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VerfGBbg, Beschluss vom 15. März 2024 - VfGBbg 36/20 -

 

Verfahrensart: Volksbegehren
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 113 Nr. 5
- VerfGGBbg, § 12 Nr. 9; VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2
- VAGBbg, § 11; VAGBbg, § 9 Abs. 6 Satz 3
Schlagworte: - Volksinitiative
- Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichts
- vorbeugende abstrakte Normenkontrolle
- Antrag unzulässig
- Begründung nicht fristgemäß
- Keine Wiedereinsetzung

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. März 2024 - VfGBbg 36/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 36/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 36/20

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

der Volksinitiative „Artenvielfalt retten ‑ Zukunft sichern“,

vertreten durch

1.      Grit Gehrau,

2.      Anja Hradetzky,

3.      Johann Lütke Schwienhorst,

4.      Dr. Wilhelm Schäkel,

5.      Friedhelm Schmitz-Jersch,

Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigter               Prof. Dr. P.,

 


beteiligt:

Landtag Brandenburg,
vertreten durch die Präsidentin,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,

Verfahrensbevollmächtigter:              Prof. Dr. K.,

wegen            Volksbegehren

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 15. März 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Kirbach, Dr. Koch, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Antragstellerin den Antrag zu 3. für erledigt erklärt hat.

2. Im Übrigen werden die Anträge verworfen.

3. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

A.

Gegenstand des Verfahrens ist die Zulässigkeit der Volksinitiative „Artenvielfalt retten ‑ Zukunft sichern“.

I.

Antragstellerin ist die Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern“, deren wesentliches Ziel es nach Angaben ihrer Vertreter ist, durch den gesetzlichen Ausschluss des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und mineralischem Stickstoffdünger in bestimmten Gebieten sowie auf Gewässerrandstreifen, durch mehr ökologischen Landbau und durch verbindliche Vorgaben für die landwirtschaftliche Förderpolitik einen wesentlichen Beitrag für den Arten- und Insektenschutz zu erreichen. Die Volksinitiative enthält einen Gesetzentwurf mit fünf Artikeln, die Änderungen des Brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes, des Grundstücksverwertungsgesetzes, des Brandenburgischen Wassergesetzes und des Landwirtschaftsförderungsgesetzes vorsehen, sowie zusätzlich „Weitere Forderungen an die Landesregierung“, die die Förderung der Landwirtschaft, die Verringerung der Beeinträchtigung durch Beleuchtungsanlagen sowie die Senkung des Flächenverbrauchs betreffen.

Am 13. Januar 2020 reichte die Antragstellerin bei der Präsidentin des Landtags Brandenburg den mit Gründen versehenen Gesetzentwurf sowie die Forderungen an die Landesregierung mit über 70.000 Unterschriften ein.

Die Präsidentin veranlasste die Prüfung der Einhaltung der förmlichen Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz ‑ VAGBbg) durch den Landesabstimmungsleiter und übermittelte die Volksinitiative zugleich an den Hauptausschuss des Landtags Brandenburg.

In seiner Sitzung am 15. Januar 2020 überwies der Hauptausschuss die Sache ‑ vorbehaltlich des Prüfergebnisses des Landesabstimmungsleiters und eines Beschlusses über die Zulässigkeit der Volksinitiative nach § 9 Abs. 6 Satz 1 VAGBbg ‑ an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (im Folgenden: ALUK). Zudem beauftragte er den Parlamentarischen Beratungsdienst mit der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen der Volksinitiative.

Mit Schreiben vom 3. Februar 2020 teilte der Landesabstimmungsleiter mit, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 VAGBbg erfüllt seien.

Der Parlamentarische Beratungsdienst kam in seinem Gutachten zur Zulässigkeit der Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern“ vom 10. Februar 2020 zu dem Ergebnis, dass die Volksinitiative unzulässig sei. Im Hinblick auf die „Weiteren Forderungen an die Landesregierung“ sei die Initiative bereits deshalb unzulässig, weil die Forderungen angesichts der Gestaltung der Unterschriftsbögen nicht von den Unterstützerunterschriften gedeckt seien. Der Gesetzentwurf genüge nicht den rechtlichen Anforderungen. Insoweit seien in formaler Hinsicht sowohl die Anforderungen an die Begründung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VAGBbg als auch die Benennung der Stellvertreter nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VAGBbg nicht erfüllt. Inhaltlich sei der Entwurf zudem unzulässig, weil er gegen das aus dem Demokratieprinzip abzuleitende Koppelungsverbot verstoße, wonach eine Verbindung sachlich nicht ausreichend miteinander zusammenhängender Gegenstände in einem Volksgesetzgebungsverfahren unzulässig sei. Die Volksinitiative betreffe eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungsbereiche, die in vielen Punkten deutlich über das Ziel des Artenschutzes hinausgingen, so dass keine einheitliche Materie vorliege. Angesichts des Fehlens von Entschädigungs- und Übergangsregelungen bestünden außerdem Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit einzelner Bestimmungen des Gesetzentwurfs. Teilweise griffen die vorgesehenen Regelungen zudem in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ein und verstießen deshalb gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Soweit das Abstimmungsverhalten der Landesregierung im Bundesrat Gegenstand einer Regelung sei, liege schließlich ein Verstoß gegen Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz vor.

