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VerfGBbg, Beschluss vom 23. Oktober 2020 - VfGBbg 17/20 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 7; LV, Art. 8 Abs. 1; LV; Art. 8 Abs. 3; LV, Art. 10; LV, Art. 13
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1; VerfGGBbg, § 30; VerfGGBbg, § 46
- SARS-CoV-2-UmgV, § 2
Schlagworte: - Corona
- Mund-Nasen-Bedeckung
- Maskenpflicht
- Befreiung
- Gewissensfreiheit
- Wissenschaftsfreiheit
- Zahnarzt
- Gesundheitsgefährdung
- Schwere Nachteile (verneint)
- Irreversibler Nachteil
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 23. Oktober 2020 - VfGBbg 17/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 17/20 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 17/20 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

Dr. G.,

Antragsteller,

Verfahrensbevollmächtigte:               W.
                                                                Rechtsanwälte,

wegen

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. August 2020 ‌‑ OVG 11 S 60/20 -;‌ Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 17. Juni 2020 ‌‑ VG 6 L 482/20 ‑;‌ vorläufige Befreiung vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 23. Oktober 2020

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.


 

Gründe:

A.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Personenverkehr und in Verkaufsstellen im Sinne des Brandenburgischen Ladenöffnungsgesetzes.

I.

Der Antragsteller begehrte vor dem Verwaltungsgericht Potsdam im Wesentlichen die vorläufige Feststellung, dass er von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als Kunde in Verkaufsstellen und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel befreit sei. Er machte u. a. geltend, an diesen Orten sowie - als Folge der staatlichen Empfehlung zum Tragen einer Maske - bei Übergabe und Abholung seines Kindes in der Kindertagestätte derzeit eine Maske tragen zu müssen. Das verletze ihn in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit und freien Entfaltung seiner Persönlichkeit. Sein Recht auf körperliche Unversehrtheit sei verletzt, da Kopfschmerzen und Sehstörungen aufträten. Die Maske sei Brutstätte für Krankheitserreger. Wegen des Zwangs, Mund-Nasen-Bedeckungen zu tragen, die von Medizinern herrschend zur Verhinderung der Virusverbreitung für ungeeignet gehalten würden, sei er zudem in seiner Gewissensfreiheit und der Wissenschaftsfreiheit verletzt. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) biete keine hinreichende Grundlage für Einschränkungen. Alltagsmasken seien zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus ungeeignet und überdies gesundheitsschädlich.

Das Verwaltungsgericht Potsdam lehnte die Anträge des Antragstellers mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 17. Juni 2020 ab. Eine Befreiung komme nicht in Betracht. Der Antragsteller habe nicht dargetan, zu dem gemäß § 2 Abs. 3 Verordnung über den Umgang mit dem SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 in Brandenburg (SARS-CoV-2-Umgangsverordnung - SARS-CoV-2-UmgV) befreiten Personenkreis zu gehören. Gesundheitsschädliche Auswirkung durch falschen Umgang mit der Mund-Nasen-Bedeckung drohten ihm nicht, da er als Zahnarzt mit dem richtigen Umgang vertraut sei. Für die Feststellung einer fehlenden Verpflichtung zum Tragen einer Maske ergebe die gebotene summarische Prüfung nicht, dass dem Antragsteller der erforderliche Anordnungsanspruch zustehe. Die beanstandete Verpflichtung zum Tragen der Masken begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verordnungsgeberin ihrer Verpflichtung nicht nachkomme, die verordneten Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie auf ihre Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit stetig und in kurzzeitigen Abständen zu überprüfen.

In der gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts gerichteten Beschwerde beanstandete der Antragsteller, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen verkannt, wenn es in seiner Person liegende Ausnahmegründe prüfe. Die Maskenpflicht verletze alle Menschen, damit auch den Antragsteller, in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit, da Masken gesundheitsschädlich seien. Daher seien alle Menschen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 SARS-CoV-2-UmgV von der Tragepflicht ausgenommen. In einer eidesstattlichen Versicherung erklärte er, bei Benutzung einer Maske falle ihm das Atmen schwer; bei seiner Arbeit als Zahnarzt müsse er mehr und längere Pausen machen. Zudem habe er die fehlende Bestimmtheit der verordneten Maskenpflicht im Hinblick auf die Beschaffenheit der Mund-Nasen-Bedeckung gerügt. Es sei nicht ersichtlich, welche Art von Maske er tragen müsse. Mit Bedenken gegen die Ermächtigungsgrundlage aus dem Infektionsschutzgesetz habe sich das Verwaltungsgericht nicht befasst. Nach Ablauf eines Vierteljahrs seit Einführung der bundesweiten Maskenpflicht müssten ein Einschätzungsspielraum und die anfänglich unsichere Erkenntnislage inzwischen beendet sein. Ein wissenschaftlicher Nachweis für die Wirksamkeit fehle. Positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Neuinfektionen seien nicht ersichtlich. Der Umgang mit der Maske finde in der Bevölkerung ohnehin nicht korrekt statt. Mildere Mittel seien vorhanden; die Maskenpflicht sei auch angesichts geringer Fallzahlen unverhältnismäßig. Eine individuelle Befreiung des Antragstellers von der Maskenpflicht begründe keine Vorwegnahme der Hauptsache, da er allein keinen messbaren Einfluss auf das Infektionsgeschehen habe.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies die Beschwerde mit Beschluss vom 6. August 2020 zurück. § 2 Abs. 3 Nr. 2 SARS-CoV-2-UmgV sei als Ausnahmetatbestand nach dem Regelungskonzept nicht geeignet, eine generelle Befreiung sämtlicher von § 2 Abs. 1 SARS-CoV-2-UmgV erfasster Personen zu begründen. Ein Antrag nach § 123 VwGO sei jedenfalls unbegründet. Bei summarischer Prüfung bestehe kein ernstlicher Zweifel an der Bestimmtheit der Vorschrift, nämlich, dass jede Mund-Nasen-Bedeckung, die überhaupt geeignet sei, beim Husten, Niesen, Sprechen oder Atmen abgegebene übertragungsfähige Tröpfchenpartikel zumindest teilweise zurückzuhalten, genüge. Eine für die gerügte Verletzung der Menschenwürde erforderliche Behandlung, die den Antragsteller zum Objekt degradierte, liege nicht in dem Gebot, in bestimmten öffentlichen Bereichen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu verwenden. Der Antragsteller lege nicht dar, warum § 5 Abs. 1 IfSG entscheidungserheblich sei, noch, wie die dort dem Deutschen Bundestag vorbehaltene Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite und die Aufhebung dieser Feststellung gegen das Demokratieprinzip verstoßen sollte. Hinsichtlich der Gewissens- und Wissenschaftsfreiheit fehle es an einer substantiierten Darlegung der Beschwerdebegründung. Soweit der Antragsteller vortrage, die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei unverhältnismäßig, rechtfertige dies nicht die Annahme, dass der Verordnungsgeber die Grenzen des ihm insoweit zustehenden Einschätzungsspielraums überschritten habe. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei geeignet, zumindest einen Teil potenziell infektiöser Tröpfchen­partikel zurückzuhalten. Die diesbezügliche Verpflichtung sei eine von mehreren Maßnahmen, um dem hohen Verbreitungspotenzial des SARS-CoV-2-Virus entgegenzuwirken. Dieses lasse es bei summarischer Prüfung vertretbar erscheinen, auch mit Blick auf die in Brandenburg zu diesem Zeitpunkt verhältnismäßig geringen Fallzahlen an der Maskenpflicht festzuhalten. Soweit der Antragsteller geltend mache, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung berge für ihren Träger gesundheitliche Risiken, könne er die seines Erachtens bei unsachgemäßer Verwendung auftretenden Risiken selbst vermeiden.

II.

Mit seinem am 6. Oktober 2020 eingegangenen und am heutigen Tage vertieften, gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Potsdam und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Antragsteller weiterhin die vorläufige Feststellung, von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung entgegen § 2 [Abs. 1] Nr. 1, 4 SARS-CoV-2-UmgV befreit zu sein.

Er rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Hs. 2, Art. 10, 13 Abs. 1, Abs. 3 Hs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV).

Er wiederholt und ergänzt sein Vorbringen aus dem Fachverfahren.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 3. Juni 2020 (VfGBbg 9/20 EA) liege bereits mehr als vier Monate zurück und beschäftige sich nur mit Art. 10 LV. Trotz des erheblichen Zeitablaufs lägen weiterhin keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Maskenpflicht vor. Der Verordnungsgeber könne nach fast sechs Monaten seit Einführung der Maskenpflicht nicht mehr auf eine Einschätzungsprärogative verweisen, da es an einem Nachweis des Nutzens der Maskenpflicht auf Populationsebene fehle.

Der Antragsteller sei in seiner Menschenwürde aus Art. 7 LV verletzt, da er anlasslos unter den Generalverdacht gestellt werde, Krankheitsverbreiter zu sein. Die Wahrscheinlichkeit im Land Brandenburg, einer mit dem Coronavirus infizierten Person zu begegnen, sei derzeit verschwindend gering. Die Übertragungsverminderung durch die Maskenpflicht in Geschäften müsse sehr gering sein.

Er sehe sich zudem in seinem Recht auf Unversehrtheit aus Art. 8 Abs. 1 LV verletzt. Zu der von ihm im Fachverfahren vorgetragenen Schädlichkeit des Masketragens hätten sich die Gerichte nicht geäußert und diesen entscheidenden Punkt in der Abwägung außer Betracht gelassen. Durch die Maskenpflicht werde eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung der Bevölkerung in Kauf genommen. Zudem werde der Antragsteller entgegen Art. 8 Abs. 3 Hs. 2 LV einem medizinischen und wissenschaftlichen Versuch unterworfen, der dazu diene, den Nutzen oder fehlenden Nutzen der allgemeinen Maskenpflicht in der breiten Bevölkerung zu testen. Ein internationaler Vergleich belege, dass die Maskenpflicht keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen habe.

Eine Verletzung seines Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 10 LV trete im Zusammenhang mit der Gewissensfreiheit aus Art. 13 Abs. 1, 3 Alt. 2 LV auf. Die Maskenpflicht habe lediglich symbolischen Nutzen als Erkennungszeichen für die Gefahr durch alle Mitmenschen. Menschen würden Orte mit Maskenpflicht meiden und weniger miteinander sprechen. Es verbreite sich ein Zustand abstrakter Angst und Bevormundung.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig, nämlich fristgerecht und nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben. Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers liege in dem Begehren, „die natürlichen Begebenheiten wiederherzustellen“. Eilbedürftigkeit liege vor, weil die Maskenpflicht demnächst ein halbes Jahr bestehe, ohne dass ihr Nutzen nachgewiesen sei. Für den Antragsteller stelle sich die zeitliche Dauer der geltend gemachten Grundrechtsbeschränkungen als ungewiss dar. Durch die „drohende Durchsetzung des Ordnungsrechts“ bestehe für den Antragsteller jederzeit Gefahr. Eine - inzwischen am 7. Oktober 2020 erhobene - Verfassungsbeschwerde werde Erfolg haben, da die Maskenpflicht jedenfalls ihm gegenüber rechtswidrig sei.

B.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Gemäß § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Unzulässig wäre der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, soweit er ‌‑ was das Gericht erwogen hat - darauf gerichtet sein sollte, dass der Antragsteller von der Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 SARS-CoV-2-UmgV ausgenommen sei. Eine derartige Ausnahme setzt voraus, dass es dem Antragsteller wegen einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar wäre, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und dies durch ein ärztliches Attest nachgewiesen wäre. Hierzu fehlt es an hinreichendem Vortrag, der bereits im fachgerichtlichen Verfahren erfolgen müsste.

Ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg vorliegen, ist grundsätzlich, soweit sich das Begehren in der Hauptsache nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet darstellt (1.), nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu beurteilen (2.) (Beschluss vom 3. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 9/20 EA ‑,‌ Rn. 38, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).

1. Hinsichtlich des gerügten Grundrechts der Gewissensfreiheit aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 3 Hs. 1 LV ist die in der Hauptsache mit der gleichen Begründung wie im hiesigen Verfahren erhobene Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung. Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, die schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen müssen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen (st. Rspr., vgl. jüngst 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 10/20 EA ‑,‌ Rn. 8, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Die Ausführungen des Antragstellers und Beschwerdeführers beschränken sich auf abstrakte Ausführungen zu einem behaupteten Gefühl in der Bevölkerung. Weder weisen sie einen Bezug zum Antragsteller auf noch ist ersichtlich, warum er die Gewissensfreiheit als betroffen ansieht.

Bezüglich der ebenfalls als verletzt gerügten Grundrechte aus Art. 8 Abs. 3 LV (Verbot medizinischer und wissenschaftlicher Versuche ohne freiwillige und ausdrückliche Zustimmung) und Art. 7 Abs. 1 LV (Menschenwürde) ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls offensichtlich unbegründet. Die Maskenpflicht ist offensichtlich kein medizinischer oder wissenschaftlicher Versuch im Sinne von Art. 8 Abs. 3 LV, sondern eine unterstützende vorbeugende Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus-Infektionsgeschehens. Dass im Laufe des Pandemiegeschehens aus bisherigen Maßnahmen daneben Lehren gezogen werden können - und auch müssen -, ändert an dieser Einschätzung nichts. Auch würdigt die Anordnung der Tragepflicht einer Mund-Nasen-Bedeckung den Antragsteller nicht zum Objekt staatlichen Handelns herab. Das hat bereits das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zutreffend festgestellt.

Ob die Verfassungsbeschwerde im Übrigen zulässig ist, wird ausdrücklich offengelassen.

2. Im Rahmen der Folgenabwägung sind die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die nachteiligen Folgen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Erfolgs der Hauptsache zu erwarten sind, müssen im Vergleich zu den nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, deutlich überwiegen, weil sie sonst bei vergleichender Betrachtung im Sinne des Gesetzes nicht gewichtig genug sind („schwere Nachteile“) bzw. keinen gleichwertigen „anderen“ Grund im Sinne des Gesetzes darstellen. Bei der Abwägung sind im Allgemeinen nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen. Zudem muss die einstweilige Anordnung im Sinne zusätzlicher Voraussetzungen „zum gemeinen Wohl“ „dringend“ geboten sein (st. Rspr., jüngst Beschluss vom 3. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 9/20 EA ‑,‌ Rn. 42, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Im Hinblick auf den einzelnen Bürger ist ein Anknüpfungspunkt für einen Gemeinwohlbezug allenfalls dann anzunehmen, wenn die Gefahr eines irreversiblen Nachteils für die Freiheit und Unversehrtheit der Person oder für vergleichbare elementare Menschenrechte besteht (Beschluss vom 19. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 8/20 EA ‑,‌ https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Der Antragsteller hat hinsichtlich seiner eigenen Person bereits keinen irreversiblen Nachteil aufgezeigt. Insoweit kommt als derart gewichtiger Grund allenfalls eine mögliche Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 LV in Betracht. Eine etwaige Verletzung des Grundrechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das dem Einzelnen auch die freie Entscheidung über sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit gewährt, sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 10 LV durch die örtlich begrenzte Tragepflicht einer Mund-Nasen-Bedeckung stellen in der Regel keinen schweren Nachteil im genannten Sinne dar.

Im Fachverfahren hat er nach seinen Ausführungen hinsichtlich einer Gesundheitsbeeinträchtigung jedoch lediglich eidesstattlich versichert, dass ihm das Atmen „schwer falle“ ‌‑ was die hohe Schwelle der schweren Nachteile nicht erreicht ‑‌ und dass er beim Arbeiten ‌‑ das hier nicht verfahrensgegenständlich ist ‑‌ mehr Pausen benötige. Ob es, was zweifelhaft ist, für die Darlegung eines Anordnungsanspruchs genügen kann, lediglich pauschal und objektiv aufzuzeigen, dass mit dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung allgemein Gesundheitsgefährdungen einhergehen sollen, ohne dass konkret den Antragsteller betreffende Folgen aufgezeigt werden, kann offenbleiben. Soweit der Antragsteller hinsichtlich der Eilbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich geltend macht, dass die Maskenpflicht nunmehr bald ein halbes Jahr bestehe, sich eine Beschränkung seiner Grundrechte in zeitlicher Hinsicht unbestimmt darstelle, und das Ordnungsrecht jederzeit durchgesetzt werden könne, genügt dies für die Darlegung eines Anordnungsgrunds jedenfalls nicht. Es gibt auch derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass aus der örtlich begrenzten Maskenpflicht bleibende, irreversible Folgen für ihre Adressaten folgen könnten (vgl. bereits Beschluss vom 3. Juni 2020 ‌‑ VfGBbg 9/20 EA ‑,‌ Rn. 60, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

C.

Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar (§ 30 Abs. 3 Satz 2 VerfGGBbg).

 

Möller

Dr. Becker

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Dr. Lammer

Sokoll

Dr. Strauß