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VerfGBbg, Beschluss vom 16. August 2019 - VfGBbg 41/19 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2
- StVollzG, § 110; StVollzG, § 119
- BGB, § 1684 Abs. 1; BGB, § 1629 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs.
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- unzureichende Begründung
- Grundgesetz
- EMRK
- Strafgefangener
- Überstellung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. August 2019 - VfGBbg 41/19 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 41/19




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

K.,

Beschwerdeführer,

wegen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Mai 2019 (13 UF 73/19)

           

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 16. August 2019

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

                                   

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen familienrechtlichen Beschluss des Oberlandesgerichts, der die Verlegung des Beschwerdeführers in die JVA Cottbus betrifft.

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Meppen eine mehrjährige Haftstrafe. Seine Ehefrau, die die Scheidung betreibt, und zwei 2012 und 2014 geborene Kinder, für die ein gemeinsames Sorgerecht besteht, leben im Land Brandenburg. Der Beschwerdeführer beantragte beim Brandenburgischen Oberlandesgericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens, ihn in die JVA Cottbus zu überstellen, damit er für sein Scheidungsverfahren Akten einsehen und sich vertraulich mit seinem Rechtsanwalt beraten könne. Das Oberlandesgericht verwarf diesen Antrag mit dem verfahrensgegenständlichen Beschluss vom 17. Mai 2019 (13 UF 73/19). Zur Begründung führte es aus, dass weder das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) noch die Zivilprozessordnung (ZPO) dem Gericht strafvollzugsrechtliche Kompetenzen gebe. Der Beschwerdeführer könne sein Verlegungsbegehren strafvollstreckungsrechtlich verfolgen. Die Möglichkeit einer vertraulichen anwaltlichen Kommunikation sei durch die Regelungen der § 113 Abs. 1 FamFG, § 121 Abs. 4 ZPO eröffnet. Ein Verfahren zum Sorge- oder Umgangsrecht sei beim Senat nicht anhängig.

II.

Am 17. Juni 2019 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Das Brandenburgische Oberlandesgericht verkenne, dass er keine dauerhafte Vollzugsverlegung beantragt habe, sondern nur eine vorübergehende Überstellung für acht Wochen. Er wolle in dieser Zeit auch wöchentlichen mindestens achtstündigen begleiteten Ausgang zum Umgang mit seinen Kindern, gegebenenfalls auch unbegleiteten Wochenendausgang zu seiner Familie erhalten. Das Brandenburgische Oberlandesgericht sei als Familiengericht berechtigt, die Überstellung für Besuche der Familie zu verfügen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei wegen in der JVA erlittener Repressalien sowie zum Schutze der Kinder- und Elternrechte geboten und erforderlich.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Mai 2019 (13 UF 73/19) aufzuheben und das Brandenburgische Oberlandesgericht zu verpflichten zu beschließen, für acht Wochen eine Besuchsüberstellung oder eine Verlegung in die JVA Cottbus anzufordern.

Der Beschwerdeführer rügt für sich, seine Ehefrau und seine Kinder die Verletzung aller in Betracht kommenden Grundrechte, Menschenrechte und Gesetze, insbesondere die Verletzung der Grundrechte aus Art. 103 Abs. 1, 2 und 3 Grundgesetz (GG), aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und § 1684 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), aus Art. 3 Abs. 1 und 2 GG und Art. 4 GG sowie die Verletzung der Menschenrechte aus Art. 3, 5, 6 und 14 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer sich selbst durch den angegriffenen Beschluss in Grundrechten verletzt sieht.

1. Der Beschwerdeführer hat entgegen § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Verletzung von Grundrechten der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) durch den Beschluss des Oberlandesgerichts nicht hinreichend dargelegt.

a. Da mit der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 LV und § 45 Abs. 1 VerfGGBbg die Verletzung ausschließlich der in der Landesverfassung gewährten subjektiven Grundrechte gerügt werden kann (vgl. Iwers, in: Lieber/‌Iwers/‌Ernst, LV, Art. 6 Anm. 2.1), ist diesem Erfordernis mit der Angabe verschiedener als verletzt erachteter Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 103 Abs. 1, 2 und 3, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1, und Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 4 GG) grundsätzlich nicht genügt, denn diese sind vor dem Landesverfassungsgericht nicht rügefähig (vgl. Beschluss vom 21. November 1996 - VfGBbg 26/96 -, LVerfGE 5, 94, 103 f., m. w. N.). Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Menschenrechten der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 3 EMRK, Art. 5 EMRK, Art. 6 EMRK, Art. 14 EMRK) rügt, ist das Landesverfassungsgericht ebenfalls nicht zuständig, da es sich nicht um in der Landesverfassung gewährte Grundrechte handelt (vgl. Beschluss vom 21. Oktober 2011 - VfGBbg 35/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

b. Aber auch wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers annimmt, dass er vor dem Verfassungsgericht des Lan­des Bran­denburg eine Überprüfung der Entscheidung des Oberlandesgerichts am Maßstab der in der Landesverfassung inhaltsgleich zu den benannten Grundrechten des Grundgesetzes gewährleisteten Grundrechte begehrt (vgl. hierzu Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 61/12 -, https://verfas­sungs­gericht.brandenburg.de), fehlt es an einer ausreichenden Darlegung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, die schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein.

Daran fehlt es hier, denn unter Zugrundelegung des Vortrags des Beschwerdeführers erscheint es vielmehr ausgeschlossen, dass der angegriffene Beschluss die Maßstäbe der mit den genannten Grundrechten aus dem Grundgesetz korrespondierenden materiellen Grundrechte aus der Landesverfassung verkannt hat. Mit Recht verneint der vom Beschwerdeführer angerufene Familiensenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts schon seine Befugnis, zum Schutz der Familie eine Überstellung in eine in Brandenburg gelegene JVA zu veranlassen. Weder ist das Brandenburgische Oberlandesgericht Strafvollstreckungskammer, noch wäre es für den Bezirk der JVA Meppen örtlich zuständig (§§ 110,119 Strafvollzugsgesetz). Eine Umgangs- oder Sorgerechtsentscheidung wurde mit der angegriffenen Entscheidung ebenfalls nicht getroffen. Inwieweit die schon die Zuständigkeit verneinende Entscheidung rechtswidrig sein und ihn in seinen Grundrechten verletzen soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er verhält sich in seiner Begründung allein zu seinen bei einer Entscheidung über die Verlegung oder Überstellung in der Sache zu berücksichtigenden Rechten. Hinsichtlich der weiteren Rüge der Verletzung von Verfahrensgrundrechten fehlt ebenfalls eine ausreichende Begründung. Der Beschwerdeführer begründet weder die Verletzung rechtlichen Gehörs noch der strafverfahrensrechtlichen Gewährleistungen.

2. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des § 1684 Abs. 1 BGB und aller in Betracht kommenden Gesetze rügt, handelt es sich nicht um Grundrechte aus der Landesverfassung. Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht grundsätzlich entzogen.

II.

Soweit der Beschwerdeführer zudem bezweckt, die Verfassungsbeschwerde auch zur Wahrung der Rechte seiner Ehefrau zu erheben, ist er hierzu nicht befugt, weil eine Vollmacht zur Vertretung der Ehefrau nicht vorliegt. Auch eine für seine minderjährigen Kinder erhobene Verfassungsbeschwerde ist nicht wirksam erhoben. Der Beschwerdeführer ist vorliegend jedenfalls nicht allein, ohne Mitwirkung seiner Ehefrau, zur Vertretung seiner minderjährigen Kinder berechtigt. Das alleinige Sorgerecht steht dem Beschwerdeführer nicht zu; bei gemeinsamem Sorgerecht können die Kinder nur gemeinschaftlich durch beide Elternteile vertreten werden, § 1629 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. BGB (vgl. Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 13/13 -, https://verfassungsgericht.‌branden­burg.de, m. w. N.).

C.

Mit der Verwerfung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Finck
   
Heinrich-Reichow Kirbach
   
Dr. Lammer Sokoll
   
Dr. Strauß