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VerfGBbg, Beschluss vom 23. August 2024 - VfGBbg 31/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1
- SGG, § 183; SGG, § 193 Abs. 3; SGG, § 197 Abs. 1; SGG, § 197 Abs. 2
- RVG, § 14 Abs. 1
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde begründet
- Kostenfestsetzung
- Erinnerung
- gesetzlicher Richter
- Willkür
- grundlegende Verkennung der Aufgaben im Kostenfestsetzungsverfahren
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 23. August 2024 - VfGBbg 31/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 31/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 31/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

G.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter                Rechtsanwalt
                                                                 L.,

 

beteiligt:

1.      Präsident
des Sozialgerichts Cottbus,
Vom-Stein-Straße 28,
03050 Cottbus,

2.      Jobcenter Oberspreewald-Lausitz
vertr. d. d. Geschäftsführer,
Adolfstraße 1-3,
01968 Senftenberg,

wegen            Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Januar 2021 ‌‑ S 56 SF 264/16 E -

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 23. August 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Richter und Sokoll

beschlossen: 

Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Januar 2021 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gericht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Erinnerung vom 13. Januar 2016 an das Sozialgericht Cottbus zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Kostenerinnerungsbeschluss des Sozialgerichts Cottbus.

I.

Der Beschwerdeführer führte bei dem Sozialgericht Cottbus ein Klageverfahren (S 43 AS 721/12) gegen das Jobcenter Oberspreewald-Lausitz (im Folgenden: Beklagter), gerichtet auf die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens im Hinblick auf einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 19. September 2011, mit dem ihn der Beklagte zur Erstattung von 27,31 Euro aufforderte und ankündigte, die Forderung mit seinem Vermieter zu verrechnen bzw. verrechnet zu haben. Der Beschwerdeführer erklärte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2013, in dem auch weitere Verfahren des Beschwerdeführers verhandelt wurden, für erledigt, nachdem der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid aufgehoben und sich bereit erklärt hatte, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Juni 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner außergerichtlichen Kosten. Hierbei machte er für das Vorverfahren insgesamt einen Betrag von 309,40 Euro geltend, bestehend aus einer Geschäftsgebühr in Höhe von 240,00 Euro, einer Pauschale von 20,00 Euro für Post und Telekommunikation sowie der Umsatzsteuer (19 %) in Höhe von 49,40 Euro. Für das Klageverfahren setze er insgesamt einen Betrag von 464,10 Euro an, der sich zusammensetzte aus der Verfahrens- und Terminsgebühr (bei vorangegangenem Verwaltungsverfahren) in Höhe von 370,00 Euro, einer Pauschale von 20,00 Euro für Post und Telekommunikation sowie der Umsatzsteuer (19 %) in Höhe von 74,10 Euro.

Der Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 4. Juni 2014, dass er die geltend gemachten Kosten nach Maßgabe des § 14 Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG) für unbillig erachte und er zu erstattende Kosten unter Berücksichtigung der Kostenquote in Höhe von insgesamt 247,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 10,95 Euro für angemessen halte. Er setzte hierfür bezogen auf das Vorverfahren eine Geschäftsgebühr von 40,00 Euro und eine Post- und Telekommunikationspauschale von 8,00 Euro an. Für die Klage stellte er eine Verfahrensgebühr von 40,00 Euro, eine Terminsgebühr von 100,00 Euro sowie eine Post- und Telekommunikationspauschale von 20,00 Euro ein. Hinzu kämen 39,52 Euro Mehrwertsteuer (19 %). Der Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchs- und Klageverfahren seien weit unterdurchschnittlich gewesen. Darüber hinaus habe der Bevollmächtigte den Beschwerdeführer und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in mehr als 170 Widerspruchs- und Klageverfahren vertreten, so dass es ihm aufgrund der Masse an bearbeiteten Verfahren möglich sei, Synergieeffekte in den jeweiligen Klageverfahren zu nutzen. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei unterdurchschnittlich; Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid mit einer Forderung von 27,31 Euro gewesen. Darüber hinaus seien die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers sowie das sehr geringe oder fehlende Haftungsrisiko gebührenmindernd zu berücksichtigen gewesen. Auch die Übernahme der Terminsgebühr könne nur in reduzierter Höhe erfolgen. Es seien mehrere Verfahren des Klägers und seiner Bedarfsgemeinschaft verhandelt worden; die Mitwirkung des Bevollmächtigten habe sich in der Abgabe einer Erledigungserklärung und Annahme eines Kostengrundanerkenntnisses erschöpft.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. November 2015 (S 43 AS 721/12), dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 18. Dezember 2015 zugestellt, bestimmte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Cottbus den von dem Beklagten zu erstattenden Betrag auf 247,52 Euro. Dabei setzte sie - wie im Schriftsatz des Beklagten - u. a. hinsichtlich der Geschäftsgebühr im Widerspruchsverfahren als auch hinsichtlich der Verfahrensgebühr im Gerichtsverfahren jeweils die Mindestgebühr in Höhe von 40,00 Euro fest. Die Begründung lautete dabei wie folgt:

„Die Festsetzung erfolgt entsprechend dem Kostenangebot der Beklagten vom 04.06.2014; auf die Argumentation wird insofern Bezug genommen.

Dem Klägerbevollmächtigten ist mit gerichtlichem Schreiben vom 25.08.2014 erstmals Gelegenheit gegeben worden, zur Absetzung Stellung zu nehmen.

Dem Antrag der Beklagten war stattzugeben, da die Klägerseite auch nach mehrfacher Aufforderung des Gerichts keine Einwände erhoben hat.“

Dagegen legte der Beschwerdeführer am 13. Januar 2016 Erinnerung ein und lehnte zugleich den für die Erinnerungsentscheidung zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Richter werde von dem Beklagten im Rahmen einer gewerblichen Nebentätigkeit für sogenannte Inhouse-Seminare zum Gebührenrecht bezahlt. Er sei somit nicht in der Lage, in Kostensachen unvoreingenommen zu entscheiden. Zudem habe das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in einem anderen Verfahren klargestellt, dass der abgelehnte Richter seine richterliche Unabhängigkeit offenbar mit blanker Willkür verwechsle und das geltende Prozessrecht wissentlich beuge. Ferner lehne er auch sämtliche Vertreter des abgelehnten Richters und deren jeweilige Vertreter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Hinsichtlich der Erinnerung führte er aus, die Kostenbeamtin gehe mit systematischer Ignoranz davon aus, dass der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers bei unterlassener Stellungnahme das Kostenangebot des Beklagten annehme. Schweigen bedeute keine Annahme eines angeblichen Angebots. Der Urkundsbeamte habe auch solche Positionen zu prüfen, die zwischen den Beteiligten nicht im Streit stünden. Inhaltlich habe das Gericht bislang die Kriterien des § 14 RVG unzutreffend berücksichtigt.

Das Sozialgericht Cottbus bestätigte mit Schreiben vom 23. September 2016 den Eingang des Befangenheitsantrags, teilte mit, dass dieser unter dem Aktenzeichen S 30 SF 616/16 AB geführt werde, und fügte eine dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters bei.

Mit Beschluss vom 23. März 2017 (S 30 SF 562/16 AB u. a.) wies der zweite Vertreter der 30. Kammer am Sozialgericht Cottbus das Ablehnungsgesuch gegen den für befangen erachteten Richter zurück.

Das Sozialgericht Cottbus wies die Erinnerung mit Beschluss vom 17. Januar 2021 (S 56 SF 264/16 E), dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 30. März 2021 zugegangen, mit folgender Begründung zurück:

„Die Erinnerung ist zulässig aber nicht begründet. Die Gebühren sind rechtmäßig festgesetzt worden. Die Entscheidung des Urkundsbeamten berücksichtigt die maßgeblichen Kriterien des § 14 RVG zutreffend und setzt die korrekten Gebühren dem Grunde nach fest, so dass sich das Gericht der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses analog § 136 Absatz 3 SGG anschließt.“

II.

Mit der am 25. Mai 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Januar 2021.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Cottbus zurückzuverweisen.

Er rügt zum einen eine Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Das Verfahrensrecht erfordere für die Ablehnung eines Befangenheitsantrags einen separaten Beschluss, an dessen Erlass der abgelehnte Richter nicht habe mitwirken dürfen. Ein Beschluss vom 23. März 2017 sei ihm unbekannt.

Zum anderen verstoße die Entscheidung des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Januar 2021 gegen Art. 52 Abs. 3 LV, da sie willkürlich erfolgt sei. Die Auffassung der Kostenbeamtin, eine Festsetzung der Kosten entsprechend dem Schriftsatz des Beklagten habe aufgrund der unterbliebenen Stellungnahme seines Bevollmächtigten erfolgen dürfen, sei nicht mehr rechtlich vertretbar. Wende der Gegner die Unbilligkeit der geltend gemachten Gebühren ein, habe das Gericht die Kriterien des § 14 RVG von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls eine abweichende billige Gebühr festzulegen. Ihm stünden hierfür mit der Gerichts- und der Verwaltungsakte alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung.

Die Berechnung des Beklagten lasse sich im Übrigen mit den Grundzügen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes in keiner Weise in Einklang bringen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 1. Juli 2009 (Aktenzeichen: B 4 AS 21/09 R) handele es sich bei einem zweistelligen Betrag von 27,31 Euro um eine überdurchschnittliche Angelegenheit. Zudem sei nach derselben Entscheidung bei der Festlegung der Schwierigkeit nicht die berufliche Erfahrung des bearbeitenden Rechtsanwalts maßgeblich. Sofern hinsichtlich der Bedeutung als auch der Schwierigkeit eine durchschnittliche Angelegenheit festzustellen sei, so sei es nicht mehr vertretbar und damit willkürlich, insgesamt eine weit unterdurchschnittliche Angelegenheit zu unterstellen und die (damalige) Mindestgebühr in Höhe von 40,00 Euro anzusetzen.

III.

Das Sozialgericht Cottbus und der Beklagte des Ausgangsverfahrens haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten S 43 AS 721/12, S 30 SF 264/16 E, S 30 SF 616/16 AB sowie S 30 SF 562/16 sind beigezogen worden.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde hat, soweit sie zulässig ist, Erfolg.

1. Soweit der Beschwerdeführer zu einer Verletzung seines Grundrechts auf den gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV vorträgt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die diesbezügliche Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt.

Notwendig ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts aufzeigt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 20. Juli 2018 ‌‑ VfGBbg 182/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Dies leistet die Beschwerdeschrift nicht.

Der Beschwerdeführer legt die behauptete Verletzung in seinem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV) nicht nachvollziehbar dar. Die Rüge einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter zielt darauf ab, dass die angegriffene Entscheidung durch jemanden getroffen wurde, der nicht der nach dem Gesetz für diese Entscheidung berufene Richter war. Einen entsprechenden Verstoß zeigt der Beschwerdeführer indes nicht auf. Über den Befangenheitsantrag hat nicht der abgelehnte Richter selbst, sondern ein anderer Richter entschieden. Dass dieser zu der Entscheidung über den Befangenheitsantrag nicht berufen war, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Sofern der Beschwerdeführer behauptet, den entsprechenden Beschluss, mit dem über seinen Befangenheitsantrag entschieden wurde, nicht zu kennen, lässt sich der beigezogenen Verfahrensakte S 30 SF 562/16 (dem führenden Verfahren hinsichtlich des streitigen Befangenheitsantrags) entnehmen, dass der entsprechende Beschluss vom 23. März 2017 per Postzustellungsurkunde versandt, am 10. April 2017 einer Beschäftigten des Rechtsanwaltsbüro übergeben und von einer weiteren Beschäftigten im Original nebst Anschreiben an das Sozialgericht Cottbus „i.A.“ zurückgesandt wurde, wo er am 13. April 2017 einging.

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer entsprechend § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg bezüglich des angefochtenen Beschlusses den Rechtsweg erschöpft. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Sozialgerichts über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin (S 30 SF 264/16 E) stand dem Beschwerdeführer aufgrund der Bestimmung des § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zur Verfügung.

Schließlich steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, dass der Beschluss, gegen den sie sich richtet, auf der Grundlage von Verfahrensrecht des Bundes ergangen ist. Die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Landesverfassungsgerichts - keine Rechtsschutzalternativen zur Verfassungsbeschwerde, keine vorangegangene Befassung eines Bundesgerichts, Inhaltsgleichheit der Landes- und Bundesgrundrechte (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2010 ‌‑ VfGBbg 18/10 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de) - liegen vor.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Januar 2021 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür.

Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot in Betracht. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen unter anderem dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht st. Rspr., vgl. Beschluss vom 16. August 2019 ‌‑ VfGBbg 67/18 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.). Auf subjektive Umstände oder ein Verschulden des Gerichts kommt es nicht an (vgl. Beschluss vom 12. April 2019 ‌‑ VfGBbg 25/18 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).

Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich der angegriffene Beschluss als willkürlich.

Die Kostenfestsetzung nach § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG dient der Umsetzung der Kostengrundentscheidung des Verfahrens. Es ist ein Annexverfahren zum Hauptsacheverfahren. Durch die verbindliche betragsmäßige Festsetzung des sich aus der Kostenentscheidung ergebenden prozessualen Kostenerstattungsanspruchs der Verfahrensbeteiligten untereinander dient es dessen Durchsetzung. Der hierüber ergehende Beschluss entscheidet über alle in dem jeweiligen Verfahren entstandenen und kraft der Kostengrundentscheidung zu erstattenden Kosten und schafft einen vollstreckbaren Titel über die Kostenforderung (§ 199 Abs. 1 Nr. 4 SGG). Vor dem Hintergrund dieses Zweckes ist inhaltlich Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens die Prüfung, in welcher Höhe ein geltend gemachter Anspruch des Kostengläubigers besteht. Der gemäß § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat daher für die Festsetzung zu prüfen, ob die Kosten im Rahmen des maßgebenden Rechtsstreits tatsächlich entstanden sind und ob die Aufwendungen nach Maßgabe des § 193 Abs. 2 und 3 SGG zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig waren. Da nach § 193 Abs. 3 SGG nur die gesetzlichen Gebühren und notwendigen Auslagen eines Rechtsanwaltes erstattungsfähig sind, obliegt in diesem Zusammenhang dem Urkundsbeamten auch die Prüfung der geltend gemachten Anwaltskosten am Maßstab der Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (Beschluss vom 20. Oktober 2017 ‌‑ VfGBbg 16/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

In Verfahren nach § 183 SGG, in denen - wie hier - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 RVG). In diesen Fällen ist gesetzliche Vergütung im Sinne des § 193 Abs. 3 SGG die vom Rechtsanwalt im Einzelfall nach billigem Ermessen nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG innerhalb des gesetzlich normierten Rahmens zwischen Mindest- und Höchstgebühr bestimmte Gebühr. Jedenfalls in Fällen, in denen der Kostenschuldner die Unbilligkeit der geltend gemachten Gebühr im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG einwendet, obliegt dem Kostenbeamten auch die Prüfung der Unbilligkeit und - sofern diese bejaht wird - die eigene Bestimmung einer stattdessen zu berücksichtigenden angemessenen, „billigen“ Gebühr (Beschluss vom 20. Oktober 2017 ‌‑ VfGBbg 16/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Die gesetzlichen Bestimmungen überantworten mithin dem Urkundsbeamten die inhaltliche Kontrolle der festzusetzenden Kosten. Davon entbinden ihn weder Antragsbegründungen noch Stellungnahmen der Beteiligten. Selbst fehlende (beweiserhebliche) Einwendungen des Kostenschuldners befreien den Kostenbeamten nicht von der Pflicht zur Prüfung der Schlüssigkeit des Kostenfestsetzungsantrags hinsichtlich der Kostenberechnung, des Akteninhalts und des Tatsachenvortrags, des Entstehens der Gebühren und Auslagen (in der Vergütungsfestsetzung) sowie der Notwendigkeit der Kosten im Sinne der § 193 Abs. 2 SGG (Beschluss vom 20. Oktober 2017 ‌‑ VfGBbg 16/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Im Rahmen des Erinnerungsverfahrens obliegt dem Richter gemäß § 197 Abs. 2 SGG die Überprüfung der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle über den Betrag der zu erstattenden Kosten. Dies umfasst die Prüfung, ob die Kosten im Rahmen des maßgebenden Rechtsstreits tatsächlich entstanden sind und ob die Aufwendungen nach Maßgabe des § 193 Abs. 2 SGG zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig waren. Danach werden (nur) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten als erstattungsfähig festgesetzt. Unzweckmäßige und unnötige Aufwendungen sind nicht erstattungsfähig, vielmehr von dem Beteiligten, der sie verursacht hat, selbst zu tragen. Nicht erstattungsfähig nach § 193 Abs. 2 SGG sind nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung Aufwendungen, die offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan sind, dem Prozessgegner Kosten zu veranlassen (Beschluss vom 21. September 2018 ‌‑ VfGBbg 180/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Davon ausgehend, erweist sich der angegriffene Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Januar 2021 als willkürlich. Entgegen den dargestellten Anforderungen an die Prüfung der Unbilligkeit der anwaltlichen Gebührenbestimmung hat das Sozialgericht eine solche Prüfung gerade unterlassen. Indem sich das Gericht „der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses analog § 136 Absatz 3 SGG anschließt“ hat es sich die Argumentation der Kostenbeamtin ohne eigene Prüfung zu eigen gemacht. Die Kostenbeamtin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss grundlegend verkannt, dass es ihre Aufgabe ist, die Kosten selbst zu prüfen. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. November 2015 lässt nicht erkennen, dass sie sich dieser Aufgabe bewusst gewesen ist. Denn dem Beschluss ist nicht zu entnehmen, dass die Urkundsbeamtin selbst eine Prüfung der für die Kostenfestsetzung zu berücksichtigenden Positionen vorgenommen hat, obwohl der im Beschlusstenor bestimmte Betrag erheblich vom Kostenfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers abwich. Die in den überaus knappen Gründen verwendete Formulierung, dass entsprechend dem Kostenangebot des Beklagten festzusetzen war, nachdem diesem nicht entgegengetreten worden sei, spricht vielmehr dafür, dass eine Prüfung gar nicht erfolgt ist, und für die Annahme, dass die Stellungnahme des Kostenschuldners infolge der ausgebliebenen Reaktion des Beschwerdeführers als bindend angesehen wurde (vgl. so auch im Beschluss vom 20. Oktober 2017 ‌‑ VfGBbg 16/17 ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Dass die Ausführungen des Kostenschuldners und Beklagten auch nur einer Schlüssigkeitsprüfung unterzogen worden wären (gerade anhand der Verfahrensakte), ist nicht ersichtlich.

Anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man aus der Feststellung des Sozialgerichts, die Entscheidung des Kostenbeamten berücksichtige die maßgeblichen Kriterien des § 14 RVG zutreffend, eine eigenständige Prüfung ableiten wollte. Diese ist schon nicht erfolgt.

C.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Richter

Sokoll