Das Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdiensts wurde am 10. Februar 2020 auf der Internetseite des Landtags veröffentlicht.

Der ALUK hörte die Vertreter der Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern“ in seiner Sitzung am 12. Februar 2020 gemäß § 12 Abs. 1 VAGBbg an. Auf das entsprechende Ausschussprotokoll (P-ALUK 7/4) wird Bezug genommen.

Nach Durchführung der Anhörung empfahl der ALUK dem Hauptausschuss am 18. Februar 2020, die Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern“ vorbehaltlich ihrer Zulässigkeit abzulehnen.

Der Hauptausschuss stellte in seiner Sitzung am 19. Februar 2020 fest, dass zwar die förmlichen Voraussetzungen nach § 6 VAGBbg erfüllt seien. Er erklärte die Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern“ jedoch gemäß § 9 Abs. 6 VAGBbg für unzulässig. Hierbei folgte die Ausschussmehrheit einer Beschlussvorlage der Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen, in der zur Begründung auf das Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdiensts vom 10. Februar 2020 verwiesen wurde.

Mit Schreiben vom 4. März 2020, am 5. März 2020 zugegangen, informierte die Präsidentin des Landtags Brandenburg die Vertreter der Antragstellerin über den Beschluss des Hauptausschusses vom 19. Februar 2020 und bat sie gemäß § 10 Satz 1 VAGBbg mitzuteilen, ob die Unterlagen zurückgereicht werden sollten oder eine weitere Bearbeitung im Petitionsausschuss gewünscht werde. Zudem wies sie auf die Möglichkeit hin, gemäß § 11 VAGBbg innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung das Verfassungsgericht anzurufen.

II.

Am 3. April 2020 haben die Vertreter der Antragstellerin beim Verfassungsgericht einen Antrag gemäß § 11 VAGBbg gestellt, mit dem sie zunächst ‑ hilfsweise ‑ auch begehrt haben, der Präsidentin des Landtags Brandenburg aufzugeben, die Bekanntgabe des Beschlusses des Hauptausschusses vom 19. Februar 2020 nach § 9 Abs. 6 Satz 3 VAGBbg zu begründen.

In ihrer Antragsschrift vom 2. April 2020 rügt die Antragstellerin, dass sich aus dem Schreiben der Präsidentin vom 4. März 2020 keine Begründung für die Entscheidung des Hauptausschusses ergebe. Die effektive Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes sei ihr deshalb nicht möglich. Ihre Vertreter seien zudem weder im Hauptausschuss angehört noch sei ihnen durch den Hauptausschuss vor dessen Beschluss vom 19. Februar 2020 anderweitig rechtliches Gehör gewährt worden. Erst nach Beiziehung insbesondere der Ausschussprotokolle und einer entsprechenden Akteneinsicht könne eine Begründung des Antrags im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) erfolgen. Sollte das Gericht dem nicht folgen, werde ein entsprechender Hinweis erbeten.

Mit Schreiben vom 22. April 2020 hat das Gericht die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sowohl das Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdiensts zur Zulässigkeit der Volksinitiative als auch das Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses vom 19. Februar 2020 auf der Internetseite des Landtags Brandenburg abrufbar seien. Dieses Schreiben ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 28. April 2020 zugegangen.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2020 hat das Gericht dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die erbetenen Unterlagen zudem in Papierform übersandt, nachdem diese vom Landtag zur Akte gereicht worden waren.

Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020, bei Gericht eingegangen am 14. Juli 2020, hat die Antragstellerin ihren Antrag zu 3. daraufhin für erledigt erklärt und die verbleibenden Anträge begründet.

Das Gericht hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 17. März 2021 darauf hingewiesen, dass es an einer fristgemäßen Begründung des Antrags im Sinne von § 11 VAGBbg i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg fehlen könnte und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 47 Abs. 2 VerfGGBbg nicht gegeben sein dürften.

Dem hat die Antragstellerin entgegengehalten, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe des Beschlusses des Hauptausschusses im Sinne von § 9 Abs. 6 Satz 3 VAGBbg nicht erfolgt sei. Das Schreiben der Präsidentin erfülle die dementsprechenden Voraussetzungen nicht, da die Entscheidung des Hauptausschusses weder beigefügt gewesen noch wörtlich und vollständig zitiert worden sei. Für eine Bekanntgabe reiche es nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht aus, dass lediglich über eine Entscheidung informiert, diese aber selbst nicht übermittelt werde. Dem Schreiben der Präsidentin lasse sich nicht einmal klar entnehmen, ob damit eine Bekanntgabe bewirkt werden solle. Sei eine Bekanntgabe aber gar nicht erfolgt, so habe die Begründungsfrist nicht zu laufen begonnen. Zudem ergebe sich aus dem Schreiben der Präsidentin nicht, ob der Hauptausschuss seinen Beschluss überhaupt begründet habe. Angesichts dessen sei eine Begründung ihres Antrags binnen eines Monats nach Erhalt des Schreibens der Präsidentin nicht möglich gewesen. Insoweit könne sie auch nicht auf das im Internet zugängliche Protokoll des Hauptausschusses verwiesen werden. Es sei ihren Vertretern nicht zuzumuten, die Gründe für die Ablehnung der Initiative als unzulässig selbst zu recherchieren. Zudem würden Ausschussprotokolle erst Wochen nach den Sitzungen veröffentlicht. Außerdem habe sie in der Antragsschrift ausdrücklich geltend gemacht, dass eine Begründung erst nach Beiziehung der Ausschussprotokolle erfolgen könne und insoweit um Beiziehung und um gerichtlichen Hinweis gebeten, falls das Gericht anderer Auffassung sein sollte. Eine Begründung in der Sache sei erst nach Erhalt der vom Hauptausschuss in seiner Sitzung am 17. Juni 2020 beschlossenen Stellungnahme möglich gewesen, die mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2020 übersandt worden sei. Die Monatsfrist sei deshalb gewahrt.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr noch,

1. die Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern“ für zulässig zu erklären,

2. hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss des Hauptausschusses über die Unzulässigkeit der Volksinitiative „Artenvielfalt retten - Zukunft sichern“ gemäß § 9 Abs. 6 Satz 1 VAGBbg vom 19. Februar 2020, den Vertretern der Antragstellerin am 5. März 2020 durch Schreiben der Präsidentin des Landtags Brandenburg bekanntgegeben, rechtswidrig war.

III.

Der Landtag hat Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Er hält den Antrag zu 1. für unbegründet. Wie sich insbesondere aus dem Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdiensts ergebe, sei die Volksinitiative aus formellen und materiellen Gründen unzulässig.

Der Antrag zu 2. sei bereits unzulässig. Das Verfahren nach § 11 VAGBbg könne nur auf die Feststellung der Zulässigkeit einer Volksinitiative gerichtet sein. Bei dem Verfahren nach § 11 VAGBbg handele es sich um ein objektives Verfahren, in dem es nicht um eine etwaige Verletzung subjektiver Rechte gehe. Stelle das Gericht die Zulässigkeit der Volksinitiative fest, werde das Verfahren der Volksgesetzgebung fortgesetzt und es komme auf entgegenstehende Beschlüsse des Hauptausschusses nicht mehr an. Etwaige formelle Fehler könnten zudem im verfassungsgerichtlichen Verfahren geheilt werden, insbesondere bekämen die Vertreter der Antragstellerin dort Gelegenheit, die aus ihrer Sicht für die Zulässigkeit der Initiative streitenden Gesichtspunkte vorzutragen. Der Antrag zu 2. sei danach unstatthaft, jedenfalls fehle der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag könne auch nicht als Antrag auf Einleitung eines Organstreitverfahrens verstanden werden, weil weder die Antragstellerin noch ihre Vertreter insoweit antragsberechtigt seien. Als Verfassungsbeschwerde könne der Antrag ebenfalls nicht ausgelegt werden, da eine solche nur auf einen Verstoß gegen Grundrechte gestützt werden könne.

Der Antrag zu 3. sei von vornherein unzulässig und unbegründet gewesen. Deshalb sei nicht davon auszugehen, dass sich dieser Antrag im Rechtssinne erledigt habe. Soweit das Gericht das Verfahren aufgrund der Erklärung der Antragsteller einstellen wolle, bestünden hiergegen aber keine Einwände.

B.

I.

Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Antragstellerin den Antrag zu 3. für erledigt erklärt hat. Soweit der Landtag die Ansicht vertritt, dass sich dieser Antrag im Rechtssinne nicht erledigt habe, ist dies ohne Belang. Für die Einstellung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens entscheidend ist allein, dass die Antragstellerin mit ihrer Erklärung verdeutlicht hat, eine verfassungsgerichtliche Entscheidung bezüglich des Antrags zu 3. nicht mehr zu begehren. Eine Fortsetzung des Verfahrens käme danach allenfalls dann in Betracht, wenn hierfür ein öffentliches Interesse bestünde (vgl. für die abstrakte Normenkontrolle: Beschluss vom 12. Mai 2020 ‌‑ VfGBbg 13/19 ‑, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Das ist hier nicht der Fall.

II.

Die verbleibenden Anträge haben keinen Erfolg. Sie sind unzulässig.

1. Der Antrag zu 1. ist nach Art. 113 Nr. 5 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), § 12 Nr. 9 VerfGGBbg i. V. m. § 11 VAGBbg statthaft. Gemäß § 11 VAGBbg können die Vertreter einer Volksinitiative binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung das Verfassungsgericht anrufen, wenn der Hauptausschuss nach § 9 Abs. 6 Satz 1 VAGBbg ‑ wie hier am 19. Februar 2020 ‑ einen Beschluss über die Unzulässigkeit einer Volksinitiative fasst.

2. Antragstellerin ist die Volksinitiative selbst, deren Vertreter insoweit nach § 2 Abs. 3, § 11 VAGBbg als gesetzliche Prozesstandschafter auftreten (vgl. für Schleswig-Holstein: VerfG SH, Urteil vom 6. Dezember 2019 ‌‑ LVerfG 2/18 ‑,‌ Rn. 55, juris; für das Saarland: BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1990 ‌‑ 1 BvR 984/87, 1 BvR 985/87 ‑,‌ BVerfGE 82, 286, 295, Rn. 50, juris).

3. Der Antrag zu 1. ist unzulässig, weil er nicht innerhalb der Monatsfrist des § 11 VAGBbg entsprechend den Anforderungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg begründet worden ist.

a. § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg beansprucht als allgemeine Verfahrensvorschrift auch im Verfahren nach § 11 VAGBbg Geltung (vgl. für die abstrakte Normenkontrolle: Beschluss vom 17. Februar 2023 ‌‑ VfGBbg 10/21 ‑,‌ Rn. 35, und Urteil vom 25. Mai 2016 ‌‑ VfGBbg 51/15 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 ‌‑ 1 BvF 2/05 ‑,‌ BVerfGE 128, 1, 32, Rn. 116, www.bverfg.de). Im Rahmen der Begründung des Antrags muss danach neben einem substantiierten Vortrag des entscheidungserheblichen Sachverhalts auch eine Auseinandersetzung mit den im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen erfolgen. Welche Anforderungen an Umfang und Tiefe der rechtlichen Ausführungen im Rahmen der Begründung im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern richtet sich nach der Verfahrensart sowie den Umständen des Einzelfalls (allg. Meinung, vgl. Scheffczyk, in: BeckOK, BVerfGG, Walter/Grünwald, Stand 1. Dezember 2023, § 23 Rn. 8; Puttler, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Auflage 2022, § 23 Rn. 22; Lechner/Zuck, BVerfGG, 8. Auflage 2019, § 23 Rn. 11).

Insofern ist im Verfahren nach § 11 VAGBbg zu berücksichtigen, dass Streitgegenstand nicht der Beschluss des Hauptausschusses nach § 9 Abs. 6 Satz 1 VAGBbg, sondern die Zulässigkeit der Volksinitiative ist, die das Gericht im Falle eines erfolgreichen Antrags nach § 11 VAGBbg feststellt (vgl. Urteil vom 15. September 1994 ‌‑ VfGBbg 2/93 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; Lieber, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 77 Ziff. 2).

Den gerichtlichen Prüfungsmaßstab gibt dabei Art. 76 LV in Verbindung mit dem Volksabstimmungsgesetz vor. Neben der Einhaltung der dort genannten formellen (§ 6 VAGBbg) und materiellen (Art. 76 Abs. 2 LV, § 5 VAGBbg) Voraussetzungen ist für die Zulässigkeit einer Volksinitiative erforderlich, dass die Volksinitiative auch im Übrigen mit den Vorgaben der Verfassung in Einklang steht (vgl. Urteil vom 15. September 1994 ‌‑ VfGBbg 2/93 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; Lieber, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 76 Ziff. 6).

Über das Vorliegen dieser Voraussetzungen entscheidet das Verfassungsgericht im Rahmen des Verfahrens nach § 11 VAGBbg aufgrund einer umfassenden Prüfung, bei der es nicht auf die vom Hauptausschuss für die Unzulässigkeit der Volksinitiative angeführten Gründe beschränkt ist (vgl. ebenso für das jeweilige Landesrecht: VerfG SH, Urteile vom 6. Dezember 2019 ‌‑ LVerfG 2/18 ‑,‌ Rn. 58, und vom 24. September 2021 ‌‑ LVerfG 1/18 ‑,‌ Rn. 68; ThürVerfGH, Urteile vom 5. Dezember 2007 ‌‑ 47/06 ‑,‌ Rn. 49 ff., und vom 10. April 2013 ‌‑ 22/11 ‑,‌ Rn. 44, juris; SaarlVerfGH, Urteil vom 14. Juli 1987 ‌‑ Lv 3/86 ‑, NVwZ 1988, 245, 246; a.A. jedenfalls für den ‑ hier nicht vorliegenden ‑ Fall der Anrufung des Verfassungsgerichts durch die Regierung BayVerfGH, Entscheidung vom 24. Februar 2000 ‌‑ Vf. 112‑IX‑99 ‑,‌ Rn. 39, juris).

Diese umfassende Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichts folgt aus dem Sinn und Zweck des vorgeschalteten Zulässigkeitsverfahrens. Bei dem Verfahren nach § 11 VAGBbg handelt es sich der Sache nach um eine vorbeugende abstrakte Normenkontrolle (ThürVerfGH, Urteil vom 5. Dezember 2007 ‌‑ 47/06 ‑,‌ Rn. 49, juris). Mit dieser soll bereits auf Ebene der Volksinitiative der mit der Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheid verbundene organisatorische und finanzielle Aufwand vermieden werden, wenn das entsprechende Gesetz im Nachgang durch das Verfassungsgericht ohnehin für nichtig erklärt werden müsste (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 1/1605, S. 43 f.). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die nachträgliche Verwerfung eines durch Volksentscheid zustande gekommenen Gesetzes durch das Verfassungsgericht für den direktdemokratischen Ansatz im Zweifel abträglicher wäre als eine Feststellung der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit bereits im Stadium der Volksinitiative (vgl. Urteil vom 20. September 2001 ‌‑ VfGBbg 57/00 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Die Bevölkerung soll keinesfalls unnötigerweise zu den Urnen gerufen werden.

Diesem Anliegen widerspräche es, wenn das Verfassungsgericht bei seiner Prüfung nicht auch solche Zulässigkeitsfragen in den Blick nehmen könnte, die der Hauptausschuss bei seiner Entscheidung nach § 9 Abs. 6 Satz 1 VAGBbg übersehen oder offengelassen hat. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass inhaltliche Fehler eines Gesetzentwurfs im anschließenden parlamentarischen Verfahren nicht mehr ausgeräumt werden können (vgl. VerfG SH, Urteil vom 24. September 2021 ‌‑ LVerfG 1/18 ‑,‌ Rn. 69, juris), weil der Landtag dem Entwurf grundsätzlich nur in unverändertem Zustand zustimmen kann (§ 13 Abs. 4 Satz 1 VAGBbg). Etwaige ‑ im Rahmen der präventiven Kontrolle unberücksichtigt gebliebene ‑ verfassungsrechtliche Mängel können dann erst im Nachgang des Volksentscheids etwa durch (teilweise) Nichtigerklärung des Gesetzes in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle behoben werden.

Hinzu kommt, dass die Zulassung eines Volksbegehrens als Teil des dreistufigen Verfahrens der (Volks-)Gesetzgebung ohnehin nicht zur Disposition des Landtags steht (vgl. SaarlVerfGH, Urteil vom 14. Juli 1987 ‌‑ Lv 3/86 ‑, NVwZ 1988, 245, 246), wie auch § 13 Abs. 3 VAGBbg verdeutlicht, der für die Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Landtags eine Verpflichtung ‑ und nicht nur eine Befugnis ‑ zur Anrufung des Verfassungsgerichts vorsieht, wenn sie ein Volksbegehren für unzulässig halten.

Es ist schließlich nicht ersichtlich, warum bei der vorbeugenden Normenkontrolle nach § 11 VAGBbg ein anderer Maßstab gelten sollte als bei der nachträglichen Normenkontrolle, bei der die verfassungsgerichtliche Prüfung eines zulässigerweise zur Überprüfung gestellten Gesetzes nicht auf ausdrücklich gerügte Verstöße beschränkt ist (vgl. Urteil vom 15. Oktober 2009 ‌‑ VfGBbg 9/08 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 ‌‑ 2 BvF 1/92 ‑,‌ BVerfGE 93, 37, 65, Rn. 132, www.bverfg.de). Auch bei dem Verfahren nach § 11 VAGBbg handelt es sich der dargestellten Konzeption nach nicht um ein Verfahren des subjektiven Rechtsschutzes. Vielmehr erfüllt es ‑ ebenso wie die abstrakte Normenkontrolle (vgl. dazu VerfGH RP, Beschluss vom 13. Juni 2014 ‌‑ VGH N 14/14 u. a. ‑,‌ Rn. 91 ff., juris; BVerfG, Urteil vom 30. Juli 1952 ‌‑ 1 BvF 1/52 ‑,‌ BVerfGE 1, 396, 407, Rn. 45, juris, und Beschluss vom 19. September 2007 ‌‑ 2 BvF 3/02 ‑,‌ BVerfGE 119, 247, 258, Rn. 39, www.bverfg.de) ‑ eine objektive, den Vorrang der Verfassung sichernde Funktion, bei der nicht der Antragstellerin zu einem Recht verholfen, sondern Rechtssicherheit und -gewissheit geschaffen werden sollen.

b. Aus den zuvor angestellten Erwägungen ergibt sich mit Blick auf die Begründungsanforderungen im Verfahren nach § 11 VAGBbg Folgendes:

Zur sachgerechten Wahrnehmung seiner umfassenden Prüfungskompetenz muss das Verfassungsgericht in die Lage versetzt werden, eine Sachentscheidung ohne zeitaufwendige eigene Ermittlungen vorzubereiten. Die Begründung dient auch im vorliegenden Verfahren dazu, eine zuverlässige Grundlage für die weitere Behandlung des Antrags zu schaffen (vgl. Puttler, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Auflage 2022, § 23 Rn. 17 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 1963 ‌‑ 1 BvR 610/62 ‑,‌ BVerfGE 15, 288, 292).

Zur erforderlichen Begründung eines Antrags nach § 11 VAGBbg gehört zunächst eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gründen des Beschlusses des Hauptausschusses (vgl. für das Wahlprüfungsverfahren: BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 ‌‑ 2 BvC 46/19 ‑,‌ BVerfGE 156, 224, 237 f., Rn. 37 ff., www.bverfg.de), auch wenn das Gericht nicht auf die vom Hauptausschuss für eine Unzulässigkeit der Volksinitiative angeführten Gründe beschränkt ist. Welche Anforderungen dabei im Einzelnen an Inhalt und Umfang der von der Antragstellerin zu leistenden Ausführungen zu stellen ist, hängt wiederum von dem Beschluss des Hauptausschusses ab. Je ausführlicher und differenzierter der Hauptausschuss seine Entscheidung begründet, umso mehr ist die Antragstellerin im Rahmen ihrer Begründungspflicht gehalten, diesen Erwägungen mit substantiellem Vortrag zu begegnen.

