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VerfGBbg, Beschluss vom 13. September 2024 - VfGBbg 46/23 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Begründungsanforderungen nicht erfüllt
- Rechtsweg nicht erschöpft
- Wiederaufnahme
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 13. September 2024 - VfGBbg 46/23 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 46/23




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 46/23

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

J.

Beschwerdeführer,

wegen

Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juli 2023 ‌‑ 41 BRH (OP) 1/23 -; Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. September 2023 ‑ 1 Reha 2/23 (OP) -; Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 31. August 2023 zum Geschäftszeichen 52 Ws 166/23

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 13. September 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Dr. Koch, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.


 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. September 2023‌‑ 1 Reha 2/23 (OP) - einen Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juli 2023 ‌‑ 41 BRH (OP) 1/23 - und eine Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 31. August 2023 - 52 Ws 166/23.

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch das Kreisgericht Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 9. Februar 1981 - S 22/81/ 221-1-81 - wegen mehrfachen, teils versuchten, teils vorbereiteten ungesetzlichen Grenzübertritts zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde vollstreckt. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat mit Beschluss vom 17. Juli 1992 ‌‑ 3 (1) BRH 833/90 - das Urteil des Kreisgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Februar 1981, soweit es den Beschwerdeführer betraf, für rechtsstaatswidrig erklärt, aufgehoben und festgestellt, dass der Beschwerdeführer zu Unrecht eine Freiheitsentziehung erlitten hat.

Am 18. September 2018 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung einer monatlichen Zuwendung für Haftopfer nach § 17a Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (StrRehaG). Diesen Antrag lehnte der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) wegen der Tätigkeit des Beschwerdeführers als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in den Jahren 1981 bis 1989, mithin wegen des Vorliegens der Ausschließungsgründe nach § 16 Abs. 2 StrRehaG mit Bescheid vom 4. Dezember 2019 ab. Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung an die Kammer für Rehabilitierungsverfahren bei dem Landgericht Frankfurt (Oder), welche nach Anhörung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 26. Mai 2021 den Antrag zurückwies. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 12. Juli 2021 als unbegründet, die „weitere Beschwerde“ zum Bundesgerichtshof verwarf dieser als unzulässig.

Der Beschwerdeführer beantragte am 21. Juni 2023 beim Landgericht Frankfurt (Oder) die Wiederaufnahme des vorgenannten Rehabilitierungsverfahrens nach § 15 StrRehaG i. V. m. § 359 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO). Das Landgericht verwarf diesen Antrag mit Beschluss vom 18. Juli 2023 - 41 BRH (OP) 1/23 - als unzulässig, da kein Wiederaufnahmegrund vorliege. Dieser mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 10. August 2023 zugestellt. Am 18. August 2023 ging ein Schreiben bei Gericht ein, mit dem der Beschwerdeführer „Beschwerde“ gegen die Entscheidung des Landgerichts erhob.

Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg mit der dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gelangten Stellungnahme vom 31. August 2023 beantragt hatte, das Schreiben des Beschwerdeführers als sofortige Beschwerde zu behandeln und wegen der Versäumung der Frist als unzulässig zu verwerfen, beantragte der Beschwerdeführer mit weiterem Schreiben vom 9. September 2023 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht verwarf mit Beschluss vom 18. September 2023 ‑ 1 Reha 2/23 (OP) - sowohl den Wiedereinsetzungsantrag, als auch die sofortige Beschwerde als unzulässig. Der Beschwerdeführer habe zum einen die Frist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde nicht eingehalten (vgl. § 15 StrRehaG i. V. m. § 311 Abs. 2 StPO) und zum anderen keine Tatsachen vorgetragen, aus denen zu schließen wäre, dass er ohne Verschulden gehindert war, diese Frist zu wahren (vgl. § 15 StrRehaG i. V. m. § 44 StPO). Mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 erhob der Beschwerdeführer hiergegen Gehörsrüge, welche das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 26. Februar 2024 zurückwies.

II.

Der Beschwerdeführer trägt im verfassungsgerichtlichen Verfahren vor, dass ihm die beantragte umfangreiche Akteneinsicht nach § 406e StPO verwehrt worden sei, nicht nur in die Verfahrensakte beim Landgericht Frankfurt (Oder), sondern auch in Akten anderer Behörden. Außerdem habe er die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (Oder) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts nur in einer nicht von ihm beantragten Ausfertigung ohne vollständige Unterschriften der erkennenden Richter erhalten. Schließlich habe er die Frist zur Beschwerde gewahrt, denn nach § 13 Abs. 1 StrRehaG könne gegen den Beschluss innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung Beschwerde eingelegt werden. Bei seiner Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juli 2023 handele es sich um eine solche nach § 13 Abs. 1 StrRehaG und nicht um eine sofortige Beschwerde nach § 311 StPO, welche binnen einer Woche zu erheben wäre.

Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen seien darüber hinaus rechtswidrig und würden ihn in seinen Grund- und Verfahrensrechten verletzen. Insbesondere rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 6 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), weil er zu Zeiten der DDR zu Unrecht in Haft gewesen sei und nun einen Anspruch auf Entschädigung nach § 17a StrRehaG habe, welche ihm aber durch das Landgericht Frankfurt (Oder) und das Brandenburgische Oberlandesgericht verwehrt werde. Außerdem sei er in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 52 Abs. 3 LV verletzt, da die Gerichte sich mit seinen umfangreichen Schriftsätzen nicht auseinandergesetzt hätten. Hätten sie dies getan, wären sie unter Umständen zu einer anderen Entscheidung gelangt. Auch sieht sich der Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf ein faires und zügiges Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht nach Art. 52 Abs. 4 LV verletzt und rügt einen Verstoß gegen das Willkürverbot. Diese Verletzungen sieht er darin, dass verschiedene seiner Akteneinsichtsgesuche ungerechtfertigt abgelehnt worden seien und sämtliche Schriftsätze sowie die von ihm eingereichte eidesstattliche Versicherung nicht berücksichtigt worden seien. Schließlich rügt er eine Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 53 Abs. 3 LV. Dieser Grundsatz sei dadurch verletzt, dass das Landgericht in seinem Beschluss ausführe, er habe für das MfS als IM gearbeitet. Dies sei jedoch nicht korrekt.

Mit Schriftsatz vom 4. März 2024 hat der Beschwerdeführer weiter vorgetragen, umfangreiche Anlagen beigebracht und unter anderem eine Verletzung seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 52 LV sowie gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 52 LV gerügt. Ferner sei ihm der gesetzliche Richter gemäß Art. 101 GG, Art. 52 LV entzogen worden. Auch würden Verstöße gemäß Art. 25 GG i. V. m. Art. 6 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) i. V. m. Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) i. V. m. Art. 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), Art. 52 LV und Art. 53 LV vorliegen, welche der Beschwerdeführer nicht länger akzeptiere. Schließlich verhalte sich der Staat widersprüchlich, wenn er zum einen ein Rechtsstaat nach Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 LV sei, dann aber unter anderem gegen Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 1 LV verstoße, obwohl diese Grundrechte nach Art. 79 Abs. 3 GG abgesichert seien.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdeschrift entspricht nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Außerdem ist der Rechtsweg nicht ordnungsgemäß ausgeschöpft worden.

Erforderlich ist eine Begründung, welche umfassend und aus sich heraus verständlich die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers hinreichend deutlich aufzeigt. Dabei ist darzulegen, inwieweit die bezeichneten Grundrechte durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein sollen und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden Aufarbeitung der einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (vgl. Beschlüsse vom 16. Juni 2023 ‌‑ VfGBbg 7/23 ‑, Rn. 11 m. w. N., und ‌‑ VfGBbg 35/22 ‑‌, Rn. 12 m. w. N., https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

An einer solchen Begründung fehlt es hier.

Aus dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Beschwerdeführers tatsächlich verletzt sein könnten. Sein Vortrag erstreckt sich im Wesentlichen auf eine Wiedergabe der eigenen Bewertungen des nur auszugsweise geschilderten Geschehens und Rechtsstreits. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Wertungen der angegriffenen Entscheidungen findet nicht statt.

Die Beschwerdeschrift zählt zwar eine Vielzahl von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten auf, diese werden jedoch nicht hinreichend in Bezug zu den angegriffenen Entscheidungen gesetzt. Teils fehlen auch Dokumente, die den Beschwerdevortrag stützen und dem Verfassungsgericht eine weitergehende Prüfung ermöglichen würden.

Ferner hat der Beschwerdeführer auch den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß ausgeschöpft.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg ist vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde der Rechtsweg im fachgerichtlichen Verfahren auszuschöpfen. Dazu zählt auch und insbesondere, dass der Beschwerdeführer zulässige Rechtsmittel fristgerecht erhebt (vgl. Beschluss vom 21. September 2000 ‌‑ VfGBbg 36/00 ‑‌, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Im Grundsatz darf eine Frist vom Rechtsschutzsuchenden zwar voll ausgenutzt werden. Fahrlässig handelt aber, wer mit der Übermittlung eines Schriftsatzes nicht so rechtzeitig beginnt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss der Übermittlung noch am Tag des Fristablaufs (d. h. vor 24.00 Uhr) zu rechnen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. August 1996 ‌‑ 1 BvR 121/95 ‑,‌ Rn. 13, juris). Bei einem Zuwarten bis zuletzt ist daher besondere Vorsicht geboten.

Dem ist der Beschwerdeführer hier nicht gerecht geworden. Der seinen Antrag auf Wiederaufnahme ablehnende Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juli 2023 ist dem Beschwerdeführer am 10. August 2023 zugestellt worden. Mit Eingang des als „Beschwerde“ bezeichneten Schriftsatzes am 18. August 2023 hat er die einwöchige Frist der sofortigen Beschwerde (vgl. § 15 StrRehaG i. V. m § 372 StPO, § 311 Abs. 2 StPO) nicht gewahrt. Aus der Abschrift des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. September 2023 ‌‑ 1 Reha 2/23 (OP) - ergibt sich, dass er das als sofortige Beschwerde zu behandelnde Schreiben erst am 17. August 2023 zur Post gegeben hat. Mit einer Wahrung der am selben Tag ablaufenden Frist hat er nicht mehr rechnen können. Die Ansicht des Beschwerdeführers, er könne gegen die Entscheidung über die Wiederaufnahme eine Beschwerde nach § 13 Abs. 1 StrRehaG erheben, geht fehl. Die genannte Vorschrift findet Anwendung auf Beschlüsse, im Sinne von § 12 StrRehaG. Eine solche Entscheidung stellte der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juli 2023 aber gerade nicht dar.

Aufgrund der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Verletzung von weiteren vorgetragenen Grundrechten etwa aus EMRK, GRCh, AEMR oder GG einer Prüfung durch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg zugänglich wäre (vgl. z. B. für die EMRK, Beschluss vom 19. Mai 2017 ‌- VfGBbg 19/16 -‌ und Beschluss vom 15. Februar 2019 ‌‑ VfGBbg 183/17 -‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Dr. Koch

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß