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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Oktober 2011 - VfGBbg 15/11 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 10; LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 26; LV, Art. 27; LV, Art. 52 Abs. 3 und 4
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 S. 1
- ZPO, § 47
- FamFG, § 89; FamFG, § 92
Schlagworte: - Subsidiarität
- effektiver Rechtsschutz
- faires Verfahren
- Umgangsrecht
- Vollstreckung
- Erledigung
- Wiederholungsgefahr
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Oktober 2011 - VfGBbg 15/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 15/11




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

       M.

 

 

 

Beschwerdeführer zu 1),

 

 

       K.

 

 

 

Beschwerdeführer zu 2),

 

Verfahrensbevollmächtigter der Beschwerdeführer

zu 1) und zu 2):                  

                         Rechtsanwalt F.                        

 

 

 

K.

 

 

 

                                 Äußerungsberechtigte,

 

 

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte B.

 

 

 

 

 

wegen der Verfügung des Amtsgerichts vom 5. September 2009 (Az.: 43 F 247/09, 43 F 305/09) und der Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 21. September 2009 (Az.: 43 F 305/09) sowie des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 7. und 8. September 2009 (Az.: 15 WF 273/09)

 

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

 

am 21. Oktober 2011

 

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird zum Teil verworfen, im Übrigen zurückgewiesen.

 

 

G r ü n d e :

 

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine verfahrensleitende Verfügung der Eildienstrichterin und Entscheidungen des Amtsgerichts Potsdam und des Brandenburgischen Oberlandesgericht in einer den Urlaubsumgang des Beschwerdeführers zu 1) mit seinem im April 2004 geborenen Sohn, dem Beschwerdeführer zu 2), betreffenden Verfahren.

 

I.

Der im Umgangsbeschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Dezember 2006 (Az.: 15 UF 187/06) geregelte Urlaubsumgang war durch Änderungsbeschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 4. Februar und 3. März 2009 (Az.: 15 UF 93/07) für das Jahr 2009 u. a. auf zwei zusammenhängende Wochen, die sich höchstens mit der ersten oder der letzten Woche der Sommerferien überschneiden dürften, erweitert worden. Nach Ziff. 5 Buchst. h) des so geänderten Beschlusses haben sich die Eltern, d. h. der Beschwerdeführer zu 1) und die Äußerungsberechtigte gegenseitig zwei Wochen vor Beginn einer Urlaubsreise über Ziel, Dauer, Anschrift (soweit bekannt) und telefonische Erreichbarkeit zu informieren.

 

Der Beschwerdeführer zu 1) begehrte mit Antrag vom 24. Juli 2009 vor dem Amtsgericht Potsdam eine generelle Abänderung der Umgangsregelung (Az.: 43 F 247/09). Außerdem plante er, in der Zeit vom 5. September 2009 bis zum 20. September 2009 einen Urlaub mit dem Beschwerdeführer zu 2) zu verbringen. Diese Absicht teilte er der Äußerungsberechtigten mit, die dem widersprach, weil der Beschwerdeführer zu 2) an einer Geburtstagsfeier seiner Großmutter mütterlicherseits teilnehmen solle. Der Beschwerdeführer zu 1) beantragte am 24. August 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung im Verfahren 43 F 247/09 unter Aufrechterhaltung seines dort am 17. August 2009 gestellten Befangenheitsgesuchs sinngemäß, die Berechtigung zur Ausübung des Umgangs in dem genannten Zeitraum festzustellen, die Äußerungsberechtigte zu verpflichten, den Beschwerdeführer zu 2) mit den notwendigen Sachen pünktlich herauszugeben und jegliche Umgangsvereitelung zu unterlassen sowie ein Zwangsgeld anzudrohen.

 

Der zuständige Richter am Amtsgericht erklärte in seiner dienstlichen Äußerung zum Befangenheitsgesuch am 31. August 2009, dass kein  Fall einer unaufschiebbaren Handlung nach § 47 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) vorliege. Eine Entscheidung des Amtsgerichts erging nicht. Nachdem die Äußerungsberechtigte den Beschwerdeführer zu 2) am 5. September 2009, einem Sonnabend, entsprechend ihrer Ankündigung nicht an den Beschwerdeführer zu 1) übergeben hatte, sondern sich an einem unbekannten Ort aufhielt, stellte der Beschwerdeführer zu 1) einen Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung der Äußerungsberechtigten über den Verbleib des Beschwerdeführers zu 2) nach § 94 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Äußerungsberechtigte nach § 89 FamFG sowie auf Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschwerdeführers zu 2) und die Umsetzung des aus seiner Sicht bestehenden Umgangsrechts vom 5. bis zum 20. September 2009 mit geeigneten Ordnungsmitteln nach § 89 FamFG. Nach Beiziehung der Verfahrensakte 43 F 247/09 erließ die Eildienstrichterin die angegriffene Verfügung, wonach nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Akte dem ordentlichen Dezernenten am 7. September 2009 vorgelegt werden solle. Der Umgangsbeschluss lege die Urlaubszeit des Beschwerdeführers zu 1) nicht eindeutig auf den beantragten Zeitraum fest. Die Äußerungsberechtigte habe glaubhaft gemacht, ihr fehlendes Einverständnis dem Beschwerdeführer zu 1) schon am 14. August 2009 mitgeteilt zu haben.

 

Der Beschwerdeführer zu 1) erhob gegen diese Verfügung am 7. September 2009 Beschwerde beim Brandenburgischen Oberlandesgericht und beantragte, eine einstweilige Anordnung entsprechend seinen am 24. August 2009 gestellten Anträgen zu erlassen. Mit Beschluss vom 7. September 2009 wies das Brandenburgische Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde zurück. Eine abschließende Klärung der Tatsachen sei der Eildienstrichterin am Samstagvormittag nicht möglich gewesen. Angesichts der Komplexität der Verhältnisse zwischen den Eltern sei es gerechtfertigt gewesen, auf eine  Entscheidung nach mündlicher Verhandlung zu verweisen. Weiter führte das Gericht aus, dass nicht erkennbar sei, weshalb auf den bereits am 24. August 2009 gestellten Antrag noch keine mündliche Verhandlung erfolgt sei. Der Senat halte zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes die umgehende Bestimmung eines kurzfristigen Termins, notfalls durch den abgelehnten Richter nach § 47 Abs. 1 ZPO, für dringend geboten. Die gegen den Beschluss gerichtete Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zu 1) wies das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 8. September 2009 zurück. Es führte ergänzend aus, dass eine „Durchentscheidung“ der Anträge vom 5. September 2009 bzw. 24. August 2009 durch das Oberlandesgericht mangels sachlicher Zuständigkeit nicht in Betracht komme.

 

II.

Der Beschwerdeführer zu 1) hat am 10. September 2009 gegen die Verfügung der Eildienstrichterin und die Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im eigenen Namen und im Namen des Beschwerdeführers zu 2) Verfassungsbeschwerde erhoben (Az.: VfGBbg 39/09). Er rügt eine Verletzung der Eltern- und Kindrechte sowie des Rechts auf effektiven Rechtsschutz, rechtliches Gehör, ein faires Verfahren und Gleichbehandlung. Gleichzeitig hatte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt (Az.: VfGBbg 9/09 EA). Aufgrund außergerichtlicher Einigung mit der Äußerungsberechtigten unter Vermittlung des Verfassungsgerichts, wonach der Urlaubsumgang vom 11. bis zum 16. September 2009 stattfinden sollte, hat der Beschwerdeführer den Eilantrag zurückgenommen. Das Verfahren ist mit Beschluss vom 17. September 2009 eingestellt worden.

 

Die Hauptsache verfolgen die Beschwerdeführer weiter. Auch nach zeitlicher Erledigung des begehrten Urlaubsumgangs bestehe das Rechtsschutzinteresse an der Entscheidung des Verfassungsgerichts u. a. deshalb fort, weil die Feststellungen zur Umgangsvereitelungen durch die Äußerungsberechtigte Auswirkungen auf andere laufende Verfahren zum Umgangs- und Sorgerecht hätten. Daneben könne nur so ein Schadensersatzanspruch wegen der verpassten Flüge und der Hotelbuchung durchgesetzt werden. Nachdem das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. September 2009 (Az.: 43 F 305/09) den Antrag des Beschwerdeführer zu 1) auf Festsetzung von Zwangsgeld und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung abgelehnt hat, hat der Beschwerdeführer zu 1) diese Entscheidung mit Schriftsatz vom 30. September 2009 in das hier anhängige Verfahren mit einbezogen und die Feststellung begehrt, dass diese den bestehenden Umgangsanspruch verletze.

 

Nachdem zunächst zur Durchführung eines Mediationsverfahrens auf Antrag der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden war, haben sie das Verfahren mit Schriftsatz vom 21. April 2011 wieder aufgenommen. Es wird nunmehr unter dem Aktenzeichen VfGBbg 15/11 fortgeführt.

 

III.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht, das Amtsgericht Potsdam sowie die Äußerungsberechtigte hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Amtsgerichts Potsdam und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts – Az: 43 F 247/09 bzw. 15 UF 70/10 und 15 WF 273/09 – sind beigezogen worden. 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.

 

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 21. September 2009 richtet. Insoweit fehlt es an der nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde erforderlichen Erschöpfung des Rechtswegs. Das Beschwerdeverfahren (15 UF 25/10) war am 1. September 2011 noch anhängig. Es kommt daher nicht darauf an, wann der Schriftsatz des Beschwerdeführers zu 1) vom 30. September 2009 beim Verfassungsgericht erstmals eingegangen ist. Für eine Vor­abentscheidung des Verfassungsgerichts besteht keine Veranlassung. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht im Ausnahmefall über eine vor Erschöpfung des Rechtsweges eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. Ein solcher schwerer Nachteil ist nicht erkennbar. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer auch noch nicht mit der Sachentscheidung, ob die Äußerungsberechtigte das Umgangsrecht des Beschwerdeführer zu 1) verletzt hat und ein Ordnungsgeld anzuordnen war, auseinandergesetzt. Es hat sich bisher nur zur Frage verhalten, ob die Eildienstrichterin verpflichtet war, am 5. September 2009 darüber zu entscheiden.

 

2. a. Die angegriffene Verfügung des Amtsgerichts Potsdam vom 5. September 2009 erweist sich auch unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des Rechtswegs (§ 45 Abs. 2 VerfGGBbg) und der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde als zulässiger Beschwerdegegenstand. Bei ihr handelt es sich um eine im mit ordentlichen Rechtsmitteln unanfechtbare Zwischenverfügung; jedenfalls ist mit der Beschwerdeentscheidung und der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts über die Anhörungsrüge der Rechtsweg erschöpft. Ebenso steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Danach sind Zwischenentscheidungen, die das Verfahren nicht beenden, mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, wenn die Rechtsverletzung in zumutbarer Weise mit der Anfechtung der Endentscheidung geltend gemacht werden könnte (Beschluss vom 18. März 2011 - VfGBbg 3/11 -, www.ver­fas­sungs­gericht.brandenburg.de). An der Zumutbarkeit fehlt es hier. Die Entscheidung der Eildienstrichterin, nicht tätig zu werden, kann mit einer später ergehenden Entscheidung über die beantragten Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr angefochten werden. Die Folge, dass eine Entscheidung in der Sache möglicherweise zu spät käme, wäre nicht mehr korrigierbar.

 

b. Die Beschwerdeführer haben an der Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Eildienstverfügung auch nach Ablauf der geplanten Ferien ein Rechtsschutzbedürfnis. Erledigt sich im Verlauf des verfassungsgerichtlichen Verfahrens das eigentliche Rechtsschutzanliegen des Beschwerdeführers in der Hauptsache, besteht das Rechtsschutzbedürfnis dann fort, wenn anderenfalls die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe, der gerügte Grundrechtseingriff besonders schwer wiegt, wenn eine relevante Gefahr der Wiederholung des Eingriffs besteht oder wenn die gegenstandslos gewordene Maßnahme den Beschwerdeführer weiter beeinträchtigt (Beschluss vom 8. Dezember 2008 - VfGBbg 23/08 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

Das Rechtsschutzbedürfnis folgt allerdings nicht daraus, dass die Beschwerdeführer ein Interesse an der Feststellung der nach ihrer Auffassung rechtswidrigen Vereitelung des Ferienumgangs durch die Äußerungsberechtigte hätten. Hinsichtlich der damit begehrten Entscheidung in der Sache (Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 21. September 2009 - 43 F 305/09 -) ist der Rechtsweg noch nicht erschöpft. Es besteht jedoch eine Wiederholungsgefahr. Diese ist immer dann gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr bestünde, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird (vgl. Beschluss vom 8. Dezember 2008, - VfGBbg 23/08 -, a. a. O.). Dem Verfassungsgericht ist aus verschiedenen Verfahren bekannt, dass der Beschwerdeführer zu 1) in umgangsrechtlichen Verfahren Anträge auf einstweilige Anordnungen und Befangenheitsanträge stellt. Die Gefahr der Wiederholung der vorliegenden prozessualen Situation, dass im Hinblick auf die in § 47 Abs. 1 ZPO angeordnete Wartepflicht eine aus Sicht des Beschwerdeführers zu 1) rechtzeitige Entscheidung nicht ergeht und er vor dem Eildienstrichter die Durchsetzung seiner Rechtsposition begehrt, ist damit gegeben.

 

c. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch hinsichtlich der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 LV) und faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 LV) unzulässig. Insoweit fehlt es der Verfassungsbeschwerde an einer den Anforderungen der § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügenden Begründung. Danach sind in der Begründung das (Landes-)Grundrecht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen. Im Einzelnen ist darzulegen, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme nicht genügt und inwieweit dadurch das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll. Die Beschwerdeführer haben mit ihrer Verfassungsbeschwerde nicht  dargelegt, aus welchen Gründen die amtsgerichtliche Verfügung oder die Beschlüsse des Oberlandsgerichts den Anspruch auf rechtliches Gehör oder faires Verfahren verletzen könnten.

 

4. Etwaige Bedenken gegen die Zulässigkeit der vom Beschwerdeführer zu 2) erhobenen Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt mangelnder Prozessfähigkeit des minderjährigen Kindes können, da die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet ist, dahinstehen (vgl. BVerfGE 72, 122, 132). Aus den gleichen Gründen kam die Bestellung eines Ergänzungspflegers für den Beschwerdeführer zu 2) nicht in Betracht, weil ein Interessenkonflikt zwischen der allein sorgeberechtigten Äußerungsberechtigten, der grundsätzlich die Vertretung des Beschwerdeführers zu 2) und damit auch die Vertretung im verfassungsgerichtlichen Verfahren zukommt, und dem Beschwerdeführer zu 2) im Hinblick auf die Erfolglosigkeit der eingelegten Beschwerde nicht zu erwarten stand (Beschluss vom 25. Februar 2011
- VfGBbg 46/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen weder die Eltern- und Kinderrechte aus Art. 26 und 27 LV noch das Recht auf effektiven Rechtsschutz oder den Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 12 LV).

 

1. Grund­sätzlich unterliegt die Nachprüfung einer Gerichtsentscheidung durch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg engen Grenzen. Dieses übt keine umfassende Kontrolle der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts aus. Das Verfassungsgericht überprüft nur, ob der Entscheidung eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot zugrunde liegt (vgl. Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -, www.­ver­fas­sungs­­gericht.­bran­den­burg.de).

 

2. Das Rechtsstaatsgebot der Verfassung des Landes Brandenburg gewährleistet in Verbindung mit Art. 10 LV effektiven Rechtsschutz im Sinne eines Anspruchs der Bürger auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle in allen gesetzlich vorgesehenen Verfahrensarten. Welche Anforderungen an die Rechtsauslegung und –anwendung sich daraus im Einzelnen für die Gerichte ergeben, ist mit Blick auf das jeweils vom Gesetzgeber verfolgte Verfahrensziel zu bestimmen (Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 35/10 –, www.ver­fassungs­gericht.brandenburg.de). Das Gericht darf die von der Rechtsordnung eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen. Da das familiengerichtliche Vollstreckungsverfahren neben der Sanktionierung von Fehlverhalten vornehmlich der Durchsetzung einer bestehenden Regelung dient, kommt der Rechtzeitigkeit der Entscheidung zur Durchsetzung der Elternrechte erhebliche Bedeutung zu. Andererseits bedeutet effektiver Rechtsschutz auch, dass die Entscheidung auf einer zureichenden Sachverhaltsfeststellung beruhen muss (BVerfGE 101, 275, 294 f.). Im umgangs- und sorgerechtlichen Verfahren sind bei der Sachverhaltsermittlung die aus Art. 26 und 27 LV folgenden verfahrensrechtlichen Gewährleistungen zu beachten, die neben der Beschleunigung des Verfahrens grundsätzlich die Anhörung der Beteiligten zur Ermittlung des Kindeswohls gebieten. Die Gerichte haben bei allen Umgangsentscheidungen und deren Vollstreckung sowohl die Grundrechtspositionen der Eltern aus Art. 26 und 27 LV als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen (vgl. Münchener Kommentar, ZPO, Bd. IV, FamFG, 3. Auflage 2010, § 92 Rdnr. 2). Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Übereinstimmung der Grundrechte von Elternteil und Kind bemühen (vgl. zum Bundesrecht: Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 9. Februar 2007 - 1 BvR 125/07 -, zitiert nach juris).

 

3. Die Verfügung der Richterin am Amtsgericht vom 5. September 2009, die im Rahmen des Eildienstes getroffen wurde, und der bestätigende Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 7. September 2009 sind nicht willkürlich und nicht unter Verkennung des wesentlichen Inhalts der genannten und unter einander in Ausgleich zu bringenden Grundrechte der Beschwerdeführer ergangen.

 

a. Die Richterin hat dem Umgangsbeschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Dezember 2006 in der  Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 4. Februar 2009 und 3. März 2009 keine Festlegung des Umgangsrechts des Beschwerdeführers zu 1) in der Zeit vom 5. bis zum 20. September 2009 entnehmen können und auf Grund des in der Akte 43 F 247/09 enthaltenen Vortrags der Äußerungsberechtigten zum Antrag des Beschwerdeführers zu 1) vom 24. August 2009 die Durchführung der mündlichen Verhandlung für erforderlich gehalten. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

 

Mit den ausdrücklich beantragten Maßnahmen nach §§ 89 und 94 FamFG begehrte der Beschwerdeführer zu 1) die Vollstreckung einer bestehenden Umgangsregelung. Deren Voraussetzung ist, dass der Vollstreckungstitel – hier der Umgangsbeschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Dezember 2009 in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 4. Februar und 3. März 2009 – einen hinreichend bestimmten vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist (Keidel, FamFG, Kommentar, 17. Auflage 2011, § 89 Rdnr. 4). Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die Eildienstrichterin im Hinblick auf den begehrten Urlaubsumgang in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Der Umgangsbeschluss legt keine konkreten Umgangstermine für den Urlaub des Beschwerdeführers zu 1) fest. Ihm wird zwar für zwei zusammenhängende Wochen ein Umgangsrecht gewährt. Zu welchem Zeitpunkt dieser Urlaubsumgang konkret stattzufinden hat, regelt der Beschluss aber nicht. Ob sich aus dem Umgangsbeschluss neben den sich aus Ziff. 5 Buchst. h) ergebenden Informationspflichten der Eltern über Ziel, Dauer und Anschrift der Urlaubsreise hinaus eine weitergehende Pflicht zur Abstimmung und Berücksichtigung der Interessen des anderen Elternteils ergibt, und schon deshalb auf eine mündliche Verhandlung verwiesen werden durfte, kann dabei offen bleiben. Es ist bei dieser Regelung jedenfalls nicht sachfremd, eine weitere Ermittlung des Sachverhalts – ggfs. zur Auslegung des Beschlusses - für erforderlich zu erachten. Daneben sieht § 92 Abs. 1 FamFG vor der Festsetzung von Ordnungsmitteln zwingend die Anhörung des Verpflichteten vor. Dabei muss es in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Familienverfahren dem erkennenden Gericht überlassen bleiben, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um zu den für seine Entscheidung notwendigen Erkenntnissen zu gelangen (Beschlüsse vom 25. Februar 2011 – VfGBbg 15/10 [8/10 EA] – und vom 15. Juli 2011 – VfGBbg 22/11 [1/11 EA] -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Da die Äußerungs­berech­tigte nach Angaben des Beschwerdeführers zu 1) sich am 5. September 2009 an einem unbekannten Ort aufhielt, war eine Anhörung zudem tatsächlich nicht möglich. Unter diesen Umständen verletzt die Verfügung, erst nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden, den Spielraum zur Verfahrensgestaltung nicht.

 

b. Auch die Ausführungen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zum entgegenstehenden Kindeswillen lassen nicht auf eine grundsätzliche Verkennung des Bedeutungsgehalts der Grundrechte der Beschwerdeführer schließen. Durch die Umgangsregelung wird zwar bereits ein Interessenausgleich zwischen den Beteiligten geschaffen, der im Rahmen der Vollstreckung keiner erneuten Überprüfung zu unterziehen ist (Keidel, FamFG, a. a. O., § 89 Rdnr. 6). Aus § 89 Abs. 4 und § 90 Abs. 2 Satz 1 FamFG sowie aus den Grundrechten des Kindes folgt jedoch, dass es zum Umgang nicht gezwungen werden kann. Es könnte zwar Einiges dafür sprechen, dass – soweit man dem Beschluss einen vollstreckungsfähigen Inhalt entnehmen sollte - der Wille des damals 5½ Jährigen nicht zu beachten war und die Äußerungsberechtigte zu Gunsten der Ausübung des Urlaubsumgangs auf ihn hätte einwirken müssen (vgl. hierzu Keidel, FamFG, a. a. O.,
§ 89 Rdnr. 10). Diese Erwägungen beziehen sich jedoch ausschließlich auf die Entscheidung über die Vollstreckungsmaßnahme in der Sache, die auf Grund der Umstände des Einzelfalls zu treffen ist und von der Eildienstrichterin
ebenso wie vom Brandenburgischen Oberlandesgericht noch nicht getroffen wurde. Die von der Eildienstrichterin für erforderlich gehaltene mündliche Verhandlung sollte nämlich erst der Ermittlung weiterer der Sachentscheidung zu Grunde zu legender Tatsachen dienen. Dass das Oberlandesgericht dieses Vorgehen zur weiteren Sachaufklärung u. a. unter dem Gesichtspunkt des § 1684 Abs. 3 BGB und nicht nur mit vollstreckungsrechtlichen Erwägungen gebilligt hat, verkennt möglicherweise die Rechtslage zur Vollstreckung, aber nicht die Grundrechtspositionen der Beschwerdeführer. Denn diese sind auch bei der Vollstreckungsentscheidung in Ausgleich zu bringen und demnach zu ermitteln.

 

c. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts schafft daneben auch keine eigene Grundrechtsverletzung. Es hat insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz nicht dadurch verletzt, dass es nicht an Stelle des Amtsgerichts eine abschließende Entscheidung getroffen hat. Die im Beschluss über die Anhörungsrüge dargelegte Auffassung, dafür sachlich nicht zuständig zu sein, stellt keine Grundrechtsverletzung dar.

 

Zur vom Beschwerdeführer zu 1) beim Brandenburgische Oberlandesgericht am 7. September 2009 ausdrücklich beantragten Entscheidung über die im Schriftsatz vom 24. August 2009 an das Amtsgericht gerichteten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war es nicht berufen. Nach der bis zum 31. August 2009 und auch der danach geltenden Rechtslage (§ 621g i. V. m. § 620a Abs. 4 ZPO und § 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG) war hierfür das Gericht des ersten Rechtszugs, mithin das Amtsgericht Potsdam, bei dem das Hauptsacheverfahren 43 F 247/09 zu diesem Zeitpunkt anhängig war, zuständig.

 

Auch soweit die Beschwerde als eine außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde anzusehen sollte, berechtigte diese im Falle ihrer Begründetheit das angerufene Gericht nur dazu, das Ausgangsgericht anzuweisen, dem Verfahren Fortgang zu geben (BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2005 - 1 BvR 2790/04 -, NJW 2005, 2685), nicht aber, selbst an Stelle des Ausgangsgerichts zu entscheiden. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfGK 5, 155, 159).

 

4. Ob das Unterlassen einer Entscheidung durch den zuständigen Dezernenten vor dem 5. September 2009 über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 24. August 2009 trotz des Befangenheitsgesuchs grundrechtsverletzend war, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Beschwerdeführer greifen nur die Eildienstverfügung an. Im Übrigen hat das Brandenburgische Oberlandesgericht in der angegriffenen Beschwerdeentscheidung das Amtsgericht aufgefordert, dem Verfahren – notfalls nach
§ 47 Abs. 1 ZPO – unverzüglich Fortgang zu geben, und damit einer etwaigen Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz abgeholfen.

 

 

C.

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Postier Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Lammer
   
Dr. Fuchsloch Nitsche
   
Möller Partikel
   
Schmidt