Ungeachtet dessen genügt die Begründung eines Antrags nach § 11 VAGBbg auch dann nicht ohne weiteres den Anforderungen, wenn sie sich auf eine Auseinandersetzung mit dem Beschluss des Hauptausschusses oder auf den Hinweis beschränkt, dass sich der Hauptausschuss in der Sache nicht geäußert hat. Zwar kann einerseits nicht verlangt werden, dass die Antragsbegründung gleichsam „ins Blaue hinein“ auf sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Volksinitiative eingeht, ohne dass hierzu im Einzelfall Anlass besteht. Andererseits darf sich die Antragstellerin auch im objektiven Verfahren nach § 11 VAGBbg nicht darauf zurückziehen, dass die Verantwortung für die zu treffende rechtliche Beurteilung des Prozessstoffs beim Gericht liegt (vgl. für das Wahlprüfungsverfahren: Beschluss vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 37/20 ‑,‌ Rn. 10, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; für die abstrakte Normenkontrolle: Beschluss vom 17. Februar 2023 ‌‑ VfGBbg 10/21 ‑,‌ Rn. 35, und Urteil vom 25. Mai 2016 ‌‑ VfGBbg 51/15 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Je nach Fallgestaltung können deshalb unabhängig von den Gründen des Hauptausschusses Ausführungen zu den anzuwendenden verfassungsrechtlichen Maßstäben und deren Einhaltung im zu entscheidenden Fall sowie eine Auseinandersetzung mit einschlägiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung geboten sein (vgl. für die abstrakte Normenkontrolle: SächsVerfGH, Beschluss vom 24. März 2021 ‌‑ Vf. 121‑II‑20 ‑,‌ Rn. 24; HessStGH, Beschluss vom 26. April 2023 ‌‑ P.St. 2895 ‑,‌ Rn. 54 ff., juris). Die Begründung der Antragstellerin muss sich dabei im Einzelfall jedenfalls mit solchen Gesichtspunkten der Zulässigkeit der Volksinitiative befassen, bei denen es sich aufdrängt, dass sie im verfassungsgerichtlichen Verfahren bedeutsam werden können. Das gilt angesichts der nicht kontradiktorischen Ausgestaltung des Verfahrens nach § 11 VAGBbg auch dann, wenn der Hauptausschuss seine Entscheidung auf andere Gründe gestützt haben sollte.

c. Diesen Anforderungen ist die Antragstellerin nicht innerhalb der nach § 11 VAGBbg geltenden Monatsfrist nachgekommen.

aa. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin begann die Frist des § 11 VAGBbg mit der am 5. März 2020 erfolgten Bekanntgabe der Entscheidung des Hauptausschusses durch die Präsidentin des Landtags.

Soweit die Antragstellerin meint, das Schreiben der Präsidentin vom 4. März 2020 habe den Fristbeginn nicht auszulösen vermocht, weil es keine ordnungsgemäße Bekanntgabe bewirkt habe, überzeugt dies nicht. Für den Beginn der Frist kommt es nach dem Wortlaut des § 11 VAGBbg auf die Bekanntgabe der Entscheidung des Hauptausschusses an. Nach § 9 Abs. 6 Satz 3 VAGBbg ist der Beschluss den Vertreterinnen und Vertretern der Volksinitiative durch die Präsidentin des Landtages bekannt zu geben. Besondere Anforderungen an Inhalt und Form der Bekanntgabe regelt das Volksabstimmungsgesetz nicht. Es schreibt auch nicht vor, dass neben dem Beschluss dessen Gründe von der Präsidentin des Landtages mitzuteilen sind oder das Beschlussdokument beizufügen ist. Anders als etwa § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg für die Verfassungsbeschwerde macht § 11 VAGBbg den Beginn des Fristlaufs gerade nicht von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen bei der Bekanntgabe („…Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung“) abhängig.

Der Hinweis der Antragstellerin auf § 41 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) führt ebenfalls nicht weiter, auch wenn man mit der Antragstellerin annehmen wollte, dass diese Regelung über die Bekanntgabe von Verwaltungsakten entsprechend heranzuziehen ist. Die Bekanntgabe nach dieser Norm setzt gleichermaßen nur voraus, dass dem Betroffenen der Inhalt der Entscheidung mitgeteilt wird. Für eine wirksame Bekanntgabe ist es danach weder erforderlich, dass der Betroffene eine Ausfertigung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 1995 ‌‑ 11 B 132.95 ‑,‌ Rn. 9, und Urteil vom 24. Januar 1992 ‌‑ 7 C 38.90 ‑,‌ Rn. 18, juris) noch eine Begründung der bekanntzugebenden Entscheidung erhält (vgl. Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 41 Rn. 6a; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage 2023, § 41 Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2014 ‌‑ 2 B 1111/14 ‑,‌ Rn. 7, juris). Wie § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG verdeutlicht, gilt dies selbst dann, wenn eine Begründung ‑ wie es etwa bei schriftlichen Verwaltungsakten regelmäßig der Fall ist (vgl. § 39 VwVfG) ‑ gesetzlich vorgeschrieben ist. Für den Beginn der an die Bekanntgabe nach § 9 Abs. 6 Satz 3 VAGBbg anknüpfenden Frist in § 11 VAGBbg ist es damit auch bedeutungslos, ob der Hauptausschuss oder die Präsidentin des Landtags von Verfassungs wegen zur Mitteilung einer Begründung verpflichtet waren.

Die Auffassung der Antragstellerin, dass der Beginn der Monatsfrist des § 11 VAGBbg an den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Begründung für die Entscheidung des Hauptausschusses zu knüpfen ist, widerspricht nicht nur dem Wortlaut der Bestimmung, sondern auch deren Zweck, der ‑ wie auch die Antragstellerin im Schriftsatz vom 27. Mai 2022 annimmt ‑ auf eine alsbaldige Klärung der Zulässigkeit der Volksinitiative gerichtet ist. Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme kann ganz erheblich nach der Bekanntgabe der Entscheidung liegen. In der Konsequenz könnte diese Sichtweise also zu Verfahrensverzögerungen führen.

