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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Januar 2022 - VfGBbg 47/21 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 2; VerfGGBbg, § 47 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 50 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Ablehnung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
- Rechtswegerschöpfung
- Vorabentscheidung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Januar 2022 - VfGBbg 47/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 47/21




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 47/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

M.,
,
,

Beschwerdeführerin,

wegen

Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. Mai 2021 - VG 1 K 1641/19 u.a.

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. Januar 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.


Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer am 27. Juli 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. Mai 2021 ‑ VG 1 K 1641/19.

Zur Begründung trägt sie vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus, welches ihr am 27. Mai 2021 zugestellt worden sei, verstoße gegen die ihr in Art. 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), Art. 22 Abs. 4 Satz 2 LV, Art. 5 Abs. 1 LV, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 LV, Art. 7 LV, Art. 10 LV, Art. 12 Abs. 1 und 2 LV (Gleichheitsgrundsatz und Willkürverbot) sowie Art. 21 Abs. 1 LV garantierten Grundrechte und sei daher aufzuheben.

Es gehe um die Zurückweisung ihres Wahleinspruchs gegen die Gültigkeit der C. „STV-Wahl“ ‑ gemeint sein dürfte die Wahl der C. Stadtverordneten ‑ im Mai 2019. Ihr Ende Juni 2019 erhobener Wahleinspruch sei erst am 25. November 2019 von den neu gewählten Stadtverordneten beschieden und die Entscheidung erst am 27. November 2019 zugestellt worden. Die Entscheidung sei von einem massiven rechtswidrigen Handeln des Stadtverordnetenvorstehers nebst absichtlicher zeitlicher Verzögerung geprägt gewesen und zeige, dass eine Entscheidung über einen Wahleinspruch durch neu gewählte „STV-Abgeordnete“ rechts- und sittenwidrig sei. Die diesbezügliche Vorschrift des § 56 Abs. 1 Gesetz über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz - BbgKWahlG) sei rechtswidrig und verfassungswidrig.

Auch die Aufteilung der Stadt C. (Wahlgebiet) in vier Wahlkreise gemäß § 20 Abs. 4 BbgKWahlG sei rechts- und verfassungswidrig. Sowohl die Wähler als auch parteilose Einzelkandidaten würden hierdurch benachteiligt. So hätten z. B. C. Bürger bzw. Wähler, die nicht im Wahlkreis eines bestimmten Einzelbewerbers wohnten, gar nicht die Möglichkeit, diesen zu wählen und somit nicht den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis. Hierin sei eine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber Parteien und Listenvereinigungen zu sehen, die in allen Wahlkreisen hätten antreten können und deren Stimmenergebnis insgesamt für diese Partei bzw. Listenvereinigung zusammengezählt worden seien. Für sie als Einzelkandidatin sei es daher von vornherein nahezu unmöglich, ein „STV-Mandat“ zu erreichen.

Mit ihren rechtlichen Erwägungen zur Verfassungswidrigkeit habe sich das Verwaltungsgericht Cottbus nicht befasst. Ihrer Aufforderung, die Sache dem Landesverfassungsgericht zur Klärung der Frage vorzulegen, ob die Einteilung großer Wahlgebiete/Städte in mehrere Wahlkreise nach § 20 Abs. 4 BbgKWahlG verfassungswidrig ist, sei das Verwaltungsgericht Cottbus nicht nachgekommen.

Die Erschöpfung des Rechtswegs sei der Beschwerdeführerin nicht zumutbar, da das Verwaltungsgericht Cottbus in seinem Urteil eine Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) nicht zugelassen habe und sie nun erst zeitaufwendig die Zulassung der Berufung beantragen müsse. Dies sei zusätzlich erschwert durch den Anwaltszwang beim OVG, da hiermit ein enormes Kostenrisiko für sie verbunden sei. Als ALG-II-Empfängerin könne sie sich keinen Anwalt leisten und habe daher erst einen PKH-Antrag für die Zulassung der Berufung beim OVG stellen müssen. Zudem verzögere sich dadurch eine rechtskräftige Entscheidung durch das OVG in unzumutbarer Weise. Für die Beschwerdeführerin, für die Demokratie und für die anderen C. Bürger sei es unzumutbar, dass weiterhin Entscheidungen und Entschlüsse durch rechtswidrig gewählte Abgeordnete getroffen würden.

Für eine genauere Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde bat die Beschwerdeführerin um eine Woche zusätzliche Zeit und beantragte diesbezüglich Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. 

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus war der Verfassungsbeschwerde vom 27. Juli 2021 nicht beigefügt; ergänzender Sachvortrag durch die Beschwerdeführerin erfolgte ‑ trotz gegenteiliger Ankündigungen ‑ im weiteren Verfahrensfortgang nicht.

In einer weiteren, zwischenzeitlich als unzulässig verworfenen Verfassungsbeschwerde ‑ VfGBbg 66/21 ‑ hat die Beschwerdeführerin drei Seiten, welche auf der ersten Seite mit „Verfassungsbeschwerde“ überschrieben und ersichtlich unvollständig waren, per Telefax an das Verfassungsgericht übersandt. Es handelte sich um Teile eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. August 2021 ‌‑ OVG 12 N 165/21. Ausweislich der übermittelten Seiten wurde der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihren Berufungszulassungsantrag abgelehnt.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Zunächst ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg unzulässig, weil die Beschwerdeführerin bis zum heutigen Tage weder eine von ihr für verfristet gehaltene Handlung nachgeholt noch die Gründe für ein vermeintlich unverschuldetes Fristversäumnis glaubhaft gemacht hat. Die Verfassungsbeschwerde ist daher im Hinblick auf ihre Zulässigkeit in dem bis zur Entscheidung vorgelegten Umfang zu berücksichtigen.

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. Mai 2021 ‑ 1 K 1641/19 ‑ richtet, erfüllt sie nicht die gesetzlichen Begründungsanforderungen.

a. Hierfür ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung erforderlich, die schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Es obliegt dem Beschwerdeführer dabei auch, dem Verfassungsgericht alle Gesichtspunkte zu unterbreiten, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde maßgeblich sind (vgl. Beschlüsse vom 11. Dezember 2020 ‌‑ VfGBbg 84/20 ‑,‌ Rn. 9, und vom 9. September 2016 ‌‑ VfGBbg 92/15 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

b. Diesen Vorgaben genügt die Beschwerdeschrift vom 27. Juli 2021 nicht. Das Verfassungsgericht ist aufgrund des Vortrags der Beschwerdeführerin nicht in der Lage zu überprüfen, ob sie den aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg folgenden Anforderungen gerecht geworden ist oder aufgrund welcher Erwägungen eine Vorabentscheidung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg in Betracht käme.

aa. Der Beschwerdeschrift vom 27. Juli 2021 lässt sich nicht entnehmen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde bereits den fachgerichtlichen Instanzenzug erschöpft hat und insbesondere in einem Berufungszulassungsverfahren im Sinne von §§ 124, 124a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erfolglos geblieben wäre. Die von ihr in dem Verfahren VfGBbg 66/21 am 20. Oktober 2021 übersandten ‑ unvollständigen ‑ Seiten deuten ebenfalls darauf hin, dass der Rechtsweg gerade nicht erschöpft war.

bb. Eine Vorabentscheidung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg ist nicht geboten. Eine derartige Sofortentscheidung kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht. Der Beschwerdeführerin entsteht zum einen kein schwerer und unabwendbarer Nachteil, wenn sie zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VerfGGBbg). Hierfür müsste eine Grundrechtsverletzung im Raum stehen, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre (vgl. Beschluss vom 20. Juni 2014 ‑ VfGBbg 51/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de), was nicht ersichtlich ist. Die von ihr einzig vorgetragene Mitwirkung „rechtswidrig gewählter Abgeordneter“ an Beratungen und Entscheidungen der Stadtverordnetenversammlung C. vermag auch dann, wenn der Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin zu folgen wäre, keine derart schwerwiegende, für die Beschwerdeführerin unerträgliche Grundrechtsverletzung zu begründen, die eine Sofortentscheidung des Verfassungsgerichts vor Ausschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs erfordert. Ob die Verfassungsbeschwerde zum anderen der Klärung einer Vielzahl von in tatsächlicher und einfachrechtlicher Hinsicht gleichgelagerten Fällen dient und damit von allgemeiner Bedeutung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VerfGGBbg ist, hat die Beschwerdeführerin nicht näher dargelegt und kann auch dahingestellt bleiben. Denn die Ausgestaltung des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg als Kann-Vorschrift macht deutlich, dass auch bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen eine Vorabentscheidung keineswegs zwangsläufig ist. Sie bleibt vielmehr auch in diesen Fällen schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg ‑ „im Ausnahmefall“ ‑ die Ausnahme (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2006 ‌‑ VfGBbg 20/06 ‑, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Demnach kommt eine Vorabentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg von vornherein nicht in Betracht, wenn ‑ wie vorliegend ‑ eine vorherige fachgerichtliche Klärung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht geboten erscheint. Besondere Umstände, die im Rahmen einer Abwägung den Vorteil einer dem Subsidiaritätsgrundsatz entsprechenden Vorbefassung der Fachgerichte überwiegen könnten, waren hier nicht erkennbar.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

Möller

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Dr. Strauß