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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2022 - VfGBbg 82/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1
- VwGO, § 152a
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Rechtliches Gehör
- Rechtswegerschöpfung
- Anhörungsrüge
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2022 - VfGBbg 82/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 82/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 82/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

P.,

Beschwerdeführer,

wegen

Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 12. August 2020
- VG 11 K 5188/16 -; - VG 11 K 6338/17 -; - VG 11 K 478/20

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Juni 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen drei Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Potsdam, mit denen seine Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit zweier befasster Richter abgelehnt worden waren.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2020 stellte der Beschwerdeführer in drei von ihm am Verwaltungsgericht Potsdam geführten Klageverfahren Befangenheitsanträge, jeweils gegen den Vorsitzenden und einen Berichterstatter der 11. Kammer.

Der Beschwerdeführer erhielt mit Schreiben des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. Juli 2020 Gelegenheit, zu zwei dem Schreiben beigefügten dienstlichen Erklärungen der als befangen erachteten Richter binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen. Am 5. August 2020 stellte der Beschwerdeführer für jedes Verfahren einen Antrag auf Fristverlängerung. Eine Entscheidung über seine Fristverlängerungsgesuche unterblieb nach dem Vortrag des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer erhielt - nach seinen Angaben am 17. August 2020 - drei Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 12. August 2020, Aktenzeichen VG 11 K 5188/16, VG 11 K 6338/17 sowie VG 11 K 478/20, mit denen seine Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter sowie den Berichterstatter der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam abgelehnt wurden. Hiergegen erhob er in allen drei Verfahren am 31. August 2020 jeweils Anhörungsrüge.

Über die Anhörungsrügen hatte das Verwaltungsgericht Potsdam bei Erhebung der hiesigen Verfassungsbeschwerde nach dem Vortrag des Beschwerdeführers noch nicht entschieden.

II.

Mit seiner am 19. Oktober 2020 erhobenen Verfassungsbeschwerde begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung der drei Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Potsdam, jeweils vom 12. August 2020, zu den Aktenzeichen VG 11 K 5188/16, VG 11 K 6338/17 sowie VG 11 K 478/20. Ein Abwarten der noch ausstehenden Entscheidungen zu den Anhörungsrügen sei nicht erforderlich, da die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde ablaufe.

In der Sache rügt der Beschwerdeführer die Verletzung rechtlichen Gehörs durch die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam gemäß Art. 52 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Zur Begründung führt er aus, der Einzelne solle nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Hierzu gehöre auch, dass über einen innerhalb einer eingeräumten Frist gestellten und mit einer Begründung versehenen Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist vor der Sachentscheidung zu entscheiden sei. Auch wenn das Gericht im Einzelfall befugt sei, einen Antrag auf Fristverlängerung abzulehnen, müsse es hierüber gemäß § 225 Zivilprozessordnung (ZPO) entscheiden und dies dem Betroffenen mitteilen, um ihm eine abschließende Stellungnahme zu ermöglichen. Aus dem Schweigen des Gerichts zu seinem Verlängerungsgesuch müsse der Beschwerdeführer nicht schließen, seiner Bitte um weiteres Zuwarten werde nicht entsprochen; er dürfe vielmehr darauf vertrauen, dass das Gericht ihn von einer Ablehnung unterrichten und ihm Gelegenheit geben werde, sich hierauf einzustellen. Hätte die 11. Kammer nicht verfahrensfehlerhaft und ohne vorherige Ablehnung des Fristverlängerungsantrags in den Befangenheitssachen entschieden, hätte der Beschwerdeführer zu den dienstlichen Erklärungen noch vortragen können. Der Gehörsverstoß liege darin, dass sein ersichtlich absehbares Vorbringen verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt geblieben sei.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht erschöpft hat (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg).

Ist Gegenstand der Verfassungsbeschwerde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV, so ist diese regelmäßig im Wege der Anhörungsrüge zur fachgerichtlichen Überprüfung zu stellen, bevor Verfassungsbeschwerde erhoben wird (st. Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse vom 22. März 2019 ‌‑ VfGBbg 1/18 -, vom 19. Juni 2015 ‑ VfGBbg 43/15 -, vom 17. April 2015 ‌‑ VfGBbg 56/14 -, und vom 29. August 2014 ‑ VfGBbg 1/14 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Die fachgerichtliche Entscheidung über die Anhörungsrüge ist abzuwarten. Erst wenn die Anhörungs- oder Gehörsrüge ergebnislos geblieben ist, kann das Verfassungsgericht angerufen werden.

Dies zugrunde gelegt, erweist sich die Verfassungsbeschwerde bereits als unzulässig, weil der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben hat, ohne das Ergebnis der von ihm parallel am Verwaltungsgericht Potsdam betriebenen drei Anhörungsrügeverfahren abzuwarten. Über die von dem Beschwerdeführer nach § 152a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhobenen Anhörungsrügen hatte das Verwaltungsgericht Potsdam zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde nach seinem Vortrag noch nicht entschieden.

Die Anhörungsrügen waren auch nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ohne Aussicht auf Erfolg und daher nicht unzumutbar (vgl. z. B. Beschlüsse vom 17. August 2012 ‑ VfGBbg 36/12 - und vom 6. Januar 2016 ‑ VfGBbg 88/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Es kann regelmäßig gerade nicht ausgeschlossen werden, dass die Anhörungsrüge zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts und im Ergebnis zu einer günstigeren Entscheidung führt (vgl. Beschluss vom 21. Februar 2020 ‑ VfGBbg 49/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Zwar erscheint eine Anhörungsrüge offensichtlich aussichtslos und unzumutbar, wenn sich die angegriffene Entscheidung mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs selbst schon auseinandergesetzt hat (vgl. z. B. Beschluss vom 30. September 2010 ‑ VfGBbg 23/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de); dies ist vorliegend aber gerade nicht der Fall.

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß