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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2020 - VfGBbg 8/20 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1
Schlagworte: - einstweilige Anordnung
- einstweilige Anordnung abgelehnt
- Rechtsnachteile
- Sozialgericht
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2020 - VfGBbg 8/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 8/20 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 8/20 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

E.,

Antragsteller,

Verfahrensbevollmächtigte:

Rechtsanwälte
B.,

 

wegen

Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. März 2020
(L 31 AS 100/20 B ER) und Verfügung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg
vom 26. März 2020 (L 31 AS 100/20 B ER)

hier:                Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 19. Juni 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

 

Gründe:

 

A.

I.

Der Antragsteller klagte vor dem Sozialgericht Potsdam gegen Melde- und Sanktionsbescheide des Jobcenters. Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Dezember 2019 (S 51 AS 1308/19 ER) erhobene Beschwerde verwarf das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 16. März 2020 (L 31 AS 100/20 B ER) gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig, weil eine Berufung bei dem geltend gemachten Betrag von 127,20 Euro und einem betroffenen Leistungszeitraum von drei Monaten der Zulassung bedürfe. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren lehnte es ab. Der erstmalig im Berufungsverfahren gestellte Antrag auf Untersagung der Weitergabe von Sozialdaten sei nicht zu berücksichtigen. Der Beschluss wurde am 23. März 2020 zugestellt.

Der Antragsteller erweiterte seine Beschwerde mit Schriftsatz vom 13. März 2020 und erhob Beschwerde gegen weitere am 2. März 2020 zugestellte Beschlüsse des Sozialgerichts Potsdam. Die Beschlüsse enthielten die Belehrung, dass sie gemäß § 172 Abs. 2 SGG unanfechtbar seien. Der Schriftsatz ging am 20. März 2020 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 26. März 2020 mit, dass sein Verfahren gegen das Jobcenter mit dem Beschluss vom 16. März 2020 (L 31 AS 100/20 B ER) eingestellt sei. Auf das am 20. März 2020 eingegangene Schreiben vom 13. März 2020 sei nichts zu veranlassen.

Der Antragsteller erhob mit Schriftsatz vom 3. April 2020 Gehörsrüge und Gegenvorstellung und beantragte, den Beschluss vom 16. März 2020 und die Einstellungsverfügung vom 26. März 2020 aufzuheben und die Beschwerdeverfahren fortzusetzen. Der Antragsteller beantragte mit weiterem Schriftsatz vom 3. April 2020 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da das besondere elektronische Anwaltspostfach beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 16. bis 18. März 2020 außer Betrieb gewesen sei. Das Gericht sei zudem am 16. März 2020 per Telefax nicht erreichbar gewesen.

II.

Der Antragsteller hat am 22. Mai 2020 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

In der Hauptsache hat der Antragsteller beantragt, den Beschluss vom 16. März 2020 und die Verfügung vom 26. März 2020 aufzuheben. Die Entscheidungen würden das Willkürverbot, den Anspruch auf Sicherung der menschenwürdigen Existenz, den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung in Form des medizinischen Geheimnisses, die Rechtsweggarantie, die Ansprüche auf zügiges Verfahren und rechtliches Gehör, die Garantie effektiven Rechtschutzes, den Anspruch auf den gesetzlichen Richter und den Justizgewährungsanspruch verletzen.

Um Rechtsnachteile zu vermeiden, sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten.

Der Antragsteller beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu verpflichten, über die Anträge des Antragstellers aus seinem Schriftsatz vom 13. März 2020 samt Anlagen unter Einbeziehung seines ergänzenden Vorbringens aus seinem Rüge- und Wiedereinsetzungsschriftsätzen vom 3. April 2020 samt Anlagen in einem förmlichen sozialgerichtlichen Verfahren zu entscheiden.

B.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Gemäß § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Im Hinblick auf den einzelnen Bürger ist ein Anknüpfungspunkt für einen Gemeinwohlbezug allenfalls dann anzunehmen, wenn die Gefahr eines irreversiblen Nachteils für die Freiheit und Unversehrtheit der Person oder für vergleichbare elementare Menschenrechte besteht (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 43/99 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dass solche Gefahren als Anordnungsgrund bestehen, ist gemäß § 13 VerfGGBbg i. V. m. § 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) vom Antragsteller schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Beschluss vom 20. September 2019 - VfGBbg 9/19 EA -, https://verfassungsgericht.branden­burg.de).

Der pauschale Vortrag des Antragstellers, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten sei, um Rechtsnachteile zu vermeiden, genügt den oben dargestellten Anforderungen nicht. Dass die Gefahr eines irreversiblen Nachteils für die Freiheit und Unversehrtheit seiner Person oder für vergleichbare elementare Menschenrechte gegeben sein könnte, macht er selbst nicht geltend. Solche Gefahren sind auch für das Gericht nicht ersichtlich.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar (§ 30 Abs. 3 Satz 2 VerfGGBbg).

 

Möller

Dr. Becker

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Dr. Lammer

Sokoll

Dr. Strauß