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VerfGBbg, Beschluss vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 33/16 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 27 Abs. 2 bis 5; LV, Art. 52 Abs. 3 und 4; LV, Art. 12; LV, Art. 2
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- BGB, 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Schlagworte: - Begründung
- Urteilsverfassungsbeschwerde
- Willkür
- faires Verfahren
- effektiver Rechtsschutz
- Elternrecht
- sorgerechtliche Entscheidung bei getrennt lebenden Eltern
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 33/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 33/16




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

S.

Beschwerdeführer,

wegen Beschlüsse des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 18. Februar 2016
(10 F 52/16) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom
14. April 2016 (3 UF 14/16)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. Dezember 2016

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer und Partikel

 

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird teilweise verworfen, im Übrigen zurückgewiesen.

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen familiengerichtliche Entscheidungen zur Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts.

 

I.

Der Beschwerdeführer ist Vater einer im Februar 2005 geborenen Tochter, für die er mit der Mutter das gemeinsame Sorgerecht ausgeübt hatte. Die Kindeseltern trennten sich Mitte 2015. Die Trennung wurde zunächst innerhalb des gemeinsamen Hauses in E. dergestalt vollzogen, dass der Beschwerdeführer das Erdgeschoss und die Mutter mit der Tochter das Obergeschoss bewohnten.

 

Vor dem Hintergrund eines geplanten Umzugs nach B. beantragte die Mutter eine familiengerichtliche Entscheidung, ihr das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter zu übertragen. Mit Beschluss vom 18. Februar 2016
(10 F 52/16) entzog das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree - Familiengericht - dem Beschwerdeführer nach persönlicher Anhörung der Beteiligten im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für seine Tochter. Die hiergegen vom Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde wies das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14. April 2016 (3 UF 14/16) zurück. Zur Begründung nahm das Oberlandesgericht Bezug auf einen Beschluss vom 22. März 2016, in dem es zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angehört hatte. Danach sei es weiterhin gerechtfertigt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter der Mutter zur alleinigen Ausübung zu übertragen. Im Rahmen des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB seien im summarischen Verfahren der einstweiligen Anordnung abschließende Feststellungen zu der Frage, wie dem Kindeswohl am besten gedient sei, meist nicht möglich, zumal es hierzu häufig der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe. Stritten die Eltern über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, sei bei einer einstweiligen Anordnung vor allem eine Interessenabwägung vorzunehmen, die sich nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren habe. Die einstweilige Anordnung werde bereits umgesetzt. Regelmäßig entspreche es nicht dem Wohl des Kindes, eine vollzogene einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne schwerwiegende Gründe abzuändern und somit vor der Entscheidung des Amtsgerichts in der Hauptsache einen erneuten Ortswechsel herbeizuführen. Wenn das Hauptsacheverfahren noch offen sei, sei regelmäßig ausschlaggebend, dass ein mehrfacher Wechsel des Lebensmittelpunktes und der unmittelbaren Bezugsperson zu vermeiden sei. Die vom Beschwerdeführer hiergegen vorgebrachten Einwände könnten in dem in erster Instanz anhängigen Hauptsacheverfahren im Rahmen der zu treffenden Auswahlentscheidung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB geklärt werden und gegebenenfalls liege eine sachverständige Begutachtung nahe. Eine Änderung der angegriffenen Entscheidung rechtfertigten sie indes aufgrund ihrer Diffusität und Uneindeutigkeit nicht.

 

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von „Art. 27 Abs. 2 - 5 LV, Art. 52 Abs. 3, 4 LV, Art. 12 Abs. 1, 3 LV, Art. 2 LV, (i. V. m.) Art.10 LV (Eltern-/Familienrechte, Rechtsstaatsprinzip, Rechtsbindungspflichten, Willkürverbot, faires Verfahren, Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes)" geltend.

 

Das Amtsgericht Fürstenwalde und das Brandenburgische Oberlandesgericht hätten bei ihren Entscheidungen die Bedeutung grundlegender Eltern- und Kinderrechte verkannt und verletzt. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bedeute einen Teilentzug der elterlichen Sorge. An eine solche Entscheidung seien strenge Prüfmaßstäbe anzulegen. Das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 3 GG sei ein hohes Gut. Eine solche Maßnahme sei gemäß §§ 1666, 1666a BGB nur statthaft, wenn die Erziehungsberechtigten versagten oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohten. Das Oberlandesgericht habe selbst festgestellt, dass die Voraussetzungen eines solchen Eingriffs nicht vorgelegen hätten. Das Oberlandesgericht habe zwar Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin eingeholt, aber von einer mündlichen Verhandlung und der Anhörung des Kindes verfahrensfehlerhaft abgesehen. Der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei unzulässig gewesen. Die eigentliche Kindeswohlgefährdung durch die anhaltende Beeinflussung und Entfremdung seiner Tochter durch die Mutter werde von staatlicher Seite ausgeblendet. Im gesamten Verfahren sei nicht festgestellt worden, welche konkreten Bedürfnisse des Kindes er nicht erfüllen könne oder dass seine Erziehungsfähigkeit eingeschränkt sei. Die Entscheidungen beruhten auf dem nachweisbar beeinflussten Willen eines 11-jährigen Kindes. Der notwendige Sachverstand sei nicht eingeholt worden. Die Fachgerichte würden den Anforderungen regelmäßig nicht gerecht, wenn sie ihren Blick nur auf die Verhaltensweisen der Eltern lenkten, ohne die sich daraus ergebenden schwerwiegenden Konsequenzen für die Kinder darzulegen. Ob und wie sich diese auf das Kind nachteilig ausgewirkt hätten oder künftig auswirken könnten, werde nicht ausreichend erläutert. Im vorliegenden Fall sei schon durch die zahlreichen Vorwürfe gegenüber der Mutter eine besonders sorgfältige Prüfung und Bewertung der Gefahren durch die Fachgerichte geboten gewesen.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zum überwiegenden Teil bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.

 

I.

1. In Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom
18. Februar 2016 ist die Verfassungsbeschwerde schon wegen prozessualer Überholung unzulässig, denn der Beschluss ist durch die nachfolgende Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts bestätigt worden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 388/13 -, juris Rn. 16, und vom 26. April 2011 - 1 BvR 2658/10 -, NJW 2011, 2497, 2498; BVerfGK 10, 134, 138).

 

2. Im Hinblick auf den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. April 2016 (3 UF 14/16) genügt sie im Wesentlichen nicht den Anforderungen an eine ausreichende Begründung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Gefordert ist eine Begründung, die vollständig und aus sich heraus verständlich ist. Dazu müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt substantiiert vorgetragen und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen dargelegt werden. Der Beschwerdeführer muss insbesondere die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte hinreichend deutlich aufzeigen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt
(st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 9. September 2016 - VfGBbg 9/16 -,
www.verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. Nachw.). Dem genügt sein Vorbringen nicht.  

 

a. Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Aufzählung der gerügten Grundrechte "Art. 27 Abs. 2-5 LV" auch eine Verletzung von Art. 27 Abs. 3 bis 5 LV geltend machen sollte, bietet die Beschwerdeschrift, ungeachtet der Frage, ob damit überhaupt dem Bezeichnungserfordernis des § 46 VerfGGBbg in ausreichender Weise genüge getan wurde, keinen Ansatz für eine dem Beschwerdeführer diesbezüglich zustehende Beschwerdebefugnis. Die Regelungen räumen Kindern Rechtspositionen ein. Aus welchem Grund der Beschwerdeführer berechtigt sein soll, diese im eigenen Namen geltend zu machen, ist nicht erkennbar. Die Möglichkeit eines Verstoßes gegen den Förderauftrag des Art. 27 Abs. 3 Satz 2 LV legt der Beschwerdeführer ebenso wenig dar, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob es sich dabei überhaupt um ein rügefähiges Grundrecht handelt (für objektiv-rechtlich wirkendes Staatsziel: Iwers, in: Lieber/Iwers/Ernst, LV, Art. 27 Anm. 4.2).

 

b. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV, der im Verhältnis zum allgemeinen Willkürverbot des Art. 12 Abs. 1 LV spezielleren und damit vorrangigen Norm, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.

 

Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen u. a. dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 17. Juni 2016 - VfGBbg 79/15 -, www.verfassungsge­richt.brandenburg.de, m. w. Nachw.). Ansatzpunkte hierfür zeigt die Beschwerdeschrift nicht auf.

 

Weder für die Heranziehung von § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB durch das Oberlandesgericht noch für die Maßstäbe, die es für die Beschwerdeentscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren angewandt hat, werden durch den Beschwerdeführer Zweifel an der rechtlichen Vertretbarkeit offengelegt. Dies gilt auch angesichts seines Hinweises, dass eine Trennung von Kindern aus ihren Familien gegen den Willen der Erziehungsberechtigten nach §§ 1666, 1666a BGB nur zulässig sei, wenn die Erziehungsberechtigten versagten oder die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohten. Denn der Beschwerdeführer lässt außer Betracht, dass vorliegend keine Maßnahme nach § 1666 BGB erfolgt ist, sondern eine Entscheidung nach § 1671 Abs.1 BGB in Rede steht, und legt nicht dar, aus welchen Gründen für diese dieselben Maßstäbe heranzuziehen sein sollen.

 

Auch eine willkürliche Handhabung des Verfahrensrechts durch das Oberlandesgericht legt der Beschwerdeführer nicht dar, wenn er vorträgt, das Beschwerdegericht habe "von einer mündlichen Verhandlung und der Anhörung des Kindes … verfahrensfehlerhaft" abgesehen. Nach § 68 Abs. 3 Satz 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) kann das Beschwerdegericht von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Dass das Oberlandesgericht diese Bestimmung in einer unvertretbaren Weise angewandt hat, wird aus den Ausführungen des Beschwerdeführers gerade unter Berücksichtigung des Umstands nicht deutlich, dass die vom Amtsgericht durchgeführte mündliche Verhandlung und Anhörung der Beteiligten nur gut zwei Monate zuvor erfolgt waren.

 

c. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips des Art. 2 Abs. 1 LV rügt, handelt es sich dabei schon nicht um ein unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde geltend zu machendes Grundrecht, sondern entfaltet Rechtsansprüche des einzelnen nur im Zusammenhang mit anderen subjektiven Rechten (vgl. Lieber, in: Lieber/Iwers/Ernst, LV, Art. 2 Anm. 2.2).

 

d. Auch eine Verletzung der Verfahrensgrundrechte auf faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz zeigt der Beschwerdeführer nicht auf.

Das Rechtsstaatsgebot gewährleistet in Verbindung mit Art. 10 LV effektiven Rechtsschutz im Sinne eines Anspruchs der Bürger auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle in allen gesetzlich vorgesehenen Verfahrensarten. Das Gericht darf insbesondere die von der Rechtsordnung eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen. Das Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV garantiert dem Einzelnen, nicht bloßes Objekt des Verfahrens zu sein, ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis eines Verfahrens Einfluss zu nehmen. Welche Anforderungen an die Rechtsauslegung und -anwendung sich daraus im Einzelnen für die Gerichte ergeben, ist mit Blick auf das jeweils vom Gesetzgeber verfolgte Verfahrensziel zu bestimmen (vgl. Beschlüsse vom 21. Oktober 2011 - VfGBbg 35/11 - und vom 21. Januar 2011 - VfGBbg 35/10 -, www.verfassungsge­richt.brandenburg.de).

 

Der Beschwerdeführer trägt vorliegend nicht substantiiert vor, durch welche konkrete Maßnahme oder Unterlassung das Oberlandesgericht gegen die Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes und des fairen Verfahrens verstoßen haben soll. Seine Ausführungen, dass er mehrfach erfolglos die Unrichtigkeit der Jugendamtsakten gerügt habe, das Gericht auf bestimmte Aspekte (wie den der "ertrotzten Kontinuität") nicht eingegangen oder notwendiger Sachverstand nicht eingeholt worden sei, genügt hierfür nicht. Die hier in Rede stehenden grundrechtlichen Verbürgungen schützen nicht davor, dass das Gericht bestimmte tatsächliche Umstände anders bewertet oder gewichtet als der Beschwerdeführer oder von seiner rechtlichen Beurteilung abweicht. Dass das Oberlandesgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens dem erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten hat, unterliegt angesichts des Charakters der einstweiligen Anordnung als Eilrechtsschutzverfahren und dessen Zweck, schnell vorläufige Regelungen für die Zeit bis zu einer endgültigen Entscheidung zu treffen, keinen Bedenken. Denn dies schließt ein, dass sich das Gericht - je nach Eilbedürftigkeit - mit einer vorläufigen Klärung des Sachverhalts begnügen kann (vgl. Soyka, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 49 Rn. 1).

 

II.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 27 Abs. 2 LV geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.

Art. 27 Abs. 2 LV gewährleistet den Eltern - inhaltsgleich mit Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) - das Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat. Dieses Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. Beschlüsse vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 - und vom
21. Oktober 2011 - VfGBbg 35/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zu
Art. 6 Abs. 2 GG BVerfGE 61, 358, 371 f; 75, 201, 218 f). Der Schutz des Elternrechts, das der Mutter und dem Vater gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168, 180; 107, 150, 173). Die Einbeziehung beider Elternteile in den Schutzbereich des Art. 27 Abs. 2 LV bedeutet jedoch nicht, dass diesen jeweils die gleichen Rechte im Verhältnis zum Kind einzuräumen sind. Vielmehr bedarf das Elternrecht der am Kindeswohl ausgerichteten Ausgestaltung durch den Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 107, 150, 169). Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge - nicht zuletzt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern und ein Mindestmaß an Übereinstimmung - fehlen. Dem dient § 1671 Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 2 BGB). Da sich die Trennung und die damit verbundenen Konflikte zwischen den Eltern auf deren Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit bei der Sorge für das Kind derartig auswirken können, dass eine gemeinsame Sorge den Interessen des Kindes nicht entspricht, ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, die gemeinsame Sorge als Regelfall zu behandeln (vgl. BVerfGE 107, 150, 182). Der mit der Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 BGB einhergehende Ausschluss eines Elternteils von der Sorge muss am Wohl des Kindes ausgerichtet sein, ohne dass die Übertragung der alleinigen Sorge auf den anderen Elternteil eine Kindeswohlgefährdung voraussetzte, wie sie nach ständiger Rechtsprechung bei einer Trennung des Kindes von seinen Eltern auf der Grundlage des Art. 27 Abs. 5 LV bestehen müsste (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2015 - 1 BvR 1388/15 -, juris Rn. 5).

 

