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VerfGBbg, Beschluss vom 15. Dezember 2023 - VfGBbg 19/23 EA -

 

Verfahrensart: sonstige Verfahren
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
Schlagworte: - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, unzulässig
- Grundsatz der Subsidiarität
- Dringlichkeit, fehlend
- Umgangsrecht
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. Dezember 2023 - VfGBbg 19/23 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 19/23 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 19/23 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

  1. B.,

Antragstellerin zu 1.,

  1. B.,

Antragsteller zu 2.,

Verfahrensbevollmächtigter               Rechtsanwalt
                                                                 L.,

 

beteiligt:

  1. Direktor
    des Amtsgerichts Bad Liebenwerda,
    Burgplatz 4,
    04924 Bad Liebenwerda,

  2. Landkreis Elbe-Elster,
    Amt für Jugend, Familie und Bildung (Jugendamt),
    vertreten durch den Landrat,
    Kirchhainer Straße 38a,
    03238 Finsterwalde,

  3. K. (Verfahrenbeistand),

  4. Einrichtung K. e.V.



wegen

Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 27. November 2023 ‌‑ 21 F 339/23 ‑‌; Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 11. Dezember 2023 ‌‑ 9 UF 224/23;

hier:

Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung

am 21. Dezember 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Heinrich-Reichow, Richter und Sokoll

beschlossen: 

                        Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

 

Gründe:

Der Antrag, eine einstweilige Anordnung mit dem Inhalt bzw. mit dem Ziel zu erlassen,

die Antragstellerin zu 1. hat das Recht, mit dem Antragsteller zu 2. am 24.12.2023 in der Zeit von 14:00 bis 20:00 Uhr Umgang zu pflegen,

hat keinen Erfolg; er ist unzulässig.

1. Der auch im Verfahren nach § 30 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) geltende Grundsatz der Subsidiarität (vgl. Beschluss vom 20. Mai 2022 ‌‑ VfGBbg 5/22 EA ‑‌, Rn. 7 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de) ist nicht gewahrt. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat, sofern ihm dies nicht ausnahmsweise unzumutbar ist. Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt darüber hinaus, dass ein Antragsteller - über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern; vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen, um eine Korrektur ohne Inanspruchnahme des Verfassungsgerichts zu erwirken (vgl. Beschluss vom 22. September 2023 ‌‑ VfGBbg 66/20 ‌, Rn. 50 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

a. Daran gemessen steht zum einen der Grundsatz der formellen Subsidiarität einer Entscheidung in der Sache entgegen.

Der auch im familiengerichtlichen Verfahren mandatierte Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin zu 1. hat mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2023 Beschwerde gegen den den Umgang regelnden Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 19. Dezember 2023 (21 F 335/23) zum Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt. Gleichzeitig hat er dort einen - dem im verfassungsgerichtlichen Verfahren gestellten Antrag inhaltsgleichen - Antrag auf Umgang für den 24. Dezember 2023 gestellt. Die Antragstellerin zu 1. hat zunächst die Entscheidung des Oberlandesgerichts über ihren dortigen Antrag abzuwarten. Das Oberlandesgericht ist das zur Entscheidung im Eilverfahren berufene Fachgericht. Aufgrund der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens zu dem den Umgang in der Hauptsache regelnden Beschluss des Amtsgerichts ist das Oberlandesgericht auch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf die hier begehrte Umgangsregelung zuständig (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 2, § 68 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) (vgl. Schlünder, in: BeckOK FamFG, Stand: November 2023, FamFG, § 50, Rn. 14; Feskorn in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, FamFG, § 50, Rn. 3 f. m. w. N; Soyka, in: MüKoFamFG, 3. Aufl. 2018, FamFG, § 50, Rn. 2).

b. Zum anderen hat die Antragstellerin zu 1. auch nicht dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität genügt. Den im verfassungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Stellungnahmen des Jugendamts und der Jugendhilfeeinrichtung vom 20. Dezember 2023 ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin zu 1. ihr fach- und verfassungsgerichtlich geltend gemachtes Umgangsbegehren für den 24. Dezember 2023 zuvor weder gegenüber dem Jugendamt noch gegenüber der Jugendhilfeeinrichtung thematisiert hat. Dass eine diesbezügliche Regelung durch eine vorherige Kontaktaufnahme mit den Trägern nicht hätte erreicht werden können, ist angesichts der eine Kompromissbereitschaft zum Ausdruck bringenden Stellungnahmen nicht erkennbar.

c. Das Verfassungsgericht sieht sich nicht zu einer Vorabentscheidung veranlasst. Diese ist nicht im Sinne des im Eilverfahren entsprechend geltenden § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg geboten (vgl. zum Maßstab: Beschluss vom 18. Juni 2021 ‌‑ VfGBbg 12/21 EA ‑‌, Rn. 22 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Vielmehr sind die Erschöpfung des aufgezeigten Rechtswegs in dem familiengerichtlichen Eilverfahren bzw. die vorherige Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt oder der betreuenden Einrichtung vonnöten und zumutbar, weil dort die Gelegenheit besteht, einer etwaigen verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen.

2. Dem Antrag bleibt aber auch unabhängig von den vorstehenden Ausführungen der Erfolg versagt, weil die Antragstellerin zu 1. nicht dargelegt hat oder sonst ersichtlich ist, dass die von ihr begehrte Umgangsregelung zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten sein könnte.

Ausweislich der Stellungnahmen des Jugendamts und der betreuenden Einrichtung sind Umgangskontakte der Antragstellerin zu 1. gemeinsam mit dem Vater für den 24. Dezember 2023 von 9:00 bis 13:00 Uhr in der Jugendhilfeeinrichtung sowie mit der Großmutter (mütterlicherseits) für den 25. Dezember 2023 vorgesehen. Die Belange und das Elternrecht der Antragstellerin zu 1. aus Art. 27 Abs. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) haben mithin offensichtlich in Form einer außergerichtlichen Umgangsregelung Berücksichtigung gefunden. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin zu 1. im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung selbst zu ihrem Rechtsschutzziel vortragen lässt, ihr sei egal, ob der Umgang begleitet oder unbegleitet stattfinde; es gehe ihr im Wege des hiesigen Verfahrens allein darum, dass sie ihr Kind am 24. Dezember 2023 überhaupt sehen könne, wo auch immer und mit wem auch immer, lässt sich schon dem eigenen Vorbringen ein solcher Nachteil, der ein dringendes Bedürfnis zum Einschreiten gebieten würde, nicht entnehmen. Ein solches wird, weil der Kontakt mit dem Antragsteller zu 2. am 24. Dezember 2023 in einem Umfang von vier Stunden tatsächlich stattfinden kann, auch sonst nicht ersichtlich.

3. Im Hinblick auf den Antragsteller zu 2. bestehen bereits Zweifel, ob er im verfassungsgerichtlichen Verfahren selbst verfahrensfähig ist oder von der Antragstellerin zu 1. - sei es aufgrund gesetzlicher Vertretungsbefugnis oder im Wege einer Prozessstandschaft - wirksam vertreten werden könnte (vgl. zu diesen Fragen: Beschlüsse vom 19. Februar 2021 ‌‑ VfGBbg 49/20 ‑‌, Rn. 29 f. m. w. N., vom 16. August 2019 ‌‑ VfGBbg 41/19 ‑‌, vom 24. Januar 2014 ‌‑ VfGBbg 13/13 ‑‌, und vom 21. Oktober 2011 ‌‑ VfGBbg 15/11 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Unabhängig davon besteht jedenfalls aus den vorgenannten Gründen (vgl. 2.) auch in Bezug auf seine möglicherweise betroffenen Grundrechte kein eiliges Regelungsbedürfnis.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Heinrich-Reichow

Richter

Sokoll