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VerfGBbg, Beschluss vom 16. November 2000 - VfGBbg 31/00 -

 

Verfahrensart: Organstreit
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 56 Abs. 2 Satz 2; LV, Art. 56 Abs. 2 Satz 1
Schlagworte: - Parlamentsrecht
- Abgeordneter
- Fragerecht
- Auslagenerstattung
- Tenor
nichtamtlicher Leitsatz: 1. Zur Pflicht der Landesregierung zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen "nach bestem Wissen und vollständig".

2. Nach der Verfassungsrechtslage im Land Brandenburg unterliegen Art und Umfang der Beantwortung parlamentarischer Anfragen durch die Landesregierung in vollem Umfang der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung.
Fundstellen: - DVBl 2001, 231 (nur LS)
- DÖV 2001, 164
- LKV 2001, 167
- LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 183
- LVerfGE 11, 166 (gekürzt)
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16. November 2000 - VfGBbg 31/00 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 31/00



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

des Mitglieds des Landtags Brandenburg
Frau Dr. Esther Schröder,
Landtag Brandenburg,
Am Havelblick 8, 14473 Potsdam,

Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,

g e g e n

die Regierung des Landes Brandenburg,
vertreten durch den Minister der Justiz
und für Europaangelegenheiten,
Heinrich-Mann-Allee 107, 14460 Potsdam,

Antragsgegnerin,

betreffend die Beantwortung parlamentarischer Anfragen gemäß Art. 56 Abs. 2 Landesverfassung,

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will

am 16. November 2000

b e s c h l o s s e n:

1. Es wird festgestellt, daß die Antragsgegnerin

a) mit ihrer Antwort vom 4. Mai 2000 auf die Kleine Anfrage Nr. 359 der Antragstellerin vom 31. März 2000

sowie

b) mit ihrer Antwort in der 15. Sitzung des Landtages vom 17. Mai 2000 auf die Mündliche Anfrage Nr. 237 der Antragstellerin gegen Art. 56 Abs. 2 Satz 2 der Landesverfassung verstoßen hat.

2. Auslagen sind der Antragstellerin nicht zu erstatten.

G r ü n d e:

A.

Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Frage, ob die Landesregierung das Recht einer Abgeordneten auf ordnungsgemäße Beantwortung einer Kleinen und einer Mündlichen Anfrage verletzt hat.

I.

Die Antragstellerin ist seit Beginn der 3. Wahlperiode im September 1999 Mitglied des Landtags Brandenburg. Mit der Kleinen Anfrage Nr. 359 (Landtagsdrucksache 3/854 vom 31. März 2000) richtete sie die folgenden Fragen an die Landesregierung:

“1. Wie viele Angestellte und wie viele Beamte der Ministerien des Landes Brandenburg stammen (bezogen auf den Wohnsitz vor dem Jahr 1989) jeweils aus den alten und wie viele jeweils aus den neuen Bundesländern?
2. Wie sieht die Personalstruktur hinsichtlich der Herkunft (im Sinne der Frage 1) und aufgeschlüsselt nach Ministerium und Personalebenen entsprechend folgender Tabellenvorgabe aus:

Ministerium für ...

Personalebene

Anzahl der Person(en) aus den alten Bundesländern

Anzahl der Personen aus den neuen Bundesländern

Minister

StaatssekretärIn

AbteilungsleiterInnen

ReferatsleiterInnen

Sonstige MitarbeiterInnen

(...)

4. Welche Gehaltsstaffelung ergibt sich gegenwärtig detailliert in den Personalebenen des jeweiligen Ministeriums in Bezug auf die Bezahlung nach BAT-Ost und BAT-West entsprechend folgender Tabellenvorgabe?

Ministerium für ...

Personalebene

Anzahl der Person(en), die nach BAT-West bezahlt werden

Anzahl der Personen, die nach BAT-Ost bezahlt werden

Minister

Staatssekretärin

Abteilungsleiterinnen

Referatsleiternnen

Sonstige Mitarbeiterinnen

Namens der Landesregierung beantwortete die Ministerin der Finanzen die Kleine Anfrage am 4. Mai 2000 (Landtagsdrucksache 3/1053 vom 9. Mai 2000) wie folgt:

“Zu den Fragen 1, 2 und 4:

Die Landesregierung verweist auf die Antworten zu den Anfragen 1592 (LT DS 2/5126), 1847 (LT DS 2/5967) und 1903 (LT DS 2/6224).

Die Anfrage beinhaltet im Vergleich zu den bereits zur gleichen Thematik beantworteten Kleinen Anfragen von Mitgliedern der PDS-Landtagsfraktion aus den Jahren 1998/99 nuanciert andere Fragestellungen. Eine detaillierte Beantwortung würde erneute Ressortumfragen erforderlich machen.

Diesen Aufwand hält die Landesregierung nicht für angebracht; im zehnten Jahr der deutschen Einheit sollte die biografische Herkunft der Beschäftigten in den Ministerien keine Rolle mehr spielen.

So werden Neueinstellungen grundsätzlich nach fachlicher Eignung, Befähigung und Leistung vorgenommen. Die Frage des Wohnsitzes vor 1989 ist dabei unerheblich. Im Ergebnis werden daher Bewerber aus allen Bundesländern und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingestellt.”

In der Sitzung des Landtages vom 17. Mai 2000 richtete die Antragstellerin die Mündliche Anfrage Nr. 237 an die Landesregierung. Ausweislich des Protokolls nahm die Antragstellerin auf ihre Kleine Anfrage und die Antwort der Landesregierung Bezug und führte anschließend aus:

“Diese Antwort befriedigt mich in keiner Weise, zumal bekannt ist, dass Brandenburgerinnen und Brandenburger ostdeutscher Herkunft nach wie vor kaum eine Chance haben, in mittlere und leitende Führungspositionen der Landesverwaltung zu gelangen. Zudem gibt es nicht wenige Fälle, wo Bewerber aus den neuen Bundesländern, selbst mit Studienabschlüssen nach 1990, bei Einstellungen in der Landesverwaltung die schlechteren Karten haben.

Ich frage deshalb die Landesregierung nochmals: Wie sieht die Personalstruktur in der Staatskanzlei und den Ministerien hinsichtlich der Herkunft aus den alten bzw. neuen Bundesländern bei Staatssekretären, Abteilungsleitern, Referatsleitern und sonstigen Mitarbeitern aus?”

Für die Landesregierung beantwortete der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Speer, die Mündliche Anfrage in der Landtagssitzung wie folgt (Protokoll, S. 745):

“Frau Dr. Schröder, es gibt drei Möglichkeiten, wie man diese Frage beantworten kann.

Die erste wäre formal: ich verweise auf die Antwort der Landesregierung. Es hat sich in der Zeit zwischen der schriftlichen Einreichung der Antwort auf die Anfrage und heute nichts geändert.

Die zweite Möglichkeit - auch formal - wäre zu sagen: Im Rahmen einer Mündlichen Anfrage ist das, was Sie abfragen, überhaupt nicht zu beantworten. Ansonsten wären die 90 Minuten hier ausgeschöpft.

(...) Genau daraufhin haben wir auch im zehnten Jahr geantwortet und - wie Sie richtig zitieren - gesagt: Wir sehen keine Notwendigkeit und halten es auch nicht für sinnvoll, diese Frage immer wieder zu stellen und zu beantworten. Ich frage Sie: Wer ist nach Ihrer Definition ein Landeskind? Ist jemand, der 1990 aus Spandau nach Falkensee gezogen ist und dort seit zehn Jahren bei der Polizei oder im Kommunaldienst arbeitet, aus Ihrer Sicht ein Landeskind oder nicht? Aus meiner Sicht ist er eines, denn er zahlt seine Steuern und dient dem Wohle des Landes. (...) Diese Differenzierung, die Sie anmahnen, bringt uns nicht weiter. Deswegen ist meine Bitte, hier mit Gelassenheit heranzugehen. Ich sage: Das von Ihnen geschilderte Problem wächst sich aus.”

Mit Schreiben vom 30. Mai 2000 forderte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der PDS-Fraktion im Landtag den Ministerpräsidenten mit Verweis auf Art. 56 Abs. 2 LV auf, die Anfrage der Antragstellerin bis zum 15. Juni 2000 nach bestem Wissen und vollständig zu beantworten. Der Chef der Staatskanzlei antwortete hierauf mit Fax vom 14. Juni 2000, daß der Landesregierung kein differenziertes Zahlenmaterial vorliege und dieses nur durch eine vollständige und aufwendige Ressortumfrage gewonnen werden könne. Zudem müßte die Landesregeierung bei der Beantwortung abgrenzbare Kriterien der biografischen Herkunft selbst aufstellen. Nach den vorliegenden Zahlen seien zum 1. April 2000 in der Landesverwaltung 38.899 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, von denen 527 Angestellte und Arbeiter (1,35 %) eine Vergütung im Volumen der Westvergütung erhielten. Von den 33.812 Beamten hätten zum gleichen Zeitpunkt 2617 Beamte (7,74 %) Bezüge auf Westniveau erhalten. In bezug auf die aktuelle Personal- und Gehaltsstruktur in den Ministerien und nachgeordneten Behörden des Landes seien diese Zahlen nur von eingeschränkter Aussagekraft, da von den “West”-bezahlten Landesbediensteten eine Reihe aus den neuen Bundesländern stammten, während eine Vielzahl von aus den alten Bundesländern “stammenden” Beschäftigten nach Osttarif bezahlt werde. Aus sich heraus gäben diese Zahlen keinen hinreichenden Aufschluß darüber, inwieweit der kontinuierliche Rückgang der nach Westtarif Beschäftigten darauf zurückzuführen sei, daß mehr und mehr ehemalige DDR-Bürger - wie es ernsthaftes Ziel der Landesregierung sei - Führungsaufgaben wahrnähmen. Der Kern der Frage der Abgeordneten sei durch bloße statistische Erhebungen schwer zu erreichen. Die Frage, wer ein Brandenburger, ein Landeskind, ein Ossi und ein Wessi sei, sei jedes Jahr, das zu 1990 hinzuaddiert werde, schwieriger zu beantworten. Eine Diskriminierung von Beschäftigten ostdeutscher Biografie finde nicht statt. Genauso sei die Landesregierung verpflichtet, einer Diskriminierung von solchen westdeutscher Biografie entgegenzutreten.

II.

Die Antragstellerin hat sich am 13. Juli 2000 an das Verfassungsgericht gewandt. Sie macht geltend, durch Inhalt, Umfang und Form der Antwort der Antragsgegnerin auf die Kleine Anfrage und die Mündliche Anfrage in ihrem Recht nach Art. 56 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung (LV) auf “nach bestem Wissen” und “vollständig” zu erteilende Antwort verletzt zu sein. Es sei Aufgabe der/des Abgeordneten, die Regierung u.a. durch Anfragen im Parlament zu kontrollieren. Nur bei Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Informationsanspruchs der Abgeordneten könnten die aus dem Mandat erwachsenden Rechte wahrgenommen werden. Die Vorgaben des erkennenden Verfassungsgerichts zum Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht nach Art. 56 Abs. 3 LV ließen sich erst recht auf das Fragerecht der Abgeordneten übertragen. Indem die Antragsgegnerin deutlich gemacht habe, daß sie aufwendige Ressortumfragen nicht mehr für angebracht halte, weil die biografische Herkunft der Beschäftigten in den Ministerien keine Rolle mehr spiele, habe sie hinsichtlich der detaillierten Offenlegung der Personal- und Gehaltsstruktur der Ministerien für sich Ermessen und eine Entscheidungsprärogative in Anspruch genommen, obwohl ihr dies nach Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV nicht zustehe. Im Gegensatz zu den Auskunftsersuchen nach Art. 56 Abs. 3 LV sei bei Kleinen Anfragen diein § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtages (GeschO LT) geregelte Frist von vier Wochen stets als ausreichend für Recherchen und Abstimmung anzusehen. Die Weigerung der Antragsgegnerin sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der gegenseitigen Rücksichtnahme der Staatsorgane zu rechtfertigen, da Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung durch den hier in Betracht kommenden Einsatz eines Sachbearbeiters für etwa eine Arbeitswoche nicht beeinträchtigt würden. Die Antragsgegnerin habe einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht belegt. Auch der Verweis auf die Antworten zu früheren Anfragen sei unzureichend. Die Landesregierung gehe selbst von einer nuanciert anderen Fragestellung aus. Die früher vorgelegten Statistiken ließen keine Verhältniszahlen zu, weil die sonstigen Mitarbeiter im Sinne einer Gesamtzahl der Beschäftigten eines Ministeriums nicht angegeben seien. Zudem hätten sich nach der Neuwahl des Landtages Personalstruktur und Zuschnitt der Ministerien verändert. Die die Antragstellerin interessierende Frage, ob die Arbeitsmarktchancen der Brandenburgerinnen und Brandenburger ostdeutscher Herkunft auch wegen Benachteiligungen bei der Besetzung freier Stellen schlechter seien, sei aktuell, da jetzt auch Ostdeutsche über entsprechende Qualifikationen und Berufserfahrung für Stellen im gehobenen und höheren Dienst verfügten.

Aus den genannten Gründen verletze auch die Beantwortung der Mündlichen Anfrage Nr. 237 die Antragstellerin in ihrem Recht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV. Wie der Umfang der bisherigen Antworten auf die erwähnten Kleinen Anfragen in der zweiten Wahlperiode sowie umfänglich beantwortete Mündliche Anfragen zu anderen Themen zeigten, könnten im zeitlichen Rahmen einer Fragestunde auch komplexe Sachverhalte mit Zahlenangaben behandelt werden. Da die Verletzung des Fragerechts bereits mit der Ausgabe der Antwort als Landtagsdrucksache bzw. mit der Beantwortung in der Fragestunde erfolgt sei, sei das Schreiben des Chefs der Staatskanzlei vom 14. Juni 2000 diesbezüglich unbeachtlich. Im übrigen könne auch dieses Schreiben mangels differenzierter Zahlen keine vollständige Beantwortung darstellen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. festzustellen, daß die Landesregierung die Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV verletzt hat, indem sie die Kleine Anfrage Nr. 359 vom 28. März 2000, Landtagsdrucksache 3/854 vom 31. März 2000, zur „Aktuellen Personal- und Gehaltsstruktur in den Ministerien des Landes Brandenburg“ mit der Landtagsdrucksache 3/1053 vom 9. Mai 2000 nicht nach bestem Wissen und vollständig beantwortet hat,

2. festzustellen, daß die Landesregierung die Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV verletzt hat, indem sie die Mündliche Anfrage Nr. 237 in der 15. Sitzung des Landtages vom 17. Mai 2000 zur „Personalstruktur in den Ministerien“ nicht nach bestem Wissen und vollständig beantwortet hat.“

Ferner beantragt die Antragstellerin, ihr die notwendigen Auslagen zu erstatten.

III.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert. Mit Schreiben vom 8. November 2000 hat sie der Antragstellerin eine weitere schriftliche Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 359 übersandt.

Der Landtag hat von einer Äußerung abgesehen.

B.

Das Verfassungsgericht hat eine mündliche Verhandlung einstimmig nicht für erforderlich gehalten (§ 22 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg – VerfGGBbg).

Der Antrag der Antragstellerin hat Erfolg.

I.

Der Antrag ist nach Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35 ff. VerfGGBbg zulässig.

Gegenstand des Verfahrens ist die Auslegung der Landesverfassung aus Anlaß einer Streitigkeit über den Umfang der den Beteiligten durch die Verfassung übertragenen Rechte und Pflichten. Die Antragstellerin ist als Abgeordnete gemäß Art. 113 Nr. 1 LV und § 35 i.V.m. § 12 Nr. 1 VerfGGBbg im Organstreitverfahren beteiligtenfähig. Da sie geltend macht, durch die Antwort der Antragsgegnerin auf ihre Anfragen in ihrem Recht auf eine “nach bestem Wissen” und “vollständig” zu erteilende Auskunft nach Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV verletzt zu sein, ist sie gemäß § 36 Abs. 1 VerfGGBbg auch antragsbefugt. Die Antragsgegnerin ist als Verfassungsorgan ebenfalls beteiligtenfähig. Die sechsmonatige Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 VerfGGBbg ist gewahrt.

Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin ist nicht dadurch entfallen, daß die Landesregierung mit Schreiben vom 8. November 2000 eine Antwort auf die in der Kleinen Anfrage gestellten Fragen in der gewünschten tabellarischen Anordnung gegeben hat. Da der Wortlaut des an das Verfassungsgericht und des an die Antragstellerin gerichteten Übersendungsschreibens der Landesregierung auch kein Eingeständnis einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Fragerechts der Antragstellerin durch die ursprünglichen Antworten erkennen läßt, besteht das berechtigte Interesse an der Feststellung eines darin liegenden Verfassungsverstoßes fort.

II.

Der Antrag ist begründet.

Die Antragsgegnerin hat das in Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV gewährleistete Recht der Antragstellerin verletzt, indem sie es unterlassen hat, die Kleine Anfrage Nr. 359 (hierzu nachfolgend 1.) und die Mündliche Anfrage Nr. 237 (hierzu nachfolgend 2.) unverzüglich nach bestem Wissen und vollständig zu beantworten.

1. a) Nach Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV haben die Abgeordneten u.a. das Recht, im Landtag Fragen zu stellen. Fragen an die Regierung sind unverzüglich nach bestem Wissen und vollständig zu beantworten (Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV). Das Nähere regelt die Geschäftsordnung (Art. 56 Abs. 2 Satz 3 LV).

Vollständig ist die Antwort, wenn alle Informationen, über die die Regierung verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden, d.h. nichts, was bekannt ist oder was mit zumutbarem Aufwand hätte in Erfahrung gebracht werden können, verschwiegen wird. Nicht vollständig ist auch eine ausweichende Antwort (vgl. Sächsischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. April 1998 – Vf. 19-I-97, LKV 1998, 315; Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Beschluß vom 25. November 1997 – StGH 1/97 -, S. 8 des Entscheidungsumdrucks). Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Auskunft ohne Rücksicht darauf, was und wie genau gefragt worden ist, in Details ausufern muß. In Zweifelsfällen kann es Sache der/des Abgeordneten sein, ergänzend nachzufragen. In jedem Fall muß die Auskunft jedoch stimmig und aus sich selbst heraus verständlich sein und darf nichts Wesentliches oder erkennbar Interessierendes vorenthalten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 1997 – VfGBbg 16/97 -, LVerfGE 7, 138, 141, zu dem in Art. 56 Abs. 3 LV gewährleisteten Auskunftsrecht der Abgeordneten). Bestem Wissen entspricht die Antwort, wenn das Wissen, das bei der Landesregierung präsent ist, sowie jene Informationen mitgeteilt werden, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand eingeholt werden können (vgl. Sächsischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. April 1998 – Vf. 19-I-97, LKV 1998, 315).

Obgleich Art. 56 Abs. 2 LV – anders als die entsprechenden Regelungen einiger anderer Landesverfassungen (vgl. Art. 40 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Art. 51 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Sachsen, Art. 23 Abs. 3 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Art. 67 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen; der Fassung in Brandenburg vergleichbar dagegen: Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung und Art. 53 Abs. 2 LV der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt) - dies nicht ausdrücklich regelt, unterliegt allerdings die dem Fragerecht des Abgeordneten korrespondierende Antwortpflicht der Landesregierung Grenzen. Solche Grenzen ergeben sich zum einen aus der Verbandskompetenz des Landes und der Organkompetenz der Regierung. Da die Landesregierung nur für ihre Amtsführung - im Sinne einer Rechenschafts- und Einstandspflicht für eigenes Handeln - verantwortlich ist, braucht sie nur in solchen Angelegenheiten Auskunft zu geben, die in ihre Zuständigkeit fallen (vgl. Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Januar 2000 – LVG 6/99 -, NVwZ 2000, 671, 672). Im übrigen kann zur Bestimmung der sich aus der Verfassung ergebenden Grenzen der Antwortpflicht die – dem Wortlaut nach zunächst nur die in Art. 53 Abs. 3 LV geregelte Erteilung von Auskünften und Vorlage amtlicher Unterlagen betreffende - Schrankenbestimmung des Art. 56 Abs. 4 LV entsprechend herangezogen werden. Für eine unterschiedliche Behandlung von Auskunftsersuchen im Rahmen parlamentarischer Anfragen ist kein sachlicher Grund ersichtlich. Nach Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LV darf aber die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Akten und sonstigen amtlichen Unterlagen (nur) abgelehnt werden, wenn überwiegende öffentliche oder private Interessen an der Geheimhaltung dies zwingend erfordern. Mit dem Begriff der „privaten Interessen an der Geheimhaltung“ nimmt der Verfassungsgesetzgeber die Grundrechtsverbürgung des Art. 11 LV in Bezug (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 1996 – VfGBbg 3/96 -, LVerfGE 4, 179, 186). Öffentliche Interessen an der Geheimhaltung können sich etwa aus dem Wesen der Exekutivverantwortung ergeben. In diesem Sinne ist ein „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ anzuerkennen, der – in im einzelnen schwer abzusteckenden Grenzen - einen selbst im Verhältnis zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht offenbarungspflichtigen Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100, 139). Ob bereits das Gebot, daß die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung nicht gefährdet werden darf, die Verweigerung der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage rechtfertigen kann (so Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Oktober 1993 – VerfGH 15/92 -, NVwZ 1994, 678, 679 f.; offengelassen durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. April 1998 – Vf. 14-I-97, LKV 1998, 316, 317; ablehnend etwa Versteyl, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 1995, Rn. 22 zu Art. 43) oder gegebenenfalls nur eine Verzögerung der Beantwortung rechtfertigt (vgl. Weis, DVBl. 1988, 268, 273), bedarf aus Anlaß des vorliegenden Falles – wie nachfolgend unter b)bb) dargelegt wird - keiner abschließenden Entscheidung.

Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LV bestimmt weiter, daß die öffentlichen oder privaten Interessen an der Geheimhaltung „überwiegend“ sein und die Auskunftsverweigerung „zwingend erfordern“ müssen. Im Rahmen der danach anzustellenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Abgeordneten und dem gegebenenfalls zu berücksichtigenden Geheimhaltungsinteresse (vgl. zu diesem Abwägungserfordernis bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 1996 – VfGBbg 3/96 -, LVerfGE 4, 179, 187) ist auch der Bedeutung der Pflicht zur erschöpfenden Beantwortung parlamentarischer Anfragen für dieFunktionsfähigkeit des parlamentarischen Systems Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, NJW 1996, 2085; BVerfGE 57, 1, 5). Das Fragerecht erfüllt keinen Selbstzweck, sondern hat die Funktion, den sachlichen Aufgaben der/des einzelnen Abgeordneten zu dienen. Die Abgeordneten sind aufgrund ihres Mandats berufen, eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die dem Landtag obliegen. Das setzt voraus, daß sie über die hierfür erforderlichen Informationen verfügen. Wegen der Komplexität der im Landtag zu behandelnden Gegenstände und der von ihmmitzugestaltenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge sind die Abgeordneten dabei in der Regel auf die Informationen angewiesen, die der Regierung insbesondere durch die Ministerialverwaltung zur Verfügung stehen (vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., S. 679; Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Januar 2000 – LVG 6/99 -, NVwZ 2000, 671, 672). Hätten die Abgeordneten keinen Zugriff auf den Informationsstand der Ministerialverwaltung, wäre die Kontrolle der Regierung durch das Parlament erheblich erschwert. Der Landesverfassungsgeber war in diesem Sinne bestrebt, einem – in den alten Ländern und im Bund vielfach zu beobachtenden - informationellen Ungleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative und insbesondere zwischen Exekutive und Opposition mit der Einräumung möglichst umfassender Informationsrechte jedes einzelnen Abgeordneten entgegenzuwirken (vgl. Breidenbach/Kneifel-Haverkamp, in: Simon/Franke/Sachs, Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, Rn. 30 zu § 21). Dieser Zielsetzung entsprechend kommt in Zweifelsfällen dem Informationsinteresse des Abgeordneten das höhere Gewicht zu. Daraus folgt weiter, daß die Landesregierung nach der Verfassungsrechtslage im Land Brandenburg – anders als etwa in Nordrhein-Westfalen (vgl. hierzu Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Oktober 1993 – VerfGH 15/92, NVwZ 1994, 678, 679) - bei der Beurteilung der Frage, welche Informationen sie den Abgeordneten zur Verfügung stellt, keinen nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraum hat, sondern in dieser Hinsicht der vollen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (so auch Verfassungsgerichtshof des Freistaats Sachsen, Urteil vom 18. April 1998 – Vf. 14-I-97 -, LKV 1998, 316, 317, zu Art. 51 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung). Dem entspricht, daß nach Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LV die Entscheidung über die Verweigerung einer Auskunft dem Abgeordneten mitzuteilen und zu begründen ist.

b) Die Behandlung der Kleinen Anfrage der Antragstellerin durch die Landesregierung wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Die Antwort der Landesregierung vom 4. Mai 2000 war nicht vollständig und nach bestem Wissen erteilt (aa). Auf die verfassungsrechtlichen Grenzen ihrer Antwortpflicht hat sich die Landesregierung weder berufen noch ist ersichtlich, daß sie vorliegend berührt waren (bb).

aa) Nach dem Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 359 – soweit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens - begehrte die Antragstellerin Informationen darüber, wie viele Angestellte und wie viele Beamte der Ministerien des Landes Brandenburg (bezogen auf den Wohnsitz vor dem Jahr 1989) jeweils aus den alten und wie viele jeweils aus den neuen Bundesländern stammen, wie die Personalstruktur hinsichtlich der Herkunft (im Sinne der Frage 1) und aufgeschlüsselt nach Ministerium und Personalebenen entsprechend einer vorgegebenen Tabelle aussieht und welche Gehaltsstaffelung sich gegenwärtig in den Personalebenen des jeweiligen Ministeriums in Bezug auf die Bezahlung nach BAT-Ost und BAT-West entsprechend einer vorgegebenen Tabelle ergibt.

In ihrer schriftlichen Antwort vom 4. Mai 2000 verwies die Landesregierung auf die Antworten zu den Anfragen 1592 (LT DS 2/5126), 1847 (LT DS 2/5967) und 1903 (LT DS 2/6224). Gleichzeitig führte sie aus, daß die Anfrage im Vergleich zu den bereits zur gleichen Thematik beantworteten Kleinen Anfragen von Mitgliedern der PDS-Landtagsfraktion aus den Jahren 1998/99 nuanciert andere Fragestellungen beinhalte und eine detaillierte Beantwortung erneute Ressortumfragen erforderlich machen würden. Diesen Aufwand halte sie - die Landesregierung - nicht für angebracht, da im zehnten Jahr der deutschen Einheit die biografische Herkunft der Beschäftigten in den Ministerien keine Rolle mehr spielen sollte. So würden Neueinstellungen grundsätzlich nach fachlicher Eignung, Befähigung und Leistung vorgenommen. Die Frage des Wohnsitzes vor 1989 sei dabei unerheblich. Im Ergebnis würden daher Bewerber aus sämtlichen Bundesländern sowie den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingestellt.

Mit diesem Inhalt war die Antwort auf die Frage der Antragstellerin unvollständig und entsprach nicht bestem Wissen im Sinne des Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV. Die Antwort war schon nicht in sich stimmig. Denn einerseits wird die Antragstellerin auf drei „zur gleichen Thematik“ ergangene Antworten zu parlamentarischen Anfragen aus der vorangegangenen Wahlperiode des Landtages verwiesen. Andererseits spricht die Landesregierung ihrerseits von einer „nuanciert anderen Fragestellung“, deren detaillierte Beantwortung erneute Ressortumfragen erforderlich machen würde. Auch abgesehen von diesem inneren Widerspruch konnte die Antwort schon deshalb nicht „vollständig“ sein, weil die Verhältnisse nicht gleichgeblieben waren. Vor allem auf der Leitungsebene der Ministerialverwaltung kann sich die Personalstruktur verhältnismäßig schnell verändern. Mit derartigen Veränderungen ist vornehmlich dann zu rechnen, wenn wie vorliegenden falls nach einer Neuwahl des Landtages die Zusammensetzung der Regierung wechselt. Schon wegen dieses besonderen Aktualitätsbezuges konnte hier das im Rahmen früherer Anfragen anderen Abgeordneten unterbreitete Zahlenmaterial dem Informationsinteresse der Abgeordneten nicht mehr gerecht werden. Die ausweichende und sich im Kern in einer politischen Bewertung der Fragestellung erschöpfende Antwort der Landesregierung war auch nicht mit Blick auf durch die Formulierung der Kleinen Anfrage eröffnete Auslegungsspielräume gerechtfertigt. Die Fragen der Antragstellerin waren hinreichend klar formuliert. Sie zielten erkennbar nicht auf eine politische Bewertung, sondern auf konkretes Zahlenmaterial. Die begehrten Informationen lagen auch nicht außerhalb des Zugriffs der Landesregierung, sondern hätten – wie im übrigen schon in der Antwort der Landesregierung selbst eingeräumt und nach Einleitung des Organstreitverfahrens in die Tat umgesetzt – mittels einer Ressortumfrage in Erfahrung gebracht werden können. Der Landesregierung blieb es im übrigen unbenommen, in ihrer Antwort darauf aufmerksam zu machen, daß und warum nach ihrer Auffassung der Aussagewert des in dieser Form erfragten Zahlenmaterials begrenzt sei.

bb) Die Verweigerung einer vollständigen und nach bestem Wissen erteilten Antwort auf die Kleine Anfrage der Antragstellerin war nicht gerechtfertigt. Dabei kann dahinstehen, ob die Unvollständigkeit der Beantwortung schon deshalb verfassungswidrig ist, weil es entgegen Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LV an einer Begründung der in dieser Verfassungsbestimmung vorausgesetzten Art fehlte. Die Landesregierung hat sich nicht etwa auf die verfassungsrechtlichen Grenzen ihrer Antwortpflicht berufen, sondern lediglich mitgeteilt, daß sie den mit der detaillierten Beantwortung verbundenen Aufwand „nicht für angebracht“ halte. Auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren hat sie im übrigen – ohne Begründung – davon abgesehen, Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ihres Verhaltens zu machen.

Es ist auch nicht ersichtlich, daß die verfassungsrechtlichen Grenzen der Antwortpflicht der Regierung hier berührt sein könnten. Fragen der Personalstruktur der Ministerialverwaltung liegen nicht außerhalb der Kompetenz des Landes oder des Verantwortungsbereichs der Landesregierung. Private Interessen, insbesondere Belange des Datenschutzes, standen der Auskunft nicht entgegen, da lediglich statistische Angaben erfragt wurden. Soweit – insbesondere auf Minister- und Staatssekretärsebene – eine Anonymisierung faktisch nicht durchführbar ist, hätte gegebenenfalls – wie etwa in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1903 (LT-Drs. 2/6224) geschehen – der Versuch unternommen werden können, von der begehrten Differenzierung nach Ämtergruppen oder Ressorts teilweise abzusehen. Letztlich dürfte allerdings insoweitkein „überwiegendes“ Geheimhaltungsinteresse im Sinne der Schrankenbestimmung des Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LV bestehen, weil die Lebensläufe der Regierungsmitglieder und politischen Beamten der Landesregierung durchweg ohnehin aus anderen Quellen erschließbar sind und das Interesse von Abgeordneten an der Unterrichtung über die biografische Herkunft der führenden Vertreter der Landesregierung und ihre besoldungsrechtliche Einstufung im Zweifel von dem Informationsanspruch der Mandatsträger gedeckt ist.

Auch öffentliche Interessen, die die Geheimhaltung hätten erfordern können, sind hier nicht erkennbar. Der „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ der Landesregierung im Sinne eines nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereichs wird durch die hier erbetene Auskunft über die aktuelle Personal- und Gehaltsstruktur in den Ministerien nicht berührt. Insbesondere fallen die Fragen nicht etwa deshalb in den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“, weil sie die Organisationsgewalt und Personalhoheit der Landesregierung berühren. Es geht nicht – was möglicherweise bedenklich wäre – um konkrete Personalentscheidungen, sondern um Auskunft über einen Gesamtbefund.

Eine vollständige Antwort auf die Fragen der Antragstellerin stellt auch keine Gefahr für die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung dar. Ob ein solcher Auskunftsverweigerungsgrund nach der Verfassung überhaupt anzuerkennen wäre, kann dabei offen bleiben. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall zum Tragen gekommen wäre. Soweit die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf den mit den erforderlichen Ressortumfragen verbundenen „Aufwand“ hingewiesen hat, führen sowohl die Beantwortung vergleichbarer parlamentarischer Anfragen in der vorangegangenen Wahlperiode als auch die Beschaffung der erfragten Informationen während der Anhängigkeit des vorliegenden Organstreitverfahrens vor Augen, daß eine Gefährdung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Regierung durch die Beantwortung derartiger Anfragen nicht zu besorgen ist. Ob im Hinblick auf die zur Beschaffung der Informationen erforderliche Ressortumfrage ohne Verstoß gegen das Erfordernis der „Unverzüglichkeit“ im Sinne des Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV eine längere Bearbeitungszeit einzuräumen gewesen wäre, kann dahinstehen. An die in § 60 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtages (GeschO LT) bestimmte Frist von vier Wochen zur Beantwortung Kleiner Anfragen ist die Landesregierung – entgegen der Auffassung der Antragstellerin - rechtlich ohnehin nicht gebunden (vgl. hierzu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 1997 – VfGBbg 16/97 -, LVerfGE 7, 138, 141). Die Landesregierung hat auch nicht etwa den Versuch gemacht, über den Präsidenten des Landtages das – wenn auch rechtlich nicht zwingend erforderliche - Einverständnis der Antragstellerin zu einer Fristverlängerung einzuholen (vgl. § 61 Abs. 2 Satz 1 GeschO LT). Vielmehr hat sie die vollständige Beantwortung unter Hinweis auf den damit verbundenen Aufwand endgültig abgelehnt.

2. Auch die für die Landesregierung durch den Chef der Staatskanzlei in der Sitzung des Landtages vom 17. Mai 2000 erteilte Antwort auf die mündliche Anfrage Nr. 237 entsprach nicht den Anforderungen des Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV. Die Beantwortung erfolgte unvollständig, ohne daß hierfür eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung bestand. Dabei kann dahinstehen, ob die für die schriftliche Beantwortung der Kleinen Anfragen geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Vollständigkeit (vgl. oben zu 1.a) im Hinblick auf die begrenzten Möglichkeiten der mündlichen Darstellung in der Sitzung des Landtages uneingeschränkt Anwendung finden können. Vorliegend war die mündliche Anfrage nicht als selbständige mündliche Anfrage innerhalb der Fragestunde zu behandeln (vgl. § 62 Abs. 1 GeschO LT in Verbindung mit der als Anlage 2 beigefügten Richtlinie für die Fragestunde), sondern als Fortsetzung des Verfahrens der vorangegangenen schriftlichen Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 359 dar (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 GeschO LT). Die Frage, wie die Personalstruktur in der Staatskanzlei und den Ministerien hinsichtlich der Herkunft aus den alten bzw. neuen Bundesländern bei Staatssekretären, Abteilungsleitern, Referatsleitern und sonstigen Mitarbeitern aussehe, stellte sich als verkürzte Fassung der detaillierteren Fragestellung in der Kleinen Anfrage dar. Dieser Zusammenhang war, wie der Verweis auf die schriftliche Antwort zeigt, auch der Landesregierung bewußt. Die Beantwortung konnte deshalb nicht mit Blick auf die zeitlichen Grenzen der Fragestunde abgelehnt werden.

Die inhaltlichen Ausführungen des Chefs der Staatskanzlei in der Sitzung des Landtags genügten dem Informationsanspruch der Antragstellerin ebenfalls nicht. Soweit der Chef der Staatskanzlei auf die schriftliche Antwort verwiesen hat, kann auf die obigen Ausführungen oben (zu 1.) Bezug genommen werden. Weitere Informationen zur Sache ließen sich den mündlichen Ausführungen nicht entnehmen. Die Landesregierung machte vielmehr lediglich geltend, daß sie die Frage weder für notwendig noch für sinnvoll halte und daß das Problem „sich auswachse“. Derartige politische Bewertungen sind zwar auch im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen selbstverständlich zulässig. Richtet sich das Auskunftsbegehren eines Abgeordneten aber - wie hier – auf Fakten, kann eine bewertende Stellungnahme der Landesregierung aber immer nur ergänzender und kommentierender Art sein, eine sachliche Information jedoch nicht ersetzen. Soweit in der Antwort schließlich darauf hingewiesen wurde, daß eine Definition des „Landeskindes“ fehle, ging auch das an der Sache vorbei. Der Wortlaut der Kleinen Anfrage bezeichnet den Wohnsitz vor dem Jahr 1989 als Abgrenzungskriterium. Darüber, ob dies sachgerecht ist, mag man verschiedener Meinung sein. Die Eindeutigkeit der Fragestellung wird hierdurch jedoch nicht berührt.

Verfassungsrechtliche Grenzen der Antwortpflicht hat die Landesregierung auch in bezug auf die Beantwortung der mündlichen Anfrage der Antragstellerin nicht geltend gemacht. Insofern kann auf die Ausführungen zu 1. verwiesen werden. Insbesondere ist auch insoweit für eine erhebliche und unvermeidbare Vernachlässigung sonstiger vordringlicher Regierungsaufgaben als Folge der Beantwortung der Anfrage nichts dargetan oder ersichtlich.

3. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß weder das Fax-Schreiben des Chefs der Staatskanzlei an den Parlamentarischen Geschäftsführer der PDS-Fraktion vom 14. Juni 2000 noch die unter dem 8. November 2000 übermittelte Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Antragstellerin Gegenstand des vorliegenden Organstreitverfahrens sind. Der Umfang der Prüfung durch das Landesverfassungsgericht wird im Verfahren der Organklage durch den Antrag bestimmt, der den Streitgegenstand begrenzt (vgl. BVerfGE 57, 1, 4, m.w.N.).

III.

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der Erstattung ihrer Auslagen hat keinen Erfolg. Insoweit kann weiterhin offenbleiben, ob in einem Organstreitverfahren eine Auslagenerstattung deshalb außer Betracht bleiben muß, weil die Beteiligten derselben Rechtsperson angehören (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 1996 – VfGBbg 3/96 -, LVerfGE 4, 179, 189). Denn jedenfalls sind besondere Billigkeitsgründe im Sinne des § 32 Abs. 7 VerfGGBbg, die eine angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 32 Abs. 1 VerfGGBbg) und des fehlenden Anwaltszwangs nur ausnahmsweise in Betracht kommende Auslagenerstattung rechtfertigen würden, nicht ersichtlich. Das Obsiegen der Antragstellerin für sich allein rechtfertigt eine Anordnung der Erstattung der Auslagen im Organstreitverfahren – anders als im Verfassungsbeschwerdeverfahren - nicht (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, a.a.O.).

Dr. Macke Dr. Dombert
Prof. Dr. Harms-ZieglerHavemann

Dr. Jegutidse

Dr. Knippel
Prof. Dr. Will