Die Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB erfüllt sind, obliegt den Fachgerichten. Grundsätzlich unterliegt die Nachprüfung einer Gerichtsentscheidung durch das Verfassungsgericht engen Grenzen. Dieses übt keine umfassende Kontrolle der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts aus. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen sind Sache der Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht daher weitgehend entzogen. Das Verfassungsgericht überprüft nur, ob der Entscheidung eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts zugrunde liegt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 44/14 -, vom 15. Juli 2011 - VfGBbg 22/11, VfGBbg 1/11 EA - und vom 18. März 2011 - VfGBbg 56/10 -, www.verfas­sungsgericht.bran­den­burg.de). Eine weiterreichende Prüfungsintensität ist auch vorliegend nicht geboten. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts bei gerichtlichen Entscheidungen, mit denen Eltern zum Zweck der Trennung des Kindes von den Eltern gegen deren Willen das Sorgerecht oder Teilbereiche hiervon entzogen werden, wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Grundrechte von Eltern und Kindern als stärkstem vorstellbarem Eingriff angezeigt, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen. Dabei kann sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle wegen der besonderen Eingriffsintensität ausnahmsweise auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken (vgl. Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 13/13 -, LVerfGE 25, 174, 183 f; zum Bundesrecht: BVerfGE 60, 79, 91; 75, 201, 222). Dies ist in solchen Fällen, in denen - wie hier - die Fachgerichte nach der Trennung der Eltern auf Antrag eines Elternteiles darüber zu entscheiden haben, wer von beiden die elterliche Sorge oder Teile davon wahrnimmt, nicht in vergleichbarer Weise geboten. Diese Zurücknahme des Prüfungsmaßstabs spiegelt wider, dass der Staat bei der Entscheidung, wie die elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern zwischen ihnen zu regeln ist, überhaupt nur auf Veranlassung mindestens eines Elternteils und lediglich vermittelnd zwischen den Eltern, nicht jedoch wie bei der Entziehung des Sorgerechts wegen einer Kindeswohlgefährdung von Amts wegen und von außen eingreifend tätig wird. Der in der vollständigen oder teilweisen Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf der Grundlage von § 1671 Abs. 1 BGB liegende Eingriff in das Elternrecht des einen Elternteils ist letztlich nur die Kehrseite davon, dass die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht gleichermaßen entspräche und dass es sich deswegen nicht vermeiden lässt, dass nicht beide Elternteile einen gleichen Kontakt und eine gleiche Zuwendung zu ihrem Kind entfalten können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juni 2016 - 1 BvR 519/16 - juris Rn. 3, vom 4. August 2015 - 1 BvR 1388/15 -, juris Rn. 6 ff, und vom
16. April 2014 - 1 BvR 3360/13 -, juris Rn. 8, jeweils m. w. Nachw.). Die Aufgabe
des Verfassungsgerichts beschränkt sich daher grundsätzlich darauf zu prüfen, ob die Fachgerichte eine auf das Wohl des Kindes ausgerichtete Entscheidung getroffen und dabei die Tragweite der Grundrechte aller Beteiligten nicht grundlegend verkannt haben.

 

Ausgehend hiervon ist die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht zuletzt unter dem Aspekt, dass nicht abschließend über die Zuordnung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu befinden, sondern lediglich eine vorläufige Regelung im Wege des Eilrechtsschutzverfahrens zu treffen war, nicht zu beanstanden. Aus den Beschlüssen vom 14. April 2016 und 22. März 2016 wird deutlich, dass sich das Oberlandesgericht vorrangig am Wohl des Kindes orientiert hat, indem es den ausdrücklich geäußerten, nicht von vornherein unbeachtlichen Willen des elfjährigen Kindes (vgl. zur Bedeutung des Kindeswillens im Sorgerechtsverfahren Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 13/13 -, LVerfGE 25, 174, 185), die damit etwaig verbundenen negativen Folgen einer zwangsweisen Durchsetzung des väterlichen Umgangsrechts und vor allem die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls im Fall eines Wechsels des Lebensmittelpunktes und der unmittelbaren Bezugsperson in den Blick genommen hat. Dass es dabei insbesondere das Elterngrundrecht des Beschwerdeführers grundlegend verkannt hätte, ist nicht festzustellen. Wie sich den Passagen der Beschlüsse über die Ablehnung der Kontaktaufnahme durch die Tochter und die hierin zum Ausdruck kommende vermutliche Beeinflussung durch die Mutter entnehmen lässt, hat das Oberlandesgericht die - gerade vom Beschwerdeführer in den Mittelpunkt gerückten - Besonderheiten des Falles zur Kenntnis genommen und in seine Abwägung einbezogen, ihnen indes, ohne dass durchgreifende Einwände erkennbar würden, für die einstweilige Anordnung keine überwiegende Bedeutung beigemessen.

 

Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Oberlandesgericht habe nicht festgestellt, dass die Voraussetzungen einer Kindeswohlgefährdung im Sinne von §§ 1666, 1666a BGB vorlägen, geht er nach dem Vorstehenden von einem unzutreffenden Maßstab für die hier zu treffende Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aus.

 

III.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Lammer Partikel