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VerfGBbg, Beschluss vom 25. Oktober 2021 - VfGBbg 17/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 2; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 50 Abs. 2 Satz 2
- LV, Art. 2 Abs. 1; LV, Art. 2 Abs. 4; LV, Art. 41 Abs. 1; LV, Art. 41 Abs. 4 Satz 2; LV, Art. 49 Abs. 1
- BbgVwGG, § 4 Abs. 1
- VwGO, § 47 Abs. 1 Nr. 2; VwGO, § 47 Abs. 6
- 7. SARS-CoV-2-EindV, § 12
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründungsmangel
- allgemeine Bedeutung
- effektiver Rechtsschutz
- Rechtswegerschöpfung
- verwaltungsgerichtliches Normenkontrollverfahren
- Vorabentscheidung
- Zumutbarkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 25. Oktober 2021 - VfGBbg 17/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 17/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 17/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

F.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:              Dr. G. Partnerschaft mbB,

 

beteiligt:

  1. Landtag Brandenburg,
    vertreten durch die Präsidentin,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  2. Landesregierung Brandenburg,
    - Staatskanzlei -,
    Heinrich-Mann-Allee 107,
    14473 Potsdam,
wegen

§ 12 Siebte Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (Siebte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 7. SARS-CoV-2-EindV) vom 6. März 2021 (GVBl.II/21, [Nr. 24]) und inhaltlich unveränderte Nachfolgeregelungen

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 25. Oktober 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH, die ein Fitnessstudio in C. betreibt. Sie wendet sich im Wege der Verfassungsbeschwerde gegen die im Zuge der Coronavirus-Pandemie zeitweise verordnete Untersagung des Sportbetriebs in ihrem Fitnessstudio.

I.

Der mittlerweile außer Kraft getretene § 12 Abs. 1 Siebte Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (Siebte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 7. SARS‑CoV‑2‑EindV vom 6. März 2021 (GVBl.II/21, [Nr. 24]) lautete:

(1) Der Sportbetrieb auf und in allen Sportanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 der Sportanlagenlärmschutzverordnung in Verbindung mit § 3 Absatz 5 Nummer 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist untersagt. Dies gilt insbesondere für Gymnastik-, Turn- und Sporthallen, Fitnessstudios, Tanzstudios, Tanzschulen, Bolzplätze, Skateranlagen und vergleichbare Einrichtungen.

Die nachfolgenden Verordnungen – Zweite bis Achte Verordnung zur Änderung der 7. SARS‑CoV‑2‑EindV – ordneten jeweils die Fortgeltung des § 12 7. SARS‑CoV‑2‑EindV an. Die Neunte Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 1. Juni 2021 (GVBI.II/21, [Nr. 57]) enthielt diese Betriebsuntersagung nicht mehr, sondern schrieb stattdessen den Betreibern von Sportanlagen auf Grundlage eines Hygienekonzepts geeignete organisatorische Maßnahmen für den Sportbetrieb vor (u. a. Zutritts-/ Aufenthaltsbeschränkungen, Erfassung von Personendaten, Maskenpflicht). Entsprechende Maßnahmen sieht auch § 18 der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Dritten Verordnung über den Umgang mit dem SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 in Brandenburg vom 15. September 2021 (Dritte SARS-CoV-2-Umgangsverordnung - 3. SARS-CoV-2-UmgV (GVBl.II/21, [Nr. 83]) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Dritten SARS-CoV-2-Umgangsverordnung vom 5. Oktober 2021 (GVBI.II/21, [Nr. 85]) vor.

II.

Die Beschwerdeführerin begehrt mit ihrer am 1. April 2021 eingegangenen Verfassungsbeschwerde die Feststellungen, dass § 12 7. SARS-CoV-2-EindV verfassungswidrig und nichtig ist sowie jede wiederholende Regelung in Form von Rechtsverordnungen die Verfassung verletzt.

Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Ihre Beschwerdebefugnis ergebe sich aus einer möglichen Verletzung der Berufsfreiheit, Art. 49 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), und der Eigentumsgarantie, Art. 41 Abs. 1 LV. Durch die angegriffene Verordnung werde ihr die Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit auf unbestimmte Zeit und im vollen Umfang untersagt. Zudem sei der Betrieb durch die seit einem Jahr andauernde Situation in seiner Substanz bedroht, ohne dass es verbindliche und gesetzlich geregelte Kompensationen gebe.

