Untätigkeitsklagen einer vertretenen Praxis in der Sozialgerichtsbarkeit entspricht (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. August 2010 - L 3 SF 6/09 E -, Juris; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - L 6 SF 652/10 B -, Juris; SG Aachen, Beschluss vom 18. Februar 2005 - S 3 SB 178/04 -, Juris; SG Kiel, Beschluss vom 1. Juni 2012 - S 21 SF 7/12 E -, Juris; SG Nordhausen, Beschluss vom 21. Juli 2011 - S 12 SF 465/10 -, Juris; SG Potsdam, Beschluss vom 19. November 2012 - S 51 SF 325/12 -, Juris), fehlt es an der gebotenen Darlegung der behaupteten Willkür. Auch die inhaltliche Bezugnahme des Sozialgerichts auf die Ausführungen des Jobcenters begründet nicht die Annahme der Willkür, ohne dass es auf die Anwendbarkeit des § 136 Abs. 3 SG in analoger Anwendung ankommt.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Finck
   
Heinrich-Reichow Kirbach
   
Dr. Lammer Sokoll
   
Dr. Strauß