Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 13. September 2024 - VfGBbg 6/24 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
- LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 27 Abs. 2

Schlagworte: - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig
- familienrechtliche Streitigkeit
- Rechtschutzziel nicht erreichbar
- Subsidiarität
- Vorabentscheidung

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 13. September 2024 - VfGBbg 6/24 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 6/24 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 6/24 EA

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

W.,

Beschwerdeführerin,

wegen

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 13. September 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Dr. Koch, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

            Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.


 

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit einer am 24. August 2024 eingegangenen Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 20. August 2024 (28 F 222/24). Mit diesem Beschluss ist im Wege der einstweiligen Anordnung u. a. die Herausgabe ihres Sohnes an den Kindesvater angeordnet worden. Zugleich hat sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Ziel, den Beschluss in seiner Wirksamkeit zunächst auszusetzen und das Kind an sie herauszugeben.

I.

Die Beschwerdeführerin ist Mutter eines 5-jährigen Sohnes. Seit der Trennung der Eltern im Jahr 2019 sind vor dem Familiengericht verschiedene Verfahren über das elterliche Sorge- und Umgangsrecht geführt worden. Die Elternschaft ist konfliktgeprägt. Am 6. Dezember 2023 schlossen die Eltern vor dem Amtsgericht Strausberg einen gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich, wonach bis zum Vorliegen eines familienpsychologischen Gutachtens der gemeinsame Sohn seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt der Beschwerdeführerin haben sollte. Umgänge des Vaters sollten an jedem zweiten Wochenende sowie von Mittwochnachmittag bis Donnerstag früh stattfinden. Mit Beschluss vom 5. August 2024 (28 F 289/23) übertrug das Amtsgericht Strausberg das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater allein. Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde ein und beantragte darüber hinaus die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 64 Abs. 3 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat den Aussetzungsantrag mit Beschluss vom 27. August 2024 nach Folgenabwägung abgelehnt.

Die anwaltliche Vertretung des Kindesvaters teilte der anwaltlichen Vertretung der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. August 2024 mit, das Aufenthaltsbestimmungsrecht in der Weise auszuüben, dass der Kindesvater das Kind ab dem 7. August 2024 in seinen Haushalt aufnehme, und schlug zugleich vor, der Beschwerdeführerin Umgang vom 8. August 2024 nachmittags bis zum 12. August 2024 morgens zu gewähren. Ein nächster Umgangstermin wurde für den Zeitraum vom 22. August 2024 nachmittags bis zum 26. August 2024 morgens vorgeschlagen. Weitere Umgänge seien in der Folge zu regeln. Die anwaltliche Vertretung der Beschwerdeführerin teilte daraufhin mit, die Betreuung werde bis zum 14. August 2024 erfolgen. Zudem schlage man vor, bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts über den Antrag gemäß § 64 Abs. 3 FamFG die Betreuung weiterhin gemäß Umgangsvergleich durchzuführen. Es werde davon ausgegangen, dass der Umgangsbeschluss weiterhin wirksam und zu beachten sei.

Eine Übergabe des Kindes an den Vater erfolgte am 14. August 2024 nicht. Vielmehr teilte die Vertreterin der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. August 2024 mit, dass sich das Kind an diesem Tag nicht in der Betreuung der Tagesmutter befinde. Das Kind habe angesichts der Erklärungen des Kindesvaters ihm gegenüber nunmehr Angst, sich für längere Zeit in der Obhut des Kindesvaters aufzuhalten. Das Jugendamt sei informiert. Die Beschwerdeführerin warte auf den Rückruf des Jugendamts. Bevor dieser nicht erfolgt sei, werde die Beschwerdeführerin wegen des Umgangs an diesem Tag nichts veranlassen.

Seit dem 8. August 2024 hatte die Beschwerdeführerin Versuche unternommen, das Kind bei einem Kinderarzt bzw. der Kinderschutzambulanz vorzustellen. Eine Sozialarbeiterin des Jugendamts des Landkreises Märkisch-Oderland teilte ihr mit E-Mail vom 14. August 2024 mit, dass „nach interner Fallberatung mit meiner Team- sowie Fachdienstleitung […] aktuell keine hinreichenden Gründe vorliegen, um eine Kinderschutzambulanz zu beauftragen. Die für Sie zuständige Sozialarbeiterin […] ist ab dem 19. August 2024 wieder im Dienst.“

Der Kindesvater forderte die Rechtsanwältin der Beschwerdeführerin am 15. August 2024 sowie 17. August 2024 zur Information über den Aufenthalt seines Sohnes auf.

Am 20. August 2024 beantragte der Kindesvater u. a. im Wege der einstweiligen Anordnung die Herausgabe des Kindes am selben Tage an sich. Zudem beantragte er, der Antragsgegnerin und ggf. anderen Personen, bei denen sich das Kind aufhält, zu untersagen, das Kind außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu verbringen, sowie Behörden im Wege der Amtshilfe zu ersuchen, die Ausreise des Kindes zu verhindern. Für den Fall der Zuwiderhandlung beantragte er, einen Gerichtsvollzieher hinzuzuziehen, der sich zur Durchsetzung der Polizei bedienen könne. Weiterhin beantragte er die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung und Zulässigkeit der Vollstreckung vor der Zustellung an die Antragsgegnerin anzuordnen. Diesen Anträgen folgte das Amtsgerichts Strausberg mit Beschluss vom 20. August 2024 (28 F 222/24) ohne mündliche Verhandlung im Wesentlichen. Darin nahm das Gericht auf ein am selben Tage eingegangenes Schreiben der Beschwerdeführerin in einem Parallelverfahren Bezug, in welchem mitgeteilt wird, dass sich Mutter und Kind bei der Großmutter in Berlin aufhielten.

Die Beschwerdeführerin erhielt am 21. August 2024 über ihre Rechtsanwältin Kenntnis von diesem Beschluss und lehnte mit Schriftsatz vom selben Tage die zuständige Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab, stellte einen Antrag auf mündliche Verhandlung bezüglich des Beschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 20. August 2024 (28 F 222/24) und begehrte die Aussetzung der Vollstreckung dieses Beschlusses. Über keinen der Anträge ist nach Angaben der Beschwerdeführerin bisher entschieden worden.

Ein Vollstreckungsversuch am 21. August 2024 in der Wohnung der Mutter der Beschwerdeführerin schlug fehl. Nach Kontaktaufnahme der Polizei mit der Beschwerdeführerin erfolgte die Übergabe des Kindes am nächsten Tag.

Am 24. August 2024 wandte sich die Beschwerdeführerin an das Jugendamt des Landkreises Märkisch-Oderland und schlug als mögliche Lösung u. a. einen Platz in einer Kinder-Tagesklinik vor, wobei das Kind in einem dort für sinnvoll erachteten Wechsel in den Haushalt von Mutter und Vater nachmittags und am Wochenende zurückkehren solle.

In der Zeit ab dem 20. August 2024 stellte der Vater einen der Beschwerdeführerin unbekannten Eilantrag beim Amtsgericht Strausberg, der dort unter dem Aktenzeichen 28 F 226/24 geführt wird. In diesem Verfahren erteilte das Gericht mit Verfügung vom 28. August 2024 dem Vater den Hinweis, dass der am 6. Dezember 2023 geregelte Teilvergleich zum Aufenthalt des Kindes im Haushalt der Mutter und zum väterlichen Umgangsrecht der Absicherung des Begutachtungsprozesses gedient habe und ausdrücklich bis zum Vorliegen des Gutachtens begrenzt sei. Eine gerichtliche Regelung des Umgangsrechts der Mutter sei bisher nicht erfolgt. Dem Vater obliege damit (gegenwärtig) bis zur Regelung des Umgangs der Mutter die Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung und damit der Gestaltung der Kontakte des Kindes zur Mutter. Dies beinhalte auch das Recht, dritten Personen zu untersagen, das Kind an die Mutter herauszugeben. Am 30. August 2024 erhielt die Beschwerdeführerin dieses Schreiben von der Tagesmutter. Mit Schriftsatz vom 1. September 2024 lehnte die Beschwerdeführerin die zuständige Richterin auch in diesem Verfahren wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

II.

Im Rahmen ihres verfassungsgerichtlichen Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin vor, sie werde durch die angegriffenen Entscheidungen in dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) i. V. m. Art. 52 Abs. 3 LV sowie in ihrem Elternrecht gemäß Art. 27 Abs. 2 LV verletzt. Das Amtsgericht Strausberg habe die auf Herausgabe des Kindes gerichtete einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung und ohne ihre Anhörung erlassen. Es habe sich vor Erlass der Anordnung entgegen seiner Amtsaufklärungspflicht nicht um Aufklärung bemüht. Eine Einbeziehung der Beschwerdeführerin sei offensichtlich geboten gewesen. Zudem habe das Amtsgericht entgegen der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zum Elternrecht entschieden. Auch im Verfahren 28 F 226/24 sei sie vor Abfassung des angegriffenen gerichtlichen Hinweises nicht angehört worden. Mit dem als „Teil-Vergleich“ überschriebenen Vergleich vom 6. Dezember 2023 seien drei Regelungen getroffen worden: Die erste Regelung habe den gewöhnlichen Aufenthalt betroffen und habe die zeitliche Einschränkung „bis zum Vorliegen des Gutachtens“ enthalten. Die zweite Regelung, die Umgangsregelung, habe keine Einschränkung zeitlicher Art enthalten. Gleiches gelte für die dritte Regelung der Inanspruchnahme einer Erziehungshilfe. Überdies habe das Gericht offenbar seine Auffassung zur Wirksamkeit des Vergleichs geändert. Mit Beschluss vom 5. August 2024 und damit nach Vorlage des Gutachtens am 12. Juni 2024 habe das Amtsgericht Strausberg in einem Ordnungsmittelverfahren einen Nichtabhilfebeschluss erlassen und damit begründet, dass die Beschwerdeführerin einen Umgangstermin am 18. Juni 2024, also nach Vorlage des Gutachtens, abgesagt habe.

In Bezug auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 Gesetz über das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) trägt die Beschwerdeführerin vor, dass die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet sei. Zudem würden die irreversiblen Folgen, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht ergehen würde, der Antrag in der Hauptsache aber Erfolg habe, die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, den Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre, deutlich überwiegen. Die Beschwerdeführerin wäre infolge der „anhaltenden Kindesentziehung“ mittels der weiterhin andauernden Legitimierungswirkung der einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Strausberg vom 20. August 2024 (28 F 222/24) faktisch daran gehindert, ihr Kind zu sehen. Außerdem führe dies dazu, dass der Vater im Vorfeld der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehbarkeit versuchen werde, einen Aufenthaltswechsel des Kindes zu erzwingen, um dann gewichtige Gründe für ein Beibehalten des zwangsweise verlagerten gewöhnlichen Aufenthalts, namentlich die Vermeidung ständiger Aufenthaltswechsel, anführen zu können. Schon jetzt sei das Kind länger als jemals von ihr getrennt. Demgegenüber drohten keine spürbaren Nachteile für den Fall des Erlasses. Sie erhalte das Kind heraus, sowohl Gericht als auch Jugendamt bekämen die Möglichkeit, die Gefahrenlage durch Rücksprache mit dem Kind aufzuklären, und der Kindesvater erhalte weiterhin im bisher praktizierten Rahmen entsprechend dem rechtskräftigen Umgangsbeschluss Umgang mit seinem Sohn. Sie sei weiterhin gewillt, den Umgang durchzuführen. Sie habe ausdrücklich nur eine einstweilige Abänderung des Umgangsbeschlusses für die Dauer der Gefährdungseinschätzung beantragt.

Mit Schriftsatz vom 27. August 2024 trägt die Beschwerdeführerin ergänzend zum Aufenthaltsbestimmungs- und Umgangsrecht vor. Durch den angegriffenen Herausgabebeschluss und dem nicht gewährten Umgang sei ein rechtswidriger Zustand entstanden, dessen Aufrechterhaltung eine erhebliche Gefährdung für das Kind darstelle. Es sei daher Eile geboten.

III.

Die Beschwerdeführerin beantragt mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zunächst,

„1. Der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 20.08.2024 - Aktenzeichen 28 F 222/24 - wird hinsichtlich seiner Wirksamkeit bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache oder bis zu einer erneuten Entscheidung des Amtsgerichts, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.

2. Bereits vollzogene Vollstreckungsmaßnahmen werden rückgängig gemacht. Das Kind ist der Beschwerdeführerin herauszugeben.

3. Das Land Brandenburg hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.“

Mit ihrem Nachtrag vom 1. September 2024 (eingegangen am 2. September 2024) hat sie den Antrag zu 2. wie folgt angepasst:

2. Bereits vollzogene Vollstreckungsmaßnahmen werden rückgängig gemacht. Das Kind ist der Beschwerdeführerin für die Dauer ihres Umganges gemäß gerichtlich gebilligtem Teilvergleich vom 6. Dezember 2023 vor dem Amtsgericht Strausberg (28 F 289/23) herauszugeben.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerdeführerin zunächst beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 20. August 2024 ‑ 28 F 222/24 ‑ wegen der Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Art. 12 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 52 Abs. 3 LV sowie der Verletzung des Elternrechts gemäß Art. 27 Abs. 2 LV aufzuheben,

hilfsweise

festzustellen, dass der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 20. August 2024 ‑ 28 F 222/24 ‑ die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Art. 12 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 52 Abs. 3 LV sowie in ihrem Elternrecht gemäß Art. 27 Abs. 2 LV verletzt und die Sache dem Amtsgericht Strausberg zur Entscheidung zurückzuverweisen.

Mit ihrem Nachtrag vom 1. September 2024 hat sie darüber hinaus beantragt,

2. festzustellen, dass das Schreiben des Amtsgerichts Strausberg vom 28. August 2024 ‑ 28 F 222/24 ‑ die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Art. 12 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 52 Abs. 3 LV sowie in ihrem Elternrecht gemäß Art. 27 Abs. 2 LV verletzt und die Sache dem Amtsgericht Strausberg zur Entscheidung zurückzuverweisen."

B.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig.

Gemäß § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg vorliegen, ist grundsätzlich, soweit sich das Begehren in der Hauptsache nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet darstellt, nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu beurteilen (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 11. März 2022 ‌‑ VfGBbg 1/22 EA ‑‌, Rn. 24 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

1. Durch den Erlass der einstweiligen Anordnung darf grundsätzlich nichts gewährt werden, was nicht auch Ergebnis des Verfahrens in der Hauptsache sein könnte (vgl. Beschluss vom 11. März 2022 ‌‑ VfGBbg 1/22 EA ‑‌, Rn. 25 m. w. N, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Dem trägt der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht vollumfänglich Rechnung.

Soweit der Antrag zu 2. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die Herausgabe des Kindes ‑ auch mit den Einschränkungen aus dem Schriftsatz vom 1. September 2024 - an die Beschwerdeführerin gerichtet ist, mithin bereits vollzogene Vollstreckungsmaßnahmen rückgängig gemacht werden sollen, kann eine einstweilige Anordnung nicht ergehen. Die Beschwerdeführerin begehrt damit eine Sachentscheidung, welche das Verfassungsgericht nicht trifft. Diese Sachentscheidung hat sie nach eigenen Angaben beim zuständigen Familiengericht mit dem unvollständig vorgelegten Schriftsatz vom 21. August 2024 auch beantragt.

2. Der auch im Verfahren nach § 30 VerfGGBbg geltende Grundsatz der Subsidiarität (vgl. Beschluss vom 20. Mai 2022 ‌‑ VfGBbg 5/22 EA ‑‌, Rn. 7 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de) ist im Übrigen nicht gewahrt. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kommt nur in Betracht, wenn die Antragstellerin bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat, sofern ihr dies nicht ausnahmsweise unzumutbar ist. Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt darüber hinaus, dass eine Antragstellerin - über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus - alles im Rahmen ihrer Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern; vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss sie alle ihr gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen, um eine Korrektur ohne Inanspruchnahme des Verfassungsgerichts zu erwirken (vgl. Beschluss vom 22. September 2023 ‌‑ VfGBbg 66/20 ‌, Rn. 50 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

a. Daran gemessen steht der Grundsatz der formellen Subsidiarität einer Entscheidung in der Sache entgegen. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 21. August 2024 gegen die vom Amtsgericht Strausberg am 20. August 2024 zum Aktenzeichen 28 F 222/24 erlassene einstweilige Anordnung ein Ablehnungsgesuch angebracht, Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und die Aufhebung der Vollstreckung beantragt. Zudem hat sie eine einstweilige Abänderung des Umgangsbeschlusses für die Dauer einer Gefährdungseinschätzung beantragt. Über sämtliche Anträge ist nach ihrer Darstellung bisher nicht entschieden worden. Die Durchsetzung des nach ihrer Ansicht weiter zu beachtenden, gerichtlich gebilligten Umgangsvergleichs gemäß § 89 FamFG ist der Beschwerdeführerin ‑ wie sich aus ihrem als Anlage B 10 eingereichten Schriftsatz vom 10. April 2024 entnehmen lässt ‑ auch bekannt. Mit Antrag vom 27. August 2024 hat die Beschwerdeführerin nunmehr auch selbst Ordnungsmittel zur Vollstreckung der Umgangsregelung beantragt. Auch gegen den Beschluss vom 5. August 2024, mit dem das Amtsgericht Strausberg das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater allein übertragen hatte, legte die Beschwerdeführerin am 6. August 2024 Beschwerde ein und beantragte darüber hinaus die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 64 Abs. 3 FamFG. Hinsichtlich der Beschwerde steht eine Entscheidung des Fachgerichts aus. Die Beschwerdeführerin hat zunächst die fachgerichtlichen Entscheidungen abzuwarten.

b. Das Verfassungsgericht sieht sich auch nicht im Eilverfahren zu einer Vorabentscheidung veranlasst. Diese ist nicht im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg geboten. § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg gilt entsprechend auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg sind für das Eilverfahren erfüllt, wenn ein schwerer und unabwendbarer Nachteil für die Antragstellerin entstünde, der nicht noch nach Abwarten der Beschwerdeentscheidung abgewehrt werden könnte (vgl. Beschluss vom 18. Juni 2021 ‌‑ VfGBbg 12/21 EA ‑‌, Rn. 22 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Die Ausgestaltung des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg als Kann-Vorschrift macht überdies deutlich, dass auch bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen eine Vorabentscheidung keineswegs zwangsläufig ist. Sie bleibt vielmehr auch in diesen Fällen schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg ‑ „im Ausnahmefall“ ‑ die Ausnahme. Demnach kommt eine Vorabentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg von vornherein nicht in Betracht, wenn ‑ wie vorliegend ‑ eine vorherige fachgerichtliche Klärung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht geboten erscheint (Beschluss vom 21. Januar 2022 ‌‑ VfGBbg 47/21 ‑,‌ Rn. 16; https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Besondere Umstände, die im Rahmen einer Abwägung den Vorteil einer dem Subsidiaritätsgrundsatz entsprechenden Vorbefassung der Fachgerichte überwiegen könnten, waren hier nicht erkennbar. Vielmehr ist die Erschöpfung des bereits beschrittenen Rechtswegs vonnöten und zumutbar.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Dr. Koch

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß