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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2024 - VfGBbg 20/23 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 19 Abs. 3 Satz 1; VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
- StVG, § 25a Abs. 3 Satz 1

Schlagworte: - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
- Antrag teils unzulässig
- Beistand
- Beistand, Zulassung nicht objektiv sachdienlich
- Beistand, kein subjektives Bedürfnis
- Subsidiarität
- kein eiliges Regelungsbedürfnis

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2024 - VfGBbg 20/23 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 20/23 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 20/23 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

B.,

Antragsteller,

Bevollmächtigter:                                 B.,

 

wegen

Verwarnung mit Verwarnungsgeld vom 3. November 2023, Az. xyz; Kostenbescheid der Stadt J. vom 14. Dezember 2023, Az. xxx

hier

Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 19. Januar 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Dr. Koch, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

1.   Der Antrag auf Zulassung des Bevollmächtigten als Beistand für den Antragsteller wird abgelehnt.

2.   Die Anträge, im Wege einer einstweiligen Anordnung dem „Bundesland Brandenburg, handelnd durch die Stadt J., (…), diese vertreten durch den Bürgermeister (…) als Behördenleiter“ aufzugeben,

a.   „den als Prozessbevollmächtigten für den Antragsteller handelnden B. in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren, geführt unter dem Aktenzeichen xyz, Az. Kostenbescheid: xxx als Wahlverteidiger zuzulassen“,

b.   „dem als Prozessbevollmächtigten und Verteidiger für den Antragsteller handelnden B. die noch nicht zur Akteneinsicht zugewendete Ermittlungsakte aus dem Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen B., Aktenzeichen: xxx elektronisch per EGVP zur Einsichtnahme zu überlassen, hilfsweise Akteneinsicht in die Ermittlungsakte unter Aufsicht, im Rahmen der Amtshilfe bei der Stadt H. zu gewähren“,

c.   „die Frist gegen den Kostenbescheid gerichtliche Entscheidung zu beantragen und bis zu seiner Rechtskraft um zwei Wochen nach vollständig gewährter Akteneinsicht zu verlängern“,

d.   „die Auslagen des Verfahrens aufzuerlegen“,

werden abgelehnt.

 

 

Gründe:

A.

Der Antrag, den Sohn des Antragstellers als Beistand im Sinne des § 19 Abs. 3 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zuzulassen, ist abzulehnen.

Eine Zulassung als Beistand, die in das pflichtgemäße Ermessen des Verfassungsgerichts gestellt ist, kann erfolgen, wenn sie objektiv sachdienlich und subjektiv notwendig ist (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 20. November 2020 ‌‑ VfGBbg 35/20 ‑‌, Rn. 2, und vom 25. Mai 2016 ‌‑ VfGBbg 16/16 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Es ist nicht erkennbar, dass die Zulassung objektiv sachdienlich ist, d. h. erwarten lässt, dass sie für das Verfahren förderlich sein wird (vgl. Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 3. Aufl., § 22 Rn. 14 m. w. N.). Die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Anträge haben aus den unter B. aufgeführten Gründen keine Aussicht auf Erfolg, ohne dass die Zulassung eines - selbst juristisch qualifizierten - Beistands etwas daran ändern könnte. Daher ist auch kein subjektives Bedürfnis erkennbar, sich eines Beistands zu bedienen.

B.

Die aus dem Tenor ersichtlichen Anträge zu Ziffer 2. a. bis d. haben keinen Erfolg; die auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Anträge zu Ziffer 2. a bis c. sind unzulässig, dem Antrag zu Ziffer 2. d. war angesichts dessen nicht zu entsprechen.

1. Es bestehen bereits Zweifel, ob die Anträge zu Ziffer 2. a. bis c. wirksam gestellt worden sind. Nicht der Antragsteller hat die Anträge im eigenen Namen gestellt, sondern durch den Bevollmächtigten stellen lassen, dem er eine Vollmacht gemäß § 19 Abs. 4 VerfGGBbg erteilt hat. Die vom Bevollmächtigten gestellten Anträge sind jedoch ohne Rechtswirkung geblieben, da dieser nicht als Beistand zuzulassen war (vgl. A.). Ob die Vollmacht des Antragstellers in Verbindung mit der Antragsschrift einer Auslegung dahingehend zugänglich wäre, dass die Anträge auch für den Fall der Nichtzulassung des Bevollmächtigten als Beistand selbst und unbedingt gestellt sein sollen, kann dahinstehen. Die Anträge sind jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität unzulässig (vgl. 2.); ein eiliges Regelungsbedürfnis ist nicht dargetan (vgl. 3.).

2. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat, sofern ihm dies nicht ausnahmsweise unzumutbar ist (vgl. Beschluss vom 20. Mai 2022 ‌‑ VfGBbg 5/22 EA ‑‌, Rn. 7 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität, das auch im Verfahren nach § 30 VerfGGBbg gilt, verlangt außerdem, dass ein Antragsteller ‑ über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern (vgl. Beschluss vom 22. September 2023 ‌‑ VfGBbg 66/20 ‌, Rn. 50 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

a. Daran gemessen steht der Grundsatz der formellen Subsidiarität einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung in der Sache entgegen. Der Antragsteller kann gegen den Kostenbescheid der Stadt J. Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 25a Abs. 3 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz, StVG) stellen. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller diesen Rechtsbehelf nicht fristgemäß hat einlegen können. Eine Begründung schreibt das Gesetz nicht vor (vgl. § 25a Abs. 3 Satz 1 StVG, § 62 Abs. 2 Satz 2 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) analog, § 306 Abs. 1 Strafprozeßordnung (StPO) analog; vgl. Kurz, in: KK-OWiG, 5. Aufl. 2018, § 62 OWiG, Rn. 17; Euler, in: BeckOK OWiG, Stand: Oktober 2023, § 62 OWiG, Rn. 20). Soweit der Antragsteller vortragen lässt, es bedürfe der vorherigen Akteneinsicht, ist nicht ersichtlich, wieso das für die Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zuständige Amtsgericht sich mit einem Akteneinsichtsantrag und etwaigem Vortrag zu der im verfassungsgerichtlichen Verfahren als grundrechtsverletzend beanstandeten Verfahrensführung durch die Verwaltungsbehörde nicht auseinandersetzen sollte. Insofern wird auch dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht genügt.

b. Das Verfassungsgericht sieht sich nicht zu einer Vorabentscheidung veranlasst. Diese ist nicht im Sinne des im Eilverfahren entsprechend geltenden § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg geboten (vgl. zum Maßstab: Beschluss vom 18. Juni 2021 ‌‑ VfGBbg 12/21 EA ‑‌, Rn. 22 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Antragsteller geht fehl in der Annahme, fachgerichtlicher Rechtsschutz sei nicht erreichbar. Er kann den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Kostenbescheids durch Einlegung des in der Rechtsbehelfsbelehrung erwähnten Antrags verhindern.

3. Ferner lässt sich dem Vorbringen in der Antragsschrift kein Nachteil entnehmen, der ein dringendes Bedürfnis zum Einschreiten gebieten würde. Woraus sich das befürchtete hohe Kostenrisiko ergeben soll, ist weder weiter unterlegt noch evident. Es steht ein Kostenbescheid in Höhe von 23,50 Euro in Rede; die Entscheidung nach § 25a Abs. 3 StVG ist gebührenfrei (vgl. Hadamitzky, in: KK-OWiG, 5. Aufl. 2018, § 25a StVG, Rn. 32a). Ein Eilbedürfnis besteht angesichts des erkennbar eröffneten fachgerichtlichen Rechtswegs nicht.

4. Dem Antrag zu Ziffer 2. d., der als Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen ausgelegt wird, war nicht zu entsprechen. Besondere Billigkeitsgründe im Sinne von § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg, die eine angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens und des fehlenden Anwaltszwangs nur ausnahmsweise in Betracht kommende Auslagenerstattung rechtfertigen würden (vgl. Beschluss vom 25. August 2023 ‌‑ VfGBbg 6/23 EA ‑‌, Rn. 160 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de), sind nicht ersichtlich.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Dr. Koch

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß