VerfGBbg, Beschluss vom 26. März 2021 - VfGBbg 5/21 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde EA |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1; VerfGGBbg, § 30; VerfGGBbg, § 39; VerfGGBbg, § 46 - LV, Art. 7; LV, Art. 8 Abs. 1; LV, Art. 10; LV, Art. 12 Abs. 2; LV, Art. 49; LV, Art. 41; LV, Art. 113 - 7. SARS-CoV-2-EindV, § 8 - IfSG, § 28; IfSG, § 28a; IfSG, § 32 |
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Schlagworte: | - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (nicht erfolgreich) - Aussetzung einer Rechtsvorschrift (nicht erfolgreich) - Suspendierung - Folgenabwägung - Schwere Nachteile (verneint) - Irreversible Nachteile - Rechtsverordnung - Eindämmungsverordnung - Prüfungskompetenz - Corona - Coronavirus - COVID-19 - Pandemie - Robert-Koch-Institut - Ungleichbehandlung - Privilegierung - Berufsfreiheit - Berufsausübungsfreiheit - Wirtschaftliche Existenz - Verkaufsstellen - Gewerbetreibende - Geschäfte - Einzelhandel - Großhandel - Einrichtungen mit Publikumsverkehr - Warensortiment - Schutzmaßnahmen - Gesundheitssystem - Infektionsgefahr - Einschätzungsprärogative - Infektionsgeschehen - Öffnung - Geschäftsschließung - Zutrittsbeschränkung - Lebens- und Gesundheitsschutz - Maskenpflicht - Freie Entfaltung der Persönlichkeit - Allgemeine Handlungsfreiheit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 26. März 2021 - VfGBbg 5/21 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 5/21 EA
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
VfGBbg 5/21 EA
In dem abstrakten Normenkontrollverfahren
der Mitglieder des Landtags Brandenburg
Sabine Barthel, Dr. Hans-Christoph Berndt, Birgit Bessin, Peter Drenske, Lena Duggen, Andreas Galau, Lars Günther, Michael Hanko, Dennis Hohloch, Rolf‑Peter Hooge, Lars Hünich, Steffen John, Andreas Kalbitz, Steffen Kubitzki, Daniel Freiherr von Lützow, Wilko Möller, Daniel Münschke, Kathleen Muxel, Volker Nothing, Lars Schieske, Marianne Spring-Räumschüssel, Felix Teichner, Franz Josef Wiese,
Alter Markt 1, 14467 Potsdam,
Antragstellerinnen und Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigter Prof. Dr. E.,
beteiligt:
1. Landtag Brandenburg,
vertreten durch die Präsidentin des Landtags Brandenburg,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,
2. Landesregierung Brandenburg,
- Staatskanzlei -,
Heinrich-Mann-Allee 107,
14473 Potsdam,
§ 8 der Siebten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (Siebte SARS‑CoV‑2‑Eindämmungsverordnung - 7. SARS‑Cov‑2‑EindV) vom 6. März 2021 (GVBl. II/21, [Nr. 24])
hier Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 26. März 2021
durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Dr. Strauß, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Müller, Richter und Sokoll
beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe:
A.
I.
Die 23 Antragstellerinnen und Antragsteller, Mitglieder des 88 Abgeordnete umfassenden Landtags Brandenburg, wenden sich im Wege der abstrakten Normenkontrolle, verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gegen § 8 der Siebten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (Siebte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 7. SARS‑CoV‑2‑EindV vom 6. März 2021 (GVBl.II/21, [Nr. 24])) der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz.
