VerfGBbg, Beschluss vom 19. April 2024 - VfGBbg 39/23 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - GG, Art. 140 - LV, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 45 Abs. 1 - StPO, § 43 Abs. 2 |
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Schlagworte: | - Verfassungsbeschwerde unzulässig - Begründungsanforderungen nicht erfüllt - Fristablauf an Fronleichnam |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. April 2024 - VfGBbg 39/23 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 39/23
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
VfGBbg 39/23
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
D.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
D.,
Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 18. Juli 2023 ‑ 28 OWi 83/23
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 19. April 2024
durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Koch, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Der Verfassungsbeschwerde liegt ein Bußgeldverfahren zugrunde.
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 23. Mai 2023 (Az. 774/23/0090518/9) wurde gegen den Beschwerdeführer wegen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeld in Höhe von 150,00 Euro festgesetzt. Der Bußgeldbescheid wurde dem Beschwerdeführer nach eigenen Angaben am Donnerstag, dem 25. Mai 2023 zugestellt.
Gegen den Bußgeldbescheid legte der Beschwerdeführer am Freitag, den 9. Juni 2023 Einspruch ein, der von der Bußgeldstelle als verfristet verworfen wurde.
Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung berief er sich darauf, dass der 8. Juni 2023 am Wohnort des Beschwerdeführers in Nordrhein-Westfalen ein Feiertag (Fronleichnam) gewesen sei, so dass die Beschwerdefrist erst einen Tag später geendet hätte.
Der Wiedereinsetzungsantrag wurde von der Bußgeldstelle verworfen, woraufhin der Beschwerdeführer gerichtliche Entscheidung nach § 62 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) beantragte.
Mit Beschluss vom 18. Juli 2023, zugestellt am 31. Juli 2023, wies das Amtsgericht Brandenburg an der Havel den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Der Einspruch sei zu Recht als unzulässig verworfen worden, da die Einspruchsfrist abgelaufen gewesen sei. Es komme nicht auf den Feiertag am Wohnort des Beschwerdeführers an. Das ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 43 Strafprozessordnung (StPO), wonach es sich um einen allgemeinen Feiertag handeln müsse. Allgemeine Feiertage seien staatlich anerkannte Feiertage. Bundesrechtlich sei dies der 3. Oktober. Landesrechtliche Feiertage kämen nur bei den Gerichten des jeweiligen Landes zur Geltung. Fronleichnam sei in Brandenburg kein Feiertag. Es fehle somit an den für eine Wiedereinsetzung erforderlichen Angaben zum unverschuldeten Nichteinhalten einer Frist und der entsprechenden Glaubhaftmachung.
II.
Mit seiner am 29. September 2023 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner „verfassungsrechtlich gesicherten Rechte“.
Die Einspruchsfrist sei vom Amtsgericht nicht nach den Regelungen an seinem Wohnort bestimmt und damit verfassungswidrig verkürzt worden. Zwischen dem Heiligen Stuhl (Vatikanstaat) und dem Deutschen Reich sei ein völkerrechtlicher Vertrag, das sog. Reichskonkordat, geschlossen worden, das nach der Wiedervereinigung auch in den ostdeutschen Bundesländern Geltung beanspruche. Es sei „Rechtslage, mindestens aber ungeschriebenes Gesetz in Nordrhein-Westfalen“, dass der Feiertag am Tag des Fristendes unter Berücksichtigung dieser staatlichen Vereinbarung ein gesetzlicher Feiertag sei. Nach Art. 123 Abs. 2 Grundgesetz (GG) seien völkerrechtliche Verträge von der Bundesrepublik Deutschland zu respektieren. Zudem folge aus Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV), der über Art. 140 GG ausdrücklich fortgelte, dass der Staat kirchliche Feiertage zu schützen habe. Hieraus könne der Beschwerdeführer als Bundesbürger auf dem Bundesgebiet ein subjektives Recht ableiten, das vorliegend verletzt sei.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen, weil sie den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung nicht genügt.
Notwendig ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es zudem in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 19. Februar 2021 ‑ VfGBbg 28/20 ‑, Rn. 9, vom 21. Januar 2022 ‑ VfGBbg 57/21 ‑, Rn. 35, und vom 17. November 2023 ‑ VfGBbg 70/21 ‑, Rn. 39, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).
Dem wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Der Beschwerdeführer macht einen Verstoß gegen das Grundgesetz sowie das Reichskonkordat geltend. Auf deren Verletzung kann eine Verfassungsbeschwerde vor dem Landesverfassungsgericht aber nicht gestützt werden. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) i. V. m. § 45 Abs. 1 VerfGGBbg eröffnet die Verfassungsbeschwerde ausschließlich gegen behauptete Verletzungen der in der Verfassung des Landes Brandenburg gewährleisteten Grundrechte (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 16. August 2019 ‑ VfGBbg 41/19 ‑, und vom 19. Mai 2017 ‑ VfGBbg 19/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Solche hat der Beschwerdeführer nicht benannt.
Die Verfassungsbeschwerde erfüllt die Begründungsanforderungen auch dann nicht, wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers als sinngemäße Rüge eines Verstoßes gegen das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 6 Abs. 1 LV) verstehen wollte. Der Beschwerdeführer hat nicht aufgezeigt, dass das Amtsgericht ihm eine gerichtliche Überprüfung des Bußgeldbescheids in verfassungswidriger Weise verwehrt haben könnte. Mit den Erwägungen des Amtsgerichts zum Anwendungsbereich des § 43 Abs. 2 StPO setzt sich die Beschwerdeschrift nicht auseinander. Erst recht zeigt sie nicht auf, dass ein anderes Verständnis der Regelung verfassungsrechtlich geboten sein könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt weder aus Art. 4 GG noch aus Art. 139 WRV i. V. m. Art. 140 GG ein Anspruch auf staatliche Anerkennung eines bestimmten kirchlichen Feiertags (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. September 1995 ‑ 1 BvR 1456/95 ‑, Rn. 8 f., juris).
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller |
Dr. Finck |
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Heinrich-Reichow |
Kirbach |
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Dr. Koch |
Müller |
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Richter |
Sokoll |
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Dr. Strauß |
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