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VerfGBbg, Beschluss vom 13. April 2012 - VfGBbg 43/11 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3
Schlagworte: - rechtliches Gehör
- Nichtberücksichtigung von Sachvortrag
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 13. April 2012 - VfGBbg 43/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 43/11




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

   K.

 

Beschwerdeführerin,

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.

 

 

 C.

 

Äußerungsberechtigte,


Verfahrensbevollmächtigter:   Rechtsanwalt R.

 

 

wegen des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 6. Juli 2011 sowie des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 18. August 2011 – 8 S 3/11  -

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

am 13. April 2012

 

 

b e s c h l o s s e n :

 

1. Das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 6. Juli 2011 und der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 18. August 2011 – 8 S 3/11 -  verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.

 

2. Das Land Brandenburg hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu ersetzen.

 

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 4000,-- € festgesetzt.

 

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin rügt, dass im Rahmen eines Zivilprozesses Beweisantritte übergangen wurden und dadurch ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist.

Die Beschwerdeführerin hatte im Ausgangsverfahren ihre kontoführende Bank, die Äußerungsberechtigte, auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, der durch einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang mit ihrer EC-Karte entstanden war. Dieser Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beschwerdeführerin hatte am 29. Juni 2010 ihr Fahrzeug, in dem ihre Handtasche mit ihrer EC-Karte unter verschiedenen anderen Gegenständen im Kofferraum verborgen war, auf einem Parkplatz in Michendorf abgestellt, um im nahegelegen See zu baden. Dort wurde der Wagen aufgebrochen und die Handtasche entwendet. Am selben Tag wurden zwischen 17.45 und 17.49 Uhr an einem Geldautomaten in Potsdam Bornstedt fünf Abhebungen über je 200,-- € von dem Konto vorgenommen. Die Äußerungsberechtigte stellte der Beschwerdeführerin den Gesamtbetrag inklusive Gebühren in Höhe von 1.029,90 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 13,24 % wegen Inanspruchnahme eines Dispositionskredits in Rechnung. Sie wertete die Aufbewahrung der EC-Karte im Kraftfahrzeug als grob fahrlässige Verletzung der der Beschwerdeführerin nach den vereinbarten Bedingungen für die girocard-Maestro Card obliegenden Aufbewahrungspflichten. Die Klägerin vertrat die Ansicht, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben, und nahm die Äußerungsberechtigte vor dem Amtsgericht Potsdam auf Schadloshaltung in Anspruch. Dazu trug sie unter anderem vor, am Tag des Diebstahls mit ihrem Prozessbevollmächtigten, der auch ihr Lebenspartner sei, zusammen gewesen zu sein. Dieser habe die Karte, auf der die Geheimzahl nicht vermerkt gewesen sei, vor dem Diebstahl gesehen. Die Karte werde auch nicht zusammen mit der Geheimzahl aufbewahrt. Zum Beweis für diese Behauptung bot sie das Zeugnis ihres Prozessbevollmächtigten an.

Das Amtsgericht wies die Klage als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch gegenüber der Äußerungsberechtigten aus § 675u Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), weil sie den nicht autorisierten Zahlungsvorgang durch grob fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten aus dem Girovertrag, nämlich die Aufbewahrung der EC-Karte in einem nicht beaufsichtigten Kraftfahrzeug verursacht habe. Die Beschwerdeführerin habe den zugunsten der Äußerungsberechtigten greifenden Anscheinsbeweis dafür, dass die Abhebungen mittels der unstreitig gestohlenen EC-Karte vorgenommen worden seien, nicht erschüttert.

Die Berufung der Beschwerdeführerin wies das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 6. Juli 2011 zurück. Die Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf Ersatz des nicht autorisiert abgehobenen Betrages durch die Äußerungsberechtigte, weil sie ihr gegenüber selbst schadensersatzpflichtig sei. Sie habe ihre Pflicht, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugten Zugriff zu schützen, grob fahrlässig verletzt. Es könne dahinstehen, ob die Aufbewahrung der EC-Karte in ihrem PKW als grob fahrlässige Pflichtverletzung zu werten sei. Denn ein Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass die Beschwerdeführerin ihre Geheimzahl auf der EC-Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt habe, da zeitnah nach dem Diebstahl der EC-Karte ohne Fehlversuche unter Eingabe der richtigen Geheimzahl Geld abgehoben wurde. Der Anscheinsbeweis werde durch die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Diebe hätten den Geldautomaten in Potsdam-Bornstedt nach dem Diebstahl um 17.30 Uhr nicht innerhalb von 15 Minuten erreichen können, nicht erschüttert. Denn die Klägerin habe nicht dargelegt, wann sie ihr Fahrzeug verlassen habe, um zum See zu gehen, so dass die Möglichkeit bestünde, dass der Diebstahl deutlich vor 17.30 Uhr stattgefunden habe. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz vorgetragen habe, die Geldabhebungen gingen auf ein Ausspähen der Geheimzahl bei einer einige Wochen zuvor getätigten Abhebung in Potsdam Drewitz zurück, sei dies, ebenso wie die Tatsache, dass drei EC-Karten gestohlen wurden, von denen nur eine benutzt worden sei, unerheblich. Soweit die Klägerin auf die Existenz einer bei der Äußerungsberechtigten verbliebenen Zweitkarte hingewiesen habe, blieben die von ihr daran geknüpften Schlussfolgerungen unklar. Der Äußerungsberechtigten sei auch keine Beweisvereitelung vorzuhalten. Zwar sei das Videoband, das die Aufnahmen von der Abhebung am Geldautomaten zeige, gelöscht worden. Dies sei der Äußerungsberechtigten, die den streitgegenständlichen Geldautomaten nicht selbst betreibe, aber nicht zuzurechnen. Schließlich sei auch unerheblich, dass das Amtsgericht keinen Zeugen dazu vernommen habe, dass sich die Klägerin die Geheimzahl gemerkt habe. Dies sei nicht erheblich, denn unabhängig davon könnte sie diese auch auf der Karte oder in räumlicher Nähe notiert haben, um sie in einem unkonzentrierten Augenblick parat zu haben.

Gegen dieses Urteil erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge, die durch das Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 18. August 2011 zurückgewiesen wurde. Der Beweisantritt der Beschwerdeführerin, die EC-Karte und die persönliche Geheimzahl seien zum Zeitpunkt der Entwendung der Kreditkarte nicht zusammen aufbewahrt worden, sei begründet abgelehnt worden. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin nicht ausgeführt, aufgrund welcher nach außen hin wahrnehmbarer Umstände ihr Prozessbevollmächtigter in der Lage sei, zu einem Vorgang, der sich im Gedächtnis der Klägerin abspiele, eine Aussage zu machen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass er Kenntnis davon haben könne, dass sie ihre EC-Karte getrennt von der Geheimzahl aufbewahrt habe. Soweit die Beschwerdeführerin rüge, dass das Gericht keinen Beweis über das behauptete frühere Ausspähen eines Geldautomaten erhoben habe, an dem sie Geld abgehoben habe, sei dieser Vortrag zu Recht in der zweiten Instanz als verspätet zurückzuweisen gewesen und zudem, wie sich bereits aus dem Urteil ergebe, nicht erheblich. Im Übrigen nimmt der Beschluss im Wesentlichen auf die Gründe des Urteils Bezug.

Mit ihrer am 3. September 2011 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, durch die Entscheidungen des Landgerichts Potsdam in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu sein. Art. 52 Abs. 3 2. Alternative Verfassung des Landes Brandenburg (LV) sei verletzt, weil das Unterlassen der gebotenen Beweisaufnahme durch das Landgericht im Prozessrecht keine Stütze finde. Der bei nicht autorisierten Kartenabhebungen geltende Anscheinsbeweis sei erschüttert. Denn es kämen mehrere plausible Geschehensabläufe in Betracht, die von der Beschwerdeführerin unter Beweisantritt vorgetragen worden seien.

Zunächst habe sie bereits in ihrem Schriftsatz vom 3. August 2010 unter Beweis gestellt, dass sie ihre Karte nicht zusammen mit der persönlichen Geheimzahl zusammen aufbewahrt habe. Wenn das Gericht Zweifel gehabt habe, dass der von ihr angebotene Zeuge zu dem Thema etwas bekunden könne, hätte es einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen müssen. Ihr Beweisangebot, die Geheimnummer ihrer EC-Karte sei bereits vor dem Diebstahl von Dritten ausgespäht worden, sei zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen worden, er stelle nur eine Konkretisierung des Vortrags aus der ersten Instanz dar, sei unstreitig geblieben und habe – zumal die

Beweismittel noch im Termin übergeben wurden – nicht zu einer Verspätung geführt. Das Ausspähen sei auch zeitnah erfolgt. In einer Vielzahl von Fällen seien in Potsdam und Umgebung arbeitsteilig EC-Karten aus Autos gestohlen worden, nachdem eine andere Bande die Geheimnummer ausgespäht habe. Zugleich mit dem Ausspähen der Geheimnummer werde die Karte fotografiert, so dass eine spätere Zuordnung ohne weiteres möglich sei. Im Übrigen habe das Landgericht unzulässigerweise Beweise vorab gewürdigt, indem es eine Beweisaufnahme zu ihrer Behauptung, die Zeitschiene der Vorfälle reiche nicht aus, um von dem Ort des Diebstahls zum Ort des Abhebens am Geldautomat zu kommen, es sei nicht möglich, fünf Bargeldabhebungen innerhalb von fünf Minuten durchzuführen, sowie das Beweisangebot zu ihrer Merkfähigkeit in Bezug auf die Geheimnummern für drei EC-Karten abgelehnt habe.

Die Verfahrensakten des Landgerichts Potsdam – 8 S 3/11 (22 C 202/10 – AG Potsdam) waren beigezogen.

B.

I. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden,     §§ 46, 47 ­Verfassungsgerichtsgesetz­ Brandenburg  (VerfGGBbg).

Der Rechtsweg ist erschöpft. Urteile in Berufungssachen unterliegen gem. § 543 ZPO der Revision zum Bundesgerichtshof nur, sofern diese, was hier nicht der Fall ist,  zugelassen worden ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 ZPO war vorliegend nicht statthaft, weil der Streitwert 20.000,-- € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung).

Schließlich steht der Zulässigkeit auch nicht entgegen, dass mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Landesgrund­­rechten im Rahmen eines bundesrechtlich geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. zuletzt: Beschluss vom 16. Dezember 2010 – VfGBbg 18/10 –, LKV 2011, 124f.) sind erfüllt.

II. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Das angegriffene Urteil des Landgerichts Potsdam verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV.

1. Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV gewährt den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht auf Information über alle verfahrensrelevanten Vorgänge des Prozesses, das Recht, sich zu den entscheidungserheblichen Fragen vor Erlass der Entscheidung äußern zu können, und das Recht auf Berücksichtung ihrer Äußerungen bei der Entscheidungsfindung (Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Loseblatt, Stand: Februar 2008 Art. 52 Nr. 4). Zwar verwehrt es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht, den Vortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts, etwa wegen sachlicher Unerheblichkeit, außer Betracht zu lassen (Beschluss vom 16. Oktober 1997 - VfGBbg 25/97 – www.verfassungsgericht.bran­den­burg.­de; vgl. zum Bundesrecht: Bundesverfassungsgericht E 70, 288, 293). Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV ist jedoch dann verletzt, wenn die Nicht­berücksichtigung von Vortrag oder von Beweisanträgen im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. zum Bundesrecht: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.Oktober 2011 – 2 BvR 320/11 – zitiert nach juris, Rn. 49). Die Zivilprozessordnung enthält, anders als § 244 Strafprozessordnung, keine ausdrückliche Regelung der Voraussetzungen und des Verfahrens für die Ablehnung von Beweisanträgen. Ein ordnungsgemäßer Beweisantritt kann nur im Ausnahmefall abgelehnt werden, etwa, wenn das Beweisthema nicht entscheidungserheblich oder nicht beweisbedürftig ist, das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar, oder die Beweiserhebung als solche unzulässig ist (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 284 Rn. 8a ff.).

2. Dies war – jedenfalls hinsichtlich eines der Beweisanträge der Klägerin – nicht der Fall. Das Landgericht hat die Berufung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen, weil zu ihren Lasten ein Anscheinsbeweis streite, den sie nicht erschüttert habe. Nachdem zeitnah zu dem Diebstahl ihrer EC-Karte unter Eingabe der richtigen Geheimzahl Geld abgehoben worden sei, spreche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Klägerin ihre Geheimnummer auf der EC-Karte notiert oder zusammen mit ihr verwahrt habe. Dies stelle einen grob fahrlässigen Verstoß gegen die Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten des Bankkunden dar. Zur Erschütterung dieses Anscheinsbeweises hat die Beschwerdeführerin allerdings Beweis dafür angeboten, dass sie die Geheimzahl nicht auf der Karte notiert und auch nicht in räumlicher Nähe zu ihr aufbewahrt hat, und ihren Prozessbevollmächtigten als Zeugen dafür benannt. Diesem Beweisantritt ist das Landgericht nicht nachgegangen, weil die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar erklärt habe, „weswegen ihr Prozessbevollmächtigter als Zeuge in der Lage sein soll, zu der nicht gemeinsamen Verwahrung von Karte und PIN aus eigener Kenntnis eine Aussage zu machen“ (Beschluss vom 18. August 2011, Umdruck Bl. 4). Mit dem Vortrag der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 26. Oktober 2010 (dort Bl.1f.) - ihr Prozessbevollmächtigter als ihr Lebenspartner sei an dem fraglichen Tag mit ihr zusammen gewesen, er habe die Karte vor dem Diebstahl gesehen und versichere anwaltlich, dass die Geheimzahl nicht auf der Karte vermerkt worden sei, die Geheimzahl werde auch nicht zusammen mit der Karte in der Handtasche aufbewahrt – setzt es sich nicht auseinander, sondern führt aus, die Beschwerdeführerin habe nicht behauptet, dass ihr Prozessbevollmächtigter sie auf der Fahrt begleitet habe. Zudem erörtert das Gericht, die Beschwerdeführerin habe vorgetragen, keine Alternative zum Belassen der Karte im PKW gehabt zu haben. Eine solche Alternative hätte allerdings bestanden, sofern ihr Prozessbevollmächtigter am Badesee gegenwärtig gewesen sei. Aus dieser Argumentation wird erkennbar, dass das Gericht den Vortrag der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 26. Oktober 2010, ihr Prozessbevollmächtigter sei mit ihr zusammen gewesen, ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen hat.

Dieser Vortrag war allerdings erheblich. Denn wenn der Prozessbevollmächtigte diese Behauptung in einer Beweisaufnahme bestätigte, könnte der zugunsten der Äußerungsberechtigten streitende Anscheinsbeweis einer pflichtwidrigen Aufbewahrung ihrer Geheimzahl erschüttert werden (vgl. dazu Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. Juli 2010 – XI ZR 224/09 – zitiert nach juris, Rn. 10). Das Landgericht hat im Ergebnis in nicht nachvollziehbarer Weise von einer Beweisaufnahme abgesehen und den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt.

3. Der angegriffene Beschluss beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht im Fall einer verfassungsgemäßen Behandlung des Beweisangebotes zu einem anderen, für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Zwar kommt in Betracht, dass der Beschwerdeführerin – über den möglicherweise zu widerlegenden Vorwurf einer gemeinsamen Aufbewahrung von Geheimzahl und EC-Karte hinaus – ein für die Beurteilung der Haftung aus     § 675v Abs. 2 BGB relevanter grob fahrlässiger Verstoß vorzuwerfen ist, weil sie die Karte im unbeaufsichtigten Kraftfahrzeug beließ. Auf dieses Verhalten hatte das Amtsgericht abgestellt. Ob dieser Wertung zu folgen sein wird (vgl. dazu LG Berlin, Urteil vom 22. Juni 2010 – 10 S 10/09 -, NJW-RR 2011, 352; OLG Frankfurt, Urteil v. 7. Dezember 2001 – 24 U 188/99 – NJW-RR 2002, 692), ist eine Frage des materiellen Rechts und einer Bewertung des Verfassungsgerichts entzogen.

4. Ob auch das Nichteingehen auf die weiteren Beweisangebote die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, bedarf keiner weiteren Erörterung.

C.

I. Die Entscheidungen des Landgerichts waren hiernach gemäß § 50 Abs. 3 VerfGGBbg aufzuheben. Die Sache selbst ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

II. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.

III. Die Gegenstandswertfestsetzung beruht auf §§ 33 Abs. 1, 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Entsprechend der ständigen Praxis des Gerichts in Verfahren über Individualverfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen war hier der Gegenstandswert auf 4.000,-- € festzusetzen. Weder Umfang und Schwierigkeit der zivilrechtlichen Streitigkeit noch die Bedeutung für die Beschwerdeführerin und die lediglich eingeschränkte allgemeine Bedeutung der Sache rechtfertigen einen erhöhten Gegenstandswert für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Postier Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Möller
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt