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VerfGBbg, Beschluss vom 25. Oktober 2021 - VfGBbg 96/19 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- LV, Art. 6 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde teilweise unzulässig
- Verfassungsbeschwerde unbegründet
- Begründungsmangel
- Anhörungsrüge
- Nichtberücksichtigung von Vortrag
- Rechtliches Gehör
- Rechtsschutzbedürfnis
- Zustellung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 25. Oktober 2021 - VfGBbg 96/19 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 96/19




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 96/19

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

Z.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:              Rechtsanwalt K.

 

beteiligt:

Direktorin
des Amtsgerichts Nauen,
Paul-Jerchel-Straße 9,
14641 Nauen,

Äußerungsberechtigte,

wegen

Beschlüsse des Amtsgerichts Nauen vom 20. September 2019 und vom 26. November 2019 ‌‑ 34 OWiE 202/19

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 25. Oktober 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Strauß, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird teilweise verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Beschlüsse des Amtsgerichts Nauen, mit denen sein im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit gestellter Antrag auf gerichtliche Entscheidung bzw. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet verworfen wurde.

I.

Der Landkreis H. setzte mit Bußgeldbescheid vom 1. April 2019 (Az. 321512 1906220 SC) gegen den Beschwerdeführer wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 170,00 € fest und gab die Zustellung des Bußgeldbescheids durch die Deutsche Post AG in Auftrag. Die an den Beschwerdeführer adressierte, vom Postbediensteten unterschriebene Zustellungsurkunde vom 3. April 2019 weist aus, dass der Bußgeldbescheid in den zur Wohnung des Beschwerdeführers gehörenden Briefkasten eingelegt worden sei, weil die Übergabe des Schriftstücks versucht worden, jedoch nicht möglich gewesen sei. In das auf dem Kuvert des Bußgeldbescheids vorgedruckte Feld „Zugestellt am (Datum, ggf. Uhrzeit, Unterschrift)“ ist „03.04.2019“ handschriftlich eingetragen, nebst Unterschrift.

Mit Schreiben vom 12. April 2019 übersandte der Kundenservice der Deutschen Post AG dem Landkreis den Bußgeldbescheidbrief und teilte mit, dieser sei ihm von der Niederlassung Brief zugesandt worden. Er sei im Bereich der Deutschen Post AG aufgefunden worden. Die näheren Umstände der Rückgabe seien nicht bekannt, nähere Angaben könnten nicht gemacht werden.

Auf die Mahnung des Landkreises ließ der Beschwerdeführer mitteilen, dass ihm das Schreiben zum Bußgeld vom 1. April 2019 nicht vorliege, und bat um dessen Übersendung. Unter dem 6. August 2021 übersandte der Landkreis dem Beschwerdeführer eine Kopie des Bußgeldbescheids.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer legte am 15. August 2019 gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein und beantragte Akteneinsicht. Die Behörde verwarf den Einspruch mit Bescheid vom 16. August 2019 als unzulässig. Der Bußgeldbescheid sei dem Beschwerdeführer am 3. April 2019 zugestellt worden. Der eingegangene Einspruch sei unwirksam und als unzulässig zu verwerfen.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers beantragte mit Schreiben vom 20. August 2019 gerichtliche Entscheidung und erneut Akteneinsicht. Eine Zustellung des Bußgeldbescheids vor dem 6. August 2021 sei nach seinen Unterlagen nicht festzustellen.

Mit Verfügung vom 3. September 2019 bat das Amtsgericht Nauen den Verfahrensbevollmächtigen des Beschwerdeführers um Mitteilung, ob eine Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren beabsichtigt sei. Der Verfahrensbevollmächtige wies unter dem 18. September 2019 darauf hin, dass der Bußgeldbescheid im Bereich der Deutschen Post AG aufgefunden worden sei. Daraus folge, dass der Zustellungsauftrag nie ausgeführt worden sei. Dies erkläre auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer keine Kenntnis von dem Bußgeldbescheid gehabt habe. Vorstehendes ergebe sich aus Blatt 29 und 30 der Verfahrensakte. Da eine erneute Zustellung nicht unternommen worden sei, sei Verfolgungsverjährung eingetreten.

Das Amtsgericht Nauen wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 20. September 2019 ‌‑ 34 OWiE 202/19 ‑‌, dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 27. September 2019 zugestellt, als unbegründet zurück. Der Antrag habe in der Sache keinen Erfolg. Der Verwerfungsbescheid des Landkreises vom 16. August 2019 sei aufrechtzuerhalten, da dieser den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen habe. Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 3. April 2019 sei der Bußgeldbescheid dem Beschwerdeführer unter seiner Wohnanschrift durch Einlegen in den Briefkasten wirksam zugestellt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen unrichtig seien, bestünden nicht. Die Postzustellungsurkunde erbringe als öffentliche Urkunde den vollen Beweis für die darin bezeugten Tatsachen. Der volle Gegenbeweis könne nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Erforderlich sei der volle Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehens, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine objektive Falschbeurkundung belege. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. November 2005 ‌‑ III ZR 104/05 ‑‌ müsse die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet werden. Die Verteidigung habe den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen nicht erbracht. Die Behauptung, ihm liege der Bußgeldbescheid nicht vor, reiche als Gegenbeweis nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aus. Denn notwendig sei der volle Beweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen sei. Dem genüge die Einlassung des Beschwerdeführers nicht. Das Schreiben der Deutschen Post AG vom 12. April 2019 stehe dem nicht entgegen. Es besage nicht, dass der Zustellungsauftrag nicht ausgeführt worden sei. Vielmehr gehe aus dem Schreiben lediglich hervor, dass der Brief, auf dessen Umschlag ebenfalls die Zustellung am 3. April 2019 vermerkt worden sei, im Bereich der Deutschen Post AG aufgefunden worden sei. Aus welchen Gründen er dorthin gelangt sei, ob er z. B. nach Auffinden im zur Wohnung des Betroffenen gehörenden Briefkasten in einen Briefkasten der Deutschen Post AG eingeworfen worden sei, bleibe unklar, lasse aber die Wirksamkeit der zuvor erfolgen Zustellung unberührt. Der Landkreis habe den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen, da er nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides bei der Behörde eingegangen sei. Die Einspruchsfrist sei am 17. April 2019 abgelaufen, der Einspruch bei dem Landkreis erst am 15. August 2019 eingegangen.

Mit Schreiben vom 18. November 2019 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers, das Verfahren gemäß § 46 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), § 33a Strafprozeßordnung (StPO) in die Lage zurückzuversetzen, in der es sich vor dem Erlass des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 20. September 2019 über die Verwerfung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung befand. Der Beschluss vom 20. September 2019 verletze den Beschwerdeführer in seinem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV).

Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV verpflichte das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen. Um eine Verletzung zu rügen, bedürfe es besonderer Umstände, welche verdeutlichten, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht ausreichend in Betracht gezogen worden sei. Diese lägen dann vor, wenn das entscheidende Gericht in den Beschlussgründen auf den wesentlichen Kern des nicht offensichtlich unsubstantiierten Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht eingehe, die - auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Gerichts - für das Verfahren von zentraler Bedeutung sei, oder wenn die Nichtberücksichtigung bzw. Zurückweisung von Vorbringen im anzuwendenden Prozessrecht keine Stütze mehr finde.

Kern der Ausführungen des Beschwerdeführers sei gewesen, dass die Zustellung, so diese denn tatsächlich stattgefunden habe, fehlerbehaftet gewesen sei. Insoweit sei bereits im Rahmen der Antragstellung auf die Seiten 29 und 30 der Verfahrensakte hingewiesen worden. Aus denen hätten sich bei angemessener Beachtung hinreichend konkrete Hinweise ergeben, welche eine Beweisaufnahme nötig gemacht hätten. Dem Gericht sei bekannt gewesen, dass der Bußgeldbescheid im Bereich der Deutschen Post AG aufgefunden wurde. Den hierauf gerichteten und bewiesenen Vortrag des Antragstellers habe das Gericht unzureichend beachtet. Die hierauf bezogene Würdigung komme einer Nichtberücksichtigung gleich, welche im Prozessrecht keine Stütze finde. Das Gericht schlussfolgere aus dem Auffinden des Schreibens im Bereich der Post, dass eine Zustellung stattgefunden habe, und mutmaße, dass der Beschwerdeführer den Bescheid danach selbst wieder in einen Briefkasten der Deutschen Post AG eingeworfen haben könnte. Zwar erkenne das Gericht, dass die näheren Umstände des Auffindens des Schreibens im Bereich der Deutschen Post ungeklärt seien. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem „wesentlichen Punkt der Zustellung“ erfolge gleichwohl nicht.

Dieses „Vorgehen“ sei im geltenden Prozessrecht nicht vorgesehen. Vielmehr seien im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG u. a. die Vorschriften über die Beschwerde der §§ 306 bis 309 StPO entsprechend anwendbar. Das Amtsgericht habe danach die behördliche Maßnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen. Soweit es für die Beurteilung der Begründetheit des Antrags erforderlich sei, seien alle zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Ermittlungen von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen und ohne Bindung an Anträge durchzuführen (§ 308 Abs. 2 StPO). Allein das Schreiben der Deutsche Post AG sei zur Sachverhaltsaufklärung ungeeignet gewesen. Die Einholung einer persönlichen Stellungnahme des Zustellers hätte sich geradezu aufgedrängt. Dieser hätte Auskunft darüber geben können, warum die Schreibweise der Zahlen auf dem Briefumschlag von denen auf der Zustellungsurkunde abweiche, ob das Schreiben tatsächlich in den Briefkasten eingeworfen worden sei, und warum er nicht zuvörderst eine persönliche Zustellung an den Beschwerdeführer oder dessen Lebensgefährtin versucht habe, die sich zu dieser Zeit in Erwartung eines Kindes in der gemeinsamen Wohnung befunden habe. Dies sei von zentraler und entscheidender Bedeutung gewesen, da die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen erbringe. Im weiteren Verlauf wäre der Beweis der Zustellung widerlegt worden und diese unwirksam gewesen, da eine Ersatzzustellung nach § 180 Zivilprozessordnung (ZPO) erst erfolgen dürfe, wenn zuvor eine Zustellung nach § 177 ZPO bzw. nach Maßgabe des § 178 Abs. 1 ZPO gescheitert sei.

Auch beruhe die vom Gericht getroffene Entscheidung auf dem Gehörsverstoß. Wäre die Unrichtigkeit der Urkunde, die nicht erfolgte Zustellung oder deren Unwirksamkeit festgestellt worden, wäre eine Ahndung des mutmaßlichen Geschwindigkeitsverstoßes des Antragsstellers nicht mehr möglich. Der unter dem 6. August 2019 zugestellte Bußgeldbescheid wäre aufgrund mittlerweile eingetretener Verfolgungsverjährung rechtswidrig und daher auch hinsichtlich der Kosten aufzuheben.

Mit Beschluss vom 26. November 2019 ‌‑ 34 OWiE 202/19 ‑‌ wies das Amtsgericht Nauen den Antrag als unbegründet zurück. Die Anhörungsrüge habe in der Sache keinen Erfolg. Eine Gehörsverletzung sei nicht erfolgt. Mit Verfügung vom 3. September 2019 habe das Gericht bei dem Verfahrensbevollmächtigten angefragt, ob eine Stellungnahme zum Verwerfungsbescheid noch beabsichtigt sei. Mit Schriftsatz vom 18. September 2019 habe dieser seine Rechtsauffassung ausgeführt. Das Gericht sei dieser Rechtsansicht nicht gefolgt und habe mit Beschluss vom 20. September 2019 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen. In seinem Beschluss sei das Gericht unter anderem auf den von dem Verfahrensbevollmächtigten hervorgehobenen Umstand, wonach der an den Beschwerdeführer gerichtete Brief mit dem Zustellungsvermerk „03.04.2019" im Bereich der Deutschen Post AG aufgefunden worden sei, eingegangen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei erfüllt, wenn das Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nehme und in Erwägung ziehe.

II.

Der Beschwerdeführer hat ursprünglich während des noch laufenden Anhörungsrügeverfahrens am 26. November 2019 Verfassungsbeschwerde erhoben. Diese ist mit Beschluss vom 17. Januar 2020 ‌‑ VfGBbg 95/19 ‑‌ verworfen worden, nachdem der Beschwerdeführer auf Bedenken gegen die Zulässigkeit seiner Verfassungsbeschwerde wegen des nicht beendigten Anhörungsverfahrens im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde hingewiesen worden war.

Nach Bescheidung der Anhörungsrüge hat der Beschwerdeführer am 11. Dezember 2019 erneut Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt unter Bezugnahme auf die Begründung seiner Anhörungsrüge vom 18. November 2019 die Verletzung seiner Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 6 Abs. 1 LV und des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Nauen vom 20. September 2019 ‌‑ 34 OWiE 202/19 ‑‌ und vom 26. November 2019 ‌‑ 34 OWiE 202/19. Ergänzend trägt er vor, die Zustellung des Bußgeldbescheids sei von derart zentraler Bedeutung gewesen, dass eine umfassende Sachverhaltsaufklärung durch das Amtsgericht erforderlich gewesen sei. Wenn ein Vorbringen einer Partei für den weiteren Verlauf des Verfahrens von derart zentraler Bedeutung sei, dass mit diesem das gesamte Verfahren geradezu „stehen und fallen" könne, müsse das Gericht im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes, der im Ordnungswidrigkeitenverfahren gelte, eingehendere Ermittlungen anstellen und sich intensiver mit dem Vorbringen befassen als es für andere Informationen nötig wäre. Er verweist u. a. auf die Beschlüsse des Verfassungsgerichts vom 13. Dezember 2012 ‌‑ VfGBbg 43/11 ‑‌ und vom 25. Januar 2013 ‑ VfGBbg 16/12. Im Schriftsatz vom 3. Januar 2020 wiederholt und vertieft der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen aus der Anhörungsrüge.

In seinem die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss nehme das Amtsgericht das Vorbringen um die Zustellungsproblematik zwar zur Kenntnis, gehe aber in einem nicht ausreichenden Maß auf die Problemstellung ein. Die Ausführungen kämen einer Nichtberücksichtigung gleich. Insbesondere verhalte sich das Amtsgericht nicht zu der Frage des Schriftbilds, der Anhörung des Zustellers oder den weiteren Unstimmigkeiten im Rahmen der Zustellung. Diese Punkte seien von derart zentraler Bedeutung, dass ein Erkenntnisgewinn ohne deren Berücksichtigung nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen könne.

III.

Die äußerungsberechtigte Direktorin des Amtsgerichts Nauen hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Verfahrensakte des Amtsgerichts ist beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist nur teilweise zulässig.

a. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den die Gehörsrüge zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 26. November 2019 ‌‑ 34 OWiE 202/19 ‑‌ richtet, ist sie unzulässig. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen (st. Rspr., zuletzt Beschluss 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 3/21 ‑‌, Rn. 15, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Anhaltspunkte für eine eigenständige Beschwer des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses des Amtsgerichts vom 26. November 2019 führt der Beschwerdeführer nicht an und sind auch nicht ersichtlich.

b. Im Hinblick auf den Beschluss vom 20. September 2019 ‌‑ 34 OWiE 202/19 ‑‌ ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Die bei Rüge des rechtlichen Gehörs grundsätzlich zur Erschöpfung des Rechtswegs zu erhebende Anhörungsrüge konnte die Frist zur Erhebung bzw. Begründung der am 11. Dezember 2019 eingelegten Verfassungsbeschwerde wahren, da sie nicht offensichtlich unzulässig war. Die Prüfung, ob eine Anhörungsrüge die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde offenhalten kann, nimmt das Verfassungsgericht ohne Bindung an die Entscheidung des Fachgerichts selbst vor (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 20. November 2020 ‌‑ VfGBbg 49/19 ‑‌, Rn. 18, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

c. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 6 Abs. 1 LV rügt, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt (st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 20. August 2021 ‌‑ VfGBbg 68/20 ‑‌, Rn. 20, juris). Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der genannten Rüge nicht vor. Es fehlt insgesamt an Darlegungen zu dem Gewährleistungsgehalt des Art. 6 Abs. 1 LV.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs zwar zulässig, aber unbegründet. Der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 20. September 2019 verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.

a. Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV gibt den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den für diese erheblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und rechtzeitiges, möglicherweise erhebliches Vorbringen in Erwägung zu ziehen (st. Rspr., Beschluss vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 72/19 ‑‌, Rn. 36 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verwehrt es nicht, den Vortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts, zum Beispiel wegen sachlicher Unerheblichkeit, ganz oder teilweise außer Betracht zu lassen. Aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV ergibt sich kein Anspruch darauf, dass sich das Gericht der Bewertung eines Beteiligten anschließt, also „auf ihn hört“. Das Grundrecht schützt die Verfahrensbeteiligten nicht davor, dass das Gericht ihre Rechtsauffassungen und rechtlichen Beurteilungen nicht teilt und zu einer abweichenden Rechtsauffassung gelangt (Beschluss vom 17. Januar 2020 ‌‑ VfGBbg 68/19 ‑, Rn. 17 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur verletzt, wenn die Nichtberücksichtigung von Vortrag oder von Beweisanträgen im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. Beschluss vom 20. Mai 2021 ‌‑ VfGBbg 3/21 ‑‌, Rn. 20, , https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

b. Daran gemessen ist eine Gehörsverletzung nicht ersichtlich.

aa. Das Gericht hat den Tatsachenvortrag des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Entgegen der Wiedergabe des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift hat das Gericht nicht aus dem Auffinden des Briefs im Bereich der Deutschen Post AG gefolgert, dass eine Zustellung des Bußgeldbescheids stattgefunden habe. Vielmehr hat es sich auf die Beweiskraft der Zustellungsurkunde gestützt und deren prozessuale Folgen, insbesondere die Anforderungen an den zu führenden Gegenbeweis, dargelegt. Das Gericht hat ausgeführt, dass die Behauptung des Beschwerdeführers, ihm habe der Bußgeldbescheid nicht vorgelegen, als Gegenbeweis nicht ausreiche, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der volle Beweis in der Weise erforderlich sei, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen sei. Es ist insbesondere auf den Vortrag zum Auffinden des Schreibens im Bereich der Deutschen Post AG eingegangen, indem es darlegte, das Schreiben der Deutschen Post AG vom 12. April 2019 besage nicht, dass der Zustellungsauftrag nicht ausgeführt worden sei. Vielmehr gehe daraus lediglich hervor, dass der Brief, auf dessen Umschlag ebenfalls die Zustellung am 3. April 2019 vermerkt worden sei, im Bereich der Deutschen Post AG aufgefunden worden sei.

Eine Nichtberücksichtigung des aus drei Sätzen bestehenden Sachvortrags in der Stellungnahme vom 18. September 2019 liegt angesichts dessen fern. Erst mit der Anhörungsrüge hat der Beschwerdeführer weitere Umstände vorgetragen.

bb. Soweit der Beschwerdeführer meint, das Gericht habe Tatsachen von Amts wegen ermitteln (Schriftbild, Anhörung des Zustellers zu der Zustellung) und berücksichtigen müssen, wird damit kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör aufgezeigt, da er diese Tatsachen weder mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20. August 2019 noch in der Stellungnahme vom 18. September 2019 vorgetragen hat. Vielmehr hat der Beschwerdeführer auf die gerichtlich eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme hin seine Rechtsansicht wiederholt, wonach das Auffinden des Bußgeldbescheids im Bereich der Deutschen Post als eine Nichtausführung des Zustellungsauftrags zu würdigen sei. Dass das Amtsgericht sich dieser Rechtsauffassung nicht angeschlossen hat, begründet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör.

Etwas Anderes folgt auch nicht aus den vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichts vom 13. April 2012 ‌‑ VfGBbg 43/11 ‑‌ und vom 25. Januar 2013 ‌‑ VfGBbg 16/12. In dem hier zugrundeliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer - anders als die Beschwerdeführer in den von ihm zitierten Verfahren - weder Beweis angetreten noch hat das Gericht einen Vortrag nicht berücksichtigt. Der Vortrag des Beschwerdeführers beschränkt sich darauf, dass das Gericht ihm in der rechtlichen Bewertung nicht gefolgt ist.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß