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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Januar 2012 - VfGBbg 67/11 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 19 Abs. 4; VerfGGBbg, § 20; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 47 Abs. 1
Schlagworte: - Vollmacht
- Darlegung
- Begründung
- Substantiierung
- Beschwerdefrist
amtlicher Leitsatz: Die Frist des § 47 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg gilt nicht nur für die Einlegung, sondern auch für die Begründung der Verfassungsbeschwerde.
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Januar 2012 - VfGBbg 67/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 67/11




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

   K.,

 

 

 

Beschwerdeführer zu 1),

 

   K.

 

 

 

Beschwerdeführerin zu 2),

 

Verfahrensbevollmächtigter der Beschwerdeführer

zu 1) und zu 2):                  

                         Rechtsanwalt K.,

 

 

 

 

wegen Urteils des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. März 2011 – 12 C 388/10 -  und Beschlusses des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Oktober 2011 – 15 S 63/11 -

 

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

am 20. Januar 2012

 

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden verworfen.

 

 

G r ü n d e :

 

A.

Die Beschwerdeführer bewohnen eine Wohnung in einem Haus, das im Eigentum einer Gemeinde, der Klägerin des Ausgangsrechtsstreits, steht. Die Gemeinde beschloss, das Haus abreißen zu lassen und kündigte das Mietverhältnis mit den Beschwerdeführern, weil sie den weiteren Erhalt der Immobilie für unwirtschaftlich hielt. Nachdem die Beschwerdeführer die Räumung der Wohnräume verweigert hatten, verklagte die Gemeinde sie auf Räumung der Wohnung. Mit Urteil vom 10. März 2011 gab das Amtsgericht Fürstenwalde dieser Klage statt, weil es   das Mietverhältnis durch die Kündigung für beendet hielt. Das Landgericht Frankfurt(Oder) wies nach zwei Hinweisbeschlüssen die Berufung mit Beschluss vom 11. Oktober 2011, dem Prozessbevollmächtigten laut Eingangsstempel am 18. Oktober 2011 zugegangen, als unbegründet zurück. Das Landgericht stellte wie das Amtsgericht unter anderem darauf ab, dass die Gemeinde das betreffende Wohnhaus unstreitig in dem heute im Wesentlichen noch bestehenden Zustand übernommen hatte.

 

Mit der am 9. Dezember 2011 durch anwaltlichen Schriftsatz erhobenen Verfassungsbeschwerde wird die Verletzung rechtlichen Gehörs sowie die ungenügende Berücksichtigung der aus Art. 14 Grundgesetz (GG) folgenden Sozialpflichtigkeit des Eigentums durch das Amts- und das Landgericht gerügt. Den Beschwerdeführern sei derzeit ein Umzug nicht zuzumuten, da die Beschwerdeführerin zu 2) schwerbehindert sei und der Beschwerdeführer zu 1) einen Herzinfarkt erlitten habe.

 

Die Beschwerdeführer beantragen,

 

1. den Beschluss des Landgerichts Frankfurt(Oder) vom 11. Oktober 2011 aufzuheben  und zur erneuten Verhandlung nach Maßgabe des Verfassungsgerichts zurückzuverweisen,

     

    2. hilfsweise das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. März 2011 in Gestalt des Beschlusses des Landgerichts Frankfurt(Oder) vom 11. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

       

      3. im Wege der einstweiligen Verfügung die Vollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. März 2011 einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache einzustellen.

         

        Im weiteren Schriftsatz vom 29. Dezember 2011 berufen sich die Beschwerdeführer auf die aus Art. 41 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) folgende Sozialpflichtigkeit des Eigentums sowie auf die korrespondierenden Rechte des Mieters, dass der Eigentümer sein Eigentum nicht verkommen lasse und die Mietwohnung instand halte. Dies ergebe sich auch aus der Unverletzlichkeit der Wohnung, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Menschenwürde.

         

        B.

        I. Die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erweisen sich bereits deshalb als unzulässig, weil trotz unter Fristsetzung ergangener Aufforderung vom 13. Dezember 2011 keine Verfahrensvollmacht vorgelegt worden ist (§ 19 Abs. 4 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg - VerfGGBbg).

         

        II. Für die Verfassungsbeschwerde fehlt es darüber hinaus an einer ausreichenden Begründung. Die Darstellungen der Beschwerdeführer werden nicht den gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde zu stellenden Anforderungen gerecht. Danach sind in der Begründung das (Landes-)Grundrecht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen. Im Einzelnen ist darzulegen, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme nicht genügt und inwieweit dadurch das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll.

         

        1. Die Ausführungen in der am 9. Dezember 2011 beim Verfassungsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift genügen diesen Anforderungen nicht.

         

        a. Soweit die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird, legen die Beschwerdeführer nicht dar, welcher konkrete Tatsachenvortrag von den Gerichten nicht berücksichtigt worden sein soll. Sie behaupten insoweit nur pauschal, den Vortrag der im Ausgangsverfahren Beklagten (gemeint ist wohl der Klägerin) bestritten und Widersprüche in den Kostenschätzungen aufgezeigt zu haben. Die Gerichte hätten sich darüber hinweggesetzt, den von der Gemeinde geschilderten Sachverhalt als wahr unterstellt und Beweisangebote nicht ausgeschöpft. Welche konkreten Tatsachen sie in welcher Weise bestritten haben wollen und welche Beweisanträge die Gerichte ihrer Meinung unbeachtet gelassen haben, lässt der Vortrag der Beschwerdeführer dagegen vermissen.

         

        b. Weitere Landesgrundrechte, welche durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verletzt sein könnten, nennen die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer nicht. Sie berufen sich auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums aus Art. 14 GG und rügen, dass die Gerichte die ihrer Auffassung nach aus dem Grundgesetz folgenden Pflichten eines Eigentümers nicht genügend gewürdigt hätten. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 LV eröffnet die Verfassungsbeschwerde jedoch ausschließlich gegen behauptete Ver­letzungen der in der Verfassung des Landes Brandenburg gewährleisteten Grundrechte. Die Rüge der Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen ist daher unzulässig.

         

        2. Die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 29. Dezember 2011 sind – ungeachtet der Frage, ob diese den Substantiierungsanforderungen genügen - nicht zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Beschwerdeführer darin nunmehr auf Art. 41 LV, das Recht von Mietern, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde berufen. Der Schriftsatz ist nach Ablauf der nach § 47 Abs. 1 VerfGGBbg geltenden Zweimonatsfrist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde eingegangen. Diese Frist war mit dem 19. Dezember 2011 verstrichen. Sie gilt nicht nur für die Einlegung, sondern auch für die Begründung der Verfassungsbeschwerde (vgl. zur kommunalen Verfassungsbeschwerde: Beschluss vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 71/02 - LKV 2002, 467 mWN). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg sind verfahrenseinleitende Anträge zu begründen, wobei die Begründung der Verfassungsbeschwerde den in § 46 VerfGGBbg beschriebenen Mindestinhalt aufweisen muss. Nachstehend regelt § 47 VerfGGBbg, wann die Verfassungsbeschwerde zu erheben ist. Eine nach Fristablauf eingehende weitere Begründung kann daher nur Berücksichtigung finden, soweit sie sich als Ergänzung oder Vertiefung zu einem Vortrag darstellt, der seinerseits den Anforderungen der §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 46 VerfGGBbg entspricht.

         

        Die Frist ist – ungeachtet der Frage, ob eine Verlängerung dieser gesetzlichen Frist überhaupt in Betracht kommt –nicht durch das gerichtliche Schreiben vom 13. Dezember 2011 verlängert worden. Mit dieser Verfügung wurde den Beschwerdeführern ein Hinweis zu den Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde erteilt und hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

         

        III. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nicht in Betracht, weil sich das Begehren in der Hauptsache als erfolglos erweist.

         

         

        C.

        Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

        Postier Dr. Becker
           
        Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
           
        Möller Nitsche
           
        Partikel Schmidt