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VerfGBbg, Beschluss vom 5. Mai 2021 - VfGBbg 8/21 EA -

 

Verfahrensart: abstrakte Normenkontrolle
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - GG, Art. 31
- LV, Art. 8 Abs. 1
- VerfGGBbg, § 30 Abs. 1
- 7. EindV, § 17a
- IfSG, § 28b Abs. 3 Satz 1, 2. HS
Schlagworte: - Eilantrag abgelehnt
- SARS-CoV-2-Pandemie
- Corona
- Testpflicht
- Schule
- Schüler
- Präsenzunterricht
- Zutrittsverbot
- Landesrecht
- Bundesrecht
- Folgenabwägung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 5. Mai 2021 - VfGBbg 8/21 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 8/21 EA




IM NAMEN DES VOLKES



VfGBbg 8/21 EA

In dem abstrakten Normenkontrollverfahren

  1. Dr. Hans-Christoph Berndt,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  2. Sabine Barthel,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  3. Birgit Bessin,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  4. Peter Drenske,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  5. Lena Duggen,
    Mitglied des Landtags
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  6. Andreas Galau,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  7. Lars Günther,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  8. Michael Hanko,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  9. Dennis Hohloch,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  10. Rolf-Peter Hooge,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  11. Lars Hünich,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  12. Steffen John,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  13. Andreas Kalbitz,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  14. Steffen Kubitzki,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  15. Daniel Freiherr von Lützow,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  16. Wilko Möller,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  17. Daniel Münschke,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  18. Kathleen Muxel,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  19. Volker Nothing,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  20. Lars Schieske,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  21. Marianne Spring-Räumschüssel,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  22. Felix Teichner,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  23. Franz Josef Wiese,
    Mitglied des Landtags,
    AfD-Fraktion,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,

Antragsteller,

Verfahrensbevollmächtigter               Prof. Dr. E.,

 

beteiligt:

  1. Landtag Brandenburg,
    vertreten durch die Präsidentin,
    Alter Markt 1,
    14467 Potsdam,
  2. Landesregierung
    - Staatskanzlei -,
    Heinrich-Mann-Allee 107,
    14473 Potsdam,

 

wegen

Abstrakte Normenkontrolle zu § 17a Siebte Eindämmungsverordnung (Testpflicht an Schulen);
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 5. Mai 2021

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

 

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

 


 Gründe:

A.

Die Antragsteller wenden sich im Kern gegen die Pflicht der Schülerinnen und Schüler, für die Teilnahme am Präsenzunterricht an Schulen das Nichtvorliegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus durch ein negatives Testergebnis nachzuweisen.

I.

Die Dritte Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 8. April 2021 (GVBl. II Nr. 34) führte den § 17a in die 7. Eindämmungsverordnung (7. EindV) ein, der lautete:

㤠17a

Verbot des Zutritts an Schulen

(1)  Ab dem 19. April 2021 ist der Zutritt zu Schulen nach § 17 Absatz 1 Satz 1 allen Personen untersagt, die der jeweiligen Schule keinen Nachweis über ein Testergebnis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nach Absatz 2 vorlegen; hierauf ist im Eingangsbereich der betreffenden Schule hinzuweisen. Das Zutrittsverbot gilt nicht für Personen, die unmittelbar nach dem Betreten der Schule eine Testung in Bezug auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus durchführen, bei einem positiven Testergebnis ist die Schule unverzüglich zu verlassen. Das Zutrittsverbot gilt nur für Schulen, die über eine hinreichende Anzahl an Testmöglichkeiten verfügen.

(2)  Schülerinnen und Schüler sowie das Schulpersonal haben an zwei von der jeweiligen Schule bestimmten, nicht aufeinanderfolgenden Tagen pro Wochen ein tagesaktuelles negatives Testergebnis vorzulegen. Liegt dem Testergebnis ein Antigen-Test zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttest) zugrunde, der ohne fachliche Aufsicht durchgeführt worden ist, hat die getestete Person oder, sofern sie nicht volljährige ist, ein Sorgeberechtigter dieser Person als Nachweis eine Bescheinigung über das Testergebnis zu unterzeichnen.“

Die Vierte Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 15. April 2021 (GVBl. II Nr. 37) änderte den § 17a. Er lautet seit dem 16. April 2021:

㤠17a

Verbot des Zutritts zu Schulen, Kindertagesstätten und Kindertagespflegestellen

(1)  Ab dem 19. April 2021 ist der Zutritt zu Schulen nach § 17 Absatz 1 Satz 1 allen Personen untersagt, die der jeweiligen Schule keinen Nachweis über ein Testergebnis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nach Absatz 2 vorlegen; hierauf ist im Eingangsbereich der betreffenden Schule hinzuweisen. Zu Schulen gehören auch deren Außenanlagen, soweit sie für eine ausschließliche Nutzung durch die Schulen bestimmt sind. Das Zutrittsverbot nach Satz 1 gilt nicht für Personen,

1.  die unmittelbar nach dem Betreten der Schule eine Testung in Bezug auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus durchführen; bei einem positiven Testergebnis ist die Schule unverzüglich zu verlassen,

2.  die Schülerinnen oder Schüler zum Unterricht in der Primarstufe, zur Notbetreuung in Grundschulen oder zum Unterricht in Förderschulen bringen oder sie von dort abholen,

3.  deren Zutritt zur Schule zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Schule zwingend erforderlich ist (insbesondere zur Durchführung notwendiger betriebs- oder einrichtungserhaltender Bau- oder Reparaturmaßnahmen),

4.  deren Zutritt zur Schule zur Erfüllung eines Einsatzauftrages der Feuerwehr, des Rettungsdienstes, der Polizei oder des Katastrophenschutzes notwendig ist.

Das Zutrittsverbot gilt nur für Schulen, die über eine hinreichende Anzahl an Testmöglichkeiten verfügen.

(2)  Schülerinnen und Schüler sowie das Schulpersonal haben an zwei von der jeweiligen Schule bestimmten, nicht aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche ein tagesaktuelles negatives Testergebnis vorzulegen. Liegt dem Testergebnis ein Antigen-Test zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttest) zugrunde, der ohne fachliche Aufsicht durchgeführt worden ist, hat die getestete Person oder, sofern sie nicht volljährig ist, ein Sorgeberechtigter dieser Person als Nachweis eine Bescheinigung über das Testergebnis zu unterzeichnen.

(3)  Für Kindertagesstätten sowie während der Betreuungszeiten für Kindertagespflegestellen gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend; ausgenommen sind Kinder in der vorschulischen Kindertagesbetreuung.“

Durch Bundesgesetz „Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 22. April 2021 (BGBl. I S. 802) wurde unter anderem der folgende § 28b Absatz 3 Satz 1 in das Infektionsschutzgesetz (IfSG) eingeführt:

„Die Durchführung von Präsenzunterricht an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen ist nur zulässig bei Einhaltung angemessener Schutz- und Hygienekonzepte; die Teilnahme am Präsenzunterricht ist nur zulässig für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte, die zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS- CoV-2 getestet werden.“

Das Gesetz gilt seit dem 23. April 2021.

Durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 23. April 2021 (GVBl. II Nr. 41) erhielt § 17a folgende Fassung:

㤠17a

Verbot des Zutritts zu Schulen, Kindertagesstätten und Kindertagespflegestellen

(1)  Der Zutritt zu Schulen nach § 17 Absatz 1 Satz 1 allen Personen untersagt, die der jeweiligen Schule keinen Nachweis über ein Testergebnis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus nach Absatz 2 vorlegen; hierauf ist im Eingangsbereich der betreffenden Schule hinzuweisen. Zu Schulen gehören auch deren Außenanlagen, soweit sie für eine ausschließliche Nutzung durch die Schulen bestimmt sind. Das Zutrittsverbot nach Satz 1 gilt nicht für Personen,

1.   die unmittelbar nach dem Betreten der Schule eine Testung in Bezug auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus durchführen; bei einem positiven Testergebnis ist die Schule unverzüglich zu verlassen,

2.   die Schülerinnen oder Schüler zum Unterricht in der Primarstufe, zur Notbetreuung in Grundschulen oder zum Unterricht in Förderschulen bringen oder sie von dort abholen,

3.   deren Zutritt zur Schule zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Schule zwingend erforderlich ist (insbesondere zur Durchführung notwendiger betriebs- oder einrichtungserhaltender Bau- oder Reparaturmaßnahmen),

4.   deren Zutritt zur Schule zur Erfüllung eines Einsatzauftrages der Feuerwehr, des Rettungsdienstes, der Polizei oder des Katastrophenschutzes notwendig ist.

Das Zutrittsverbot gilt nur für Schulen, die über eine hinreichende Anzahl an Testmöglichkeiten verfügen.

(2)  Zur Umsetzung der Testpflicht nach § 28b Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 des Infektionsschutzgesetzes haben Schülerinnen und Schüler sowie das Schulpersonal an zwei von der jeweiligen Schule bestimmten, nicht aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche ein tagesaktuelles negatives Testergebnis vorzulegen. Liegt dem Testergebnis ein Antigen-Test zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttest) zugrunde, der ohne fachliche Aufsicht durchgeführt worden ist, hat die getestete Person oder, sofern sie nicht volljährig ist, ein Sorgeberechtigter dieser Person als Nachweis eine Bescheinigung über das Testergebnis zu unterzeichnen.

(3)  Für Kindertagesstätten sowie während der Betreuungszeiten für Kindertagespflegestellen gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend; ausgenommen sind Kinder in der vorschulischen Kindertagesbetreuung. Das Zutrittsverbot gilt nur für Einrichtungen nach Satz 1, die über eine hinreichende Anzahl an Testmöglichkeiten verfügen.“

Die Vorschrift gilt seit dem 24. April 2021.

II.

Die Antragstellerinnen und Antragsteller haben am 19. April 2021 einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gegen § 17a in der Fassung Dritte Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 8. April 2021 (GVBl. II Nr. 34) und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Aussetzung des Vollzugs der Regelung gestellt. Sie sind Mitglieder des 88 Abgeordnete umfassenden Landtags Brandenburg.

Sie tragen vor, dass § 17a der 7. Eindämmungsverordnung (7. EindV) nicht von der gesetzlichen Grundlage in § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gedeckt und nicht mit dem Vorbehalt des Gesetzes in Art. 5 Abs. 2, Art. 2 Abs. 5 Satz 2 Verfassung des Landes Bandenburg (LV) vereinbar sei. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG ermögliche keine flächendeckenden Maßnahmen gegen jedermann, d. h. sogenannten Nichtstörern. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits mit Urteil vom 22. März 2012 ‑ 3 C 16/11 - entschieden, dass Schulbetretungsverbote gegenüber nicht Ansteckungsverdächtigen nicht auf § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG gestützt werden könnten. Ansteckungsverdächtigter sei gemäß § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen sei, dass sie Krankheitserreger aufgenommen habe, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Daher genüge es nicht, dass nicht auszuschließen sei, dass Krankheitserreger aufgenommen worden seien. Das Gesundheitsamt müsse vielmehr konkrete Hinweise auf einen Ansteckungsverdacht ermitteln. Die Ermächtigungsgrundlage sei außerdem nicht hinreichend bestimmt genug. Auf den neu eingeführten § 28a IfSG könne der § 17a der 7. EindV nicht gestützt werden.

Das Grundrecht auf Bildung sei gemäß Art. 29 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs., Art. 27 Abs. 2 Satz 1 LV garantiert. Das Homeschooling stelle keinen gleichwertigen Ersatz zum Präsenzunterricht dar. Es gehe auch nicht nur um wenige Tage Abwesenheit von der Schule. Die betroffenen Schüler und ihre Eltern würden vor die Alternative Test oder Ausschluss vom Präsenzunterricht auf unbestimmte Zeit gestellt. Daher bestehe ein faktischer Zwang zur Testung. Der Test sei ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall. LV und in das Grundrecht auf Datenschutz gemäß Art. 11 LV. Das Zitiergebot sei nicht erfüllt. Solche Eingriffe dürften nur durch Parlamentsgesetz erfolgen.

Das Hauptsacheverfahren sei offensichtlich begründet. Das objektive Klarstellungsinteresse entfalle auch nicht, wenn die Norm während des Hauptsachverfahrens außer Kraft treten sollte. Es widerspreche offensichtlich dem Schutzgehalt der Art. 29 Abs. 1, Art. 29 Abs. 3, Art. 27 Abs. 7, Art. 27 Abs. 3 Satz 1 und Art. 30 Abs. 1 LV, nicht ansteckungsverdächtigte Schüler ohne tragfähige Rechtsgrundlage mit einem Schulbetretungsverbot zu belegen. Wegen der offensichtlichen Begründetheit der Hauptsache sei eine Folgenabwägung für den Erlass der einstweiligen Anordnung nicht erforderlich. Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei daher auch besonders dringlich.

Die Antragsteller beantragen,

§ 17a der Siebten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg vom 6. März 2021, GVBl. II Nr. 24, zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. April 2021, GVBl. II/21 [Nr. 34], vorläufig außer Vollzug zu setzen.

III.

Der Landtag Brandenburg und die Landesregierung haben Kenntnis von dem Verfahren und Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Regierung des Landes Brandenburg trägt mit Schriftsatz vom 26. April 2021 vor, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei nicht substantiiert.

B.

Der Antrag hat keinen Erfolg; er ist in Bezug auf den Antragsteller zu 22. schon mangels Vorlage einer Vollmacht unzulässig.

Gemäß § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

1. Der Antrag ist bezogen auf die mit § 17a der 7. EindV eingeführte Testpflicht für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte bereits unzulässig. Insofern gibt es keinen Anwendungsbereich einer möglichen Regelung mehr.

Durch das Inkrafttreten des § 28b Absatz 3 Satz 1 IfSG am 23. April 2021 wurde § 17a der 7. EindV i. d. F. vom 15. April 2021 (GVBl. II Nr. 37), wirksam seit dem 19. April 2021, hinsichtlich der Testpflicht für Schülerinnen und Schüler überholt. Die Testpflicht ergibt sich seit dem 23. April 2021 unmittelbar aus § 28b Absatz 3 Satz 1, 2. Hs. IfSG als Bundesrecht. Gemäß Art. 31 Grundgesetz (GG) bricht Bundesrecht Landesrecht.

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat im Wege der abstrakten Normenkontrolle nur die Kompetenz, Landesrecht auf die Vereinbarkeit mit der Landesverfassung zu überprüfen, Art. 113 Nr. 2 LV, § 12 Nr. 2, § 39 VerfGGBbg. Für die Überprüfung von Bundesgesetzen im Wege der abstrakten Normenkontrolle ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG das Bundesverfassungsgericht zuständig. Eine einstweilige Anordnung dürfte das Landesverfassungsgericht im Hinblick auf die vorläufige Außervollzugsetzung eines Bundesgesetzes nicht erlassen.

Eine einstweilige Anordnung, die landesrechtlich begründete Testpflicht mit § 17a der 7. EindV vorläufig außer Vollzug zu setzen, vermag die nunmehr geltende und weitergeltende bundesgesetzliche Testpflicht aus § 28b Absatz 3 Satz 1, 2. Hs. IfSG nicht zu beseitigen und würde in ihrer Wirkung leerlaufen.

2. Soweit sich der weitergehende Antrag auch auf die Aussetzung der Testpflicht beziehungsweise des Betretungsverbots anderer Personengruppen als Schülerinnen und Schüler bezieht, ist er jedenfalls unbegründet.

Ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten ist, ist nach Maßgabe einer Folgenabwägung und grundsätzlich unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu beurteilen, es sei denn, der Antrag in der Hauptsache erweist sich von vornherein als offensichtlich unzulässig oder als offensichtlich unbegründet (vgl. Beschluss vom 19. März 2021 ‑ VfGBbg 3/21 EA -, Rn. 16, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Es ist nicht offensichtlich, sondern muss einer eingehenden Prüfung im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle in der Hauptsache vorbehalten bleiben, ob die Beschränkungen des § 17a der 7. SARS-CoV-2-EindV in Einklang mit den Grundechten der Landesverfassung stehen und wie weit die Prüfungskompetenz des Landesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage aus dem Infektionsschutzgesetz des Bundes reicht (vgl. Beschluss vom 26. März 2021 ‌‑ VfGBbg 5/21 EA -, Rn. 27 - 29, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Zu dem mit der angegriffenen Regelung bezweckten Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit ist das Land Brandenburg prinzipiell kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 LV angehalten. Im Rahmen der vom Verordnungsgeber hierzu zwischen den Freiheitsrechten auf der einen Seite und der Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems zum Zwecke des Gesundheitsschutzes auf der anderen Seite zu treffenden Abwägungsentscheidung steht ihm von Verfassungs wegen eine Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsprärogative zu. Dabei besteht bei im fachwissenschaftlichen Diskurs auftretenden Ungewissheiten und der damit einhergehenden unsicheren Entscheidungsgrundlage auch ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 26. März 2021 ‑ VfGBbg 5/21 EA -, Rn. 30, jeweils m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Dass der Verordnungsgeber diesen Spielraum hier überschritten haben könnte, ist jedenfalls im Eilverfahren nicht offensichtlich.

Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, sind im Rahmen der Folgenabwägung die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten. Die nachteiligen Folgen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Erfolgs in der Hauptsache zu erwarten sind, müssen im Vergleich zu den nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit der Hauptsache ergeben, deutlich überwiegen, weil sie sonst bei vergleichender Betrachtung im Sinne des Gesetzes nicht gewichtig genug sind („schwere Nachteile“) bzw. keinen gleichwertigen „anderen“ Grund im Sinne des Gesetzes darstellen. Bei der Abwägung sind im Allgemeinen nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen. Zudem muss die einstweilige Anordnung im Sinne zusätzlicher Voraussetzungen „zum gemeinen Wohl“ und „dringend“ geboten sein (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 26. März 2021 ‌
‑ VfGBbg 5/21 EA -, Rn. 35, m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Ein besonders strenger Maßstab gilt zudem, wenn die einstweilige Anordnung nicht nur bis zur Entscheidung über die Hauptsache einen Zustand vorläufig regelt, sondern das Ergebnis der Hauptsache vorwegnimmt (vgl. Beschluss vom 25. Februar 2020 ‑ VfGBbg 1/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Die Folgenabwägung fällt gegen die vorläufige Außerkraftsetzung des § 17a der 7. SARS-CoV-2-EindV aus.

Würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen werden, sich die Testpflicht aber später als verfassungswidrig erweisen, hätten sich sonstige Betroffene mit einem Selbsttest auf den SARS-CoV-2-Virus getestet und das Testergebnis der Schule offenbart oder von einem Betreten abgesehen. Die darin liegende Beeinträchtigung erscheint hinnehmbar. Hingegen dürfte der Zweck der Eindämmung der Pandemie durch die Entdeckung symptomfreier Träger des SARS-CoV-2-Virus und deren Ausschluss vom Zutritt zur Schule und damit Unterbindung weiterer Ansteckung gefördert worden sein.

Würde die einstweilige Anordnung erlassen werden, sich die Testpflicht des § 17a der 7. EindV im Hauptsacheverfahren aber später als rechtmäßig erweisen, würden sonstige Betroffene, die symptomfreie Träger des SARS-CoV-2-Virus sind und die die Schule betreten, trotz der übrigen Vorsichtsmaßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten voraussichtlich zur weiteren Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus in der Bevölkerung und damit zu zusätzlichen schweren Krankheitsverläufen, Langzeitfolgen und Todesfällen beigetragen haben. Die Folgen weiterer schwerer Krankheitsverläufe, Langzeitfolgen und weiterer Todesfälle wiegen schwerer als die Beeinträchtigungen durch die Durchführung der Tests, die Offenbarung der Testergebnisse gegenüber der Schule oder des Nichtbetretens der Schule.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen.


 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll