VerfGBbg, Beschluss vom 13. September 2024 - VfGBbg 20/21 -
Verfahrensart: |
abstrakte Normenkontrolle Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 113 Nr. 2 - VerfGGBbg, § 39 Nr. 1 - 7. SARS-CoV-2-EindV, § 17a |
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Schlagworte: | - Abstrakte Normenkontrolle unzulässig - Corona - Coronaschutzverordnung - Fehlendes objektives Klarstellungsinteresse - Norm außer Kraft getreten |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 13. September 2024 - VfGBbg 20/21 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 20/21

IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
VfGBbg 20/21
In dem abstrakten Normenkontrollverfahren
der Mitglieder des Landtags Brandenburg
Dr. Hans-Christoph Berndt, Sabine Barthel, Birgit Bessin, Peter Drenske, Lena Kotré, Andreas Galau, Lars Günther, Michael Hanko, Dennis Hohloch, Rolf-Peter Hooge, Lars Hünich, Steffen John, Andreas Kalbitz, Steffen Kubitzki, Daniel Freiherr von Lützow, Wilko Möller, Daniel Münschke, Kathleen Muxel, Volker Nothing, Lars Schieske, Marianne Spring-Räumschüssel, Felix Teichner, Franz Josef Wiese
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigter Prof. Dr. E.,
beteiligt:
1. Landtag Brandenburg,
vertreten durch die Landtagspräsidentin,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,
2. Landesregierung Brandenburg
- Staatskanzlei -,
vertreten durch die Ministerin der Justiz,
Heinrich-Mann-Allee 107,
14473 Potsdam,
Abstrakte Normenkontrolle zu § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV (Testpflicht an Schulen)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 13. September 2024
durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Dr. Koch, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß
beschlossen:
Der Antrag wird verworfen.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe:
A.
Die Antragsteller wenden sich im Wege der abstrakten Normenkontrolle gegen § 17a Siebte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung (7. SARS-CoV-2-EindV) in der Fassung der Dritten Änderungsverordnung vom 8. April 2021, welcher Personen, die eine Schule betreten wollten, die Pflicht auferlegte, das Nichtvorliegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus durch ein negatives Testergebnis nachzuweisen.
I.
Die 7. SARS-CoV-2-EindV vom 6. März 2021 (GVBl. II Nr. 24) wurde gestützt auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und § 28a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), von denen § 28 Abs. 1 zuletzt durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397, 2400) geändert und § 28a durch Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397, 2400) eingefügt worden ist, in Verbindung mit § 2 der Infektionsschutzzuständigkeitsverordnung (IfSZV) vom 27. November 2007 (GVBl. II Nr. 27), der durch die Verordnung vom 10. Januar 2012 (GVBl. II Nr. 2) neu gefasst worden ist. Sie trat am 8. März 2021 in Kraft (vgl. § 27 7. SARS-CoV-2-EindV) und wurde unter anderem durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 8. April 2021 (GVBl. II Nr. 34) geändert. Diese Änderungsverordnung stützte sich auf dieselben Vorschriften wie die 7. SARS-CoV-2-EindV und trat am 9. April 2021 in Kraft. Durch die dritte Änderungsverordnung ist der angegriffene § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV in die Verordnung eingefügt worden. Er hatte ursprünglich folgenden Wortlaut:
„§ 17a
Verbot des Zutritts an Schulen
(1) Ab dem 19. April 2021 ist der Zutritt zu Schulen nach § 17 Absatz 1 Satz 1 allen Personen untersagt, die der jeweiligen Schule keinen Nachweis über ein Testergebnis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nach Absatz 2 vorlegen; hierauf ist im Eingangsbereich der betreffenden Schule hinzuweisen. Das Zutrittsverbot gilt nicht für Personen, die unmittelbar nach dem Betreten der Schule eine Testung in Bezug auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus durchführen; bei einem positiven Testergebnis ist die Schule unverzüglich zu verlassen. Das Zutrittsverbot gilt nur für Schulen, die über eine hinreichende Anzahl an Testmöglichkeiten verfügen.
(2) Schülerinnen und Schüler sowie das Schulpersonal haben an zwei von der jeweiligen Schule bestimmten, nicht aufeinanderfolgenden Tagen pro Wochen ein tagesaktuelles negatives Testergebnis vorzulegen. Liegt dem Testergebnis ein Antigen-Test zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttest) zugrunde, der ohne fachliche Aufsicht durchgeführt worden ist, hat die getestete Person oder, sofern sie nicht volljährig ist, ein Sorgeberechtigter dieser Person als Nachweis eine Bescheinigung über das Testergebnis zu unterzeichnen.“
Die Vierte Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverord-nung vom 15. April 2021 (GVBl. II Nr. 37) änderte den § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV. Er lautete seit dem 16. April 2021:
„§ 17a
Verbot des Zutritts zu Schulen, Kindertagesstätten und Kindertagespflegestellen
(1) Ab dem 19. April 2021 ist der Zutritt zu Schulen nach § 17 Absatz 1 Satz 1 allen Personen untersagt, die der jeweiligen Schule keinen Nachweis über ein Testergebnis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nach Absatz 2 vorlegen; hierauf ist im Eingangsbereich der betreffenden Schule hinzuweisen. Zu Schulen gehören auch deren Außenanlagen, soweit sie für eine ausschließliche Nutzung durch die Schulen bestimmt sind. Das Zutrittsverbot nach Satz 1 gilt nicht für Personen,
1. die unmittelbar nach dem Betreten der Schule eine Testung in Bezug auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus durchführen; bei einem positiven Testergebnis ist die Schule unverzüglich zu verlassen,
2. die Schülerinnen oder Schüler zum Unterricht in der Primarstufe, zur Notbetreuung in Grundschulen oder zum Unterricht in Förderschulen bringen oder sie von dort abholen,
3. deren Zutritt zur Schule zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Schule zwingend erforderlich ist (insbesondere zur Durchführung notwendiger betriebs- oder einrichtungserhaltender Bau- oder Reparaturmaßnahmen),
4. deren Zutritt zur Schule zur Erfüllung eines Einsatzauftrages der Feuerwehr, des Rettungsdienstes, der Polizei oder des Katastrophenschutzes notwendig ist.
Das Zutrittsverbot gilt nur für Schulen, die über eine hinreichende Anzahl an Testmöglichkeiten verfügen.
(2) Schülerinnen und Schüler sowie das Schulpersonal haben an zwei von der jeweiligen Schule bestimmten, nicht aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche ein tagesaktuelles negatives Testergebnis vorzulegen. Liegt dem Testergebnis ein Antigen-Test zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttest) zugrunde, der ohne fachliche Aufsicht durchgeführt worden ist, hat die getestete Person oder, sofern sie nicht volljährig ist, ein Sorgeberechtigter dieser Person als Nachweis eine Bescheinigung über das Testergebnis zu unterzeichnen.
(3) Für Kindertagesstätten sowie während der Betreuungszeiten für Kindertagespflegestellen gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend; ausgenommen sind Kinder in der vorschulischen Kindertagesbetreuung.“
Durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (BGBl. I S. 802) wurde unter anderem der folgende § 28b Absatz 3 Satz 1 in das IfSG eingeführt:
„Die Durchführung von Präsenzunterricht an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen ist nur zulässig bei Einhaltung angemessener Schutz- und Hygienekonzepte; die Teilnahme am Präsenzunterricht ist nur zulässig für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte, die zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS- CoV-2 getestet werden.“
Das Gesetz gilt seit dem 23. April 2021.
Der § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV ist nachfolgend durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 23. April 2021 (GVBl. II Nr. 41), durch die Siebte Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 11. Mai 2021 (GVBl. II Nr. 49) und durch die Achte Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 25. Mai 2021 (GVBl. II Nr. 54) geändert und überarbeitet worden. Die 7. SARS-CoV-2-EindV trat durch § 30 Verordnung über den Umgang mit dem SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 in Brandenburg (SARS-CoV-2-UmgV) vom 15. Juni 2021 am 16. Juni 2021 außer Kraft.
II.
Den Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 16. April 2021, eingegangen am 19. April 2021, hat das Verfassungsgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2021 (VfGBbg 8/21 EA) abgelehnt.
Im Hinblick auf die angeordnete Testpflicht von Schülerinnen und Schülern war der Antrag unzulässig, weil der zeitliche Anwendungsbereich des § 17a der 7. SARS-CoV-2-EindV vom 15. April 2021 (GVBl. II Nr. 37), wirksam seit dem 19. April 2021, durch das Inkrafttreten des § 28b Absatz 3 Satz 1 IfSG am 23. April 2021 überholt worden war.
Dem Erlass der einstweiligen Anordnung habe im Hinblick auf die Testpflicht anderer Personengruppen als Schülerinnen und Schüler entgegengestanden, dass die erforderliche Folgenabwägung gegen die Außerkraftsetzung des § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV ausgefallen sei (Beschluss vom 5. Mai 2021 - VfGBbg 8/21 EA -, Rn. 27 f., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).
III.
Mit am 19. April 2021 eingegangenem Schriftsatz haben die Antragsteller ein abstraktes Normenkontrollverfahren eingeleitet.
Sie tragen vor, sie besäßen als 23 der 88 Mitglieder des Landtags Brandenburgs die nach Art. 113 Nr. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), § 39 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) nötige Anstoßkompetenz. Bei § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV handele es sich um einen Teil einer landesrechtlichen Verordnung, mithin um einen tauglichen Antragsgegenstand. Ferner sei zu der angegriffenen Vorschrift bisher noch keine Entscheidung des Verfassungsgerichts ergangen, weshalb eine Rechtskraft nicht entgegenstehe.
Das objektive Klarstellungsinteresse bestehe fort, auch wenn die zur Überprüfung gestellte Vorschrift während des Normenkontrollverfahrens (absehbar) außer Kraft trete. Es könne nämlich der Fall eintreten, dass das Außerkrafttreten der Norm bei einer dichten Abfolge von Regelungen mit nur kurzer Geltungsdauer dazu führe, dass die verfassungsgerichtliche Kontrolle effektiv verhindert werde. Außerdem seien die Begründungserfordernisse nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg gewahrt. Die Anforderungen an diese dürften nicht überspannt werden, da die Antragsteller nur als Anstoßgeber für eine abstrakte Überprüfung einer gesetzlichen Vorschrift auftreten würden, um die verfassungsmäßige Rechtsordnung zu wahren. Insbesondere könne sich das Gericht nicht - wie bei einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz - hinter den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeit zurückziehen.
Schließlich seien die Antragsteller auch von der Unvereinbarkeit von § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV mit der Landesverfassung überzeugt. Im Rahmen der Begründetheit des Normenkontrollantrags tragen sie vor, dass § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV nicht von der gesetzlichen Grundlage des § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG gedeckt und auch nicht mit dem Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 5 Abs. 2 LV und Art. 2 Abs. 5 Satz 2 LV vereinbar sei.
So stelle § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG keine ausreichende gesetzliche Grundlage zum Erlass einer solchen Verordnung dar, denn diese Vorschriften richteten sich nicht an Personen, welche als Nichtstörer im polizeirechtlichen Sinne zu verstehen seien. Der § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV richte sich an jedermann, also seien auch Nichtstörer von seinen Wirkungen betroffen. Beschränkungen für Personen, von welchen aber im objektiven Sinne keine Gefahr ausgehe, müssten auf eine ausdrückliche Regelung im Gesetz gestützt werden. Diesen Anforderungen werde § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG nicht gerecht. Auf die in Betracht kommende Vorschrift des § 28a IfSG könne § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV dagegen nicht gestützt werden.
So hätten verschiedene näher bezeichnete Sachverständige in den jeweiligen Anhörungen zur Änderung des IfSG ausgeführt, dass die flächendeckenden Eingriffe in das soziale Leben nicht auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG gestützt werden könnten. Diese Auffassung sei durch verschiedene Entscheidungen in der Rechtsprechung bestätigt worden. Darüber hinaus habe das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 2012 entschieden, dass Schulbetretungsverbote gegenüber Nicht-Ansteckungsverdächtigen gerade nicht auf § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG gestützt werden können.
Unabhängig davon, dass es bereits an einer tauglichen Gesetzesgrundlage zum Erlass der angegriffenen Verordnung, insbesondere des § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV, fehle, mangele es auch an Vorhersehbarkeit und Bestimmtheit der Vorschrift. Diese Mängel träten besonders hervor, wenn deutlich werde, in welchen Grundrechten es zu Einschränkungen der Schülerinnen und Schüler durch § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV komme.
So sei das Grundrecht auf Bildung und verfassungsunmittelbare Schulpflicht aus Art. 29 Abs. 1 LV, Art. 29 Abs. 3 LV und Art. 27 Abs. 7 LV berührt. Die Verfassung des Landes Brandenburg gewähre Schülern eine konkrete Rechtsstellung, welche auf gleichberechtigte Teilhabe am staatlichen Bildungsangebot gerichtet sei. Dieses hohe Schutzgut habe der Verordnungsgeber der SARS-CoV-2-EindV ursprünglich auch gewahrt, indem er sich für geöffnete Schulen eingesetzt habe. Dieses Konzept habe sich nun jedoch in ein generelles Schulbetretungsverbot umgekehrt. Dabei habe sich der Verordnungsgeber auf dieselbe gesetzliche Grundlage gestützt. Seine Regelung berühre auch die verfassungsrechtlich verankerte Schulpflicht aus Art. 30 Abs. 1 LV. Gerade Familien aus sozial schlechter gestellten Schichten würden durch den Testzwang vor die Wahl gestellt, sich testen zu lassen oder bei einem falsch-positiven Ergebnis der Kinder Verdienstausfälle in Kauf zu nehmen, da sie häufig ihren Beruf gerade nicht von zu Hause ausüben könnten. Das angebotene Homeschooling bilde keinen vollwertigen Ersatz zum Präsenzunterricht.
Neben dem Grundrecht auf Bildung und verfassungsunmittelbare Schulpflicht sei auch das Grundrecht auf Datenschutz aus Art. 11 LV betroffen. Das Grundrecht auf Datenschutz gewährleiste „das Recht, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen.“ Dadurch, dass der Zutritt zur Schule und damit die Teilnahme am Präsenzunterricht nur möglich seien, wenn das Ergebnis eines entsprechenden Tests mitgeteilt werde, würden die Betroffenen in eine grundrechtliche „Zwickmühle“ gebracht. Entweder der Betroffene teile der Schule das Ergebnis des Tests mit und gebe damit Daten über sich selbst preis, oder er könne auf absehbare Zeit nicht am Präsenzunterricht teilnehmen. Die Regelung in § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV verpflichte zwar nicht unmittelbar zur Preisgabe der persönlichen Daten, jedoch bestehe aufgrund der mittelbaren Zwangslage durch die Norm eine tatsächliche Verpflichtung. Von einer Wahlfreiheit könne nicht die Rede sein, da sowohl Schüler, als auch die Eltern durch die allgemeine Testpflicht und das Betretungsverbot der faktischen Zwangswirkung unterlägen.
Ferner sei das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 LV berührt. Das Verfassungsgericht selbst habe bereits die Entnahme von Körperflüssigkeiten als körperlichen Eingriff qualifiziert (Beschluss vom 30. Juni 1999 ‑ VfGBbg 21/99 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Eine solche Entnahme von Körperflüssigkeiten sei mit jeder denkbaren Variante eines Corona-Tests verbunden. Auch das OVG Münster habe 2021 in einem Beschluss festgehalten: „Nachdem während des Verfahrens Zweifel entstanden, ob die vom Land in Anspruch genommene Verordnungsermächtigung des Infektionsschutzgesetzes zu Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit ermächtigt, wie sie mit der Verpflichtung zur Vornahme eines Coronatests mittels Abstrichs aus dem Nasen- und/oder Rachenraum voraussichtlich verbunden sind, hat das Land die Coronaeinreiseverordnung Anfang Januar 2021 erneut geändert.“ Dies verdeutliche, dass auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit durch einen mittelbaren Eingriff aufgrund der bereits dargestellten Zwangswirkung betroffen sei.
Ferner sei die Vorschrift aus Sicht der Antragsteller deshalb verfassungswidrig, weil die gesetzliche Grundlage für den Erlass der 7. SARS-CoV-2-EindV (§ 32 IfSG i. V. m § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG) nicht den erforderlichen Bestimmtheitsgrad erreiche. Dies liege insbesondere daran, dass der Wortlaut der beiden Vorschriften es gerade nicht ermögliche, auch nicht ansteckungsverdächtige Personen vom Betreten des Schulgeländes auszuschließen. Ein solches Tätigwerden gegenüber Nichtstörern habe jedoch in den gesetzlichen Regelungen entsprechend Niederschlag finden müssen. Auf das problematische Verhältnis zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) sei der Gesetzgeber auch im Gesetzgebungsverfahren mehrfach hingewiesen worden. Den hohen Anforderungen an die gesetzliche Grundlage werde § 32 IfSG i. V. m § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG jedoch nicht gerecht. Insofern sei auch der Vorbehalt des Gesetzes nach Art. 5 Abs. 2 LV, Art. 2 Abs. 5 Satz 2 LV nicht gewahrt.
Darüber hinaus sei der Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 5 Abs. 2 LV, Art. 2 Abs. 5 Satz 2 LV i. V. m. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auch verletzt, weil der Gesetzgeber die maßgeblichen Entscheidungen hier nicht selbst getroffen, sondern den Verordnungsgeber ermächtigt habe. Damit habe der Gesetzgeber jedoch gegen das Wesentlichkeitsgebot verstoßen. Die Ausführungen in der verfassungsrechtlichen Literatur und insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Wesentlichkeitsgrundsatz seien auf den hier zu beurteilenden Fall übertragbar. Unmittelbare Folge dieses Verstoßes gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz sei dann auch, dass keinerlei Abwägung der verschiedenen betroffenen Grundrechte gegen den Normzweck stattgefunden habe. Der Gesetzgeber müsse eine Abwägung treffen, die er nicht auf die Exekutive auslagern könne.
Außerdem verstoße die gesetzliche Grundlage der 7. SARS-CoV-2-EindV (§ 32 IfSG) gegen das Zitiergebot (Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LV), weil gerade kein Bezug auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit genommen werde (Art. 8 Abs. 1 LV). Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen das Zitiergebot hinsichtlich des Grundrechts auf Datenschutz (Art. 11 LV) vor.
Schließlich verpflichte Art. 80 Abs. 4 GG den Landesgesetzgeber dazu, in Form eines formellen Gesetzes tätig zu werden.
Die Antragsteller beantragen,
§ 17a der Siebten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg vom 6. März 2021, GVBl. II Nr. 24, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 8. April 2021, GVBl.II/21 [Nr. 34] für verfassungswidrig und nichtig zu erklären.
IV.
Die Landesregierung hat zum Antrag Stellung genommen. Sie hat ausgeführt, dass die zur Überprüfung gestellte Vorschrift mit der Landesverfassung förmlich und sachlich vereinbar sei. Insbesondere beruhe sie auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und habe auch in der Form einer Rechtsverordnung erlassen werden dürfen. Soweit es zu Eingriffen in Grundrechte komme, seien diese verhältnismäßig.
Die Landesregierung hat ausgeführt, die zur Überprüfung gestellte Vorschrift sei nicht aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel (§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG) erlassen worden, sondern aufgrund von § 32 Satz 1 IfSG i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG. Außerdem sehe § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV kein generelles Schulbetretungsverbot vor, sondern solle vielmehr dafür Sorge tragen, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler am Präsenzunterricht haben teilnehmen können. Der Verordnungsgeber sei auch nicht von seinem Regelungskonzept abgerückt, sondern habe es konsequent weiterverfolgt. Schließlich komme es wohl bei den Antragstellern zu einer Verwechselung dahingehend, dass Schulpflicht und ausnahmslose Präsenzpflicht gleichgestellt werden würden. Dies sei jedoch gerade nicht der Fall.
§ 17a 7. SARS-CoV-2-EindV sei aufgrund von § 32 Satz 1 IfSG i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG erlassen worden. Nach § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG könne die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen angeordnet werden, wenn und soweit Auflagen zur Fortführung des Betriebs nicht ausreichend seien. Die angegriffene Vorschrift sei dabei als solche Auflage anzusehen, sie bestimme eine Anforderung an das Betreten von Schulen und damit an der Teilnahme am Präsenzunterricht. Darin sei eine auf die Fortführung des Betriebs der Schulen bezogene Regelung zu sehen. Sie solle dazu führen, dass der Eintrag von SARS-CoV-2-Viren durch symptomlose Personen auf ein Mindestmaß reduziert werde.
Ferner ermächtige § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG auch zum Erlass von Maßnahmen gegen Nichtstörer. Die in dieser Vorschrift aufgeführten Maßnahmen seien erkennbar an die Allgemeinheit gerichtet und ermöglichten daher auch die generelle Inanspruchnahme von Nichtstörern. Dies ergebe sich bereits konkret aus der Wirkungsweise der Schließung von Einrichtungen, zu denen § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG ermächtige. Solch eine Maßnahme treffe naturgemäß nicht nur Personen, die polizeirechtlich als Störer einzuordnen seien, sondern auch Nichtstörer. Es sei aber nicht ersichtlich, warum die Vorschrift, welche auch weniger eingriffsintensive Auflagen vorsehe, dann nur noch an Störer gerichtet werden müsse.
Auch gingen die Antragsteller in der Bewertung der von ihnen vorgebrachten Rechtsprechung fehl. So habe das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die entsprechenden Maßnahmen auch gegen Nichtstörer hätten getroffen werden können. Außerdem seien die Sachverhalte beim hier zu beurteilenden Fall und dem des Bundesverwaltungsgerichts nicht vergleichbar. Das Bundesverwaltungsgericht habe lediglich über ein klar begrenztes, lokales Infektionsgeschehen zu entscheiden gehabt. Im hier zu beurteilenden Fall gehe es aber um ein diffuses, flächendeckendes Infektionsgeschehen, bei dem die einzelnen Infektionsketten schon lange nicht mehr konkret nachvollzogen werden könnten. Die damals formulierten Voraussetzungen ließen sich nicht auf das Infektionsgeschehen der SARS-CoV-2-Pandemie übertragen.
Auch habe § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV in Form einer Verordnung erlassen werden dürfen. Es habe keine Pflicht bestanden, im Rahmen eines formellen Gesetzes zu handeln. Die maßgebliche Fragestellung des § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV sei dabei, ob der Schulbetrieb zur Verhinderung weiterer Ansteckungen habe eingeschränkt werden dürfen. Diese Frage habe der Gesetzgeber jedoch bereits mit § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG bejaht. Er habe insoweit deutlich gemacht, dass eine vollständige Schließung von Schulen angeordnet werden könne. In diesem Rahmen habe sich der Verordnungsgeber bewegt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Landtag Brandenburg als formeller Landesgesetzgeber aufgrund der Infektionsschutzbeteiligungsverordnung vom 15. Dezember 2020 (GVBl. I Nr. 33) an dem Erlass von Rechtsverordnungen der Landesregierung nach § 32 IfSG mitwirke und die demokratische Legitimation somit gewährleistet sei.
Ferner genüge § 32 Satz 1 i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG den Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots. Das Bundesverwaltungsgericht habe in dem bereits angeführten Urteil sogar die wesentlich unbestimmtere Generalklausel für ein Schulbetretungsverbot als ausreichend erachtet. Zwar sei es zutreffend, dass die Bestimmtheitsanforderung an eine normative Regelung umso höher sei, je stärker in ein Grundrecht eingegriffen werde. Allerdings hänge der Grad der gebotenen Bestimmtheit von den Besonderheiten des in Rede stehenden Sachbereichs und von den Umständen ab, die zu der gesetzlichen Regelung geführt hätten. Bei vielgestaltigen, komplexen Sachverhalten seien geringere Anforderungen zu stellen als bei einfach gelagerten und klar voraussehbaren Sachverhalten. Gerade die SARS-CoV-2-Pandemie stelle einen vielgestaltigen, komplexen Lebenssachverhalt dar. Sowohl deren Verlauf als auch die zur Eindämmung nötigen Maßnahmen könnten nicht im Vorhinein prognostiziert werden. Im Übrigen gestatte § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG ausdrücklich sogar die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen (wie Schulen). Insofern sei es auch vorhersehbar, dass zu einer weniger einschneidenden Maßnahme oder sogar nur einer Auflage gegriffen werde.
Schließlich würden die Antragsteller verkennen, dass soweit das Bundesgesetz die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtige, landesverfassungsrechtlich gerade kein formelles Gesetz erlassen werden müsse, um seinerseits das Zitiergebot einzuhalten. Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LV verpflichte den Gesetzgeber zur Nennung des eingeschränkten Grundrechts, wenn er ein grundrechtsbeschränkendes Gesetz erlasse, aber gerade nicht zum Erlass eines Gesetzes, wenn ein eingeschränktes Grundrecht genannt werden solle. Inwieweit der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Einschränkung von Grundrechten zum Erlass eines Gesetzes verpflichtet sei, sei eine Frage von Parlamentsvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie, nicht jedoch des Zitiergebots. Ferner würden die Grundrechtseinschränkungen auf der Bundesnorm des IfSG beruhen, durch welches die Landesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt worden sei. Die Wirksamkeit der bundesrechtlichen Ermächtigungsvorschrift werde nicht durch das strengere Zitiergebot der Verfassung des Landes Brandenburg gehemmt.
Unabhängig von den vorstehenden Argumenten greife § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV zwar in Grundrechte ein, diese geringfügigen Eingriffe würden jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.
So sei § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV mit den Grundrechten auf Bildung aus Art. 29 Abs. 1 LV und auf gleichen Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen aus Art. 29 Abs. 3 LV vereinbar. Zwar könnten Schülerinnen und Schüler, welche kein aktuelles Testergebnis vorwiesen, nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, jedoch gewähre Art. 29 Abs. 1 LV gerade keinen Anspruch auf Zugang zu einer bestimmten Bildungseinrichtung. Insofern könne daraus auch kein Anspruch auf Teilnahme an einer bestimmten Bildungsform geschlussfolgert werden. Gleiches gelte im Übrigen auch für Art. 29 Abs. 3 LV, welcher ebenfalls keinen Anspruch auf Zugang zu einer bestimmten Bildungseinrichtung gewähre. Auch die allgemeine Schulpflicht aus Art. 30 Abs. 1 LV führe zu keinem anderen Ergebnis. Dass die längerfristige Teilnahme am Distanzunterricht bei Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern nachteilige soziale, psychische und ökonomische Folgen bewirken könne, führe nicht dazu, dass die Teilnahme am Präsenzunterricht zwingend wäre.
Außerdem solle § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV gerade dazu führen, dass der Präsenzunterricht, soweit infektionsschutzrechtlich vertretbar, für möglichst viele Schülerinnen und Schüler aufrechterhalten werde. Wären die in § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV vorgesehenen Maßnahmen nicht getroffen worden, hätte dies zur Folge gehabt, dass die Schulen hätten geschlossen werden müssen. Dies hätte wesentlich mehr Schülerinnen und Schüler betroffen als diejenigen, die kein negatives Testergebnis hätten vorweisen können. Daher seien etwaige qualitative Unterschiede zwischen Präsenz- und Distanzunterricht nicht geeignet, das Recht auf Bildung der am Distanzunterricht Teilnehmenden infrage zu stellen. Für die Behauptung, dass Eltern aus Angst vor beruflichen Nachteilen die Testung ihrer Kinder ablehnen würden, legten die Antragsteller keine Belege vor. Selbst wenn diese Behauptung zutreffend sein sollte, könne diese Angst dem Verordnungsgeber nicht zugerechnet werden.
Der § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV sei auch mit dem Grundrecht auf (körperliche) Unversehrtheit aus Art. 8 Abs. 1 LV vereinbar. So berühre die angegriffene Vorschrift schon nicht den Schutzbereich des Grundrechts. Denn aus § 17a Abs. 2 Satz 2 7. SARS-CoV-2-EindV ergebe sich, dass das negative Testergebnis auch mittels einer eigenen Testung herbeigeführt werden könne. Ein dazu erforderlicher Abstrich werde jedoch ausschließlich im vorderen Nasenraum vorgenommen, worin bereits keine körperliche Substanzverletzung gesehen werde könne. Es liege gerade keine Entnahme von Körperflüssigkeiten vor, denn dann wäre auch die Abgabe einer Speichel- oder Urinprobe als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu werten.
Unterstellt, der Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit sei eröffnet, so läge dennoch kein Eingriff vor. Eine erzwingbare Testpflicht liege nicht vor. Der zur Überprüfung gestellte § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV entfalte auch keine „faktische Zwangswirkung“, denn der Umstand, dass nicht getestete Schülerinnen und Schüler nur am Distanzunterricht teilnehmen könnten, stelle bei objektiver Betrachtung keinen Nachteil von solchem Gewicht dar, dass hierdurch ein mittelbarer Zwang zur Testung begründet wäre.
Wiederum unterstellt, ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit läge vor, wäre dieser jedoch verhältnismäßig. So stehe die Zuverlässigkeit von Antigentests zwar hinter der von PCR-Tests zurück. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) seien Antigentests geeignet, zur frühzeitigen Erkennung von Virusausscheidungen beizutragen, um so die Sicherheit zu erhöhen, solange Impfstoffe noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen würden. Außerdem sei die Anforderung, ein negatives Testergebnis vorzulegen, aufgrund der kurzen Dauer und niedrigschwelligen Intensität der mit der Testung verbundenen Beeinträchtigung angemessen, um ein Schulgelände zu betreten. Ferner sei dabei zu berücksichtigen, dass die Testungen in der vertrauten Umgebung des eigenen Heims erfolgten und die Betroffenen Unterstützung und Begleitung durch die Eltern erhalten könnten.
Schließlich sei § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV auch mit dem Grundrecht auf Datenschutz (Art. 11 Abs. 1 LV) vereinbar. So sei auch hier wegen der Freiwilligkeit der Vorlage der Testergebnisse bereits ein Eingriff in den Schutzbereich zu verneinen. Die Antragsteller gingen fehl in der Einschätzung, dass die Schülerinnen und Schüler bzw. ihre Erziehungsberechtigten mit der Vorlage eines negativen Testergebnisses über eine den Anforderungen des Art. 29 Abs. 1 und 3 LV entsprechende Schulbildung disponieren würden. Vielmehr würden sie dadurch die Teilnahme am Präsenzunterricht ermöglichen.
Selbst wenn ein Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz unterstellt werden sollte, sei dieser nur geringfügig. Die Preisgabe von Daten gehe im Ergebnis nicht über das hinaus, was seit jeher für die Abmeldung vom Unterricht oder von der Teilnahme einer Prüfung zum schulorganisatorischen Alltag gehöre. Dieser vernachlässigbaren Belastung stehe der mit § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV verfolgte Schutz der Schülerschaft, der Lehrkräfte, des sonstigen Schulpersonals sowie ihrer jeweiligen Kontaktpersonen vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und einer Erkrankung an COVID-19 gegenüber. Zu diesem Schutz sei der Verordnungsgeber auch angehalten.
B.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
I.
Der Antrag auf Einleitung einer abstrakten Normenkontrolle ist nach Art. 113 Nr. 2 LV, § 39 Nr. 1 VerfGGBbg statthaft, erweist sich aber als unzulässig.
1. Die Antragsteller sind nach Art. 113 Nr. 2 LV, § 39 Nr. 1 VerfGGBbg antragsberechtigt. Die 23 Antragsteller des 88 Mitglieder zählenden Landtags Brandenburg erfüllen das erforderliche Quorum von einem Fünftel der Mitglieder.
2. Mit der zur Überprüfung gestellten Regelung liegt ein grundsätzlich tauglicher Antragsgegenstand vor.
Nach Art. 113 Nr. 2 LV, § 39 Nr. 1 VerfGGBbg kann der Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gegen jedes Landesrecht gerichtet werden, also nicht nur ein förmliches Gesetz, sondern auch darunter stehende materielle Gesetze wie Rechtsverordnungen. Die Antragsteller wenden sich hier gegen § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV in der Fassung vom 8. April 2021, bei dem es sich um einen Teil einer landesrechtlichen Rechtsverordnung handelt. Die Antragsteller haben den Maßgaben von Art. 113 Nr. 2 LV und § 39 Nr. 1 VerfGGBbg folgend auch dargelegt, dass sie Zweifel an der Vereinbarkeit der angegriffenen Norm mit der Verfassung des Landes Brandenburgs haben bzw. sie wegen förmlicher oder sachlicher Unvereinbarkeit mit der Verfassung für nichtig halten.
3. Es fehlt jedoch an dem für die Zulässigkeit des Antrags erforderlichen objektiven Klarstellungsinteresse.
Ein objektives Klarstellungsinteresse an der verfassungsgerichtlichen Überprüfung einer Norm wird durch den Antrag eines Fünftels der Mitglieder des Landtags indiziert. Dies gilt auch, wenn die zum Prüfungsgegenstand erhobene Norm außer Kraft getreten oder auf andere Weise gegenstandslos geworden ist. Das objektive Klarstellungsinteresse entfällt lediglich, wenn von der zur Überprüfung gestellten Norm unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr Rechtswirkungen ausgehen können (Beschluss vom 17. Februar 2023 ‑ VfGBbg 10/21 ‑, Rn. 38f. m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de; vgl. auch VerfGH RP Beschluss vom 15. Juni 2023 ‑ VGH N 32/21 -, juris, Rn. 15 m. w. N.).
Nach diesen Maßstäben ist ein objektives Interesse an der verfassungsrechtlichen Prüfung zu verneinen. Bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung war die zur Überprüfung gestellte Regelung außer Kraft getreten (a.). Von ihr können auch keinerlei Rechtswirkungen mehr ausgehen (b.). Ebenso begründet die zeitlich kurzfristige Änderung der Regelung keinen Ausnahmefall (c.).
a. Gegenstand des Antrags ist allein § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV in der Fassung vom 8. April 2021. In dieser Form galt die Regelung lediglich bis zum 15. April 2021.
Maßgeblich für die Festlegung des Antragsgegenstands ist der im Antrag zum Ausdruck gebrachte Wille der Antragsteller (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33-76, juris, Rn. 70). Die Antragsteller bestimmen mit dem Antrag maßgeblich den Antragsgegenstand, der Antrag kann jedoch der Auslegung zugänglich sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2008 ‑ 2 BvF 4/05 ‑, Rn. 44, juris). In der Antragsschrift haben sich die Antragsteller ausdrücklich gegen § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV in der Fassung vom 8. April 2021 gewandt. Sie haben diesen im Wortlaut in ihrem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle abgedruckt und auch wörtlich beantragt, „§ 17a der Siebten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg vom 6. März 2021, GVBl. II Nr. 24, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 8. April 2021, GVBl.II/21 [Nr. 34] für verfassungswidrig und nichtig zu erklären.“ Zweifel am Willen der Antragsteller, nur diese Fassung der Norm auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen, bestehen daher nicht.
Etwaige Nachfolgeregelungen, insbesondere die Fassung der Norm in der Form der Änderung der Vierten Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 15. April 2021, die am 16. April 2021 in Kraft getreten ist, sind nicht Verfahrensgegenstand geworden. Weder haben die Antragsteller sie im laufenden Verfahren zum Antragsgegenstand gemacht noch ist die Vorschrift in einer ihrer nachfolgenden Fassungen von Amts wegen in die Prüfung mit einzubeziehen.
Die Änderung des § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV vom 15. April 2021 war den Antragstellern bei Einleitung des Normenkontrollverfahrens bekannt, denn sie haben in ihrer Beschwerdeschrift aus der Begründung der Vierten Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung zitiert. Dennoch haben die Antragsteller lediglich § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV in der zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19. April 2021 nicht mehr geltenden Fassung vom 8. April 2021 zur Überprüfung gestellt. Angesichts der Kenntnis von der Änderungsverordnung hätte es den Antragstellern freigestanden, ihr Normenkontrollverlangen auf die nachfolgenden Regelungen zu erstrecken. Eine entsprechende Antragsänderung ist jedoch auch im weiteren Verfahren nicht erfolgt.
§ 17a 7. SARS-CoV-2-EindV ist auch nicht aus anderen Gründen in einer geänderten Fassung in die Prüfung mit einzubeziehen. Zwar kann eine Norm in ihrer Neufassung Gegenstand eines bereits eingeleiteten Normenkontrollverfahrens werden. Dies gilt aber nur dann, wenn der Inhalt der Norm im Wege der Gesetzesänderung im Wesentlichen gleich bleibt (vgl. Urteil vom 21. Juni 2024 - VfGBbg 22/23 ‑, Rn. 82 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Es kann offen bleiben, ob dies auch für den Fall gelten kann, in dem die Norm (wie hier) schon bei Einleitung des Normenkontrollverfahrens - und nicht erst während des laufenden Verfahrens - geändert worden ist. Zudem ist die in Rede stehende Regelung durch die Neufassung des § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV vom 15. April 2021 erheblich umgestaltet und mit verschiedenen Ausnahmen versehen worden. Außerdem wurde § 17a Abs. 3 7. SARS-CoV-2-EindV eingefügt. Das sind wesentliche Änderungen.
b. § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV in der zur Überprüfung gestellten Fassung vom 8. April 2021 hat auch vor seiner Änderung zum 16. April 2021 keine tatsächlichen Rechtswirkungen entfaltet; hiervon gingen und gehen keinerlei Rechtswirkungen mehr aus.
Die Norm beanspruchte zwar vom 9. April 2021 bis zum 15. April 2021 formelle Geltung. Sie ordnete aber erst ab dem 19. April 2021 die Testpflicht an. Durch die Änderung vom 15. April 2021 wurde sie dann maßgeblich überarbeitet und konnte so ab dem 19. April 2021, ab welchem sie überhaupt erst Anwendung finden sollte, keine Wirkungen mehr entfalten.
Im Übrigen hat das Testerfordernis aus der überarbeiteten Fassung des § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV vom 15. April 2021 - obwohl es letztlich für die Prüfung des Antragsgegenstands unerheblich ist - nur bis zum 23. April 2021 bestanden, da ab diesem Tag das Testerfordernis unmittelbar aus dem § 28b Abs. 3 IfSG a. F. und nicht mehr aus § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV hergeleitet wurde.
c. Das Klarstellungsinteresse besteht hier auch nicht ausnahmsweise fort.
Das Verfassungsgericht verkennt nicht, dass bei zeitlich dicht aufeinanderfolgenden Änderungen ein zu enges Verständnis des Klarstellungsinteresses dazu führen könnte, dass eine effektive gerichtliche Kontrolle einer Vorschrift nicht möglich wäre. Unabhängig davon besteht mit Blick auf den objektiven Charakter des Normenkontrollverfahrens ein Entscheidungsinteresse über den Zeitraum der rechtlichen Wirkung hinaus bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen durch die angegriffene Rechtsvorschrift, insbesondere, wenn die Rechtsvorschrift typischerweise auf kurze Geltung angelegt ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Juli 2020 ‑ 1 BvR 1630/20 -, juris, Rn. 9; Beschluss vom 25. Oktober 2021 - VfGBbg 17/21 ‑, Rn. 35, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Zudem kann ein schützenswertes Interesse an der gerichtlichen Klärung der Verfassungsmäßigkeit eines angegriffenen Hoheitsaktes fortbestehen, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 [85ff.], juris, Rn. 28 m. w. N.).
Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Wie bereits dargelegt, trat § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV am 9. April 2021 in Kraft und ist mit der Änderungsverordnung vom 15. April 2021 bereits umfassend überarbeitet worden. Die Norm hat in der zur Überprüfung gestellten Fassung niemals Rechtswirkungen entfaltet und daher während des Normenkontrollverfahrens keine zeitliche Überholung erfahren.
Ein Klarstellungsinteresse erwächst im konkreten Fall auch nicht daraus, dass § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV zwar überarbeitet und geändert worden ist, die grundlegende Intention des Verordnungsgebers - Betreten der Schule nur nach Nachweis eines negativen Testergebnisses - aber fortwährend gleich geblieben ist.
Dass § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV nicht ersatzlos weggefallen ist, sondern in weiteren Änderungen perpetuiert wurde, könnte zwar dafür sprechen, dass durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Vereinbarkeit auch der bereits außer Kraft getretenen Norm des Landesrechts Klarheit und Rechtssicherheit für das nachfolgende Recht und die künftige Normsetzung herbeigeführt werden kann (vgl. VerfG LSA, Urteil vom 26. März 2021 ‑ LVG 25/20 ‑, juris, Rn. 38). Hier geht es jedoch - anders als in dem von den Antragstellern zitierten Urteil des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt (VerfG LSA, Urteil vom 26. März 2021 ‑ LVG 25/20 ‑, juris, Rn. 38) - nicht um ein Fortbestehen eines zunächst bestehenden Klarstellungsinteresses für den Fall, dass eine tatsächliche Erledigung vor oder nach Antragstellung eingetreten ist. § 17a 7. SARS-CoV-2-EindV war - wie bereits dargestellt - in der allein zur Überprüfung gestellten Fassung vom 8. April 2021 weder am 19. April 2021, dem Tag ab dem das Betretungsverbot wirksam werden sollte, noch am Tag des Einreichens des Normenkontrollantrags gültig. Ein Klarstellungsinteresse bestand daher weder vor noch bei Einleitung des Verfahren.
C.
Auslagen sind nicht zu erstatten.
D.
Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten, vgl. § 22 Abs. 1 VerfGGBbg.
E.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller |
Dr. Finck |
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Heinrich-Reichow |
Dr. Koch |
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Müller |
Richter |
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Sokoll |
Dr. Strauß |