Die Wahrnehmung des Rechtsbehelfs nach § 11 VAGBbg wird der Antragstellerin auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert, indem die Monatsfrist mit der Bekanntgabe des Beschlusses zu laufen beginnt. Wie dargelegt prüft das Verfassungsgericht die Zulässigkeit der Volksinitiative im Verfahren nach § 11 VAGBbg umfassend und unabhängig von dem Beschluss des Hauptausschusses, so dass es für die Begründetheit des Antrags auf die für die Entscheidung des Hauptausschusses tragenden Gründe nicht ankommt. Deren fehlende Kenntnis gereicht einer Antragstellerin bei der Prüfung der Begründungsanforderungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg auch nicht zum Nachteil. Deshalb ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen es für sie unmöglich sein könnte, von dem ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelf innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung effektiv Gebrauch zu machen.

Ausgehend vom Eintritt des Fristbeginns am 5. März 2020 endete die Frist des § 11 VAGBbg am Montag, den 6. April 2020 um 24.00 Uhr (§ 222 Zivilprozessordnung i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch).

bb. Innerhalb der Frist hat sich die Antragstellerin nicht in einer den beschriebenen Begründungsanforderungen entsprechenden Weise geäußert. Ihr am 3. April 2020 beim Verfassungsgericht eingegangenes Schreiben vom 2. April 2020 enthält keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen. Sie wäre der Antragstellerin indessen bis zum 6. April 2020 möglich gewesen.

Da der Antragstellerin die Gründe der Entscheidung des Hauptausschusses nach ihren nicht widerlegbaren Angaben erst durch die Übersendung der entsprechenden Protokolle im verfassungsgerichtlichen Verfahren bekannt geworden sind, war zwar eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Ausschusses zunächst nicht angezeigt. Dies entband die Antragstellerin aber nicht davon, innerhalb der Monatsfrist zu den im Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdiensts vom 10. Februar 2020 angesprochenen Zulässigkeitsfragen jedenfalls in groben Zügen Stellung zu nehmen. Dafür spricht hier auch, dass den Vertretern der Antragstellerin das Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdiensts bereits unmittelbar nach seiner Veröffentlichung bekannt war. So lässt sich dem Protokoll der Anhörung im ALUK am 12. Februar 2020 entnehmen, dass sie sich mit dessen Inhalt auseinandergesetzt haben (vgl. insbesondere S. 23 ff. des Ausschussprotokolls P-ALUK 7/4 vom 12. Februar 2020). Darüber hinaus haben sich Vertreter der Antragstellerin noch im Februar auch in den Medien öffentlichkeitswirksam mehrfach zu den im Gutachten geäußerten Bedenken geäußert und ihr Unverständnis hierüber zum Ausdruck gebracht (so u. a. gegenüber agrarheute, dem Tagesspiegel und im HAUPTSTADT.TV). Angesichts dessen kann die Antragstellerin nicht mit dem Argument gehört werden, im verfassungsgerichtlichen Verfahren sei ihr bis zum 6. April 2020 nicht einmal eine rudimentäre Auseinandersetzung mit den im Gutachten angesprochenen Fragen möglich gewesen.

Der am 14. Juli 2020 bei Gericht eingegangene Schriftsatz hat die Monatsfrist des § 11 VAGBbg nicht gewahrt. Die Begründung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg ist ein wesentlicher Bestandteil des Antrags und muss deshalb innerhalb der Antragsfrist erfolgen (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 20. Januar 2012 ‌‑ VfGBbg 67/11 ‑,‌ vom 21. September 2019 ‌‑ VfGBbg 58/18 ‑,‌ und vom 20. Januar 2023 ‌‑ VfGBbg 67/21 ‑, Rn. 51, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de; BVerfG, Urteil vom 17. Oktober 1968 ‌‑ 2 BvE 2/67 ‑,‌ Rn. 31, juris). Es ist nicht ersichtlich, warum dieser allgemeine Grundsatz im Verfahren über die Zulässigkeit einer Volksinitiative keine Geltung beanspruchen sollte, zumal die Frist des § 11 VAGBbg ‑ wie bereits dargestellt ‑ Ausdruck des öffentlichen Interesses an einer alsbaldigen Klärung der Zulässigkeit der Volksinitiative ist. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn es der Antragstellerin gestattet wäre, die Begründung des Antrags erst nach Ablauf der Monatsfrist einzureichen (vgl. für das Wahlprüfungsverfahren: BVerfG, Beschluss vom 11. April 1967 ‌‑ 2 BvC 5/67 ‑,‌ Rn. 6, juris).

Ungeachtet dessen hätte die am 14. Juli 2020 eingegangene Antragsbegründung die Monatsfrist des § 11 VAGBbg auch dann nicht wahren können, wenn als Fristbeginn für einen Antrag nach § 11 VAGBbg entgegen der hier vertretenen Auffassung der Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Gründe für den Beschluss des Hauptausschusses zu erachten wäre. Denn die parlamentarischen Unterlagen sind dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bereits mit gerichtlicher Verfügung vom 19. Mai 2020 übermittelt worden, so dass er ab diesem Zeitpunkt in die Lage versetzt war, sich mit den für den Hauptausschuss maßgeblichen Gründen auseinanderzusetzen.

cc. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus. Abgesehen davon, dass § 47 Abs. 2 VerfGGBbg nach Wortlaut und Systematik ohnehin nur im Verfassungsbeschwerdeverfahren Anwendung findet und eine entsprechende Anwendung der Vorschrift mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht kommen dürfte, liegen insbesondere mit Blick auf die zuvor angestellten Erwägungen keine Anhaltspunkte für eine unverschuldete Säumnis der Antragstellerin vor.

dd. Die Antragstellerin konnte mit Blick auf die zu erfüllenden Begründungsanforderungen vorliegend auch keinen Hinweis des Gerichts (mehr) erwarten. Zwar steht es einem Antragsteller frei, die Frist zur Einreichung eines Rechtsbehelfs „bis zur letzten Minute“ auszunutzen. Er trägt dann aber das Risiko, dass sein Antrag die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt. So auch hier: Die Antragsschrift hat das Verfassungsgericht erst am Freitag, den 3. April 2020, erreicht. Zwischen dem Eingang der Antragsschrift und dem Fristablauf lag angesichts des anstehenden Wochenendes nur ein Arbeitstag. Bei diesem zeitlichen Ablauf kann die Antragstellerin nicht erwarten, dass das Verfassungsgericht sie noch vor Ablauf der Frist auf die mögliche Nichteinhaltung der Begründungsanforderungen hinweist und ihr die Gelegenheit eröffnet, den Mangel zu heilen (vgl. zu einem Terminsverlegungsantrag, der einen Tag vor der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist, BSG, Beschluss vom 7. November 2017 ‌‑ B 13 R 153/17 B ‑,‌ Rn. 9, juris; im Anschluss daran BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2021 ‌‑ 1 BvR 1997/18 ‑,‌ Rn. 13, www.bverfg.de). Nach dem 6. April 2020 war ein entsprechender Hinweis schon deshalb entbehrlich, weil eine Nachholung der Begründung nicht mehr zur Zulässigkeit des Antrags hätte führen können.

4. Der Antrag zu 2. ist ebenfalls unzulässig.

Der auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Hauptausschusses vom 19. Februar 2020 gerichtete Antrag ist im Verfahren nach § 11 VAGBbg bereits nicht statthaft. Wie dargestellt handelt es sich bei dem Verfahren nach § 11 VAGBbg um ein objektives, unmittelbar auf die Feststellung der Zulässigkeit der Volksinitiative gerichtetes Verfahren. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einzelner Verfahrensschritte ist in diesem Zusammenhang weder vorgesehen noch erforderlich. Dementsprechend ist der Hauptausschuss am Verfahren nach § 11 VAGBbg auch nicht beteiligt.

Eine Auslegung des Antrags im Sinne der Einleitung eines Organstreits scheidet ungeachtet der Frage aus, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Antragstellerin insoweit als „andere Beteiligte“ nach § 12 Nr. 1 VerfGGBbg beteiligtenfähig sein könnte (bis zum Abschluss des Volksgesetzgebungsverfahrens angenommen von HambVerfG, vgl. Urteile vom 15. Dezember 2004 ‌‑ 6/04 ‑,‌ Rn. 37, und vom 27. April 2007 ‌‑ 3/06 ‑,‌ Rn. 81 ff., juris; offen gelassen von BVerfG, Beschlüsse vom 24. März 1982 ‌‑ 2 BvH 2/82 ‑,‌ Rn. 103, juris, und vom 3. Juli 2000 ‌‑ 2 BvK 3/98 ‑,‌ BVerfGE 102, 176, 183, Rn. 77, www.bverfg.de). Die anwaltlich vertretene Antragstellerin wollte ausweislich ihrer Antragsschrift ausdrücklich nur ein Verfahren nach § 11 VAGBbg einleiten. Dementsprechend ist sie dem Einwand des Landtags, wonach eine Auslegung ihres Antrags als Antrag im Organstreit nicht in Betracht komme, nicht entgegengetreten. Abgesehen davon würde es auch an der Antragsbefugnis der Antragstellerin im Organstreit fehlen, da sie nicht vorgetragen hat, ob und gegebenenfalls welche Ansprüche ihr aus der Verfassung zustehen, die gerade durch eine rechtswidrige Beschlussfassung des Hauptausschusses nach § 9 Abs. 6 Satz 1 VAGBbg verletzt worden sein könnten. Allein aus dem prozessualen Recht der Vertreter der Antragstellerin, ein Verfahren nach § 11 VAGBbg einzuleiten, ergibt sich jedenfalls noch kein materieller Anspruch (zum Unterschied zwischen Antragsrecht und Anspruchsberechtigung vgl. auch BVerfG, Urteil vom 30. Juli 1952 ‌‑ 1 BvF 1/52 ‑,‌ BVerfGE 1, 396, 407, Rn. 45, juris).

C.

Notwendige Auslagen sind nicht zu erstatten. Besondere Billigkeitsgründe im Sinne von § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg, die eine angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens und des fehlenden Anwaltszwangs nur ausnahmsweise in Betracht kommende Auslagenerstattung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

D.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 VerfGGBbg.

E.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

Möller

Dr. Finck

Kirbach

Dr. Koch

Müller

Richter

Sokoll