Insbesondere sei die Rechtswegerschöpfung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) entbehrlich. Dem stehe nicht entgegen, dass gegen Rechtsverordnungen gemäß § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 4 Abs. 1 Brandenburgisches Verwaltungsgerichtsgesetz (BbgVwGG) (einstweiliger) Rechtsschutz vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eröffnet gewesen wäre, da die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung sei und der Beschwerdeführerin durch Zuwarten in Form der Rechtswegerschöpfung unzumutbare und unabwendbare Nachteile entstünden.

Die allgemeine Bedeutung der Verfassungsbeschwerde liege wegen der überragenden Allgegenwart der Coronavirus-Pandemie und dem mit ihr verbundenen, über ein Jahr andauernden „Lockdownregime“ auf der Hand. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe im Lauf des letzten Jahres Schließungen aller erdenklicher Arten von betroffenen Geschäftsbetrieben ohne jegliche Beanstandung als rechtmäßig bestätigt. Der entscheidende Senat des Oberverwaltungsgerichts werde sich von seiner bisher eingeschlagenen Linie nicht abbringen lassen. Die Anrufung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg mit dem vorhersehbaren Ergebnis der weiteren Aufrechterhaltung aller Betriebsschließungen stelle eine kostspielige Maßnahme dar, die Geld beanspruche, welches die Beschwerdeführerin aufgrund der Betriebsschließungsmaßnahmen, die sie anzugreifen suche, zunehmend nicht mehr habe. Es gehe ausschließlich um die Beantwortung von Rechtsfragen verfassungsrechtlicher Natur und erheblicher allgemeiner Bedeutung, welche eine Ermittlung der Tatsachengrundlage entbehrlich mache.

Durch die Verweisung auf den Rechtsweg entstünde der Beschwerdeführerin ein schwerer und unabwendbarer Nachteil. Dieser ergebe sich zum einen aus den erheblichen Bedrohungen für ihre Rechtsgüter aus Art. 41 LV und Art. 49 LV, die bei jedem weiteren Tag des Zuwartens stetig intensiver würden, zum anderen aus dem Umstand, dass ohne Intervention des Verfassungsgerichts zu besorgen sei, dass die Regierung des Landes Brandenburg auch weiterhin ohne die verfassungsrechtlich gebotene Beteiligung des Parlaments die Rechtswirklichkeit ausschließlich durch Rechtsverordnungen gestalten werde. Die Vergangenheit habe bundesweit gezeigt, dass der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz faktisch zunichtegemacht werde, da der Verordnungsgeber Rechtsverordnungen in einer höheren Geschwindigkeit erlasse, als der Rechtssuchende sich gegen sie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wehren könne. Zudem habe sich gezeigt, dass bei Erfolg vor den Oberverwaltungsgerichten die Verordnungen sofort mit neuem Inhalt erlassen würden. Die aktuelle „Lockdownsituation“ dauere seit fast einem Jahr an und werde ausschließlich auf Grundlage von Exekutivhandeln durchgesetzt. Es gebe für die Beschwerdeführerin und andere betroffene Unternehmer keine Rechts- und Planungssicherheit. Jeder einzelne Tag, der vergehe, koste die Beschwerdeführerin als Unternehmerin Geld, welches ihr zu erwirtschaften kraft Verordnung verboten worden sei. Gleichzeitig habe sie weiterhin alle aus der Aufrechterhaltung der Betriebssubstanz notwendigen Verbindlichkeiten zu bedienen. Die bis dato gezahlten Überbrückungshilfen beseitigten diesen Missstand nicht. Das Unternehmen der Beschwerdeführerin werde bis zum Jahr 2027 eine Umsatzeinbuße von etwa 1,2 Millionen Euro zu beklagen haben, bis es überhaupt möglich erscheine, den Verlust auszugleichen. Die damit verbundenen erheblichen Gewinneinbußen gefährdeten den Bestand des Unternehmens der Beschwerdeführerin akut, zumal die eidesstattlich versicherte Berechnung der Geschäftsführer davon ausgehe, dass es zu keinen weiteren, kompensationslosen „Lockdowns“ kommen werde. Diese Nachteile über den Zeitraum der Rechtswegerschöpfung hinzunehmen sei unzumutbar, da es keine verbindlichen Kompensationsregelungen gebe. Aus denselben Gründen überschreite die Bedrohungslage für ihren Betrieb zunehmend die Schwelle zur Enteignung, wenn sie aufgrund der Betriebsuntersagung das Fitnessstudio vollständig aufgeben müsste und dieses in seinem Bestand beseitigt werde.

Die Unzumutbarkeit der Rechtswegbeschreitung ergebe sich auch daraus, dass Zuwiderhandlungen gegen die Betriebsuntersagung als Ordnungswidrigkeiten geahndet würden.

Der Rechtsschutz vor dem Verfassungsgericht erweise sich auch als intensiver, weil seine Entscheidungen den Rang eines Landesgesetzes beanspruchten und verbindlich die Wiederholungsgefahr dauerhaft ausschalteten, indem es der Landesregierung verbiete, die hier angegriffenen Regelungen weiterhin am Parlament vorbei in Form von Rechtsverordnungen zu erlassen.

Zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus: Die seit Monaten währende Betriebsuntersagung auf unbestimmte Dauer schränke sie in ihrer Berufswahlfreiheit aus Art. 49 Abs. 1 LV ein. Auch der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit aus Art. 41 LV sei eröffnet, da der eingerichtete und ausgeübte Betrieb in seiner Substanz angegriffen und akut bedroht sei. Die Beschwerdeführerin stehe - insbesondere durch die nicht oder schleppend ausgezahlten „Überbrückungshilfen“ - gewerblich immer weiter am Rande ihrer Existenz, je länger die kompensationslose Betriebsschließung fortdauere. Die Eingriffe in beide Grundrechte seien wegen Verstoßes gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz und den Parlamentsvorbehalt verfassungswidrig. Das in Art. 2 Abs. 1, Abs. 4 LV verankerte Rechtsstaatsprinzip und der daraus folgende Wesentlichkeitsgrundsatz und der Parlamentsvorbehalt verlangten eine Regelung von Grundrechtseingriffen derartiger Intensität, Dauer und Qualität durch Parlamentsgesetz. Das in § 12 Abs. 1 7. SARS‑CoV‑2‑EindV normierte Berufsverbot in Verbindung mit den weiteren Regelungen der Verordnung und deren Auswirkungen auf andere Grundrechte wie Berufsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder Kunstfreiheit habe nicht (mehr) durch Rechtsverordnung geregelt werden dürfen; es handele sich um eine so wesentliche (Abwägungs-)Entscheidung, dass sie vom parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen sei. Da Enteignungen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig seien, welches zudem zeitgleich Art und Ausmaß der Entschädigung regeln müsse, bedürften staatliche Eingriffe mit Enteignungsqualität einer formalgesetzlichen Grundlage. Die Beschwerdeführerin sei in ihrer Eigentumsgarantie aus Art. 41 Abs. 1 LV verletzt, weil die betriebsschließenden Maßnahmen die Schwelle zur Enteignung genommen hätten, ohne dass gemäß Art. 41 Abs. 4 Satz 2 LV eine verbindliche Kompensation gesetzlich geregelt werde.

III.

Die Landesregierung Brandenburg hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig.

Die Beschwerdeführerin habe das Gebot der Rechtswegerschöpfung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg) nicht beachtet, ohne dass hinreichende Gründe für eine Vorabentscheidung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg vorlägen. Damit habe sie zugleich dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht Rechnung getragen.

Die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg lägen nicht vor. Das setze insbesondere voraus, dass eine fachgerichtliche Klärung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht erforderlich sei. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hänge die Verfassungsbeschwerde, auch wenn sie sich gegen ein unmittelbar geltendes Verbot in einer Rechtsverordnung richte, nicht allein von der Beantwortung spezifisch verfassungsrechtlicher Fragen ab. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Ausmaß der sie treffenden wirtschaftlichen Folgen durch die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Betriebsuntersagung bedürften der fachgerichtlichen Klärung, um zu vermeiden, dass das Verfassungsgericht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage entscheide. Zudem seien für die verfassungsrechtliche Würdigung des Umstands, dass der Verordnungsgeber die Betriebsuntersagung in dichter zeitlicher Abfolge verlängert habe, auch die tatsächlichen Rahmenbedingungen der Coronavirus-Pandemie und die diesbezüglichen fachwissenschaftlichen Bewertungen und Risikoeinschätzungen zu betrachten. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Eilentscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, mit denen Anträge nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen verschiedene Verbote in Corona-Verordnungen nach summarischer Prüfung zurückgewiesen wurden, erlaubten nicht den Schluss, dass ein Normenkontrollverfahren in der Hauptsache offensichtlich aussichtslos wäre.

Die Beschwerdeführerin habe keine Gründe dafür vorgetragen, dass ihr bei Erschöpfung des Rechtswegs ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde. Dieser müsse gerade dadurch drohen, dass der fachgerichtliche Rechtsschutz nicht geeignet wäre, vor einem besonders schwerwiegenden, irreparablen Eingriff in Grundrechte zu schützen. Mit dem Verweis auf die kurze Geltungsdauer der Corona-Verordnungen könne die Beschwerdeführerin nicht durchdringen, da ein Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO auch gegen eine bereits aufgehobene Norm zulässig sein könne, die auf kurzfristige Geltung angelegt gewesen und wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten sei.

Die Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes sei auch nicht aus den von der Beschwerdeführerin angeführten Gründen unzumutbar.

Der Beschwerdeführerin drohe durch die Verweisung auf fachgerichtlichen Rechtsschutz auch nicht deshalb ein unzumutbarer Nachteil, weil der Verstoß gegen das abstrakt-generelle Verbot in § 12 Abs. 1 7. SARS-CoV-2-EindV bußgeldbewehrt sei. Insoweit trage sie nichts dazu vor, die Betriebsuntersagung nicht zu befolgen. Ihr stehe auch hinreichender verwaltungsgerichtlicher einstweiliger Rechtsschutz zur Verfügung.

Nichts Anderes gebiete der in § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Er halte zur Erwirkung einer Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren an und sei Ausdruck der notwendigen verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtsbarkeit.

Darüber hinaus genüge die Verfassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg an die Begründung, da sich die Beschwerdeführerin nicht mit der aktuellen Rechtslage und der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in der gebotenen Weise auseinandersetzt habe.

IV.

Die Beschwerdeführerin hat ihrer Verfassungsbeschwerde eine eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführer beigefügt, die eine Schätzung bzw. Vergleichsbetrachtung des erwarteten Gesamtumsatzes ohne Betriebsuntersagung gegenüber dem Gesamtumsatz mit Betriebsuntersagung abzüglich geschätzter Einsparungen und staatlicher Kostenerstattungen von einem nicht näher bezeichneten Anfangsdatum bis zum 31. Dezember 2027 enthält.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 VerfGGBbg zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, den Rechtsweg erschöpft zu haben. Es obliegt dem Beschwerdeführer im Rahmen des aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg folgenden Begründungserfordernisses, dem Verfassungsgericht alle Gesichtspunkte zu unterbreiten, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde maßgeblich sind (st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 61/19 ‑‌, Rn. 20 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dazu zählt auch die Rechtswegerschöpfung (Beschlüsse vom 18. Januar 2019 ‌‑ VfGBbg 63/18 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; und vom 30. November 2018 ‌‑ VfGBbg 144/17 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Der Beschwerdeführerin steht im Hinblick auf die begehrte Überprüfung des angegriffenen § 12 7. SARS-CoV-2-EindV grundsätzlich der Rechtsweg zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg offen. Ihrem Vorbringen ist jedoch nicht eindeutig zu entnehmen, ob sie dort um Rechtsschutz nachgesucht hat.

2. Die Voraussetzungen einer Vorabentscheidung liegen nicht vor. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht im Ausnahmefall über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg kommt eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichts demnach nur unter besonderen Umständen in Betracht und muss bereits nach dem Wortlaut der Norm die Ausnahme bleiben. In dieser Hinsicht ist § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg noch strenger als die Regelung des § 90 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz, die eine solche Einschränkung nicht enthält (vgl. Beschlüsse vom 15. Februar 2019 ‌‑ VfGBbg 20/06 -; und vom 20. Juni 2014 ‌‑ VfGBbg 51/13 ‑, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Dies ist Ausdruck der Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtsbarkeit. Nach der in der Verfassung angelegten Kompetenzverteilung obliegt es zuvörderst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren, zu schützen und durchzusetzen. Durch die geforderte fachgerichtliche Vorbefassung soll sichergestellt werden, dass sich die verfassungsrechtliche Prüfung auf möglichst umfassend geklärte Tatsachen stützen kann und auch die Rechtslage durch die Fachgerichte vorgeklärt und aufbereitet worden ist (st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 61/19 ‑‌, Rn. 22, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg, die dem Verfassungsgericht ermöglichen, von dieser Kompetenzzuweisung abzuweichen, liegen nicht vor.

a. Eine Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtswegs ist nicht unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Bedeutung angezeigt.

Eine Sache ist grundsätzlich von allgemeiner Bedeutung, wenn die Entscheidung über die Beschwerde hinaus die Klärung grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen erwarten lässt (Urteil vom 23. Oktober 2020 ‌‑ VfGBbg 55/19 ‑‌, Rn. 146, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Ein Absehen vom Durchlaufen des Rechtswegs würde insbesondere voraussetzen, dass der Sachverhalt allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, deren Beantwortung weder von der näheren Sachverhaltsermittlung noch von der Auslegung und Anwendung von Vorschriften des einfachen Rechts durch die Fachgerichte, sondern allein von der Auslegung und Anwendung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2015 ‌‑ 1 BvR 1014/13 ‑‌, Rn. 11 m. w. N., www.bverfg.de).

Das Verfassungsgericht hat im Rahmen der Rechtssatzverfassungsbeschwerde sowohl die formelle wie auch materiell Verfassungsmäßigkeit der hier angegriffenen Vorschrift zu prüfen, somit zunächst auch über die von der Beschwerdeführerin aufgegriffenen Frage der ausreichenden Ermächtigungsgrundlage in § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie der Frage, ob ein förmliches Landesgesetz über Art. 80 Abs. 4 GG wegen einer Ermessensreduktion „auf null“ zwingend zu erlassen war.

Dennoch ist nicht erkennbar, dass es - wie die Beschwerdeführerin meint - ausschließlich um die Beantwortung von Rechtsfragen geht. Davon kann jedenfalls seit Inkrafttreten von § 28a IfSG nicht mehr ausgegangen werden. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Bestimmungen sind vor diesem Hintergrund auch die tatsächlichen Rahmenbedingungen der Coronavirus-Pandemie sowie fachwissenschaftliche - virologische, epidemiologische, medizinische und psychologische - Bewertungen und Risikoeinschätzungen von wesentlicher Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juli 2020 ‌‑ 1 BvR 1630/20 ‑‌, Rn. 11, vom 31. März 2020 ‌‑ 1 BvR 712/20 ‑‌, Rn. 17; und vom 3. Juni 2020 ‌‑ 1 BvR 990/20 ‑‌, Rn. 12, www.bverfg.de). Feststellungen zum Bestehen, Ausmaß und den Folgen von Grundrechtseingriffen können angezeigt sein. Auf solche beruft sich der Beschwerdeführer (Umsatzeinbußen, drohende Betriebsschließungen). Daher besteht jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht Bedarf an einer fachgerichtlichen Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen vor einer Anrufung des Verfassungsgerichts.

b. Dass der Beschwerdeführerin ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls sie zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird, ist nicht dargetan.

aa. Ein dementsprechender Nachteil unter dem Gesichtspunkt der gerügten Grundrechtsverletzung ist nicht hinreichend dargelegt. Dazu müsste eine Grundrechtsverletzung im Raum stehen, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre (st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 18. Juni 2021 ‌‑ VfGBbg 12/21 EA ‑‌, Rn. 15 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Soweit die Beschwerdeführerin sich auf die finanziellen Einbußen beruft, hat sie zwar eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt. Die behauptete Bestandsgefährdung des Betriebs wird mit den darin versicherten Angaben jedoch nicht glaubhaft gemacht. Die Zahlen lassen weder konkrete Gewinnauswirkungen erkennen, noch bieten sie Einblick in die Vermögenslage der Beschwerdeführerin. Eine Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführerin ist auf dieser Basis nicht möglich.

bb. Dafür, dass der beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erzielbare Rechtsschutz im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 4 Abs. 1 BbgVwGG) nicht effektiv ist, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Dies folgt auch nicht aus von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen des Gerichts in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Selbst wenn Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht nur summarisch, sondern nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage abgelehnt wurden, ist es möglich, dass das Gericht im Hauptsacheverfahren zu einem anderen Ergebnis gelangt, zumal zur Rechtmäßigkeit der verschiedenen Corona-Verbote noch keine gefestigte obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung besteht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juli 2020 ‌‑ 1 BvR 1630/20 ‑‌, Rn. 10; und vom 3. Juni 2020 ‌‑ 1 BvR 990/20 ‑‌, Rn. 9, www.bverfg.de).

Die Verweisung auf den Rechtsweg ist der Beschwerdeführerin auch nicht aufgrund der kurzen Geltungsdauer der Rechtsverordnungen unzumutbar. Es ist nicht ausgeschlossen, dass vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nach Außerkrafttreten der auf kurze Geltungsdauer ausgerichteten Normen eine nachträgliche Klärung auf ihre Vereinbarkeit mit Grundrechten erfolgen wird. Eine solche liegt nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auch im Verfahren der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nahe (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juli 2020 ‌‑ 1 BvR 1630/20 ‑‌, Rn. 9, und vom 3. Juni 2020 ‌‑ 1 BvR 990/20 ‑‌, Rn. 8, www.bverfg.de).

Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz erweise sich aufgrund § 50 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg als rechtsschutzintensiver, ist dies jedenfalls nicht geeignet, einen schweren und unabwendbaren Nachteil im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg zu begründen.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß