VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2021 - VfGBbg 22/21 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - GG, Art. 21 Abs. 1 Satz 1; GG, Art. 28 Abs. 2 - LV, Art. 2 Abs. 1; LV, Art. 20 Abs. 3 Satz 2; LV, Art. 21; LV, Art. 22; LV, Art. 22 Abs. 1; LV, Art. 22 Abs. 3; LV, Art. 22 Abs. 3 Satz 1; LV, Art. 22 Abs. 3 Satz 2; LV, Art. 97; LV, Art. 113 Nr. 1 - VerfGGBbg, § 12 Nr. 1; VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 22 Abs. 1; VerfGGBbg, § 36 Abs. 1; VerfGGBbg, § 36 Abs. 3; VerfGGBbg, § 45; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 47 Abs. 3; VerfGGBbg, § 50 Abs. 4 Satz 1; VerfGGBbg, § 50 Abs. 2 Satz 1 |
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Schlagworte: | - Organstreit unzulässig - Verfristung - Ausschlussfrist - Fristbeginn - Gesetzeserlass - Unterlassen - „Bundesnotbremse“ - Verfassungsbeschwerde unzulässig - unzureichende Begründung - SARS-CoV-2-Pandemie - Corona - Kontaktbeschränkungen - Kommunalwahl - Kommunalwahlrecht - Bürgermeister - Bürgermeisterwahl - Einzelkandidat - Unterstützungsunterschriften - Unterschriften - Formerfordernis - Quorum - Unterschriftenquorum - Absenkung - Anpassung - Pflicht des Gesetzgebers - Gesetzgeber - Gestaltungsspielraum - gesetzgeberisches Unterlassen - Verfassungsauftrag - Handlungs- oder Schutzpflicht - Gesetzentwurf - Gleichbehandlung - Besserstellung - Demokratieprinzip - Homogenitätsprinzip - politische Mitgestaltung - Wahlrechtsgrundsätze - passive Wahlrechtsgleichheit - Sondervotum |
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Fundstellen: | - NVwZ-RR 1-2/2022; S. 1 ff. | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 2021 - VfGBbg 22/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 22/21
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
VfGBbg 22/21
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
S.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter H.
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH,
beteiligt:
- Landtag Brandenburg,
vertreten durch die Präsidentin,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam, - Landesregierung Brandenburg,
- Staatskanzlei -,
vertreten durch die Ministerin der Justiz des Landes Brandenburg,
Heinrich-Mann-Allee 107,
14473 Potsdam,
und in dem Organstreitverfahren
Ökologisch-Demokratische Partei,
Landesverband Brandenburg,
vertreten durch den Landesvorstand,
dieser vertreten durch den Landesvorsitzenden Thomas Löb,
Gartenstraße 2,
16798 Fürstenberg,
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigter H.
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH,
gegen
Landtag Brandenburg,
vertreten durch die Präsidentin,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,
Antragsgegner,
beteiligt:
Landesregierung Brandenburg,
- Staatskanzlei -,
vertreten durch die Ministerin der Justiz des Landes Brandenburg,
Heinrich-Mann-Allee 107,
14473 Potsdam,
Verpflichtung des Landtags zur Anpassung des Unterschriftenquorums und der Formerfordernisse in § 28a Abs. 4 und § 70 Abs. 5 BbgKWahlG
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 17. September 2021
durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Der Antrag der Antragstellerin im Organstreitverfahren wird verworfen.
Der Antrag auf Anordnung der Erstattung notwendiger Auslagen der Antragstellerin im Organstreitverfahren wird abgelehnt.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde und für das Verfahren des Organstreits auf jeweils 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
A.
Der Beschwerdeführer und die Antragstellerin begehren die Anpassung des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes an die Bedingungen der SARS-CoV-2-Pandemie in Bezug auf eine für den 4. Juli 2021 angesetzte und an diesem Tag auch durchgeführte Kommunalwahl.
I.
Im Land Brandenburg fanden die letzten regulären Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 statt. Am 7. März 2021 wurde der seit 2017 amtierende hauptamtliche Bürgermeister der Stadt K. durch Bürgerentscheid gemäß § 81 Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz (BbgKWahlG) abgewählt.
Der Landrat des Landkreises D. setzte den Termin für die Hauptwahl des neuen Bürgermeisters beziehungsweise der neuen Bürgermeisterin auf Sonntag, den 4. Juli 2021 fest. Laut Bekanntmachung der Wahlleiterin der Stadt K. im Amtsblatt für die Stadt K. vom 31. März 2021 mussten Wahlvorschläge gemäß § 69 Abs. 2 BbgKWahlG spätestens bis Donnerstag, den 29. April 2021, 12 Uhr, bei der Wahlleiterin schriftlich eingereicht werden. Dem Wahlvorschlag von Einzelbewerbern, die nicht Mitglied des Kreistags des Landkreises D. oder der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K. sind, waren mindestens 72 Unterstützungsunterschriften von wahlberechtigten Personen beizufügen, die bei der Wahlbehörde, bei einem ehrenamtlichen Bürgermeister im Land, vor einem Notar oder einer anderen zur Beglaubigung von Unterschriften ermächtigten Stelle auf amtlichen Formblättern zu leisten waren. Eine wahlberechtigte Person, die wegen einer Behinderung nicht in der Lage ist, die Wahlbehörde aufzusuchen, konnte auf Antrag die Unterstützungsunterschrift durch Erklärung vor einem Beauftragten der Wahlbehörde ersetzen.
Die dem zu Grunde liegenden Vorschriften des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes lauten:
§ 28a Abs. 4
Die persönliche, überprüfbare Unterschrift der wahlberechtigten Personen ist bis 16 Uhr des 67. Tages vor der Wahl bei der Wahlbehörde zu leisten. Die Unterschrift kann auch bei einem ehrenamtlichen Bürgermeister im Land Brandenburg, vor einem Notar oder bei einer anderen zur Beglaubigung der Unterschrift ermächtigten Stelle auf einer Unterschriftenliste geleistet werden; die Unterschriftenliste muss der Wahlbehörde bis 16 Uhr des 67. Tages vor der Wahl vorliegen.
§ 70 Abs. 5
In Wahlgebieten mit mehr als 300 Einwohnern sind dem Wahlvorschlag mindestens zweimal so viele Unterstützungsunterschriften beizufügen, wie in dem jeweiligen Wahlgebiet nach § 6 Absatz 2 Vertreter zu wählen sind.
§ 6 Abs. 2
Die Anzahl der Vertreter beträgt
1. in Gemeinden und kreisangehörigen Städten:
Einwohnerzahl Zahl der Vertreter
bis zu 700 8
mehr als 700 bis zu 1 500 10
mehr als 1 500 bis zu 2 500 12
mehr als 2 500 bis zu 5 000 16
mehr als 5 000 bis zu 10 000 18
mehr als 10 000 bis zu 15 000 22
mehr als 15 000 bis zu 25 000 28
mehr als 25 000 bis zu 35 000 32
mehr als 35 000 bis zu 45 000 36
mehr als 45 000 40
2. in kreisfreien Städten und Landkreisen:
Einwohnerzahl Zahl der Vertreter
bis zu 100 000 46
mehr als 100 000 bis zu 150 000 50
mehr als 150 000 56
Mit dem Gesetz zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der Brandenburgischen Kommunen in außergewöhnlicher Notlage (Brandenburgisches kommunales Notlagegesetz - BbgKomNotG) vom 15. April 2020 (GVBl. I Nr. 14) stellte der Antragsgegner, der Landtag Brandenburg, in § 1 aufgrund der sich ausbreitenden Pandemie SARS-CoV-2 eine landesweite außergewöhnliche Notlage fest und ermächtigte mit § 2 Abs. 3 Nr. 5 den Minister des Innern und für Kommunales, eine Verordnung zu erlassen, mit der Abweichungen von der Pflicht ermöglicht wurden, bereits festgelegte kommunale Wahlen und nach gesetzlicher Vorschrift festzusetzende oder festgesetzte Bürgerentscheide vor dem Außerkrafttreten dieses Gesetzes durchzuführen. Der Tag des Außerkrafttretens dieses Gesetzes war ursprünglich der 30. September 2020. Er wurde mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen kommunalen Notlagegesetzes vom 25. September 2020 (GVBl. I Nr. 27) auf den 30. Juni 2021 geändert. Weitere Regelungen enthielt dieses Änderungsgesetz nicht. Das Gesetz trat mit Ablauf des 30. Juni 2021 außer Kraft.
Die Verordnung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe in außergewöhnlicher Notlage (Brandenburgische kommunale Notlagenverordnung - BbgKomNotV) vom 17. April 2020 (GVBl. II Nr. 19) machte von der Ermächtigung in § 2 Abs. 3 Nr. 5 BbgKomNotG Gebrauch. Gemäß § 10 BbgKomNotV wurden festgelegte kommunale Wahlen und nach gesetzlicher Vorschrift festzusetzende oder festgesetzte Bürgerentscheide bis zum 30. Juni 2020 nicht durchgeführt. Die Verordnung galt ursprünglich bis zum 30. Juni 2020. Sie wurde zunächst mit Verordnung zur Änderung der Brandenburgischen kommunalen Notlagenverordnung vom 19. Juni 2020 (GVBl. II NR. 53) bis zum 30. September 2020 und zuletzt durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Brandenburgischen kommunalen Notlagenverordnung vom 28. September 2020 (GVBl. II Nr. 89) bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Das Datum in § 10 BbgKomNotV blieb jedoch unverändert. Die Verordnung trat mit Ablauf des 30. Juni 2021 außer Kraft.
Der Beschwerdeführer wollte als parteiunabhängiger Bewerber zur Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters der Stadt K. kandidieren. Er ist nicht Mitglied des Kreistags des Landkreises D. oder der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K. Er legte fristgemäß einen Wahlvorschlag mit 29 Unterstützungsunterschriften bei der Wahlleiterin vor. Der Wahlausschuss wies den Einzelwahlvorschlag mit Entscheidung vom 4. Mai 2021 zurück. Die Beschwerde dagegen blieb erfolglos. Der Beschwerdeführer wurde nicht zur Kandidatur zugelassen.
Die Antragstellerin ist der Landesverband einer politischen Partei, die in Brandenburg 2019 zur Landtagswahl antrat. Sie reichte keinen Wahlvorschlag für die Wahl am 4. Juli 2021 ein.
II.
In einem gemeinsamen Schriftsatz haben der Antragsteller am 26. April 2021 Verfassungsbeschwerde erhoben und die Antragstellerin ein Organstreitverfahren anhängig gemacht.
Mit der Verfassungsbeschwerde und im Organstreitverfahren beantragen Beschwerdeführer und Antragstellerin einheitlich
festzustellen, dass der Antragsgegner den Beschwerdeführer und die Antragstellerin in ihrem Recht auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 Verfassung des Landes Brandenburg, Recht zur Teilnahme an Wahlen aus Art. 22 Verfassung des Landes Brandenburg und die Antragstellerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland dadurch verletzt, dass er es unterlassen hat, das Formerfordernis nach § 28a Abs. 4 und das Unterschriftenerfordernis des § 70 Abs. 5 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg an die anhaltende Sars-CoV-2-Pandemie anzupassen;
die Erstattung notwendiger Auslagen des Beschwerdeführers und der Antragstellerin anzuordnen.
Der vom Beschwerdeführer und der Antragstellerin am 26. April 2021 ebenfalls gestellte gemeinsame Eilantrag - unter Vorwegnahme der Hauptsache -,
im Wege der einstweiligen Anordnung zu regeln, dass das Formerfordernis nach § 28a Abs. 4 und das Unterschriftenerfordernis des § 70 Abs. 5 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg für die Dauer einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen mit den Maßgaben Anwendung finden, dass die Unterstützungsunterschriften nicht vor der Wahlbehörde, einer/einem ehrenamtlichen Bürgermeister:in im Land Brandenburg, vor einer/einem Notar:in oder einer anderen zur Beglaubigung der Unterschrift ermächtigten Stelle geleistet werden müssen und dass für die Wahl einer hauptamtlichen Bürgermeisterin/eines hauptamtlichen Bürgermeisters in K. abweichend 18 Unterstützungsunterschriften erforderlich sind,
ist mit Beschluss vom 5. Mai 2021 ‑ VfGBbg 10/21 EA - abgelehnt worden.
Der Beschwerdeführer und die Antragstellerin haben ursprünglich vorgetragen, der Landtag Brandenburg verstoße dadurch gegen das Recht auf politische Mitgestaltung in Art. 21 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und das Recht zur Teilnahme an Wahlen gemäß Art. 22 LV sowie das Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 2 LV i. V. m. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG), dass er die in § 28a Abs. 4 und § 70 Abs. 5 BbgKWahlG vorgesehenen Erfordernisse der Form und Anzahl der Unterstützungsunterschriften für einen Wahlvorschlag nicht durch Gesetzesänderung an die durch die SARS-CoV-2-Pandemie veränderten Verhältnisse angepasst habe. Die geltenden Vorschriften seien hinsichtlich der Bürgermeisterwahl in K. verfassungswidrig geworden.
Das Recht des Beschwerdeführers auf Teilnahme an der Bürgermeisterwahl und politische Teilhabe werde dadurch verletzt, dass der Gesetzgeber auch unter den Verhältnissen der Pandemie und den faktisch erschwerten Zugangsvoraussetzungen für Einzelbewerber an dem Erfordernis der 72 Unterschriften festhalte. Der Landtag Brandenburg habe von Verfassungs wegen eine Pflicht zur Anpassung der Rechtslage an die Bedingungen und Kontaktbeschränkungen in der Pandemie. Durch die Unterlassung des Gesetzgebers werde der politische Wettbewerb verzerrt. Die Wahlbedingungen hätten für den Beschwerdeführer eine erdrückende Wirkung. Seine Teilnahme an der Wahl werde praktisch unmöglich gemacht. Es sei eine signifikante Absenkung des Quorums sowie die Aufhebung der Formbedürftigkeit, die mit Vorschriften des Infektionsschutzes und der Abstandsgebote kollidierten, erforderlich.
Die Antragstellerin beruft sich darauf, der Antragsgegner beeinträchtige ihr Recht auf Chancengleichheit bei Wahlen, indem er an dem Erfordernis der 72 Unterschriften festhalte. Die Beschränkungen während der Corona-Pandemie wirkten sich gerade auf die Unterschriftensammlung zugunsten von Wahlbewerbern erschwerend aus. Einzelbewerber und kleinere Parteien seien in besonderer Weise auf persönliche Kontakte mit aufgeschlossenen Personen angewiesen. Dies gelte in gesteigerter Form, wenn es darum gehe, Wahlberechtigte dazu zu bewegen, ein amtliches Formular vor der Wahlbehörde, einem Notar oder einer anderen zur Beglaubigung bestellten Stelle von Hand auszufüllen und zu unterschreiben. Die Abstandsregel hindere die Bemühungen in ganz erheblicher Weise. Die Zusendung eines Formblatts an Mitglieder und Sympathisanten mit der Bitte um Rücksendung mit der Unterstützungsunterschrift sei landesrechtlich nicht möglich. Der Zugang zu älteren Menschen sei wegen der Gesundheitsrisiken besonders erschwert. Unter den Bedingungen bestünden große Probleme, Mitstreiter zu finden, die bereit seien, Werbung für Unterstützungsunterschriften zu betreiben, und denen dies auch zugemutet werden könne.
III.
Der Landtag Brandenburg und die Landesregierung haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Das Organstreitverfahren sei ebenfalls unzulässig.
Es erscheine zumindest fraglich, ob die Verfassungsbeschwerde den Begründungsanforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 und § 46 VerfGGBbg genüge, denn der Beschwerdeführer lege nicht unter Bezugnahme auf die konkrete Fallgestaltung substantiiert dar, warum der dem Gesetzgeber grundsätzlich zukommende Gestaltungsspielraum auf den Erlass der eingeforderten Regelung verengt sei.
Zudem sei die Beschwerdefrist des § 47 Abs. 3 VerfGGBbg versäumt, die mit der Brandenburgischen kommunalen Notlagenverordnung vom 17. April 2020 am 18. April 2020 zu laufen begonnen habe und im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde am 26. April 2021 verstrichen gewesen sei. Ein echtes gesetzgeberisches Unterlassen, das eine fristlose Verfassungsbeschwerde eröffnen würde, liege nicht vor. Der Gesetzgeber sei nicht untätig geblieben, sondern habe aus Sicht des Beschwerdeführers nur in unzureichender Weise gehandelt. Gesetzgeber und Verordnungsgeber seien mit Erlass des Brandenburgischen kommunalen Notlagegesetzes und der Brandenburgischen kommunalen Notlagenverordnung den durch die SARS-CoV-2-Pandemie ausgelösten Rechtssetzungserfordernissen auf dem Gebiet des Kommunal(verfassungs)rechts nachgekommen, um die Handlungsfähigkeit auf der kommunalen Ebene unter den Bedingungen der Pandemie sicherzustellen und aufrechtzuerhalten. Dies sei im erforderlichen Umfang auch für den Bereich des kommunalen Wahlrechts geschehen, indem bereits festgelegte kommunale Wahlen bis nach dem 30. Juni 2020 hätten verschoben werden können. In diesem Fall müsse die Verfassungsbeschwerde gegen die als unzulänglich erachtete gesetzliche Regelung erhoben werden. Die nachfolgenden Änderungen des Brandenburgischen kommunalen Notlagegesetzes und der Brandenburgischen kommunalen Notlagenverordnung hätten den Fristlauf nicht neu in Gang gesetzt.
Der Beschwerdeführer sei außerdem weder in seinem Recht auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 Abs. 1 LV noch in seinem Recht auf Teilnahme an Wahlen aus Art. 22 Abs. 3 Satz 2 LV verletzt. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, die Regelungen zur Beibringung von Unterstützungsunterschriften anzupassen. Eine Handlungspflicht des Gesetzgebers aus der Verfassung sei ein seltener Ausnahmefall. Grundsätzlich sei ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet. Die konkrete Ausgestaltung des Wahlrechts habe der Verfassungsgeber in Art. 22 Abs. 5 LV bewusst dem Gesetzgeber überlassen. Bei neu auftretenden Gefahren für die Integrität der Wahl habe der Gesetzgeber im Rahmen seines Spielraums darüber zu befinden, ob er am bestehenden Wahlrecht festhalte oder eine Anpassung vornehme.
Vorliegend gehe es um die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeistes. Bei regulären Neuwahlen könne die Einwerbung von Unterstützungsunterschriften gemäß § 74 Abs. 4 BbgKWahlG bereits rund zwei Jahre vor dem Wahltag erfolgen, wenn ein Kandidat von einer Partei, Vereinigung oder Wählergruppe nominiert sei. Einzelbewerberinnen und -bewerber, die naturgemäß nicht nominiert werden könnten, könnten ebenfalls ab dem in § 74 Abs. 4 BbgKWahlG bestimmten Stichtag die Auflegung von Unterschriftenlisten nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 Brandenburgische Kommunalwahlverordnung (BbgKWahlV) verlangen. Nach einer Abwahl des bisherigen Amtsinhabers vor Ablauf der Amtszeit müsse die Neuwahl gemäß § 74 Abs. 2 Halbsatz 1 BbgKWahlG innerhalb von fünf Monaten stattfinden. Die Aufstellung der Bewerbenden habe konkret ab der Feststellung der Abwahl des bisherigen Amtsinhabers durch den Wahlausschuss am 11. März 2021 erfolgen können. Der Beschwerdeführer habe daher ab dem 11. März 2021 die Auflegung von Unterschriftenlisten verlangen und mit der Einwerbung von Unterstützungsunterschriften beginnen können. Es hätten somit 48 Tage bis zum Ende der Einreichungsfrist am 28. April 2021 zur Verfügung gestanden. Es habe somit für den Gesetzgeber bei einem Vergleich mit den Regelungen im Falle einer vorzeitigen Auflösung des Bundestags oder des Landtags Brandenburg kein Anlass bestanden, den Zeitraum unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu ändern.
Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum sei unter den Bedingungen der SARS-CoV-2-Pandemie auch nicht dahingehend verengt, dass das Unterschriftenquorum abgesenkt werden müsse. Das erhöhte Quorum bei den Direktwahlen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräten gegenüber den Wahlen zu den kommunalen Vertretungen berücksichtige, dass hier nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt werde und gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 BbgKWahlG gewählt sei, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten habe, sofern diese Mehrheit mindestens 15% der Wahlberechtigten umfasse. Wegen der Besonderheiten bei der Direktwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters ließen sich die Grundsätze der jüngeren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Höhe der Unterschriftenquoren bei Parlamentswahlen während der aktuellen Pandemie nicht übertragen. Auch unter den Bedingungen der Pandemie sei es geboten, die bestehenden Regelungen aufrecht zu erhalten, um die Ernsthaftigkeit der Kandidaturen abzusichern und einer starken Stimmenzersplitterung vorzubeugen. Gerade bei den Direktwahlen sei anzustreben, vorrangig ernsthafte Kandidaturen zur Wahl zuzulassen, deren Aussicht, sich für die etwaige Stichwahl zu qualifizieren, nicht von vornherein als gering einzuschätzen sei.
Mit der Regelung, die Unterschriftsleistungen nur bei bestimmten Stellen zuzulassen, solle gewährleistet werden, dass die Unterstützer ihre Unterschriften frei von äußerem Druck, Überredung, Bedrängung, Täuschung oder ähnlichen Mitteln leisten könnten. Auch Unterschriften aus Gefälligkeit sollten vermieden werden. Die Beibehaltung dieser Verfahrensweise erscheine selbst unter den Bedingungen der SARS-CoV-2-Pandemie nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Regelungszweck zu stehen. Gerade die durch das Gesetz genannten öffentlichen Stellen seien aufgrund ihrer Hygienekonzepte auf den persönlichen Kontakt auch unter Pandemiebedingungen eingestellt. Befürchtungen hinsichtlich einer Ansteckungsgefahr müssten so zerstreut werden können. Einer konkurrierenden Bewerbung sei es innerhalb einer Woche gelungen, das Unterschriftenquorum zu erfüllen.
Die Antragstellerin des Organstreitverfahrens habe kein Rechtsschutzbedürfnis, da sie keinen Wahlvorschlag eingereicht oder unterstützt habe.
IV.
Der Beschwerdeführer und die Antragstellerin begründen mit Schriftsatz vom 18. Juni 2021 die Anträge in den Hauptsachen weiter und erwidern auf die Stellungnahme der Landesregierung.
Der Beschwerdeführer trägt für seine Verfassungsbeschwerde weiter vor, er sei beschwerdebefugt, da er durch das Unterlassen der Gesetzesänderung selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sei. Die Verfassungsbeschwerde sei auch unmittelbar ohne vorherige Anrufung der Fachgerichte zulässig. Sofern ein Rechtsbehelf zu den Verwaltungsgerichten überhaupt statthaft wäre, könnten die Verwaltungsgerichte im konkreten Einzelfall jedenfalls keinen effektiven Rechtsschutz gewähren, da er eine normative Außerkraftsetzung der Regelung begehre und allein die Verfassungsgerichte hierfür das Norm-Verwerfungsmonopol besäßen.
In Bezug auf die bevorstehende Kommunalwahl sei die Grundrechtsverletzung von Art. 21 und 22 LV offensichtlich. Der Schutzbereich der benannten Grundrechte sei eröffnet und die Verknüpfung von Amtseintragung und unverändert hoher Zahl der Unterstützungsunterschriften nicht gerechtfertigt.
Das Landesverfassungsgericht habe bei seinen Ausführungen im zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss vom 5. Mai 2021 bei seiner Bezugnahme auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Fragen der Zersplitterung der zu wählenden Parlamente und zur Integrationswirkung der Wahl übersehen, dass es sich vorliegend um eine Personenwahl handele. Der Gesetzgeber habe eine Stichwahl vorgesehen, wenn keiner der Bewerber eine einfache Mehrheit erhalte, die mehr als 15% der wahlberechtigten Personen entspreche. Damit werde die Integrationswirkung der Wahl erreicht und der Stimmenzersplitterung hinreichend vorgebeugt. Um dasselbe Ziel zu erreichen, bedürfe es daher weder einer Amtseintragung noch eines Quorums von Unterstützungsunterschriften. Bei der Wahl einer einzelnen Person sei eine Zersplitterung der Stimmen zudem nicht zu befürchten. Die Ernsthaftigkeit der Wahlbewerbung könne auch mit einer niedrigeren Zahl von Unterstützungsunterschriften sichergestellt werden. Auf die Amtseintragung könne vollständig verzichtet werden, ohne dass eine Missbrauchsgefahr bestünde. Die persönliche Unterzeichnung vor der Wahlbehörde, einem Notar oder einem anderen benannten Dritten stelle auch eine Besonderheit des brandenburgischen Kommunalwahlrechts dar. Weder § 24 Brandenburgisches Landeswahlgesetz (BbgLWahlG), noch § 20 Bundeswahlgesetz (BWG) oder § 9 Europawahlgesetz (EuWG) würden die formale Vorgabe der Unterzeichnung in besonders beglaubigter oder gleichgestellter Form kennen. Die Unterstützungsunterschriften dienten zur Relevanzkontrolle und zur Dokumentation der Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Dass hieran bei der Kommunalwahl für einen Einzelkandidaten höhere Anforderungen gestellt würden, als etwa bei der Landtagswahl, sei sachlich nicht zu rechtfertigen. Die sogenannte „Bundesnotbremse“ habe noch striktere Kontaktbeschränkungen eingeführt. Für die Bundestagswahl 2021 sei das Quorum mittlerweile auf 25% abgesenkt worden.
Die Antragstellerin trägt in ihrem Organstreitverfahren weiter vor, in Zeiten der Pandemie gehindert zu sein, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Dies sei nicht durch die Integrationswirkung der Wahl und die Verhinderung der Wahlstimmenzersplitterung zu rechtfertigen, da diesen Zielen schon die Stichwahl Rechnung trage. Die genannten Gründe seien als Begründung für die in § 28a Abs. 4 und § 70 Abs. 5 BbgKWahlG enthaltenen Hürden zudem auf die Wahl eines hauptamtlichen Wahlbeamten nicht übertragbar. Die Frist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg für den Organstreitantrag sei frühestens durch die Wahlbekanntmachung in K. ausgelöst worden. Die Einführung der sogenannten „Bundesnotbremse“ durch das 4. Bevölkerungsschutzgesetz habe den Corona-Rechtsrahmen zudem weiter verschärft. Dieser Zeitpunkt sei als späteres Ereignis maßgeblich für den Beginn der Frist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg. Die Antragstellerin könne sich im Organstreit auf das Recht auf Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 GG und auf den Grundsatz der gleichen Wahl aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Die Wahlrechtsgrundsätze gälten gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch im Bereich der Länder und Gemeinden. Im Land Brandenburg würde ihre Geltung über Art. 2 Abs. 3 LV vermittelt. Die Grundsätze der allgemeinen und gleichen Wahl seien eine Ausprägung des Demokratieprinzips und würden durch Art. 22 Abs. 3 LV gewährleistet. Die Wahlrechtsgrundsätze seien grundlegende Anforderungen an demokratische Wahlen. Die Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl sicherten dabei die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Staatsbürger. Dies gelte insbesondere für die landesverfassungsrechtlichen Grundrechte auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 LV und auf Teilnahme an Wahlen aus Art. 22 LV. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Rechte, die auch für die Antragstellerin als politische Partei gälten, durch das Unterlassen des Gesetzgebers verletzt würden. Es liege keine hinreichende Begründung dafür vor, dass der Gesetzgeber § 28a Abs. 4 und § 70 Abs. 5 BbgKWahlG im Hinblick auf die Corona-Pandemie nicht geändert habe. Finde der Wahlgesetzgeber veränderte Umstände vor, müsse er sie berücksichtigen. Er müsse eine Prognoseentscheidung treffen. Gegebenenfalls müsse er die Gesetzeslage korrigieren. Der Gesetzgeber habe zu berücksichtigen, dass es Bundesländer gebe, in denen bei der Kommunalwahl eine Amtseintragung von Unterstützungsunterschriften nicht vorgesehen sei. Auch für die Bundestagswahl sei das Unterschriftenquorum mittlerweile auf ein Viertel abgesenkt worden. Bei Beibehaltung der Amtseintragung wäre das Quorum also noch weiter abzusenken.
V.
Am 16. Juni 2021 fand im Landtag Brandenburg die erste Lesung eines Gesetzentwurfs für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes statt, der vorsieht, die erforderliche Anzahl von Unterstützungsunterschriften bei Direktwahlen, die spätestens bis zum 27. März 2022 stattfinden, jeweils auf die Hälfte zu reduzieren. Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 7/3750) bezieht sich auf Ausführungen des Verfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 5. Mai 2021 ‑ VfGBbg 10/21 EA -. Der Landtag überwies den Gesetzentwurf am 16. Juni 2021 an den Ausschuss für Inneres und Kommunales. Dieser beschloss am 11. August 2021 die Durchführung einer Anhörung, die am 8. September 2021 stattfand.
VI.
Der Beschwerdeführer und die Antragstellerin tragen mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 vor, dass dieses Änderungsgesetz ab einem Zeitpunkt gelten solle, zu dem gar keine nennenswerten Einschränkungen mehr bestünden. Zum Zeitpunkt eines möglichen Inkrafttretens des Gesetzes dürften die so genannte Bundesnotbremse und das Brandenburgische kommunale Notlagengesetz, deren Regelungszeitraum bis zum 30. Juni 2021 befristet sei, bereits außer Kraft getreten sein. Der Beschwerdeführer wolle mit anderen Direktkandidaten, die von einem solchen Gesetz profitierten, wenigstens gleichbehandelt werden. Es handele sich um ungleiche Sachverhalte. Die Aufstellung der Kandidaten in K. habe unter deutlicheren pandemiebedingten Einschränkungen stattgefunden. Deshalb habe er auch einen Anspruch darauf, gegenüber der beabsichtigten Neuregelung aus sachlichen Gründen bessergestellt zu werden.
B.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.
1. Gemäß § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann jeder Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht mit der Behauptung erheben, durch die öffentliche Gewalt des Landes Brandenburg in einem in der Landesverfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt zu sein.
Die begehrte Feststellung, das Unterlassen des Gesetzgebers, ein Gesetz zu erlassen oder zu ändern, verletze Grundrechte des Beschwerdeführers aus der Verfassung des Landes Brandenburg, kann grundsätzlich statthafter Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sein, vgl. § 47 Abs. 3, § 50 Abs. 4 Satz 1, § 50 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg.
Damit die Rüge gesetzgeberischen Unterlassens statthaft ist, muss jedoch das Bestehen einer Pflicht zur Gesetzgebung möglich erscheinen.
2. Die Beschwerdeschrift lässt nicht hinreichend erkennen, dass der Beschwerdeführer durch das gesetzgeberische Unterlassen in einem Grundrecht beeinträchtigt sein könnte.
a. Die Verfassungsbeschwerde erfordert nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, die schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen müssen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 19. Juni 2020 ‑ VfGBbg 50/20 ‑, Rn. 8, m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).
Gesetzgeberisches Unterlassen kann vor dem Verfassungsgericht nur dann gerügt werden, wenn ein ausdrücklicher Verfassungsauftrag besteht, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen umgrenzt (vgl. Beschluss vom 17. Mai 2013 ‑ VfGBbg 7/13 -, m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2008 - 2 BvR 2338/07 u. a. -, Rn. 5, m. w. N., www.bverfg.de). Dabei muss sich unmittelbar aus einem verfassungsmäßigen Grundrecht eine gesetzgeberische Handlungs- oder Schutzpflicht zugunsten des Beschwerdeführers ergeben, die den Gesetzgeber verpflichtet, tätig zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1957 ‑ 1 BvR 441/53 -, BVerfGE 6, 257, 265, juris). Nur in seltenen Ausnahmefällen lässt sich der Verfassung eine konkrete Handlungspflicht entnehmen, die zu einem bestimmten Tätigwerden zwingt. Dies wirkt auf die Begründungsanforderungen zurück (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 ‑ 2 BvC 46/19 -, Rn. 44, www.bverfg.de).
Damit die Rüge gesetzgeberischen Unterlassens zulässig ist, muss daher das Bestehen einer Pflicht zur Gesetzgebung dargelegt werden. Diesen Maßgaben wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Der Beschwerdeführer zeigt weder das konkrete Grundrecht auf, in dem er sich verletzt sieht (b.), noch legt er eine etwaige Verletzung schlüssig dar (c.).
b. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Rechts auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 LV sowie des Rechts zur Teilnahme an Wahlen aus Art. 22 LV. Eine nähere Bezeichnung der Grundrechte erfolgt nicht. Aus der Begründung ergibt sich zwar noch hinreichend deutlich, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf Art. 22 LV wohl die passive Wahlrechtsgleichheit aus Art. 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 LV meint, obwohl die Beschwerdeschrift sich im Wesentlichen nur zur Chancengleichheit der Parteien verhält.
Inwiefern die passive Wahlrechtsgleichheit auch mit einer subjektiv-rechtlichen Gewährleistung für den Beschwerdeführer für die Direktwahl des Bürgermeisters gilt, hätte jedoch einer näheren Auseinandersetzung mit dem Verfassungstext und der Stellung des Bürgermeisters als Spitze der kommunalen Verwaltung bedurft.
Eine Verletzung der in Art. 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 LV verankerten passiven Wahlrechtsgleichheit kann der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend machen. Er kann sich nicht unmittelbar auf die in Art. 22 Abs. 3 LV als Grundrecht (vgl. hierzu Urteil vom 23. Oktober 2020 - VfGBbg 55/19 -, Rn. 121, https://verfassungsgericht.brandenburg.de) verbürgten Wahlrechtsgrundsätze berufen. Art. 22 Abs. 1 LV regelt das Grundrecht zur Wahl lediglich in Bezug auf die Wahlen zum Landtag Brandenburg und zu den kommunalen Vertretungskörperschaften. Allein hierauf beziehen sich die in Art. 22 Abs. 3 LV ausdrücklich niederlegten Wahlrechtsgrundsätze.
Es besteht auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf die Durchführung einer direkten Wahl zum Bürgermeister überhaupt. Die Landesverfassung schreibt die Direktwahl des haupt- oder ehrenamtlichen Bürgermeisters nicht vor. Über das Homogenitätsgebot aus Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) ergibt sich ebenfalls keine Pflicht des Landesgesetzgebers, die Direktwahl von Bürgermeistern vorzusehen. Auch wenn der Landesgesetzgeber die Wahl des Hauptverwaltungsbeamten durch die kommunalen Vertretungen vorgeben würde, vermittelte dies eine hinreichende Legitimation und stünde im Einklang mit dem Demokratieprinzip (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 20. Dezember 2019 - 35/19 -, Rn. 106, juris; BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 ‑ 2 BvR 134/76 -, BVerfGE 47, 253-285, Rn. 47, juris). Die Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters im Jahr 1993 beruhte auf einer Entscheidung des einfachen Gesetzgebers, der von seiner durch Art. 97 LV eröffneten Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Inwieweit durch das Unterlassen der Änderung gesetzlicher Regelungen zu einer solchen Wahl im Rahmen der Verfassungsbeschwerde rügefähige Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt sein könnten, führt der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht aus. Die insoweit lediglich in Bezug auf das Organstreitverfahren der Antragstellerin vorgebrachten Begründungsansätze genügen den Darlegungsanforderungen im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde nicht. Ob möglicherweise Art. 22 Abs. 3 LV entsprechend auf die Wahlen zum hauptamtlichen Bürgermeister anzuwenden ist oder sich aus dem in Art. 2 Abs. 1 und 2 LV niedergelegten Demokratieprinzip sowie dem Homogenitätsgebot des Grundgesetzes aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt, dass die Wahlrechtsgrundsätze auch dann Geltung beanspruchen, wenn der einfache Gesetzgeber autonom die Direktwahl des Bürgermeisters vorschreibt (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 20. Dezember 2019 - 35/19 -, Rn. 103, juris; BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2003 ‑ 8 C 16/02 -, Rn. 23, juris) sowie ob aus diesem dann aus Staatsstrukturprinzipien hergeleiteten Befund auch eine subjektive Rechtsposition im Sinne eines Grundrechts für den Beschwerdeführer erwächst, hätte näherer Erörterung bedurft.
In Bezug auf das als verletzt gerügte Recht auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 LV differenziert der Beschwerdeführer schon nicht nach den in den unterschiedlichen Absätzen enthaltenen Gewährleistungen und geht nicht auf deren unterschiedlichen Charakter oder Schutzbereiche ein. Inwieweit durch die fehlende Anpassung der Hürden zur Teilnahme an der Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister eines der in Art. 21 LV enthaltenen Grundrechte verletzt sein könnte, legt der Beschwerdeführer damit nicht schlüssig dar.
c. Aber auch unter Zugrundelegung der Annahme, dass der Beschwerdeführer sich auf die passive Wahlrechtsgleichheit als Grundrecht berufen könnte, hat er nicht hinreichend dargelegt, dass sich etwaige daraus folgende Schutz- und Überprüfungspflichten zu Gunsten einer Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer Abmilderung der Anforderungen an Form oder Anzahl der für die Zulassung des Wahlvorschlags beizubringenden Unterstützungsunterschriften verdichtet hätten.
Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber gehalten sein könnte, auf Grund der mit der pandemischen Lage einhergehenden Einschränkungen die Regelungen zu den Unterstützungsunterschriften einer kritischen Prüfung zu unterziehen, genügt nicht, um einen Verfassungsverstoß hinreichend darzulegen. Erforderlich ist vielmehr, dass eine Verpflichtung auch zu der vom Beschwerdeführer geforderten Änderung der Regelung besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 2021 ‑ 2 BvE 1/21 -, Rn. 50, www.bverfg.de). Das kann nur dann der Fall sein, wenn die bestehenden Regelungen angesichts der veränderten tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Grundrechte des Beschwerdeführers verletzen.
Es fehlt insoweit aber an einer ausreichenden Darlegung des konkreten Ausmaßes der tatsächlichen Beeinträchtigungen und Erschwernisse bei der Erreichung des Quorums (aa.) sowie an der Auseinandersetzung mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Zulässigkeit und Grenzen wahlrechtlicher Unterschriftenquoren und der Übertragung dieser Maßgaben auf den vorliegenden Fall (bb.).
aa. Zur tatsächlichen Beeinträchtigung seiner Chancen, das Unterschriftenquorum zu erfüllen, bleibt der Beschwerdeführer - auch mit seiner weiteren Begründung vom 18. Juni 2021 - im Allgemeinen. Die Beschwerdeschrift gibt lediglich die tatbestandlichen Ausführungen bereits ergangener verfassungsgerichtlicher Entscheidungen anderer Bundesländer wieder, ohne konkret auf die im Land Brandenburg geltenden Vorschriften einzugehen.
Auch wenn es insoweit schon einer Darlegung der konkreten im Land Brandenburg im Zeitraum von der Abwahl des früheren Bürgermeisters am 7. März 2021 bis zum 29. April 2021 geltenden Regelungen durch den Beschwerdeführer bedurft hätte, verkennt das Verfassungsgericht nicht, dass die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zur persönlichen Kontaktaufnahme zum Zwecke der Wahlwerbung im öffentlichen Raum auf Straßen und Plätzen, auf Versammlungen und Veranstaltungen oder durch Gespräche an Haus- und Wohnungstüren der Wahlberechtigten erheblich eingeschränkt und erschwert, zum Teil und zeitweise sogar unmöglich waren. Die Verpflichtung, den sozialen Kontakt auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren, der einzuhaltende Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,50 Metern sowie das Gebot, bei der Kommunikation Mund-Nasen-Bedeckungen zu tragen, erschwerten die Kontaktaufnahme, das Gespräch, die politische Diskussion, die Bildung von Vertrauen, die Möglichkeit, andere für sich als Person einzunehmen, und Wahlberechtigte von dem vertretenen politischen Programm zu überzeugen. Der potentielle Kandidat hatte es erheblich schwerer, sich einem ihm unbekannten Publikum im öffentlichen Raum vorzustellen, Interesse bei Passanten zu wecken, mögliche Unterstützer direkt anzusprechen, sie in einem Gespräch zu halten und Wahlwerbematerial zu verteilen. Die Bereitschaft der Wahlberechtigten zum persönlichen Gespräch war gemindert, da alle Bürger zu vorsichtigem Verhalten angehalten waren und möglicherweise Angst vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus hatten. Spontaner persönlicher Kontakt mit unbekannten Personen im öffentlichen Raum sollte gemieden werden. Durch die zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie eingeführten Kontaktbeschränkungen wurde insgesamt der Urtypus der politischen Auseinandersetzung, das Gespräch im öffentlichen Raum, durch den Staat selbst erschwert (vgl. StGH BW, Urteil vom 9. November 2020 ‑ 1 GR 101/20 -, Rn. 60, juris).
Diese allgemein ersichtlichen Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen entbinden den Beschwerdeführer aber nicht davon, das Ausmaß der Erschwernisse in Bezug auf die Erreichung des Unterschriftenquorums bei seiner beabsichtigten Kandidatur darzutun. Der Beschwerdeführer verhält sich überwiegend allgemein zum Sammeln von Unterschriften zur Erreichung eines Quorums, ohne auf die konkret beizubringenden Unterstützungsunterschriften einzugehen. Wenn er darüber hinaus behauptet, in besonderer Weise auf persönliche Kontakte mit aufgeschlossenen Personen angewiesen zu sein, und dies noch in gesteigerter Form gelte, wenn es darum gehe, dass die Unterschrift bei einer der in § 28a Abs. 1 BbgKWahlG genannten Stellen abzugeben sei, erschließt sich dies - jedenfalls ohne weitergehende Darlegungen - nicht. Anders als beim für das Unterschriftenquorum zur Landtags- und Bundestagswahl erforderlichen Sammeln der Unterschriften ist der persönliche Kontakt zwischen ihm und den Wählern bei der Abgabe der Unterstützungsunterschrift gerade nicht erforderlich. Welchen konkreten Einfluss der allgemein eingeschränkte Kontakt auf die Überzeugung potentieller Unterstützer konkret hat, wird nicht näher ausgeführt. Insbesondere geht der Beschwerdeführer auf anderweitige Möglichkeiten der Überzeugung potentieller Unterstützer von seiner Kandidatur, die die Kontaktbeschränkungen abmildern oder ausgleichen könnten, in keiner Weise ein. So könnte er etwa auf Webseiten, über soziale Medien und über Postwurfsendungen auf sich aufmerksam machen und Informations- und Kontaktangebote für Interessierte zur Verfügung stellen (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 63/20.VB-2 -, Rn. 57, juris). Welche Anstrengungen er insoweit tatsächlich unternommen hat oder aus welchen Gründen er meint, mit entsprechenden Maßnahmen die pandemiebedingten Einschränkungen nicht wenigstens abmildern zu können, schildert er nicht.
Das Verfassungsgericht verkennt weiter nicht, dass sich auf Grund der pandemischen Lage möglicherweise einzelne Unterstützer - ggf. Zugehörige einer besonders gefährdeten Personengruppe - davon haben abhalten lassen, zur Leistung der Unterstützerunterschrift die Wahlbehörde oder eine zur Beglaubigung der Unterschrift ermächtigte Stelle aufzusuchen. Angesichts dessen, dass einerseits der Kontakt bei einem Aufsuchen einer solchen Stelle auf eine oder wenige Personen beschränkt war und unter Einhaltung der im Land Brandenburg zu diesem Zeitpunkt geltenden Hygieneregelungen stattzufinden hatte und andererseits auch für Besorgungen des täglichen Bedarfs von der überwiegenden Mehrzahl der Wahlberechtigten z. B. Supermärkte aufgesucht wurden, hätte es dennoch näherer Darlegungen des Beschwerdeführers bedurft, dass sich die Umstände der Pandemie in erheblicher Weise auf die Abgabe der Unterstützungsunterschriften für ihn ausgewirkt haben.
Letztlich ist auf der Grundlage seines Vortrags die Behauptung des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar, die tatsächlichen Umstände der Pandemie wirkten sich zusammen mit den „Eigentümlichkeiten des Kommunalwahlrechts in Brandenburg“ erdrückend aus und machten die Teilnahme an der Wahl unmöglich.
bb. Angesichts der hierzu bestehenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hat der Beschwerdeführer nicht ausreichend dargelegt, dass das Unterschriftenquorum unter Pandemiebedingungen gegenüber den anderen Mitbewerbern, die Mitglied der Stadtverordnetenversammlung der amtsfreien Gemeinde, für die sie kandidieren, oder des Kreistags, dem die amtsfreie Gemeinde angehört, sind, eine nicht mehr zulässige Differenzierung im Rahmen der passiven Wahlrechtsgleichheit darstellen könnte. Auch hat er nicht hinreichend dargelegt, ob bei einer deutlichen Absenkung dieses Quorums oder der Formvorschriften das Ziel, durch die Vorlage der Unterschriften den Nachweis der Ernsthaftigkeit der Wahlteilnahme zu führen, noch als erreichbar angesehen werden könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 2021 ‑ 2 BvE 1/21 -, Rn. 61, www.bverfg.de).
Differenzierungen hinsichtlich der passiven Wahlrechtsgleichheit sind zulässig, wenn sie durch besondere, sachlich durch die Verfassung legitimierte Gründe gerechtfertigt sind, die von einem solchen Gewicht sind, dass sie der Gleichheit bzw. der Allgemeinheit der Wahl zumindest die Waage halten können (vgl. Urteil vom 23. Oktober 2020 ‑ VfGBbg 55/19 -, Rn.196, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Als besonderer rechtfertigender Grund in dem obigen Sinne ist das Interesse der Allgemeinheit an einer kontinuierlichen und effektiven Amtsführung von hauptamtlichen Bürgermeistern anerkannt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Juli 1997 ‑ 2 BvR 1088/97 -, Rn. 10, juris).
Das Erfordernis einer bestimmten Anzahl von Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge ist grundsätzlich sachlich gerechtfertigt, wenn und soweit es dazu dienen soll, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber und ernst zu nehmende Wahlvorschläge zu beschränken, dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und so indirekt der Gefahr der Stimmenzersplitterung vorzubeugen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 1982 ‑ 2 BvL 1/81 -, Rn. 20, m. w. N., juris, und Beschluss vom 17. Oktober 1990 ‑ 2 BvE 6, 7/90 -, BVerfGE 83, 353, 364, m. w. N., juris). Die Zahl der Unterschriften darf jedoch nur so hoch festgesetzt werden, wie es für die Erreichung der genannten Zwecke erforderlich ist. Sie darf der Wählerentscheidung möglichst wenig vorgreifen und nicht so hoch sein, dass einem neuen Bewerber die Teilnahme an der Wahl praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 1982 ‑ 2 BvL 1/81 -, Rn. 20, m. w. N., juris).
Die Erfordernisse zu Anzahl und Form der Unterstützungsunterschriften aus § 70 Abs. 5 BbgKWahlG und § 28a Abs. 4 BbgKWahlG dienen dem genannten Zweck. Sie sollen sicherstellen, dass nur Bewerber zur Wahl zugelassen werden, die eine reelle Chance haben, auch einen relevanten Stimmenanteil zu gewinnen, sich im ersten Wahlgang durchzusetzen oder im Rahmen der Stichwahl die erforderliche Mehrheit zu erreichen, die nach § 72 Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 72 Abs. 2 Satz 1 BbgKWahlG ebenfalls mindestens 15% der wahlberechtigten Personen erfordert. Damit wird gewährleistet, dass die Wahl die Stimmen der Wähler zu einem Wahlergebnis integriert. Wahlberechtigte sollen die Unterstützungsunterschrift weder leichtfertig leisten noch hierzu durch äußeren Druck gegen ihren eigentlichen Willen bestimmt werden.
Bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts und der verfassungsrechtlich nicht vorgeschriebenen Direktwahl des Bürgermeisters kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Das gilt hier insbesondere, weil mit der Forderung von Unterstützungsunterschriften die Beschränkung der Teilnahme auf ernsthafte Wahlvorschläge und damit ein wahlrechtsimmanenter Zweck verfolgt wird (vgl. zum Ganzen: Urteil vom 23. Oktober 2020 ‑ VfGBbg 55/19 -, Rn. 174ff., und Beschluss vom 19. Februar 2021 ‑ VfGBbg 35/20 -, Rn. 13, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Gesetzgeber ist jedoch verpflichtet, bei neu auftretenden Entwicklungen, die unvorhergesehene Gefahren für die Integrität der Wahl als zentralem demokratischen Legitimationsvorgang mit sich bringen können, die von ihm geschaffenen Regelungen zu überprüfen. Ändern sich die vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder erweisen sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellten Prognosen als irrig, hat er im Rahmen des ihm verfassungsrechtlich zukommenden Spielraums darüber zu befinden, ob er am bestehenden Wahlrecht festhält oder eine Anpassung desselben vornimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 2021 ‑ 2 BvE 1/21, 2 BvE 3/21 -, Rn. 32, m. w. N., www.bverfg.de). Die Gestaltungsbefugnis bleibt daher auch bestehen, wenn die Anpassung der geschaffenen Regelung an geänderte Verhältnisse im Raum steht.
Dass auf Grund der seit Beginn der Pandemie herrschenden Einschränkungen die Grenze überschritten wurde, bis zu der der Gesetzgeber untätig bleiben durfte, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er setzt sich nicht konkret damit auseinander, ob die Anforderungen an das Unterschriftenquorum für die Kandidatur zur Bürgermeisterwahl in Ansehung dieses Zwecks unter den pandemiebedingten Einschränkungen nicht mehr gerechtfertigt sein könnten.
Wenn der Beschwerdeführer meint, dass mit der Regelung zur Stichwahl die Integrationswirkung der Wahl erreicht und der Stimmenzersplitterung hinreichend vorgebeugt werde und es daher weder einer Amtseintragung noch eines Quorums von Unterstützungsunterschriften bedürfe, so betreffen seine Ausführungen im Schwerpunkt die Erforderlichkeit einer Mindestanzahl von Unterstützungsunterschriften und der im Land Brandenburg hierfür vorgeschriebenen Form an sich ohne Betrachtung der besonderen pandemiebedingten Einschränkungen. Insoweit mögen zwar im Land Brandenburg im Hinblick auf Form, Anzahl und Beibringungszeitraum der für einen Wahlbewerber zum Bürgermeisteramt erforderlichen Unterstützungsunterschiften relativ hohe Hürden bestehen. Die sachliche Rechtfertigung der Regelungen des § 70 Abs. 5 BbgKWahlG und des § 28a Abs. 4 BbgKWahlG zum Zeitpunkt ihres Erlasses und bis zum Beginn der Einschränkungen aufgrund der Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandiemie steht jedoch nicht zu Überprüfung. Eine gegen die ursprüngliche Regelung gerichtete Verfassungsbeschwerde wäre auch verfristet.
Bezogen auf die konkrete pandemische Situation, die allein geeignet sein könnte, die Rüge des gesetzgeberischen Unterlassens in zulässiger Weise im Rahmen der Verfassungsbeschwerde zu begründen, behauptet der Beschwerdeführer lediglich eine erdrückende Wirkung der 72 für die Kandidatur in K. beizubringenden Unterschriften, ohne sich ausgehend vom brandenburgischen Kommunalwahlrecht näher mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Mehrheitswahl zu befassen. Weder setzt der Beschwerdeführer die Anzahl der erforderlichen Unterschriften ins Verhältnis zur Anzahl der Wahlberechtigten oder der für einen Erfolg der Kandidatur mindestens erforderlichen Stimmen, noch betrachtet er das vom Gesetzgeber damit verfolgte Ziel näher. Er übersieht insbesondere, dass bei der Stichwahl nach § 72 Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 72 Abs. 2 Satz 1 BbgKWahlG ebenfalls das Erringen von mindestens 15% der Stimmen der wahlberechtigten Personen erforderlich ist und durch das Quorum befördert werden soll.
Entsprechende Ausführungen waren in Anbetracht der hierzu bereits ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur schlüssigen Darlegung einer Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze aber erforderlich.
Es ist zu berücksichtigen, dass das Quorum zur Erreichung einer Kandidatur bei einer Mehrheitswahl und nicht bei einer Verhältniswahl - wie etwa der Landtagswahl - in Rede steht und daher die vom Bundesverfassungsgericht als zulässig erachtete Quote von 0,25% der Wahlberechtigten nicht als Obergrenze für solche Quoren im Rahmen der Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister gelten könnte (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 88/20 -, juris; offen lassend BVerfG, Beschluss vom 29. April 1994 ‑ 2 BvR 831/94, 2 BvQ 15/94 -, Rn. 46, juris). Mit der Forderung der Unterstützerunterschriften soll nicht nur sichergestellt werden, dass keine „Spaßbewerbungen“ eingehen, sondern dass möglichst bereits im ersten Wahlgang ein Bewerber die notwendige Mehrheit; jedenfalls aber bei der Stichwahl die Mehrheit und zudem das Quorum von mindestens 15% der Wahlberechtigten erreichen kann (§ 72 Abs. 2 Satz 4 BbgKWahlG). Dabei ist das Verhältnis des geforderten Unterschriftenquorums zur für einen Wahlerfolg erforderlichen Anzahl der Wählerstimmen in den Blick zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls eine Quote von 0,25% im Hinblick auf die von der Partei zu einer Landtagswahl zu erreichende 5%-Hürde als angemessen erachtet, weil diese 1/20 der zur Erreichung der 5%-Hürde erforderlichen Stimmen darstellte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 2021 ‑ 2 BvE 1/21, 2 BvE 3/21 -, Rn. 45, m. w. N., www.bverfg.de, und Urteil vom 6. Februar 1956 ‑ 2 BvH 1/55 -, Rn. 37, juris). Angesichts dessen erscheint bei einer für den Wahlerfolg erforderlichen höheren Stimmenzahl eine über 0,25% der Wahlberechtigten - auch weit - hinausgehende Quote nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. April 1994 ‑ 2 BvR 831/94, 2 BvQ 15/94 -, Rn. 46, juris).
Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde gelegt, wird vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt und liegt auch nicht auf der Hand, dass die seit März 2020 geltenden pandemiebedingten Einschränkungen im Zusammenspiel mit dem bei der vom Beschwerdeführer konkret angegriffenen Wahl in K. geltenden Quorum zu einer erheblichen Erschwerung auch ernsthafter und aussichtsreicher Kandidaturen führen würde und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers von Verfassungs wegen auf die begehrte Abmilderung der Anforderungen an die Unterstützerunterschriften verengt wäre.
Bei 31.499 Wahlberechtigten (vgl. Bekanntmachung der Wahlleiterin der Stadt K. vom 12. März 2021 über die Feststellung des Abstimmungsergebnisses, Amtsblatt für die Stadt K. Nr. 5/2021, S. 24) und 72 Unterstützungsunterschriften beträgt das Quorum etwa 0,23% und damit lediglich etwa 1/65 der für die Wahl zum Bürgermeister mindestens notwendigen Wählerstimmen (15% der Wahlberechtigten). Es ist nicht erkennbar und hätte weiterer Ausführungen bedurft, dass bei der geforderten weiteren Absenkung des Quorums der Zweck, eine Unzahl von Kandidaturen zu verhindern, um zumindest bei der Stichwahl für einen Kandidaten mindestens eine Stimmenanzahl von 15% der wahlberechtigten Personen zu erreichen und damit die Integrationsfunktion der Wahl zu gewährleisten, noch erreicht werden könnte und der Gesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums bei dem Ausgleich der widerstreitenden verfassungsrechtlichen Belange zu Gunsten der Abmilderung der Anforderungen an die Quote zu entscheiden. Dies liegt nicht auf der Hand. So ist das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 13. April 2021 (a. a. O.) davon ausgegangen, dass bei einem Quorum von 0,1% zum Zwecke des Erreichens der 5%-Hürde und damit bei 1/50 der für den Wahlerfolg erforderlichen Stimmen auch unter den Bedingungen der Pandemie die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen nicht ohne Weiteres überschritten ist. Es erscheint auch nicht nahe liegend, dass derjenige, der unter den veränderten tatsächlichen Bedingungen die Anzahl der Unterstützungsunterschriften nicht erreicht hat, letztlich bei der Wahl Aussichten hat, die erforderliche Mehrheit erringen zu können.
Soweit die Quote in kleineren Gemeinden - bei der kleinsten amtsfreien Gemeinde Uckerland mit einer Einwohnerzahl von 2.584 (Stand: 31.01.2021, https://www.uckerland.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=130970) ergibt sich bei 32 zu leistenden Unterstützerunterschriften und 2.259 Wahlberechtigten (Stand: 26. Mai 2019; https://www.wahlergebnisse.brandenburg.de/wahlen/KO2019/tabelleLandkreis.html#73579579) ein Quorum von 1,42% - einen höheren Wert erreichen könnte, dürfte zu beachten sein, dass dort die Gewinnung von Unterschriften aufgrund der besser überschaubaren Verhältnisse und des in der Regel eher vorhandenen persönlichen Kontakts auch einfacher und damit eher zumutbar sein kann als unter den Bedingungen der Großstadt-Anonymität (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 7. Juli 2020 ‑ 88/20 -, Rn. 85, juris). Auch hierzu verhält sich die Verfassungsbeschwerde nicht.
3. Offen bleiben kann, ob die Verfassungsbeschwerde auch daran scheitert, dass der Wahltermin vom 4. Juli 2021 bereits verstrichen ist und - wie der Beschwerdeführer selbst ausführt - die zum Zeitpunkt der Vorbereitung seiner Kandidatur geltenden Einschränkungen aus der „Bundesnotbremse“ derzeit nicht mehr bestehen.
Insoweit könnte eine Erledigung durch Zeitablauf bzw. durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sein und dem Beschwerdeführer nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis für den mit seiner Verfassungsbeschwerde verfolgten Antrag fehlen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gegen legislatives Unterlassen gerichtete Verfassungsbeschwerde eine Normerlassklage darstellt (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 90 Rn. 227). Von den Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 21. Juni 2021 ausgehend, liegen nach seiner Auffassung keine Umstände mehr vor, die eine Abänderung des Unterschriftenquorums hinsichtlich der Höhe bzw. der Formvorschriften in dem begehrten Maße noch erfordern würden. Für die Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erlass bzw. Abänderung eines Gesetzes müssen jedoch die Voraussetzungen noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichts vorliegen. Das wäre nicht mehr der Fall.
Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichts noch ein Bedürfnis für die Aufhebung des angegriffenen Hoheitsakts oder wenigstens für die Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit besteht (vgl. Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, BVerfGG § 90 Rn. 331, beck-online). Ob bei dem Beschwerdeführer - etwa im Sinne eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses - noch ein Rechtsschutzbedürfnis auf nachträgliche Feststellung der Verpflichtung des Gesetzgebers zur Abänderung des Unterschriftenquorums im begehrten Maße zum Zeitpunkt der Vorbereitung der Kandidatur des Beschwerdeführers zur Bürgermeisterwahl in K. besteht, unterliegt erheblichen Zweifeln, da der Beschwerdeführer ein solches Ziel nicht verfolgt. Er begehrt zuletzt im Sinne der Gleichbehandlung mit Kandidaten späterer Kommunalwahlen gleichsam rückwirkend eine Abänderung der kommunalwahlrechtlichen Vorschriften.
4. Soweit der Beschwerdeführer verlangt, mit anderen Direktkandidaten, die von einer Halbierung der Anzahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften durch das derzeit in der parlamentarischen Beratung befindliche Fünfte Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes profitieren würden, gleichbehandelt zu werden, zumal sein Verfahren ursächlich für die gesetzgeberische Aktivität sei, richtet sich dieses Begehren für die bereits entsprechend den gesetzlich geregelten Zeitvorgaben stattgefundene Wahl auf etwas gesetzestechnisch Unmögliches. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer auch bei der von ihm „wenigstens“ geforderten Gleichbehandlung und damit einer Halbierung der Anzahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften nicht zur Wahl zugelassen worden wäre. Er hat mit 29 Unterschriften nicht die Hälfte der erforderlichen 72 Unterstützungsunterschriften erreicht.
C.
Das Landesverfassungsgericht entscheidet das Organstreitverfahren ohne mündliche Verhandlung, da das Gericht sie einstimmig für nicht erforderlich gehalten hat, § 22 Abs. 1 VerfGGBbg.
D.
Der Antrag der Antragstellerin, im Organstreitverfahren (Art. 113 Nr. 1 LV, § 12 Nr. 1 VerfGGBbg)
festzustellen, dass der Antragsgegner die Antragstellerin in ihrem Recht auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 Verfassung des Landes Brandenburg, Recht zur Teilnahme an Wahlen aus Art. 22 Verfassung des Landes Brandenburg und in ihrem Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland dadurch verletzt, dass er es unterlassen hat, das Formerfordernis nach § 28a Abs. 4 und das Unterschriftenerfordernis des § 70 Abs. 5 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg an die anhaltende Sars-CoV-2-Pandemie anzupassen,
ist gemäß § 21 Satz 1 VerfGGBbg als unzulässig zu verwerfen. Er ist bereits verfristet.
1. Das Verfassungsgericht entscheidet im Organstreitverfahren gemäß Art. 113 Nr. 1 LV, § 12 Nr. 1 VerfGGBbg über die Auslegung der Verfassung des Landes Brandenburg aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch diese Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtags oder der Regierung mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Der Antrag ist gemäß § 36 Abs. 1 VerfGGBbg nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.
Grundsätzlich kann eine politische Partei die Verletzung ihres Statusrechts auf gleichberechtigte, chancengleiche Teilhabe am politischen Wettbewerb aus Art. 20 Abs. 3 Satz 2 LV und aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG, der als ungeschriebener Bestandteil der Landesverfassung gilt, durch ein anderes Verfassungsorgan - hier den Landtag Brandenburg - im Wege des Organstreits rügen (vgl. Urteil vom 23. Oktober 2020 ‑ VfGBBg 9/19 - , Rn. 75, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).
2. Der Antrag im Organstreitverfahren muss gemäß § 36 Abs. 3 VerfGGBbg binnen sechs Monaten, nachdem dem Antragsteller die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung bekanntgeworden ist, gestellt werden. Diese Frist ist eine gesetzliche Ausschlussfrist (vgl. Beschluss vom 21. September 2019 ‑ VfGBbg 58/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Sie wurde von der Antragstellerin nicht eingehalten.
Mit der Ausschlussfrist sollen im Organstreitverfahren angreifbare Rechtsverletzungen nach einer bestimmten Zeit im Interesse der Rechtssicherheit außer Streit gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1995 ‑ 2 BvE 6/94, 2 BvE 7/94 -, Rn. 31, www.bverfg.de). Dies rechtfertigt eine Befristung für die Einleitung eines Organstreits auch dann, wenn Angriffsziel ein Unterlassen des Antragsgegners ist, das über eine gewisse Zeit fortbesteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1995 ‑ 2 BvE 6/94, 2 BvE 7/94 -, Rn. 31, www.bverfg.de).
Um die für die Rechtssicherheit gebotene Ausschlussfrist für das Organstreitverfahren bei fortdauerndem Unterlassen nicht zu unterlaufen, dürfen die Umstände, aus denen sich das Unterlassen beziehungsweise die Verpflichtung zum Handeln ergeben, dem Antragsteller erst innerhalb der Frist von sechs Monaten vor der Antragstellung bekannt geworden sein (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 21. September 1995 - 37/95 u. a. -, Rn. 32, juris).
An Kenntnis welcher Umstände bei fortdauerndem Unterlassen konkret für den Beginn des Fristlaufs anzuknüpfen ist, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1995 ‑ 2 BvE 6/94, 2 BvE 7/94 -, Rn. 31, www.bverfg.de). Die Frist wird spätestens dadurch in Lauf gesetzt, dass sich der Antragsgegner erkennbar eindeutig weigert, in der Weise tätig zu werden, die der Antragsteller zur Wahrung der Rechte aus seinem verfassungsrechtlichen Status für erforderlich hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1995 ‑ 2 BvE 6/94, 2 BvE 7/94 -, Rn. 31, m. w. N., www.bverfg.de). Diese Weigerung kann sich durch den Erlass eines Gesetzes manifestieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1995 - 2 BvE 6/94, 2 BvE 7/94 -, Rn. 27 und Rn. 32, www.bverfg.de).
So liegt es hier. Dass der Gesetzgeber das Brandenburgische Kommunalwahlgesetz inhaltlich nicht auf die erschwerenden Bedingungen während der SARS-CoV-2-Pandemie anpassen wollte, musste der Antragstellerin mit der Verkündung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen kommunalen Notlagegesetzes im Gesetzblatt- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg, Teil I - Gesetze, vom 25. September 2020 (GVBl. I Nr. 27) bekannt geworden sein.
Zu diesem Zeitpunkt konnte die Antragstellerin ersehen, dass der Gesetzgeber - nachdem er mit dem ursprünglichen Gesetz in einer Art Eilentscheidung zunächst nur eine Verschiebung am 15. April 2020 bereits festgelegter Wahlen um wenige Monate (bis zum 30. September 2020) ermöglicht und der Verordnungsgeber es bereits mit der (Ersten) Verordnung zur Änderung der Brandenburgischen kommunalen Notlagenverordnung vom 19. Juni 2020 (GVBl. II Nr. 53) sogar bei einer Verschiebung lediglich bis zum 30. Juni 2020 belassen hatte - nicht beabsichtigte, über eine kurzfristige Verschiebung bereits angesetzter Wahlen hinaus das Brandenburgische Kommunalwahlgesetz inhaltlich auf die erschwerenden Bedingungen während der SARS-CoV-2-Pandemie anzupassen.
Die Frist des § 36 Abs. 3 VerfGGBbg lief daher spätestens mit Ablauf des 25. März 2021 ab. Der Antrag im Organstreitverfahren wurde erst nach Ablauf der Ausschlussfrist am 26. April 2021 gestellt.
Die sogenannte Bundesnotbremse ist nicht geeignet, einen erneuten Beginn der Frist für ein Organstreitverfahren auszulösen, denn dadurch hat sich keine wesentlich andere und neuartige Situation ergeben, die den Gesetzgeber zu einer erneuten Prüfung hätte zwingen müssen. Vielmehr beinhaltet § 28b Abs. 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in der Fassung des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (BGBl. I S. 802) - umgangssprachlich bezeichnet als „Bundesnotbremse“ - diesbezüglich sogar eher Erleichterungen, indem Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG von den Beschränkungen des Gesetzes ausgenommen worden sind. Das Gesetz galt zudem gemäß § 28a Abs. 10 IfSG nur bis zum Ablauf des 30. Juni 2021.
3. Die Frage, ob die Antragstellerin antragsbefugt ist und ein Rechtsschutzbedürfnis an der Führung des Organstreitverfahrens hat, kann daher offen bleiben. Insoweit bestehen erhebliche Bedenken, weil sie nach der Begründung ihres Antrags ausschließlich eine Verletzung ihrer organschaftlichen Rechte im Zusammenhang mit der anstehenden Bürgermeisterwahl in K. und der Beibehaltung des dafür erforderlichen Unterschriftenquorums rügt, zu dieser Wahl aber einen eigenen Kandidaten nicht aufgestellt hat. Auch mit der weiteren Begründung des Organstreits im Schriftsatz vom 18. Juni 2021 trägt die Antragstellerin nicht vor, an welchen Wahlen sie in nächster Zeit mit der Aufstellung eines eigenen Kandidaten teilzunehmen gedenkt.
E.
1. Die Auslagen des Beschwerdeführers sind nach § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg nicht zu erstatten.
2. Die Erstattung der notwendigen Auslagen der Antragstellerin war ebenfalls nicht anzuordnen.
Für eine Auslagenerstattung im Organstreitverfahren sind im Sinne des § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 32 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg) und des fehlenden Anwaltszwangs nur ausnahmsweise in Betracht kommende und vom Obsiegen oder Unterliegen unabhängige besondere Billigkeitsgründe erforderlich (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 23. Oktober 2020 - VfGBbg 9/19 -, Rn. 191, m. w. N., und vom 16. November 2000 - VfGBbg 31/00 -, m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Besondere Billigkeitsgründe liegen insbesondere vor, wenn das Verfahren zur Klärung einer grundsätzlichen, über den konkreten Anlass hinausgehenden verfassungsrechtlichen Frage beigetragen hat (vgl. Urteil vom 23. Oktober 2020 - VfGBbg 9/19 -, Rn. 191, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 20. Mai 1997 ‑ 2 BvH 1/95 -, m. w. N., BVerfGE 96, 66, 67, www.bverfg.de).
Das ist hier nicht der Fall, da der Organstreit bereits wegen Verfristung unzulässig war. Andere besondere Gründe, die eine Auslagenerstattung ausnahmsweise geboten erscheinen lassen, liegen nicht vor.
F.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers und der Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 6. Mai 2021 beantragt, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen.
1. Für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde ist der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 und § 14 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entsprechend der ständigen Praxis des Gerichts für erfolgreiche Verfahren der Individualverfassungsbeschwerde auf 10.000,00 Euro festzusetzen.
2. Für das Organstreitverfahren wird der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 und § 14 Abs. 1 (RVG) ebenfalls auf 10.000,00 Euro festgesetzt, da hier für die Verfassungsbeschwerde und den Organstreit ein einheitlicher bestimmender Schriftsatz gefertigt wurde.
G.
Der Beschluss ist bezüglich der Verfassungsbeschwerde mit 5 zu 4 Stimmen und im Übrigen einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller |
Dresen |
|
Dr. Finck |
Heinrich-Reichow |
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Kirbach |
Müller |
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Richter |
Sokoll |
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Dr. Strauß |
|
Sondervotum der Verfassungsrichter Dresen, Dr. Finck, Müller, Dr. Strauß zur Entscheidung vom 17. September 2021 ‑ VfGBbg 22/21 ‑ Verwerfung der Verfassungsbeschwerde
Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde:
Die Mehrheit stellt zu hohe Anforderungen an den Sachvortrag des Beschwerdeführers. Die Verwerfung der Verfassungsbeschwerde als unzulässig ist nicht angebracht. Da die Frage nach den Zugangsvoraussetzungen zur Verfassungsgerichtsbarkeit allgemeine Bedeutung besitzt, ist eine nähere Betrachtung angezeigt.
Nach ständiger Rechtsprechung definieren sich die Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde wie folgt: „Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt.
Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Es obliegt dem Beschwerdeführer dabei auch, dem Verfassungsgericht alle Gesichtspunkte zu unterbreiten, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde maßgeblich sind“ (vgl. etwa Beschluss vom 20. Mai 2021 ‑ VfGBbg 61/19 –m. w. N.).
Dabei darf der Beschwerdeführer nicht vor unüberwindbare Hürden gestellt werden. Dies gilt auch für anwaltlich vertretene Parteien. Es muss lediglich die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung dargelegt werden. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung soll es dem Landesverfassungsgericht ermöglichen, ohne zusätzliche Ermittlungen in der Sache zu entscheiden. Es muss also eine zuverlässige Grundlage für die weitere Behandlung des Begehrens bestehen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Februar 1999 – 1 BvR 1840/98 –, juris, Rn. 7). Eine andere Lesart würde dazu führen, dass nur begründete Verfassungsbeschwerden zulässig sein können.
Dies zugrunde gelegt, ist die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers als zulässig zu betrachten.
Im Einzelnen:
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist gesetzgeberisches Unterlassen. Damit dieses möglicherweise eine Grundrechtsverletzung darstellen kann, muss eine Handlungspflicht des Gesetzgebers bestanden haben. Auf diesen Zusammenhang erstreckt sich die Darlegungslast des Beschwerdeführers. Sein Vortrag erfüllt diese Anforderung.
a)
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Rechts auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 Abs. 1 LV sowie des in Art. 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 LV verbürgten passiven Wahlrechts geltend. Er legt dar, dass er in seinem Bestreben, für eine Bürgermeisterwahl zu kandidieren, Inhaber dieser Rechte ist.
Als Nicht-Mitglied der Stadtverordnetenversammlung ist der Beschwerdeführer gemäß §§ 28a, 70 BbgKWahlG verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von amtlich beglaubigten Unterschriften beizubringen, um als Kandidat für das Bürgermeisteramt zugelassen zu werden. Seiner Auffassung nach hätte es der Gesetzgeber angesichts der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen nicht bei dem geltenden Unterschriftenerfordernis belassen dürfen. Er geht davon aus, dass eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers bestand (vgl. Antragsschrift S. 6).
In der Sache trägt er vor, dass die Kombination von einschränkenden Regeln für das soziale Miteinander zu vielfältigen Behinderungen bei der politischen Aktivität von Einzelkandidaten führe. Die Kontaktbeschränkungen wirkten sich direkt auf Unterschriftensammlungen aus, die nach §§ 28a, 70 BbgKWahlG nur mit persönlichem Kontakt zu Dritten (Wahlbehörde, Notar) zustande kommen können (vgl. Antragsschrift S. 6 unten).
Die Mehrheit verkennt, dass die Beschränkungen der Kontaktpflege während der Pandemie massiv waren/sind und als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden können. Es scheint realitätsfern zu verlangen, der Beschwerdeführer hätte genauer ausführen müssen, warum und wie genau er seine politische Aktivität nicht in vollem Umfang entfalten konnte. Es versteht sich von selbst, dass viele Menschen im relevanten Zeitraum nicht zu persönlichen Gesprächen oder dem Aufsuchen von Wahlveranstaltungen bereit waren. Besonders schwer wiegt die Tatsache, dass die Unterschriften amtlich beglaubigt werden müssen. Speziell für Angehörige einer Risikogruppe - zum relevanten Zeitpunkt mit niedriger Impfquote – bestehen erhebliche Hemmschwellen bei der Teilnahme an Präsenzveranstaltungen jeglicher Art. Der Beschwerdeführer beschreibt diese Situation ausreichend konkret.
b)
Ferner zeigt er die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in rechtlicher Hinsicht auf.
aa)
Die Mehrheit geht unzutreffend davon aus, der Beschwerdeführer hätte sich vertieft mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Recht auf passive Wahlgleichheit auch für die Direktwahl eines Bürgermeisters gilt.
Diese Frage ist umstritten, weil die Landesverfassung ausdrücklich nur die Geltung der Wahlgleichheit für Wahlen „in Vertretungskörperschaften“ erwähnt, wozu die Direktwahl eines Bürgermeisters nach h. M. nicht zu zählen ist (vgl. z. B. für die inhaltsähnliche Vorschrift in Art. 8 Abs. 1 LVerf- LSA Sachsen Anhalt: LVerfG S-A, Urteil vom 27. März 2001 – LVG 1/01 –, Rn. 24, juris m. w. N.).
Gleichwohl gelten die Wahlgrundsätze der freien, geheimen, gleichen und allgemeinen Wahl wegen des Demokratieprinzips auch für Volkswahlen in staatliche und kommunale Ämter, die nicht durch die Landesverfassung selbst, sondern – wie hier – durch einfaches Gesetz geregelt sind. In der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung werden insoweit bereits wegen des Homogenitätsgebots des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG aus dem Demokratieprinzip die Wahlgrundsätze für sonstige demokratische Wahlen politischer Art hergeleitet, für die das Land die Regelungskompetenz hat (HambVfG, Urteil vom 6. November 1998 ‑ HVerfG 1/98 ‑, LVerfGE 9, 157, 161; Urteil vom 3. April 1998 ‑ HVerfG 2/97 ‑, LVerfGE 8, 227, 238; LVerfG S-A, Urteil vom 27. März 2001 – LVG 1/01 –, LVerfGE 12, 371). Für das Land Brandenburg gilt nichts anderes.
Die über das Demokratieprinzip verbürgte passive Wahlgleichheit bei der Direktwahl zum Bürgermeister einer Gemeinde strahlt mithin auf das in Art 21 Abs. 1, 2 LV verbürgte Recht auf politische Mitgestaltung aus, so dass sich der Beschwerdeführer zu Recht darauf berufen kann.
Die dogmatische Herleitung dieses Ergebnisses kann und muss nicht Gegenstand eines Vortrags zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde sein. Der Beschwerdeführer durfte in diesem Rahmen zutreffend davon ausgehen, dass er sich als Kandidat für die Bürgermeisterwahl auf die Wahlgleichheit berufen kann.
bb)
Die Mehrheit kommt zum Ergebnis, der Beschwerdeführer habe darüber hinaus nicht ausreichend dargelegt, dass sich wahlrechtliche Schutz- und Überprüfungspflichten des Gesetzgebers zu einer Handlungspflicht verdichtet hätten (vgl. Rn. 44 ff. des Beschlusses). Insoweit fehle es an ausreichender Darstellung der konkreten Beeinträchtigungen und Erschwernisse bei der Erreichung des Quorums (Rn. 47) sowie an der Auseinandersetzung mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Zulässigkeit und Grenzen wahlrechtlicher Unterschriftenquoren und der Übertragung dieser Maßgaben auf den vorliegenden Fall (vgl. Rn. 52 ff.).
Dieser Maßstab für den Sachvortrag im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ist überzogen.
Es gilt Folgendes:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber verpflichtet, „eine die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat“. Eine einmal als zulässig angesehene Norm des Wahlrechts darf nicht für alle Zeit als verfassungsrechtlich unbedenklich eingeschätzt werden. Eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung kann sich ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Findet der Wahlgesetzgeber in diesem Sinne veränderte Umstände vor, so muss er ihnen Rechnung tragen (BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2014
– 2 BvE 2/13 –, Rn. 56, 57). Diese Grundsätze gelten auch für Unterschriftenquoren (vgl. Wissenschaftliche Dienste des Bundestags, Ausarbeitung 3 - 3000 ‑ 237/20, S. 4 mit Hinweis auf Hahlen, in: Schreiber: Bundeswahlgesetz, 10. Aufl. 2017, § 20 Rn. 8).
Für die Darlegung einer Grundrechtsverletzung reicht es daher, wenn der Beschwerdeführer die Möglichkeit glaubhaft macht, dass die im BbgKWahlG enthaltene Einschränkung seiner Rechte auf politische Mitgestaltung – nämlich das Erfordernis der Beibringung von amtlich beglaubigten Unterschriften als Voraussetzung für eine Kandidatur - aufgrund einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr verfassungsgemäß erscheinen könnte. Schon in diesem Fall bestünde eine gesetzliche Pflicht zur Überprüfung und gegebenenfalls Abänderung der relevanten Normen.
Dem wird der Rügevortrag in Bezug auf die notwendigen Sachentscheidungsvoraussetzungen gerecht. Die Beschwerdeschrift legt dar, dass die Pandemie zu einer planwidrigen Erschwerung des gesetzlich vorgesehenen Sammelns von Unterstützerunterschriften geführt hat. Da Reichweite und Eingriffsqualität der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen allgemein bekannt sind, erscheint dieser Zusammenhang naheliegend. Die politische Aktivität eines potenziellen Kandidaten ist durch Angst vor Infektionen sowie gesetzliche Kontaktbeschränkungen erheblich eingeschränkt. Daraus folgt automatisch eine Vertiefung des Eingriffs in die Wahlgleichheit, welche eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers möglich erscheinen lässt.
Wenn die Mehrheit diesen Vortrag für nicht ausreichend hält, übersieht sie, dass das Werben und Sammeln von Unterstützerunterschriften herkömmlich tatsächlich vorwiegend durch persönliche Kontaktaufnahme geschieht und dies im direkten Widerspruch zu den Regelungen und dem Geist der SARS-CoV-2- Eindämmungsverordnungen steht, die gerade auf Kontaktvermeidung angelegt sind. Es erscheint paradox, wenn die Mehrheit vom Beschwerdeführer verlangt, er hätte vortragen müssen, warum auch Unterschriftenwerbung per Internet, soziale Medien u. ä. möglich sein könnte. Zum Einen entbindet digitale Werbung die Unterstützer nicht von der Verpflichtung, ihre Unterschrift offiziell beglaubigen zu lassen, wozu ein Behördengang erforderlich ist. Zum Anderen hängt es von der Zielgruppe eines Kandidaten ab, zum Beispiel auch von der Alterskohorte, ob Ansprechbarkeit in den sozialen Medien besteht oder nicht. Letztendlich und vor allem kann es dem Beschwerdeführer nicht auferlegt werden, zum Überschreiten der Zulässigkeitshürde seiner Verfassungsbeschwerde vorzutragen, was er alles nicht getan oder versucht hat, um Unterstützer zu werben. Entscheidend ist, dass sich bei lebensnaher Betrachtung die tatsächlichen Voraussetzungen einer Unterschriftenwerbung durch die Pandemie sowie durch die Pandemiebekämpfungsmaßnahmen erheblich verändert haben. Der politische Aktionsradius von potenziellen Kandidaten ist deutlich verringert.
Dies zutreffend vorausgesetzt, scheint die Verletzung der Rechtspositionen des Beschwerdeführers aus Art. 21 Abs. 1 LV und Art. 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 LV durchaus möglich, weshalb die Verfassungsbeschwerde als zulässig anzusehen ist. Ob tatsächlich gegen eine Nachbesserungspflicht verstoßen wurde, ist eine Frage der Begründetheit.
Zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.
Es kommt nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer einen konkreten Anspruch auf Einführung eines bestimmten - geringeren - Unterschriftenquorums geltend machen kann.
Entscheidungserheblich ist auch nicht, ob und welche Chancen er besaß, tatsächlich zu kandidieren bzw. zum Bürgermeister gewählt zu werden.
Nach einzig zutreffender Betrachtungsweise handelt es sich bei §§ 28a, 70 BbgKWahlG um eine wahlrechtliche Regelung, die per se einen (ursprünglich gerechtfertigten) Eingriff in die Wahlgleichheit sowie in das Recht auf politische Mitgestaltung darstellt. Die Rechtfertigung dieses Eingriffs ergibt sich aus einem ebenfalls wahlrechtlich relevanten Ziel, nämlich der Beschränkung von Kandidaturen auf ernsthafte Bewerber, um damit das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und der Gefahr einer Stimmenzersplitterung vorzubeugen (st. Rspr., vgl. aus der jüngsten Zeit VerfGH Berlin, Beschluss vom 17. März 2021 – 4/21 , juris –, Rn. 31 m. w. N.). Um den Eingriff nicht unverhältnismäßig zu machen, darf das Unterschriftenerfordernis der Wählerentscheidung möglichst wenig vorgreifen und nicht so hoch sein, dass einem neuen Bewerber die Teilnahme an der Wahl praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 17. März 2021 – 4/21 , juris –, Rn. 31 m. w. N.; VerfGH Baden- Württemberg, Urteil vom 9. November 2020 – 1 GR 101/20 -, juris Rn. 54).
Bei einer Änderung der zugrunde liegenden Umstände besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Verpflichtung des Gesetzgebers, eine die Wahlgleichheit berührende Norm (hier §§ 28a, 70 BbgKWahlG) zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm kann durch neue Entwicklungen in Frage gestellt werden, etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen, oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat. Eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung kann sich also ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich anders darstellen. Findet der Wahlgesetzgeber in diesem Sinne veränderte Umstände vor, so muss er ihnen Rechnung tragen (BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2014
– 2 BvE 2/13 –, Rn. 56, 57).
Der Antrag des Beschwerdeführers richtet sich nicht auf die verfassungsgerichtliche Festsetzung eines bestimmten Unterschriftenquorums - eine solche Entscheidung wäre dem Verfassungsgericht in der Tat verwehrt, da der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens zu respektieren ist. Vielmehr begehrt der Beschwerdeführer die Feststellung von rechtsverletzendem Unterlassen. Dieser Antrag dringt durch.
Als potenzieller Kandidat für eine Bürgermeisterwahl ist der Beschwerdeführer Inhaber der subjektiven Rechtspositionen auf politische Mitgestaltung nach Art. 21 Abs. 1, 2 LV in Verbindung mit dem Demokratieprinzip. Ebenfalls kann er sich auf den Grundsatz der passiven Wahlgleichheit aus Art. 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 LV berufen (a). Aus den massiv geänderten tatsächlichen Bedingungen während der Corona-Pandemie folgt eine gesetzgeberische Handlungspflicht (b). Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht erledigt (c).
a)
Beim Zugang zum öffentlichen Amt des Bürgermeisters ist Art. 21 Abs. 2 LV zwar wegen der Direktwahl durch das Volk nach ganz überwiegender Ansicht nicht unmittelbar anwendbar (vgl. z. B. für die inhaltsähnliche Vorschrift in Art. 8 Abs. 1
LVerf-LSA Sachsen Anhalt: LVerfG S-A, Urteil vom 27. März 2001 – LVG 1/01 –, Rn. 24, juris m.w.N.).
Gleichwohl gelten die Wahlgrundsätze auch für die Direktwahl eines Bürgermeisters. In der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung werden, wie bereits ausgeführt, insoweit wegen des Homogenitätsgebots des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG aus dem Demokratieprinzip die Wahlgrundsätze für sonstige demokratische Wahlen politischer Art hergeleitet, für die das Land die Regelungskompetenz besitzt (HambVfG, Urteil vom 6. November 1998 - HVerfG 1/98 - , LVerfGE 9, 157, 161; Urteil vom 3. April 1998 ‑ HVerfG 2/97 - , LVerfGE 8, 227, 238; LVerfG S-A, Urteil vom 27. März 2001
– LVG 1/01 –, LVerfGE 12, 371).
Das Erfordernis einer bestimmten Unterschriftenzahl gilt vorliegend nur für Kandidaten, die nicht Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung der amtsfreien Gemeinde sind, für die sie kandidieren möchten. Erreicht ein solcher Kandidat die geforderte Anzahl der Unterschriften nicht, ist er von der Wahl ausgeschlossen. Hierin liegt eine Verkürzung der Freiheit zur politischen Mitgestaltung sowie eine wahlrechtliche Ungleichbehandlung, weshalb die genannten Rechtspositionen des Beschwerdeführers betroffen sind.
b)
Die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen mit weitgehender Veränderung der (politischen) Kommunikation im öffentlichen Raum stellen ohne Zweifel eine wesentliche Veränderung jener tatsächlichen Ausgangslage dar, die der Gesetzgeber beim Erlass der Regelungen zur Beibringung der Unterstützerunterschriften ursprünglich zugrunde gelegt hatte (vgl. für § 20 Abs. 2 Satz 2, § 27 Abs. 1 Satz 2 BWahlG, BVerfG, Beschluss vom 13. April 2021, 2 BvE 1/21, 2 BvE 3/21, juris)
Zutreffend beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass das Werben um Unterschriften in besonderer Weise auf persönlichen Kontakten zu aufgeschlossenen Personen basiert. Gerade Einzelbewerber sind auf persönlichem Kontakte mit aufgeschlossenen Personen angewiesen. Dies gilt in gesteigerter Form, wenn es darum geht, wahlberechtigte Bürger dazu zu bewegen, zugunsten des jeweiligen Einzelkandidaten ein amtliches Formular in der Wahlbehörde, bei einem Notar oder einer anderen zur Beglaubigung bestellten Stelle von Hand auszufüllen und zu unterschreiben.
Weiterhin weist der Beschwerdeführer zu Recht darauf hin, dass die Abstandsregel spontane Gesprächsaufnahmen zusätzlich erschwert. Die Zusendung eines Formblatts an Mitglieder und Sympathisanten mit der Bitte um Rücksendung nach dem Ausfüllen (also eine Art “Briefwahl”) ist landesgesetzlich verwehrt. Auch liegt auf der Hand, dass der Zugang zu älteren Menschen wegen der Gesundheitsrisiken wesentlich erschwert war, zumal zum relevanten Zeitpunkt noch eine niedrige Impfquote in den Risikogruppen vorlag. Ebenso kann eine verringerte Bereitschaft von Wahlhelfern vorausgesetzt werden, unter Pandemiebedingungen an einer Kandidatur mitzuwirken. Schließlich ist es einsichtig, dass persönliche Kontakte nicht selten anlässlich öffentlicher Veranstaltungen entstehen, welche unter Pandemiebedingungen nicht oder nur eingeschränkt stattfinden (vgl. u. a. Seite 5 der Beschwerdeschrift).
Die Pandemie-Lage war von niemandem vorherzusehen und wurde selbstverständlich vom Gesetzgeber bei der Errichtung des Unterschriftenquorums in §§ 28a, 70 BbgKWahlG nicht berücksichtigt. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass eine pandemische Notlage von globaler Tragweite eine Änderung der tatsächlichen Lebensverhältnisse mit sich bringt. Der Zusammenhang mit einer Bürgermeisterkandidatur ergibt sich daraus, dass das Werben und Sammeln von Unterstützerunterschriften vorwiegend durch persönliche Kontaktaufnahme geschieht und dies im direkten Widerspruch zu Inhalt und Geist der SARS-CoV-2- Eindämmungsverordnungen steht, welche gerade auf Kontaktvermeidung angelegt sind.
Wie oben dargestellt, ergibt sich nach bundesverfassungsrechtlicher Rechtsprechung aus einer solchen schwerwiegenden Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Pflicht des Gesetzgebers zur Überprüfung von Normen, die in wahlrechtliche Rechtspositionen von Einzelnen eingreifen. Dieser Prüfpflicht ist der Landesgesetzgeber nicht nachgekommen.
Mit dem Gesetz zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der brandenburgischen Kommunen in außergewöhnlicher Notlage (Brandenburgisches kommunales Notlagegesetz – BbgKomNotG) wurden Regelungen getroffen, die dem Funktionieren der Kommunalverwaltung unter Pandemiebedingungen Rechnung tragen sollen. In diesem Gesetz sind auch wahlrechtlich relevante Vorschriften enthalten, indem z.B. bereits festgesetzte kommunale Wahlen und Bürgerentscheide während der Pandemie durch Verordnung verlegt werden können (§ 2 Abs. 3 Nr. 5 BbgKomNotG). Dieses Gesetz wurde am 15. April 2020 erlassen und am 25. September 2020 neu gefasst. In beiden Versionen sind keine Regelungen enthalten, die sich auf pandemiebedingte Erschwernisse von Kandidaturen beziehen, die bei Wahlen entstehen, die trotz der allgemeinen Notlage durchgeführt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Fall einer Bürgermeisterwahl, die trotz der pandemischen Situation durchgeführt wird, schlichtweg nicht bedacht hat. Damit ist der Landesgesetzgeber seiner Überprüfungspflicht nicht gerecht geworden.
Das Unterlassen einer Anpassung der Regelungen des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes hinsichtlich des Wahlvorschlags eines Einzelkandidaten für die direkte Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister führt zu einer subjektiven Verletzung des Rechts auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 Abs. 2 LV in Verbindung mit dem Demokratieprinzip. Der Gesetzgeber war verpflichtet, § 28a Abs. 4 sowie § 70 Abs. 5 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg zu überprüfen, gegebenenfalls zu ändern oder eine Übergangsvorschrift zu schaffen, um die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm trotz der neuen Situation zu erhalten.
Der trotz der Nachbesserungspflicht bestehende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verengt sich hierbei nicht auf ein bestimmtes Handeln. Inhaltlich ist der Gesetzgeber frei, die Vorbereitung der Wahlen entsprechend auszugestalten. Es spricht allerdings manches dafür, das Quorum für Unterstützerunterschriften unter Pandemiebedingungen herabzusetzen (vgl. zum Ganzen auch VerfGH Berlin, Beschluss vom 17. März 2021 – 4/21 –, juris: für Pandemiebedingungen Herabsetzung des Unterschriftenquorums für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus auf maximal 20 bis 30 Prozent) oder aber die Beibringungserfordernisse für Unterstützerunterschriften zu verändern. Feststeht, dass legislatives Nichtstun den verfassungsrechtlichen Anforderungen an dieser Stelle nicht gerecht wurde und der Beschwerdeführer dementsprechend eine nicht gerechtfertigte Verkürzung seiner Wahlgrundrechte erlitt.
c.)
Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ist die Verfassungsbeschwerde auch nicht erledigt. Dass die betreffende Bürgermeisterwahl inzwischen durchgeführt wurde, spielt hierbei ebenso wenig eine Rolle wie der Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Fünften Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes vom 9. Juni 2021 (Drs. 7/3750), wonach die Unterschriftenquoren für die bis Ende März 2022 anstehenden Direktwahlen der Bürgermeister, Landräte sowie Ortsvorsteher um die Hälfte abgesenkt werden sollen.
Potsdam, 5/10/2021
Dresen |
Dr. Finck |
Müller |
Dr. Strauß
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