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VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2022 - VfGBbg 9/22 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 27 Abs. 2
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 46
- BGB, § 1684 Abs. 4 Satz 2
Schlagworte: - unzulässig, teilweise
- unbegründet, im Übrigen
- prozessuale Überholung
- Beschwerdebefugnis
- Begründungsmangel
- Subsidiarität
- Umgangsrecht, faktischer Ausschluss
- Absehen von einer konkreten gerichtlichen Umgangsregelung
- Elternrecht
- Schutzanspruch des Kindes
- Kindeswohl
- Kindeswohlgefährdung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2022 - VfGBbg 9/22 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 9/22




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 9/22

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

K.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte:               Rechtsanwältin F.,

 

wegen

Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 30. August 2021 ‌‑ 42 F 240/18 ‑‌; Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 20. Januar 2022 ‌‑ 10 UF 78/21

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. September 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird teilweise verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

           


Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel, der ihrem Begehren auf gerichtliche Anordnung unbegleiteter Umgänge mit ihrem jüngsten Sohn den Erfolg versagt, sowie gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, der ihre dagegen eingelegte Beschwerde zurückweist.

I.

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter zweier Söhne. Der ältere, 2005 geborene Sohn lebt bei der Beschwerdeführerin, der jüngere, 2009 geborene Sohn bei dem Vater. Seit der Trennung der Eltern im Jahr 2015 haben diese vor den Familiengerichten in A. und B. zahlreiche Verfahren über das elterliche Sorge- und Umgangsrecht geführt. Die Elternschaft ist konfliktgeprägt. Versuche, den Umgang zwischen Eltern und Kindern langfristig zu regeln, scheiterten. Der ältere, bei der Beschwerdeführerin lebende Sohn lehnt den Umgang mit dem Vater ab. Ein Umgang zwischen der Beschwerdeführerin und dem jüngeren Sohn, für den der Vater sorgeberechtigt ist, findet derzeit nicht statt. Im Dezember 2018 hatten die Eltern vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel einen gerichtlich gebilligten Vergleich geschlossen, wonach begleitete Umgänge stattfinden sollten. Sie kamen nicht zustande, da die Beschwerdeführerin begleitete Umgänge ablehnte.

Mit Beschluss vom 30. August 2021 (42 F 240/18) wies das Amtsgericht Brandenburg an der Havel nach Anhörung des verfahrensbeteiligten Kindes, seines Verfahrensbeistands, des Jugendamts und des Sachverständigen einen Antrag der Beschwerdeführerin auf unbegleiteten Umgang zurück. Es schloss sich den Ausführungen des Sachverständigen an, der von einer Kindeswohlgefährdung bei unbegleiteten Umgängen mit der Beschwerdeführerin ausging. Über die Gewährung begleiteten Umgangs sei keine Entscheidung zu treffen; die Beschwerdeführerin lehne begleitete Umgänge kategorisch ab.

Das Oberlandesgericht wies die gegen den Beschluss des Amtsgerichts gerichtete sofortige Beschwerde mit dem am 21. Februar 2022 zugestellten Beschluss vom 20. Januar 2022 (10 UF 78/21) zurück. Die zulässige und auf die Gewährung unbegleiteten Umgangs gerichtete Beschwerde sei unbegründet. Zu Recht habe das Amtsgericht ausgesprochen, dass unbegleitete Umgänge nicht stattfänden und über die Regelung begleiteter Umgänge nicht zu entscheiden sei.

Eine Einschränkung des Umgangsrechts, wie sie durch die Anordnung begleiteten Umgangs erfolge, sei nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordere, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren.

Gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könne das Umgangsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich sei. Solle dies für längere Zeit geschehen, müsse gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB das Kindeswohl konkret gefährdet sein. Geboten sei - unter Berücksichtigung des aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) fließenden Elternrechts im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen am Maßstab des Kindeswohls. Dabei sei davon auszugehen, dass der Umgang mit beiden Elternteilen in der Regel zum Wohl des Kindes gehöre, § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei hier lediglich ein begleiteter Umgang möglich.

Das Amtsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass angesichts der von dem Sachverständigen herausgearbeiteten Umstände das Kindeswohl des Sohnes bei unbegleiteten Umgängen mit der Beschwerdeführerin konkret gefährdet wäre. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass für eine Mutter-Kind-Bindung Umgangskontakte notwendig seien, die beschriebene Beeinträchtigung des Kindeswohls durch die Haltung der Beschwerdeführerin eine Einschränkung aber zwingend erforderlich mache. Das am Wohle des Kindes ausgerichtete Miterziehungsrecht erlege dem umgangsberechtigten Elternteil auf, Konflikte des Kindes zu vermeiden und die Wohlverhaltensklausel nach § 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB einzuhalten, also die Kontakte des Kindes mit dem anderen Elternteil aktiv zu fördern. Das Gegenteil sei jedoch vorliegend der Fall.

Bei dem Kind sei durch seine hoch konfliktbehafteten Eltern ein massiver Loyalitätskonflikt entstanden. Dieser Konflikt sei über die Grenze der Kindeswohlgefährdung hinaus verschärft und intensiviert worden. Das Kind habe diese intensive Belastung nicht mehr durch Coping-Strategien bewältigen können, zumal bei ihm eine klinisch prominente Entwicklungsverzögerung zumindest im sprachlichen Bereich die Coping-Strategien weiter einschränke. Dabei wiesen beide Eltern die Tendenz auf, den jeweils anderen Elternteil zu kriminalisieren und zu pathologisieren. Das halte den Loyalitätskonflikt bei dem Kind konstant aufrecht. So habe die Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von Schreiben etwa gegenüber Jugendämtern den Vater unter anderem als „vermeintlichen Kinderschänder“ bezeichnet sowie eine „mögliche Suchterkrankung“ und „Persönlichkeitsstörung“ ambivalenzfrei erwähnt. Daraus zeige sich nicht nur das Fehlen kritischer Selbstreflexion auf Seiten der Beschwerdeführerin, sondern auch ein erhebliches Defizit, die Partner- von der Elternebene zu trennen. Daher müsse mit einer Fortsetzung des den Vater herabsetzenden Verhaltens durch die Beschwerdeführerin bei unbegleitetem Umgang gerechnet werden, zumal sie auch das gesamte Umfeld des Vaters mit einbeziehe. Das gefährde die Vater-Kind-Beziehung und damit die Entwicklung eines kindlichen Realitätssinns, sodass das Kindeswohl konkret gefährdet sei. Dieses Ergebnis habe der Sachverständige bei seiner gerichtlichen Anhörung am 4. März 2021 überzeugend erörtert und ausgeführt, dass allenfalls begleitete Umgänge angezeigt, unbegleitete Umgänge dagegen völlig undenkbar seien. Es bestehe weiterhin die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin ihre sehr negative Haltung dem Vater gegenüber dem Kind bei unbegleiteten Umgängen mitteile.

Diese Einschätzung mache sich der Senat nach Prüfung zu eigen. Das Gutachten sei in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige sei von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und habe die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der sachverständigen Feststellungen seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Kompetenz des Sachverständigen stehe nach Ansicht des Gerichts außer Frage. Er verfüge als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) über die erforderliche Qualifikation und sei auch geeignet, die konkreten Beweisfragen des Einzelfalls zu beantworten.

Auch der Wille des Kindes unterstütze die Feststellung des Sachverständigen. Bei seiner Anhörung am 19. Juli 2021 habe der Sohn zunächst mitgeteilt, dass er grundsätzlich Kontakt zur Beschwerdeführerin möchte, sich aber noch unsicher sei. Einen näheren Kontakt habe es seit etwa drei Jahren nicht mehr gegeben. Am Ende der Anhörung habe er erklärt, dass er sich begleitete Umgänge doch vorstellen könne. Damit deuteten auch die Äußerungen des Kindes darauf hin, dass die Anordnung unbegleiteter Umgänge derzeit nicht in Betracht zu ziehen seien. Der Wille des im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Anhörung etwa zwölf Jahre alten Kindes sei auch nicht unerheblich.

Auch der Verfahrensbeistand habe in seiner schriftlichen Stellungnahme ausgeführt, dass er weiterhin die Auffassung des Amtsgerichts teile. Gleiches gelte für die Vertreter des Jugendamts.

Hinzu komme, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren in außergewöhnlichen Maße von der ständigen Wiederholung von Einzelheiten aus vergangenen Verfahren geprägt sei, die für das vorliegende Verfahren allenfalls mittelbare Bedeutung hätten. Nach ihrer Darstellung sei sie immer wieder mit Fehlentscheidungen durch staatliche Stellen konfrontiert gewesen. Dies deute darauf hin, dass das Wohl ihres Sohnes nicht mehr zentraler Maßstab für ihre Verfahrensführung und auch ihr Verhalten gegenüber ihrem Sohn sei, sondern die Auseinandersetzung mit dem Vater und diversen staatlichen Stellen im Mittelpunkt stünden. Auch das spreche dafür, Kontakt zunächst nur in Form begleiteten Umgangs zuzulassen, um die Verstärkung des Realitätsdrucks bei dem Kind zu verhindern.

Wenn nach alledem nur begleiteter Umgang angeordnet werden könne, habe das Amtsgericht im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin einen solchen Umgang ablehne, zu Recht ausgesprochen, dass im Übrigen eine Regelung des Umgangs der Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn nicht stattfinde.

Allerdings lasse sich eine bloße Zurückweisung des Umgangsrechtsantrags eines Elternteils grundsätzlich nicht mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbaren. Denn durch die Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Regelung des Umgangsrechts trete ein Zustand ein, der dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz nicht gerecht werde, unter dem das Umgangsrecht des jeweiligen Elternteils stehe. Eine Entscheidung, durch die das Umgangsrecht weder versagt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werde, die aber eine gerichtliche Hilfe zur tatsächlichen Ausgestaltung verweigere, lasse das Umgangsrecht nur scheinbar unberührt. Der grundsätzlich umgangsberechtigte Elternteil wisse dann nämlich nicht, in welcher Weise er das Recht tatsächlich wahrnehmen dürfe und in welchem zeitlichen Abstand er einen neuen Antrag auf gerichtliche Regelung zu stellen berechtigt sei. Demgemäß habe das zur Umgangsregelung angerufene Familiengericht entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret zu regeln oder, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich sei, die Umgangsbefugnis ebenso konkret einzuschränken oder auszuschließen; es dürfe sich aber jedenfalls im Regelfall nicht auf die Ablehnung einer gerichtlichen Regelung beschränken.

Anders liege der Fall aber, wenn der umgangsberechtigte Elternteil durchaus wisse, in welcher Weise er sein Recht tatsächlich wahrnehmen dürfe, er aber erklärt habe, das ihm zustehende Umgangsrecht nicht mehr wahrnehmen zu wollen. Eine Regelung zum Umgangsrecht müsse auch dann nicht getroffen werden, wenn der umgangsberechtigte Elternteil erkläre, ein Umgangsrecht nur entweder unbegleitet oder gar nicht ausüben zu wollen, ein unbegleiteter Umgang aber aus Gründen des Kindeswohls gegenwärtig ausscheide.

Der Gegenauffassung, die eine positive Regelung dahingehend, dass ein begleiteter Umgang konkret angeordnet werde, auch dann für erforderlich halte, wenn der umgangsberechtigte Elternteil dazu nicht bereit sei, folge der Senat jedenfalls für das vorliegende Verfahren nicht. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden könne, in der Regel nicht dem Kindeswohl diene. Im vorliegenden Fall entspreche die Anordnung begleiteten Umgangs gegen den Willen der Beschwerdeführerin nicht dem Kindeswohl. Die Beschwerdeführerin habe während des gesamten Verfahrens nicht den Eindruck vermittelt, als könne sie eine Gewähr dafür bieten, einer gerichtlichen Umgangsanordnung für begleiteten Umgang kontinuierlich Folge zu leisten.

Mildere Mittel stünden nicht zur Verfügung, es fehle insbesondere an den Voraussetzungen für eine Umgangspflegschaft.

II.

Mit ihrer am 21. Februar 2022 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG durch die angegriffenen familiengerichtlichen Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts. Die Familiengerichte seien den für die Entscheidung über das Umgangsrecht vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht geworden. Die Zurückweisung des Begehrens auf unbegleiteten Umgang sei nicht mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 2 GG sei auf den inhaltsgleichen Art. 27 Abs. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) übertragbar. Art. 27 Abs. 2 LV, der den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder garantiere, diene in erster Linie dem Kindeswohl. An diesem hätten sich auch Umgangsregelungen zu orientieren. Der Ausschluss des Umgangs sei verfassungsgemäß, wenn er zum Schutz des Kindes erforderlich sei, um eine Gefährdung der seelischen oder körperlichen Entwicklung des Kindes abzuwehren. Es sei zu prüfen, ob gegenüber dem Umgangsausschluss mildere Mittel in Betracht kämen. Wenn geeignete mildere Mittel fehlten, sei dem Elterngrundrecht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit dieser Prüfung genüge getan. Die Zurückweisung des Antrags auf unbegleiteten Umgang komme dem faktischen unbefristeten Umgangsausschluss gleich. Aufgrund der Entscheidung des Senats wisse die Beschwerdeführerin nicht, auf welche Weise sie das Umgangsrecht wahrnehmen dürfe und in welchem zeitlichen Abstand sie zur Stellung eines neuen Antrags auf Umgangsregelung berechtigt sei. Das Familiengericht dürfe sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht auf die Ablehnung einer gerichtlichen Umgangsregelung beschränken; ein Umgang sei konkret anzuordnen.

Die durch das Gutachten begründeten Feststellungen des Oberlandesgerichts seien vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Anforderungen nicht tragfähig. Das Kindeswohl sei nicht in der vom Sachverständigen dargestellten Weise gefährdet. Es sei nicht mehr nachvollziehbar und sachfremd, dem Sachverständigengutachten zu folgen. Die Beschwerdeführerin zieht die Qualifikation des Sachverständigen in Zweifel und beanstandet unter anderem den Inhalt, Standard und die Kosten des Gutachtens. Es weise erhebliche Mängel und Fehler auf. Der Sachverständige erachte unbegleitete Umgänge als völlig undenkbar, womit er sein fehlendes Fachwissen zum Thema demonstriere und die Bedürfnisse von Kindern verkenne. Dennoch erachte das Oberlandesgericht das Gutachten als in sich schlüssig und nachvollziehbar und gebe damit zu, „das Gutachten“ der Beschwerdeführerin nicht gelesen zu haben, welches jeden einzelnen Satz des Sachverständigen der Unlogik überführe und dessen Aussagen eindeutig mit Beweisen und Fachliteratur widerlege. Ihr 50-seitiges Gutachten zu ignorieren und Anhaltspunkte als nicht vorgetragen zu bezeichnen sei grob fahrlässig. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens entbinde das Gericht nicht davon, den Sachverhalt selbst zu ermitteln, was bislang unterblieben sei.

 

Das Oberlandesgericht berufe sich auf den Willen des Kindes. Die Behauptung des Amtsrichters, das Kind sei angehört worden, sei unbewiesen und strittig. Sie gehe von einem nicht erfolgten Gespräch aus.

Das Oberlandesgericht urteile fehl, wenn es davon ausgehe, dass das Wohl ihres Sohnes nicht mehr Maßstab für ihre Verfahrensführung sei. Sie habe die kinderärztliche Versorgung und sonderpädagogische Förderung für ihr Kind beantragt. Die Aussage des Oberlandesgerichts, sie habe die letzten Umgangstermine nicht wahrgenommen, sei unwahr. Dies belegten die Schreiben an das Jugendamt P., das zwecks Umsetzung der gerichtlichen Vereinbarung um Hilfe gebeten worden sei. Für die sachverständige Aussage, das Kindeswohl sei durch die negative Haltung der Mutter gefährdet, gebe es keine Beweise.

Die Einschränkung des Umgangsrechts habe die Ausnahme zu bleiben. Das Oberlandesgericht habe den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. September 2016 (1 BvR 1547/16) auf das Gröbste missachtet. Eine Einschränkung des Umgangsrechts sei nur veranlasst, wenn der Schutz des Kindes dies erfordere. Für den Schutz des Kindes sei durch den bindungsunfähigen Vater nicht gesorgt, wie sie, die Beschwerdeführerin, nachgewiesen habe. Der Vater verweigere eine medizinische Behandlung des Kindes, dessen Schulbesuch, sonderpädagogische Förderung und Kontakt zu allen Verwandten. Das Oberlandesgericht beschreibe zwar, der Loyalitätskonflikt des Kindes sei über die Grenze der Kindeswohlgefährdung hinaus verschärft und intensiviert worden, vergesse aber die Ursache zu benennen, die nicht bei der Beschwerdeführerin, sondern bei dem Vater liege. Der Vater habe in der Vergangenheit gerichtliche Beschlüsse missachtet und im Jahr 2018 die Kinder aus B. verschleppt.

Das Gericht meine, ein erhebliches Defizit der Beschwerdeführerin auf der Paar- und Elternebene zu erkennen. Dabei verkenne es, dass es seit 2015 keine Paarebene gebe. Die Elternebene pflege die Beschwerdeführerin zum leiblichen Vater des Kindes. Die Einschätzung des Senats, wonach die Beschwerdeführerin ein herabsetzendes Verhalten gegen den Vater im Beisein des Kindes zeige, müsse bewiesen werden; es bedürfe eines konkreten Nachweises der Kindeswohlgefährdung. Wenn das Oberlandesgericht beschreibe, dass sie das gesamte Umfeld des Vaters einbeziehe, übersehe es, dass es dieses Umfeld nicht gebe. Das Oberlandesgericht übersehe ferner in seiner Entscheidung die gestörte innere Realitätswahrnehmung des Vaters.

Die unveräußerlichen Freiheitswerte von Mutter und Kind und ihr besonderer Schutz seien verfassungsgemäß zugesagt. An den Grundrechten des Grundgesetzes sei jedes staatliche Handeln zu messen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit sei zu beachten. Der Grundrechtseingriff müsse im Hinblick auf den verfolgten legitimen Zweck verhältnismäßig sein. Der Beschluss des Oberlandesgerichts schränke ferner das Recht des Kindes sowie seines Bruders auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 GG ein. Der Gleichheitssatz aus Art. 3 GG werde nicht beachtet. Der Schutz der Familie (Mutter, Kinder, Großeltern, leiblicher Vater) nach Art. 6 GG sei missachtet worden. Die schulische Bildung des Kindes werde entgegen Art. 7 GG durch den Beschluss des Oberlandesgerichts gefährdet. Besondere Beachtung solle auch Art. 1 GG finden, wonach die Würde des Menschen unantastbar sei.

Mit dem am 21. März 2022 beim Verfassungsgericht eingegangenen, auf den 21. Februar 2022 datierten Schriftsatz trägt die Beschwerdeführerin ergänzend vor, das Oberlandesgericht habe unzutreffend festgestellt, dass lediglich ein begleiteter Umgang möglich sei. Als mildere Mittel kämen begleiteter Umgang, die Bestellung eines (neuen) Umgangspflegers und Übertragung des Umgangsbestimmungsrechts auf den neuen Umgangspfleger in Betracht. Der vollständige Abbruch des Umgangs zur Beschwerdeführerin sei weder zulässig noch liege dies im Interesse des Kindes. Die Gefährdung des Kindeswohls liege nicht bereits derart vor, dass der weiteren Gefährdung nur durch den faktischen (unbefristeten) Ausschluss zu begegnen sei. Die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen milderen Mittel seien jedenfalls geeignet, der Gefährdung des Kindeswohls zu begegnen oder den bereits eingetretenen Schaden zu beheben.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist teilweise unzulässig.

a. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 30. August 2021 (42 F 240/18) richtet, ist sie wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der amtsgerichtliche Beschluss ist durch die Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 20. Januar 2022 (10 UF 78/21) im Beschwerdeverfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft worden und dadurch prozessual überholt (vgl. dazu st. Rspr., z. B. Beschluss vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 61/19 ‑‌, Rn. 18 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Ein insoweit fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

b. Die Verfassungsbeschwerde ist ferner mangels Beschwerdebefugnis unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin Grundrechte ihrer Söhne im eigenen Namen geltend macht. Die Beschwerdebefugnis im Sinne von § 45 Abs. ‌1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) setzt die Möglichkeit voraus, selbst, unmittelbar und gegenwärtig in einer grundrechtlich geschützten Rechtsposition beeinträchtigt bzw. verletzt zu sein. Eine Prozessstandschaft, d. h. die Möglichkeit, die Verletzung von Grundrechten eines Dritten im eigenen Namen geltend zu machen ‑ hier die Rechte der Kinder durch ihre Mutter, die Beschwerdeführerin - ist daher im Verfassungsbeschwerdeverfahren grds. ausgeschlossen (vgl. Beschluss vom 19. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 49/20 ‑‌, Rn. 29 f. m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Entsprechendes gilt für die Grundrechte der Großeltern und des leiblichen Vaters.

c. Soweit die Beschwerdeführerin ohne nähere Begründung eine Verletzung des Gleichheitssatzes rügt, auf Art. 1 GG sowie die im Grundgesetz genannten Grundrechte verweist, erfüllt die Verfassungsbeschwerde nicht die gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt. Es kann dahinstehen, ob die Landesverfassung entsprechende Grundrechte inhaltsgleich gewährt. Zur Darlegung eines Grundrechtsverstoßes genügt es jedenfalls nicht, Grundrechtsartikel lediglich ohne konkretes Vorbringen zu ihrem Gewährleistungsinhalt zu benennen.

d. Soweit sie rügt, das Oberlandesgericht habe ihr „50-seitige[-s] Gutachten“ ignoriert, mit dem sie jeden einzelnen Satz des Sachverständigengutachtens der Unlogik überführt habe, hat sie nicht dargetan, den Anforderungen aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg genügt zu haben.

Danach hat ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg zu erschöpfen und darüber hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden Verfahren zu verhindern oder zu beheben (vgl. Beschluss vom 18. September 2021 ‌‑ VfGBbg 42/21 ‑‌, Rn. 22, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Ist Gegenstand der Verfassungsbeschwerde (auch) die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, so ist diese regelmäßig im Wege der Anhörungsrüge zur fachgerichtlichen Überprüfung zu stellen, bevor Verfassungsbeschwerde erhoben wird. Erst wenn die Anhörungsrüge ergebnislos geblieben ist, kann das Verfassungsgericht angerufen werden (st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 17. Juni 2022 ‌‑ VfGBbg 63/20 ‑‌, Rn. 16, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Zum einen ist nicht dargetan, dass etwaige mit dem 50-seitigen Gutachten vorgebrachte Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Art und Weise (§ 30 FamFG i. V. m. § 411 Abs. 4 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]) beim zuständigen Gericht angebracht worden sind. Zum anderen ist ihr Vorbringen als Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs zu verstehen. Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgetragen, dass sie beim Oberlandesgericht vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde einen Antrag nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FamFG gestellt hat.

Im Übrigen erfüllt das Beschwerdevorbringen im Hinblick auf die gegen das Sachverständigengutachten vorgebrachten Beanstandungen nicht die Begründungsanforderungen nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg. Die Beschwerdeschrift zeigt nicht auf, welche Argumente sie welchen Feststellungen im Sachverständigengutachten in ihrem - dem Verfassungsgericht nicht vorgelegten - 50-seitigen Gutachten im Einzelnen entgegensetzt hat, die vom Oberlandesgericht außer Acht gelassen worden sein sollen.

Es kann angesichts der aufgezeigten Darlegungsmängel dahinstehen, ob eine Anhörungsrüge im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 FamFG offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ohne Aussicht auf Erfolg und daher nicht zumutbar gewesen wäre.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie nicht bereits unzulässig ist, jedenfalls unbegründet.

a. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Elternrecht. Die Einschränkung des Umgangsrechts im Hinblick auf unbegleitete Umgänge und das Absehen von einer gerichtlichen Umgangsregelung verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 27 Abs. 2 LV.

Das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 27 Abs. 2 LV. Es ermöglicht - inhaltsgleich mit Art. 6 Abs. 2 GG (vgl. Beschluss vom 15. November 2019 ‌‑ VfGBbg 45/19 ‑‌ m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de) - dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen. Art. 27 Abs. 2 LV, der den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder garantiert, dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist. Demzufolge haben sich auch Umgangsregelungen zuvörderst am Kindeswohl zu orientieren (vgl. Beschlüsse vom 15. November 2019 ‌‑ VfGBbg 45/19 ‑‌m. w. N., vom 16. Dezember 2016 ‌‑ VfGBbg 55/16 ‑‌, und vom 20. Februar 2015 ‌‑ VfGBbg 44/14 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 1971 ‌‑ 1 BvR 192/70 ‑‌, BVerfGE 31, 194-212, Rn. 37, juris). Entsprechend kann nach § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangs für längere Zeit angeordnet werden, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Gericht hat bei der Entscheidung über die Einschränkung oder den Ausschluss des Umgangs sowohl die betroffenen Grundrechtspositionen des Elternteils als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Mai 2022 ‌‑ 1 BvR 326/22 ‑‌, Rn. 13, und vom 17. September 2016 ‌‑ 1 BvR 1547/16 ‑‌, Rn. 19, juris).

Auch das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, um der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Juni 2021 ‌‑ 1 BvR 2027/20 ‑‌, Rn. 17, und vom 25. April 2015 ‌‑ 1 BvR 3326/14 ‑‌, Rn. 18 m. w. N., juris).

Die Feststellung, ob die Voraussetzungen von § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB erfüllt sind, obliegt den Fachgerichten (Beschluss vom 16. Dezember 2016 ‌‑ VfGBbg 55/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Grundsätzlich unterliegt die Nachprüfung einer Gerichtsentscheidung durch das Verfassungsgericht engen Grenzen. Dieses übt keine umfassende Kontrolle der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts aus. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen sind Sache der Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht daher weitgehend entzogen. Das Verfassungsgericht überprüft nur, ob der Entscheidung eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts zugrunde liegt (st. Rspr., Beschlüsse vom 19. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 49/20 ‑‌, Rn. 37, und vom 16. Dezember 2016 ‌‑ VfGBbg 33/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

b. Daran gemessen wird die angegriffene Entscheidung verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.

aa. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung auf § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB gestützt, und - basierend auf den Feststellungen des amtsgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens, auf der Anhörung des Kindes sowie auf den Stellungnahmen des Verfahrensbeistands und des Jugendamts - die Richtigkeit der amtsgerichtlichen Zurückweisung des Antrags auf unbegleiteten Umgang mit der konkreten Kindeswohlgefährdung begründet. Dass das Oberlandesgericht den massiven, bei dem Kind entstandenen und fortdauernden, von ihm nicht mehr zu bewältigenden Loyalitätskonflikt im Falle unbegleiteter Umgänge als konkrete Kindeswohlgefährdung beurteilte, ist nicht zu beanstanden. Diese Einschätzung steht im Einklang mit der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2010 ‌‑ II-6 UF 184/09 ‑‌, Rn. 17 ff., juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Oktober 2010 ‌‑ II-4 UF 252/09 ‑‌, juris; dazu auch: Altrogge,in: BeckOGK, Stand: 15. November 2021, BGB § 1684 Rn. 451), der verfassungsrechtlich nichts entgegenzusetzen ist. Das Elternrecht ist durch den Schutzanspruch des Kindes begrenzt. In den Fällen, in denen eine Kindeswohlgefährdung im Raum steht, ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, zum Schutz des Kindes in das Elternrecht einzugreifen, sofern die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr für das Kind abzuwenden (BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2017 ‌‑ 1 BvR 2569/16 ‑‌, Rn. 44, juris). Die Grundrechte des Kindes, insbesondere das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf Leben und körperliche Unversehrtheit stehen unter dem besonderen Schutz des Staates (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2021 ‌‑ 1 BvR 1780/20 ‑‌, Rn. 26, juris); sie finden einfachgesetzlich in dem Tatbestandsmerkmal der Kindeswohlgefährdung Ausdruck (vgl. Altrogge, in: BeckOGK, Stand: 15. November 2021, BGB § 1684 Rn. 451; Veit, in: BeckOK BGB, Stand: 1. November 2019, BGB § 1666 Rn. 2). Der Senat hat in nachvollziehbarer Weise die Erforderlichkeit von begleiteten Umgängen zur Abwendung einer konkreten Kindeswohlgefährdung mit den konkreten Umständen des Falls begründet.

Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang meint, ihr würden zu Unrecht Defizite auf der Elternebene angelastet, da sie die Elternbeziehung zum leiblichen Vater führe, verkennt sie, dass § 1684 BGB das Umgangsrecht des Kindes mit seinen rechtlichen Eltern, nicht seinen leiblichen Eltern, erfasst (Altrogge, in: BeckOGK, Stand: 15. November 2021, BGB § 1684 Rn. 3 f.).

Entgegen der Beschwerdeführerin hat das Oberlandesgericht auch mildere Mittel in den Blick genommen - zum einen die zwangsweise Durchsetzung begleiteter Umgänge, zum anderen die von der Beschwerdeführerin erwähnte Umgangspflegschaft. Dass es diese zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung nicht für geeignet hielt, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Geeignet sind nur solche Maßnahmen, die eine effektive Gefahrenabwehr gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2014 ‌‑ 1 BvR 3190/13 ‑‌, Rn. 30, juris). Das Gericht hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Durchsetzung des Umgangs mit Zwangsmitteln gegenüber der Beschwerdeführerin in der Regel nicht kindeswohldienlich sei. Dass das Oberlandesgericht die Anordnung einer Umgangspflegschaft nicht in Betracht zog, da diese Norm den Fall von Verletzungshandlungen des Obhutselternteils behandelt, ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführerin als umgangsberechtigtem Elternteil steht weiterhin die Möglichkeit offen, begleiteten Umgang zu beantragen.

bb. Das Oberlandesgericht hat nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, gegen Art. 27 Abs. 2 LV verstoßen, indem es die schlichte Zurückweisung des Antrags auf unbegleiteten Umgang durch das Amtsgericht gebilligt hat, ohne das Umgangsrecht konkret zu regeln bzw. konkret auszuschließen oder einzuschränken.

Das Oberlandesgericht hat bei seiner Entscheidung auch die mögliche Folge des Absehens von einer konkreten gerichtlichen Umgangsregelung eingestellt, nämlich dass der Beschwerdeführerin auch längerfristig Umgänge versagt sein könnten. Die Konsequenz der bloßen Zurückweisung des Antrags hat es als grundsätzlich unvereinbar mit ihrem Elterngrundrecht in seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt und eingestellt, dass ein erzwungener begleiteter Umgang nicht kindeswohldienlich sein könne.

Zwar wird - wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat -, im Regelfall die bloße Ablehnung einer gerichtlichen Umgangsregelung dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 27 Abs. 2 LV (bzw. Art. 6 Abs. 2 GG), unter dem das Umgangsrecht steht, nicht gerecht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2017 ‌‑ XII ZB 350/16 ‑‌, Rn. 35, vom 11. Mai 2005 ‌‑ XII ZB 120/04 ‑‌, Rn. 15, und vom 27. Oktober 1993 ‌‑ XII ZB 88/92 ‑‌, Rn. 15, juris). Dies betrifft den Fall, dass das Familiengericht eine beantragte Regelung des Umgangsrechts schlechthin ablehnt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2005 ‌‑ XII ZB 120/04 ‑‌, Rn. 15, juris). Davon kann vorliegend nicht die Rede sein. Zudem sind nach der Rechtsprechung Ausnahmefälle denkbar, in denen eine Regelung zum Umgangsrecht nicht getroffen werden muss, z. B. wenn ein Elternteil erklärt, er werde sein Umgangsrecht aus einer gerichtlich bestätigten Elternvereinbarung nicht mehr wahrnehmen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2005 ‌‑ XII ZB 120/04 ‑‌, Rn. 13, juris). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, auf die sich das Oberlandesgericht stützt, ist auch der Antrag eines Elternteils auf Umgang mit seinem Kind ohne Regelung des Umgangs abzulehnen, wenn nur ein begleiteter Umgang in Frage kommt und der Elternteil erklärt, solchen nicht wahrnehmen zu wollen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 26. Oktober 2021 ‌‑ 10 UF 40/21 ‑‌, Rn. 58, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. Mai 2006 ‌‑ 16 UF 11/06 ‑‌, Rn. 26-28, juris).

Dass die obergerichtliche Rechtsprechung in einer solchen Konstellation, in der der Grundrechtsträger die mögliche Grundrechtsausübung ablehnt, von einer konkretisierten Umgangsregelung bzw. -einschränkung absieht, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, die Umgangssituation erneut gerichtlich überprüfen zu lassen und eine Abänderung des faktischen Umgangsausschlusses herbeizuführen, wenn entsprechende Änderungsgründe eingetreten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. April 2015 ‌‑ 1 BvR 3326/14 ‑‌, Rn. 27, juris).

cc. Die gegen die Tatsachengrundlage vorgebrachten Einwände der Beschwerdeführerin greifen nicht durch. Ihr Vorbringen, es gebe keine Beweise dafür, dass das Kindeswohl durch die negative Haltung gegenüber dem Vater gefährdet sei, ferner der Vater ursächlich für den Loyalitätskonflikt sei, übersieht, dass der Ausschluss oder eine Einschränkung des Umgangsrechts nicht an Kausalitäts- oder Verschuldensbeiträgen der Elternteile zu messen sind. Entscheidend ist allein, ob dem Gericht eine tragfähige Tatsachengrundlage dafür vorliegt, dass eine Kindeswohlgefährdung nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Ausschluss oder die Einschränkung des Umgangsrechts abgewendet werden kann (Veit, in: BeckOK BGB, Stand: 1. Februar 2022, BGB § 1684 Rn. 52 f. m. w. N.). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat das Oberlandesgericht alle notwendigen Ermittlungen durchgeführt, um über eine zuverlässige, am Kindeswohl orientierte Entscheidungsgrundlage zu verfügen. Insbesondere hat es sich auf die Anhörungen bzw. Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten gestützt. Die Verfahrensgestaltung durch das Oberlandesgericht ist nicht zu beanstanden.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Müller

Richter

Sokoll