§ 8 7. SARS‑CoV‑2‑EindV lautet wie folgt:
§ 8 - Verkaufsstellen des Einzel- und Großhandels, Einrichtungen mit Publikumsverkehr
(1) Betreiberinnen und Betreiber von Verkaufsstellen des Einzelhandels haben auf der Grundlage eines individuellen Hygienekonzepts durch geeignete organisatorische Maßnahmen in den Verkaufsstellen Folgendes sicherzustellen:
1. die Steuerung und Beschränkung des Zutritts und des Aufenthalts aller Personen; in Verkaufsstellen dürfen sich nur Kundinnen und Kunden aus demselben Haushalt pro angefangene 40 Quadratmeter Verkaufsfläche zeitgleich aufhalten,
2. die vorherige Terminvergabe an alle Kundinnen und Kunden,
3. das Erfassen von Personendaten aller Kundinnen und Kunden in einem Kontaktnachweis nach § 1 Absatz 3 zum Zwecke der Kontaktnachverfolgung,
4. die Einhaltung des Abstandsgebots zwischen allen Personen,
5. das verpflichtende Tragen einer medizinischen Maske durch alle Personen; die Tragepflicht gilt auch auf den Begegnungs- und Verkehrsflächen vor den Verkaufsstellen einschließlich der direkt zugehörigen Parkplätze,
6. in geschlossenen Räumen einen regelmäßigen Austausch der Raumluft durch Frischluft, insbesondere durch Stoßlüftung über Fenster oder durch den Betrieb raumlufttechnischer Anlagen mit hohem Außenluftanteil; bei einem aus technischen oder technologischen Gründen nicht vermeidbaren Umluftbetrieb raumlufttechnischer Anlagen sollen diese über eine geeignete Filtration zur Abscheidung luftgetragener Viren verfügen.
(2) Absatz 1 Nummer 1 bis 3 gilt nicht für den Großhandel sowie für
1. Lebensmittelgeschäfte und Getränkemärkte,
2. Drogerien, Apotheken, Sanitätshäuser, Reformhäuser, Babyfachmärkte,
3. Buchhandel sowie Zeitungs- und Zeitschriftenhandel,
4. Tierbedarfshandel und Futtermittelmärkte,
5. Baufachmärkte,
6. Baumschulen, Gartenfachmärkte, Gärtnereien und Floristikgeschäfte,
7. landwirtschaftliche Direktvermarkter von Lebensmitteln,
8. Tankstellen,
9. Tabakwarenhandel,
10. Verkaufsstände auf Wochenmärkten beschränkt auf die für den stationären Einzelhandel nach dieser Verordnung zugelassenen Sortimente,
11. Banken und Sparkassen sowie Poststellen,
12. Optiker und Hörgeräteakustiker,
13. Reinigungen und Waschsalons,
14. Werkstätten für Fahrräder und Kraftfahrzeuge,
15. Abhol- und Lieferdienste.
Für den Großhandel sowie für die in Satz 1 genannten Verkaufsstellen des Einzelhandels gilt Absatz 1 Nummer 1 mit der Maßgabe, dass sich bis zu einer Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern nur Kundinnen und Kunden aus demselben Haushalt pro zehn Quadratmeter sowie für die darüber hinausgehende Verkaufsfläche nur Kundinnen und Kunden aus demselben Haushalt pro 20 Quadratmeter zeitgleich aufhalten dürfen.
(3) Das Personal der Verkaufsstellen ist von der Tragepflicht nach Absatz 1 Nummer 5 befreit, wenn es keinen direkten Kundenkontakt hat oder wenn die Ausbreitung übertragungsfähiger Tröpfchenpartikel durch geeignete technische Vorrichtungen mit gleicher Wirkung wie durch das Tragen einer medizinischen Maske verringert wird.
(4) Betreiberinnen und Betreiber von Kaufhäusern, Outlet-Centern, Einkaufszentren und vergleichbaren Einrichtungen haben auf der Grundlage eines individuellen Hygienekonzepts durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Abstands- und Hygieneregeln nach Absatz 1 Nummer 4 bis 6 und Absatz 2 Satz 2 außerhalb der einzelnen Verkaufsstellen auch in den für den Publikumsverkehr zugänglichen Bereichen der Einrichtungen einschließlich der Begegnungs- und Verkehrsflächen vor den Einrichtungen und der direkt zugehörigen Parkplätze und Parkhäuser sicherzustellen. Darüber hinaus haben sie Maßnahmen zur Vermeidung von Warteschlangen zu treffen. Für die Steuerung und Beschränkung des Zutritts und des Aufenthalts im Sinne von Absatz 1 Nummer 1 Halbsatz 1 und Absatz 2 Satz 2 ist die Gesamtverkaufsfläche der Einrichtung maßgeblich.
(5) Für Betreiberinnen und Betreiber von sonstigen öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglichen Einrichtungen mit Publikumsverkehr gelten Absatz 1 Nummer 4 bis 6 und Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
Die angegriffene Verordnung in ihrer ursprünglichen Fassung ist am 8. März 2021 in Kraft getreten und tritt mit Ablauf des 28. März 2021 außer Kraft (§ 27 7. SARS-CoV-2-EindV). Mit der Verordnung zur Änderung der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 19. März 2021 (GVBl.II/21, [Nr. 28]) („Änderungsverordnung“) ist die Geltungsdauer der Verordnung bis zum 11. April 2021 verlängert worden.
Die Antragsteller begehren einstweiligen verfassungsrechtlichen Rechtsschutz und beantragen,
§ 8 der Siebten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg vom 6. März 2021, GVBI. II 2021 Nr. 24 vorläufig außer Vollzug zu setzen.
II.
Die Antragstellerinnen und Antragsteller rügen mit ihrem am 19. März 2021 gestellten Normenkontrollantrag, dass der 7. SARS-CoV-2-EindV keine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage zugrunde liege, die Verabschiedung der 7. SARS-CoV-2-EindV durch die Exekutive ohne Beteiligung des Parlaments das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip verletze. Weiter werde im Hinblick auf die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (Art. 8 Abs. 1 Landesverfassung Brandenburg - LV) und Datenschutz (Art. 11 LV) das Zitiergebot aus „Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 5 Abs. 2 Satz 3“ LV verletzt. Die angegriffene Regelung verstoße auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 12 Abs. 1 LV), die Menschenwürde (Art. 7 LV), die Berufsfreiheit (Art. 49 Abs. 1 LV), das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb („Art. 49 i. V. m. Art. 41“LV) und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
1. In der Begründung ihrer Anträge führen die Antragstellerinnen und Antragsteller hierzu aus:
a. Es fehle an einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage für die Verordnung. Die Ermächtigung im Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) sei zu unbestimmt und werde dem Gesetzesvorbehalt bzw. der Wesentlichkeitstheorie nicht gerecht. Auch die jüngsten Änderungen des IfSG hätten daran nichts geändert.
b. Gegen das Zitiergebot aus „Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 5 Abs. 2 Satz 3“ LV werde verstoßen, da die eigentliche Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG bzw. §§ 28, 28a IfSG nicht das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Art. 8 Abs. 1 LV) und das Datenschutzrecht (Art. 11 LV) nennen würde.
c. § 8 7. SARS-CoV-2-EindV sei unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 LV. Es fehle an einer folgerichtigen und gleichheitsgerechten Ausgestaltung der „vielfältige[r]n denkbare[r]n Vergleichsbeziehungen“ innerhalb des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV. Hinsichtlich der „schlechter behandelten Vergleichsfälle“ sei die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LV indiziert. Es fehle den Ungleichbehandlungen an einer tragfähigen Begründung. Die Antragstellerinnen und Antragsteller verweisen hierzu auf die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (OVG Saarlouis, Beschluss vom 9. März 2021 ‑ 2 B 58/21 ‑, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Thüringen (OVG Weimar, Beschluss vom 25. Februar 2021 ‑ 3 EN 88/21 ‑, BeckRS 2021, 3233).
d. Mit der im Zentrum des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV stehenden allgemeinen Kontaktbeschränkung verletze der Staat den mit der Menschenwürde bezeichneten Achtungsanspruch des Individuums. Der Geschäftsinhaber werde als Störer im Sinne des Gefahrenabwehrrechts in Anspruch genommen, ohne dass dies in seiner Person begründet sei. Der Staat behandele jeden Bürger als potentiellen Gefährder der Gesundheit Dritter, also als Störer im Sinne des Gefahrenabwehrrechts. Damit werde der Mensch zum Objekt der staatlichen Epidemieabwehr gemacht. Es bestehe jedoch in Deutschland kein Gesundheitsnotstand dieser Qualität. Von einem allgemeinen Kontaktverbot könne kein substantieller Beitrag zur positiven Beeinflussung einer Pandemie zu erwarten sein.
e. Die Gewerbe- und Betriebseinschränkungen des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV griffen, ohne dass dies näherer Darlegung bedürfe, äußerst intensiv in die Grundrechte der Berufsfreiheit aus Art. 49 LV sowie des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus „Art. 49 i. V. m. Art. 41“ LV ein. Die Abgrenzung zwischen erlaubten und nicht erlaubten Betätigungen sei nicht in nachvollziehbarer Weise auf die vorgeblichen Ziele der Verhinderung zu schneller Ausbreitung der Erkrankung und der Überlastung des Gesundheitssystems zurückzuführen. Die schweren Eingriffe beruhten auf dem Konzept der Kontaktbeschränkung.
f. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg sei zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten. Ziel des Hauptantrags und ebenso Ziel des Antrags auf einstweilige Anordnung sei insbesondere sicherzustellen, dass die zur Überprüfung gestellte Regelung nicht weitere wirtschaftliche Existenzen vernichte und damit auch die Volkswirtschaft als Ganze nachhaltig schädige. Die begehrte einstweilige Anordnung sei geeignet und erforderlich, dieses Rechtsschutzziel in der Hauptsache abzusichern. Mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung solle in erster Linie die Hauptsache offen gehalten und abgesichert werden, also die vollendeten Tatsachen der Existenzvernichtungen verhindert werden.
III.
Die Landesregierung Brandenburg hält den Antrag für unzulässig und unbegründet.
Der Antrag sei unzulässig, da es an einer hinreichend konkreten und plausibilisierten Darlegung schwerer, irreversibler Nachteile im Falle der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung fehle. Das Begründungserfordernis des § 20 Abs. 1 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) erstrecke sich auch auf die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Bezugnahme auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis vom 9. März 2021 genüge dem gesetzlichen Begründungserfordernis nicht.
Dem Antrag sei auch im Ergebnis einer Folgenabwägung nicht zu entsprechen. Zu berücksichtigen sei, dass die angegriffene Regelung am 28. März 2021 ohnehin außer Kraft trete. Für die verbleibenden wenigen Tage ihrer Geltungsdauer könne der Eintritt schwerer, den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigender Nachteile ausgeschlossen werden. Unabhängig davon erwiese sich eine vorläufige Außervollzugsetzung der einschränkenden Regelungen des § 8 Abs. 1 7. SARS-CoV-2-EindV angesichts des derzeitigen, sich wieder zunehmend und anhaltend dynamisch entwickelnden Infektionsgeschehens nicht als gerechtfertigt. Infolge einer Zulassung von zusätzlichen Infektionsrisiken auch im Bereich des Einzelhandels seien erhebliche nachteilige Folgen für die Entwicklung der Infektionszahlen zu erwarten.
Ungeachtet dessen überzeugten auch die von dem Antrag vorgebrachten verfassungsrechtlichen Argumente in der Sache nicht. Die Ungleichbehandlung (hier: Privilegierung) der in § 8 Abs. 2 7. SARS-CoV-2-EindV genannten Verkaufsstellen sei gerechtfertigt. Dies habe auch der VGH Mannheim mit Beschluss vom 1. März 2021 ‑ 1 S 555/21 ‑ zu sachgleichen Regelungen befunden. Der Verordnungsgeber habe sich für ein stufenweises Vorgehen bei der Öffnung der Verkaufsstellen des Einzelhandels entschieden, um im Rahmen einer engmaschigen Kontrolle beobachten zu können, wie sich einzelne Öffnungsschritte auf das Infektionsgeschehen auswirkten. Mit Wirkung vom 22. Februar 2021 sei der Präsenzbetrieb von Einrichtungen der Kinderbetreuung sowie (im Wechselunterricht) von Grundschulen wieder zugelassen und damit eine Vielzahl von Sozialkontakten und Infektionsgefahren in Kauf genommen worden. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu beanstanden, für einen Beobachtungszeitraum von weitere Bereiche umfassenden Öffnungsschritten abzusehen. Die Entscheidung, die in § 8 Abs. 2 7. SARS‑CoV‑2‑EindV genannten Verkaufsstellen insoweit zu privilegieren, als dass sie insbesondere vom Erfordernis einer vorherigen Terminvergabe mit Erfassung der Personendaten zum Zwecke der Kontaktnachverfolgung ausgenommen sind, sei sachlich dadurch gerechtfertigt, dass sie überwiegend Waren anböten, die besonders wichtig zur Deckung des täglichen Bedarfs der Bevölkerung seien; dies folge auch aus der Allgemeinen Begründung der 7. SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung (GVBl. II/21, [Nr. 24]) („Verordnungsbegründung“), S. 26). Soweit zum Teil auch Verkaufsstellen privilegiert würden, die insoweit weniger bedeutsam seien, sei die Privilegierung unter infektiologischen Gesichtspunkten zu rechtfertigen, weil im Vergleich zu den übrigen Verkaufsstellen geringere Kundenströme oder Kundenströme mit kurzer Verweildauer der Kundinnen und Kunden vorlägen (z. B. Tabakwarenhandel) oder weil Kundenkontakte zu einem beachtlichen Teil im Freien stattfänden (z. B. Wochenmärkte, Gartenfachmärkte) und damit mit einem geringeren Infektionsrisiko verbunden seien, welches die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 7. SARS-CoV-2-EindV genannten Zugangsbeschränkungen nicht erfordere.
Der Landtag Brandenburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
B.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Das Verfassungsgericht legt seiner Entscheidung zugrunde, dass die Geltungsdauer des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV durch die Änderungsverordnung bis zum 11. April 2021 verlängert worden ist.
Gemäß § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg vorliegen, ist grundsätzlich, soweit sich das Begehren in der Hauptsache nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet darstellt (I.), nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu beurteilen (II.) (st. Rspr., Beschlüsse vom 11. Dezember 2020 ‑ VfGBbg 22/20 EA ‑, Rn. 13, und vom 3. Juni 2020 ‑ VfGBbg 9/20 EA ‑, Rn. 38, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).
Nach diesen Maßstäben kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.
I.
1. Der in der Hauptsache erhobene Normenkontrollantrag nach Art. 113 Nr. 2 LV, § 39 VerfGGBbg ist nicht offensichtlich unzulässig. Die Antragstellerinnen und Antragsteller erfüllen insbesondere das Quorum von einem Fünftel der Mitglieder des Landtags. Sie wenden sich gegen Landesrecht im Sinne der genannten Normen und legen ihre Überzeugung von der Unvereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit der Landesverfassung dar.
Ob die Begründungserfordernisse des § 20 Abs. 1 VerfGGBbg erfüllt sind, bleibt offen. Der Antragsteller im abstrakten Normenkontrollverfahren hat substantiiert darzulegen, aus welchen rechtlichen Erwägungen er die jeweils individuell zu benennenden Rechtsvorschriften für unvereinbar hält (vgl. Urteil vom 25. Mai 2016 ‑ VfGBbg 51/15 ‑, Rn. 165, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht: BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 ‑ 1 BvF 2/05 ‑, Rn. 116, juris). Ob die Antragsschrift, die in weiten Teilen einkopierte Zitate aus Entscheidungen von Oberverwaltungsgerichten anderer Bundesländer zum dortigen Recht ohne konkrete Inbezugnahme zur hier zur Überprüfung gestellten Vorschrift enthält, diesen Anforderungen noch genügt, wird in der Hauptsache zu klären sein.
2. Der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Die Vereinbarkeit der angegriffenen Regelungen mit der Landesverfassung bedarf einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich ist.
Dem Antrag kann weder im Hinblick auf den Gesichtspunkt einer Unvereinbarkeit der den Normadressaten des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV auferlegten Schutzmaßnahmen und Öffnungsmodalitäten mit der Berufsfreiheit (Art. 49 Abs. 1 LV) noch in Bezug auf die am Gleichheitsgrundsatz (Art. 12 Abs. 1 LV) zu messenden Differenzierungen die Erfolgsaussicht von vornherein abgesprochen werden.
Die Zutrittsbeschränkungen zu den Geschäften und die angeordneten Hygienemaßnahmen greifen unzweifelhaft in die Berufsfreiheit aus Art. 49 Abs. 1 LV in ihrer Ausprägung der Berufsausübungsfreiheit ein, die die gesamte berufliche Tätigkeit, insbesondere Form, Inhalt, die in Anspruch genommenen Mittel, Ort, zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Umfang sowie die gegenständliche Ausgestaltung der Betätigung umfasst (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 12 GG Rn. 10; Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 54).
Dieser Eingriff bedarf einer Rechtfertigung unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dafür sprechen angesichts der Gefahren, die ein ungehindertes Infektionsgeschehen für Leib und Leben der Menschen und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems mit sich bringen kann, zwar gute Gründe. Dass die Verordnung den an eine solche Rechtfertigung zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, ist aber nicht offensichtlich, sondern bedarf eingehender Prüfung.
Das gilt zunächst für die von den Antragstellerinnen und Antragstellern aufgeworfene Frage, ob mit §§ 32, 28, 28a IfSG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Beschränkungen des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV vorliegt. Sie muss sowohl im Hinblick auf die Reichweite der insoweit bestehenden Prüfungskompetenz des Landesverfassungsgerichts (weitgehend: ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2021 ‑ 18/20 ‑, Rn. 368, juris; aA: BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Februar 2021 ‑ Vf. 6-VII-20 ‑, Rn. 40 ff., juris; VerfG LSA, Beschluss vom 2. Februar 2021 ‑ LVG 4/21 ‑, Rn. 50 ff., juris), als auch auf das Ergebnis der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Darüber hinaus muss im verfassungsgerichtlichen Eilverfahren offen bleiben, ob die getroffenen Regelungen in materieller Hinsicht mit der Landesverfassung in Einklang stehen. Dies liegt jedenfalls nicht auf der Hand und bedarf einer eingehenden Auseinandersetzung sowohl mit den tatsächlichen Grundlagen der erlassenen Regelung als auch den anzulegenden rechtlichen Maßstäben in der Hauptsache.
Zu dem mit der angegriffenen Regelung bezweckten Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit ist der Staat prinzipiell kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 8 Abs. 1 LV angehalten (vgl. Beschluss vom 3. Juni 2020 ‑ VfGBbg 9/20 EA ‑, Rn. 48, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 1. Mai 2020 ‑ 1 BvR 1003/20 ‑, Rn. 7, www.bverfg.de). Im Rahmen der vom Verordnungsgeber hierzu zwischen den Freiheitsrechten auf der einen Seite und der Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems zum Zwecke des Gesundheitsschutzes auf der anderen Seite zu treffenden Abwägungsentscheidung steht ihm von Verfassungs wegen aber eine Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsprärogative zu (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2020, ‑ VfGBbg 21/20 EA ‑, Rn. 19, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dabei besteht bei im fachwissenschaftlichen Diskurs auftretenden Ungewissheiten und der damit einhergehenden unsicheren Entscheidungsgrundlage auch ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2020 ‑ 1 BvR 1021/20 ‑, Rn. 10, www.bverfg.de).
Dass der Verordnungsgeber diesen Spielraum eingehalten hat, ist jedenfalls im Eilverfahren nicht offensichtlich.
Der Verordnungsgeber hat unter Zugrundelegung der Meldungen des Robert Koch-Instituts (RKI) und der aktuellen Belegungszahlen von Intensivbetten eine Gefahrenprognose für den weiteren Verlauf und die zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten erstellt und sich auf dieser Grundlage dafür entschieden, dass flankierend zu gegenüber den Vorgängerverordnungen erfolgten Öffnungen u. a. von Schulen, Kindertagesstätten und Museen weiterhin eine Kontaktreduzierung erforderlich ist.
Für diese Kontaktreduzierung hat er ein Konzept erstellt, in das die Zutrittsbeschränkungen bei Einzelhandelsgeschäften und die Hygienemaßnahmen beim Besuch von Geschäften eingebettet sind. Das Verfassungsgericht wird insoweit in der Hauptsache neben der Frage, ob die in § 8 7. SARS-CoV-2-EindV angeordneten Maßnahmen unter Zugrundelegung der dem Verordnungsgeber zugänglichen Erkenntnisse jeweils als erforderlich angesehen werden durften, zu prüfen haben, ob die Regelungen des § 8 sich in ein schlüssiges Konzept zur Reduzierung von Kontakten einfügen und ob die in § 8 getroffenen Regelungen in sich ein folgerichtiges Konzept zur Verringerung der Infektionsgefahr im Einzelhandel bilden und den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 LV gerecht werden. Hier wird zu berücksichtigen sein, dass der tatsächliche Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers mit der Zeit und auf Grund einer verbesserten Erkenntnislage geringer werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2020 ‑ 1 BvR 1021/20 ‑, Rn. 10, www.bverfg.de). Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Anordnung von Schließungen bzw. unterschiedlichen Hygienemaßnahmen und Zutrittsbeschränkungen in Anknüpfung an das angebotene Warensortiment das nach der Begründung der Verordnung selbst aufgestellte Konzept (Privilegierung von Waren des täglichen Bedarfs) folgerichtig umsetzt (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 19. März 2021 ‑ 13 B 252/21.NE ‑, juris) und mit den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 LV vereinbar ist.
II.
Die gebotene Folgenabwägung fällt gegen die vorläufige Außerkraftsetzung des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV aus.
1. Im Rahmen der Folgenabwägung sind die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die nachteiligen Folgen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Erfolgs der Hauptsache zu erwarten sind, müssen im Vergleich zu den nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, deutlich überwiegen, weil sie sonst bei vergleichender Betrachtung im Sinne des Gesetzes nicht gewichtig genug sind („schwere Nachteile“) bzw. keinen gleichwertigen „anderen“ Grund im Sinne des Gesetzes darstellen. Bei der Abwägung sind im Allgemeinen nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen (st. Rspr., Beschluss vom 11. Dezember 2020 ‑ VfGBbg 22/20 EA ‑, Rn. 15 m. w. N. https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Zudem muss die einstweilige Anordnung im Sinne zusätzlicher Voraussetzungen „zum gemeinen Wohl“ „dringend“ geboten sein (vgl. Beschluss vom 3. Juni 2020 ‑ VfGBbg 9/20 EA ‑‑, Rn. 42 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Ob darüber hinausgehend ein besonders strenger Maßstab, der bei einer vorläufigen Außervollzugsetzung von förmlichen Gesetzen wegen der besonderen demokratischen Legitimation des Gesetzgebers gilt, auch im Falle von Rechtsverordnungen anzuwenden ist (so VerfGH Berlin, Beschlüsse vom 7. Mai 2020 - VerfGH 64 A/20 -, Rn. 12, juris, und vom 14. April 2020 - 50 A/20 -, Rn. 8, juris; BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 1995 ‑ 1 BvR 2226/94 ‑, BVerfGE 93, 181-195, Rn. 31, juris), kann vorliegend offen bleiben. Es liegen schon die allgemeinen Anforderungen nicht vor.
2. a. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, müssten alle Einzelhändler bis zum 11. April 2021 die - gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 21 bis 25 7. SARS-CoV-2-EindV bußgeldbewehrten - Schutzmaßnahmen umsetzen. Stellte sich in der Hauptsache jedoch heraus, dass die Maßnahmen in § 8 7. SARS-CoV-2-EindV verfassungswidrig sind, wären potenziell alle von der Norm erfassten Einzelhändler im Bundesland Brandenburg als Träger des Grundrechts der Berufsfreiheit in der Berufsausübungsfreiheit verletzt. Diese Verletzung wäre auch irreversibel, da sich die beschränkungslose Berufsausübung zeitlich nicht nachholen lässt. Zudem dürften sich die erlittenen Umsatzeinbußen in der Regel nicht nachträglich erwirtschaften lassen.
b. Würde hingegen eine einstweilige Anordnung erlassen, die § 8 7. SARS-CoV-2-EindV außer Kraft setzte, und stellte sich später heraus, dass die darin vorgesehenen Beschränkungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, kann das grundrechtlich geschützte Interesse des Lebens- und Gesundheitsschutzes (Art. 8 Abs. 1 LV) einer potenziell großen Anzahl Dritter betroffen sein, sofern damit eine weitere Ausbreitung des Coronavirus einhergeht.
aa. Das Verfassungsgericht geht davon aus, dass Einzelhandelsbetriebe mit Publikumsverkehr als Anziehungspunkte für Menschen zu betrachten sind. Die Außervollzugsetzung des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV hätte zur Folge, dass sämtliche Einzel- und Großhandelsgeschäfte sowie die übrigen in der Vorschrift genannten Einrichtungen ohne die Verpflichtung zur Einhaltung der Schutzmaßnahmen öffneten. Stattdessen fänden die allgemeinen Regeln Anwendung, die alle Personen adressieren (insb. die allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln (§ 1 7. SARS-CoV-2-EindV)). Es ist zu erwarten, dass nach mehrmonatigen Geschäftsschließungen ein erheblicher Anteil von Personen die Einzelhandelsgeschäfte aufsucht. Je nach Art des Einzelhandelsgeschäfts hielten sich Kunden auch über einen längeren Zeitraum im Verkaufsraum auf. Insoweit sprechen gewichtige Argumente für eine erhöhte Infektionsgefahr. Unüberschaubare Kontakte auf engem Raum könnten zu einem erhöhten, diffusen Infektionsgeschehen beitragen.
bb. § 8 7. SARS-CoV-2-EindV ist vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt seines Erlasses rückläufigen Infektions- und Todeszahlen und der Einschätzung als zugleich sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation, die die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ansah, erlassen worden. Dem lag auf der einen Seite die Feststellung eines diffusen Infektionsgeschehens zugrunde, dessen Infektionsumfeld in vielen Fällen nicht ermittelt werden kann, sowie die Annahme, dass Impfstoffe noch nicht in ausreichender Menge verfügbar sind, die Therapie schwerer Krankheitsverläufe komplex und langwierig ist sowie ein nicht unerheblicher Teil der Erkrankten eine intensivmedizinische Behandlung benötigt. Zum anderen berücksichtigte der Verordnungsgeber, dass sich im Land Brandenburg neue Varianten des SARS-CoV-2-Virus ausbreiten, die noch leichter übertragbar sind und eine höhere Reproduktionszahl aufweisen als das bisher verbreitete SARS-CoV-2-Virus (Verordnungsbegründung, S. 21 f.).
cc. Diese Situation hat sich seit Erlass der Verordnung verschärft. Die Gefahren der Covid-19-Pandemie sind weiterhin sehr ernst zu nehmen. Die Zahl der Neuinfektionen ist nach einem kurzzeitigen Sinken nunmehr wieder auf einem hohen Niveau angelangt. Die vom RKI ermittelte 7-Tage-Inzidenz lag im Land Brandenburg am 25. März 2021 bei über 128 und steigt zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weiter an. Nach dem Bericht des RKI zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland ist mittlerweile die Variante B.1.1.7 die dominierende. Dies sei besorgniserregend, weil B.1.1.7 nach bisherigen Erkenntnissen ansteckender als andere Varianten sei (vgl. RKI, Aktualisierter Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, insbesondere zur Variant of Concern (VOC) B.1.1.7 (Stand: 24. März 2021)). Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Eine Öffnung aller Groß- und Einzelhandelsgeschäfte ohne Verpflichtung zur Einhaltung der Schutzmaßnahmen könnte zu einem erheblichen Anstieg der Neuinfektionen und einer daraus folgenden Überbelastung des Gesundheitssystems beitragen.
c. Angesichts dieser möglichen irreversiblen Folgen überwiegen die Interessen an der vorübergehenden Fortgeltung des § 8 7. SARS-CoV-2-EindV gegenüber den damit einhergehenden Nachteilen. Dem Verfassungsgericht ist dabei bewusst, dass insbesondere die nicht privilegierte Einzelhandelsgeschäfte betreffenden Maßnahmen eine Vielzahl von Betreibern dieser Geschäfte vor dem Hintergrund der nunmehr seit Monaten bestehenden Einschränkungen hart treffen und konkret existenzbedrohend wirken können. Das Gericht hält aber angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens weiter an seiner bisher zu Einzelfällen getroffenen Folgenabwägung fest, wonach gilt: Auch für den Fall, dass die wirtschaftliche Existenz von Gewerbetreibenden konkret bedroht ist und ihnen somit ein schwerer, irreversibler Nachteil droht, überwiegen dennoch die möglichen nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ergeben können (vgl. Beschlüsse vom 11. Dezember 2020 ‑ VfGBbg 21/20 EA ‑ und ‑ VfGBbg 22/20 EA ‑, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dieses Ergebnis ist auch auf das hiesige zum Normenkontrollverfahren geführte Eilverfahren zu übertragen und gilt umso mehr, als eine Außerkraftsetzung der gesamten Norm die vollständige Öffnung des Einzelhandels ohne Hygieneauflagen nach sich ziehen kann.
3. Auch hinsichtlich der in § 8 7. SARS-CoV-2-EindV enthaltenen Maskenpflicht und der Zutrittsbeschränkungen für Kunden führt die Folgenabwägung aus den vorgenannten Gründen nicht zum Erlass einer einstweiligen Anordnung. Eine den Gesundheits- und Lebensschutz der Bevölkerung deutlich überwiegende nachteilige Folge ist im Ergebnis durch die den Schutzbereich des Art. 10 LV berührende Tragepflicht einer medizinischen Maske und die Zutrittsbeschränkung beim Besuch von Einzel- und Großhandel sowie Einrichtungen mit Publikumsverkehr nicht erkennbar (vgl. Beschlüsse vom 3. Juni 2020 ‑ VfGBbg 9/20 EA ‑, Rn. 38, und vom 23. Oktober 2020 ‑ 17/20 EA ‑, Rn. 21, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).
C.
Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar (§ 30 Abs. 3 Satz 2 VerfGGBbg).
Dr. Strauß |
Dr. Finck |
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Heinrich-Reichow |
Müller |
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Richter |
Sokoll |