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VerfGBbg, Beschluss vom 26. August 2022 - VfGBbg 56/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 2; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 50 Abs. 1 Satz 1; VerfGGBbg, § 50 Abs. 2; VerfGGBbg, § 50 Abs. 3;
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde, unzulässig
- DDR-Führerschein
- Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen
- Fahren ohne Fahrerlaubnis
- Führerschein, Einziehung
- Führerschein, Herausgabe
- Fahrerlaubnis, Versagung der Wiedererteilung
- Sperrfrist
- Rechtswegerschöpfung, mangelnde
- Subsidiarität
- Verkehrsunfall
- Vorabentscheidung, nicht veranlasst

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 26. August 2022 - VfGBbg 56/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 56/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 56/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

S.,

Beschwerdeführer,

wegen

Herausgabe eines Führerscheins; Einstellung eines Strafverfahrens wegen Fahrens ohne Führerschein

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 26. August 2022

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich nach Ablauf einer gerichtlich angeordneten Sperrfrist gegen die Versagung der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis sowie der Herausgabe seines eingezogenen DDR-Führerscheins durch den Landkreis H. Er greift ferner u. a. ein Strafurteil des Amtsgerichts Rathenow an, mit dem er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist.

I.

In der Nacht des 5. Juli 2016 verursachte der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall in P., Sachsen-Anhalt, indem er seinen Pkw in eine Grundstücksbegrenzung steuerte. Die Polizei des Landes S. beschlagnahmte in der Unfallnacht den DDR-Führerschein des Beschwerdeführers. Aufgrund seines von den eintreffenden Polizeibeamten als psychisch auffällig wahrgenommenen Verhaltens wurde der Beschwerdeführer in eine psychiatrische Klinik gebracht und mit richterlicher Genehmigung für sechs Wochen untergebracht. Dort wurde eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert.

Mit Urteil vom 21. Februar 2017 sprach das Amtsgericht Burg den Beschwerdeführer vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort aufgrund seiner Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen frei, § 20 Strafgesetzbuch (StGB). Es entzog dem Beschwerdeführer wegen eines gesundheitlich bedingten Eignungsmangels die Fahrerlaubnis, zog den Führerschein ein und wies die Verwaltungsbehörde an, dem Beschwerdeführer vor Ablauf einer Frist von einem Jahr und vier Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Auf die Berufung des Beschwerdeführers verkürzte das Landgericht Stendal im Urteil vom 9. November 2017 die Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.

Nach Ablauf der Sperrfrist im Februar 2018 fuhr der Beschwerdeführer wieder Auto, ohne über eine Fahrerlaubnis zu verfügen.

Der Beschwerdeführer beantragte spätestens am 20. Februar 2018 beim Landkreis H. die Neuerteilung der Fahrerlaubnis.

Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete am 14. Mai 2018 nach § 2 Abs. 8 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 11 Abs. 2 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) i. V. m. Nr. 7.5.2 Anlage 4 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Beschwerdeführer an, da dieser bereits vor dem Unfall in P. im August 2015 in einem akut psychotischen Zustand eine Auffahrkollision verursacht hatte.

Das vom Beschwerdeführer mit Faxschreiben vom 21. August 2018 übersandte Gutachten der p. GmbH kam zu der Feststellung, dass er aufgrund des Vorliegens der aktenkundigen Erkrankung, welche nach Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stelle, nicht mehr in der Lage sei, den Anforderungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse A und CE gerecht zu werden. Durch Auflagen oder Beschränkungen könne auch eine bedingte Eignung nicht hergestellt werden.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 25. August 2018 die Ausstellung eines Führerscheins für die Klassen AM, A1, A2, B, C1, C, BE, C1E, L und T mit der Begründung, das Gutachten der p. GmbH beziehe sich nur auf die Führerscheinklassen A und CE. Ferner erbat er die Rückgabe seines eingezogenen DDR-Führerscheins.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2018 lehnte der Landkreis H. den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis unter Verweis auf das Gutachten der p. GmbH ab. Die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG erforderliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sei nicht gegeben. Auch der Antrag auf Ausstellung eines Führerscheins für die Klassen AM, A1, A2, B, C1, C, BE, C1E, L und T sei abzulehnen, da diese nach § 6 FeV in den Klassen A und CE eingeschlossen seien. Der Beschwerdeführer sei insgesamt nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet. Die Aushändigung des DDR-Führerscheins sei ebenfalls abzulehnen. Nach § 69 Abs. 3 StGB werde der deutsche Führerschein im Urteil eingezogen und die Fahrerlaubnis erlösche mit Rechtskraft des Urteils. Die im Urteil des Landgerichts Stendal vom 9. November 2017, seit dem 17. November 2017 rechtskräftig, getroffene Entscheidung über die Einziehung des Führerscheins sei wirksam. Für eine Aushändigung des DDR-Führerscheins finde sich dagegen keine Rechtsgrundlage.

Unter dem 7. November 2018 legte der Beschwerdeführer gegen den Versagungsbescheid vom 26. Oktober 2018 Widerspruch ein, den der Landkreis H. mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2019 zurückwies. Der angefochtene Ausgangsbescheid sei im Hinblick auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer werde in seinen Rechten nicht verletzt. Der Landkreis begründete seine Entscheidung u. a. damit, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs nach gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dem wirtschaftlichen und beruflichen Einzelinteresse regelmäßig vorgehe. Angesichts dessen komme eine Neuerteilung aus Gründen der Notwendigkeit des Führerscheins für die berufliche Tätigkeit und der allgemeinen Lebensführung nicht in Betracht. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sei eine elementare Voraussetzung. Die Aushändigung des DDR-Führerscheins sei aus den im angefochtenen Bescheid genannten Gründen abzulehnen.

Unter dem 27. Februar 2019 erhob der Beschwerdeführer gegen den Landkreis H. Klage zum Verwaltungsgericht Potsdam mit dem Ziel, den Landkreis zu verpflichten, ihm die beantragte Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, B, C1, C, BE, C1E, CE, L und T neu zu erteilen, hilfsweise die Fahrerlaubnis aller Klassen, außer A und CE neu zu erteilen.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam erhob mit Anklageschrift vom 5. September 2019 gegen den Beschwerdeführer Anklage vor dem Amtsgericht Rathenow. Ihm wurde vorgeworfen, im Zeitraum vom 28. August 2018 bis zum 6. Februar 2019 durch sechs selbstständige Handlungen vorsätzlich in sechs Fällen ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte - strafbar als Vergehen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 53, § 69a StGB. Gegen den daraufhin ergangenen Strafbefehl vom 24. März 2020 (2 Ds 496 Js 28569/19 (323/19)) legte der Beschwerdeführer am 8. April 2020 Einspruch ein. Das Amtsgericht Rathenow bestimmte den Termin zur Hauptverhandlung auf den 6. August 2020.

II.

Während der noch laufenden Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam und dem Amtsgericht Rathenow hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Mit der am 24. Juni 2020 eingegangenen Verfassungsbeschwerde beanstandet er die Versagung der Herausgabe seines DDR-Führerscheins bzw. der Neuerteilung eines Führerscheins. Ferner hat er ursprünglich die Einstellung des Strafverfahrens wegen Fahrens ohne Führerschein vor dem Amtsgericht Rathenow begehrt.

Er rügt die Verletzung des Rechts auf selbstbestimmte Arbeit, Art. 48 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), auf ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und die Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 8 Abs. 1 LV und Art. 10 LV, auf ein faires und zügiges Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, Art. 6 Abs. 1 LV, Art. 52 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 LV, die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, Art. 5 Abs. 2 LV, die Verletzung seiner Würde, Art. 7 LV, einen Verstoß gegen das Verbot der doppelten Bestrafung derselben Tat, Art. 53 Abs. 3 LV sowie die auf Art. 54 LV gestützte „Befähigung in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“. Gegenstand des Entzugs seiner Rechte sei die Weigerung der Rückgabe seines DDR-Führerscheins bzw. der Erteilung eines neuen Führerscheins.

Die Polizei des Landes S. habe ihm unrechtmäßig und ohne Beleg seinen DDR-Führerschein geraubt und ihn in die Psychiatrie gesteckt. Ein Staatsanwalt des Landes Sachsen-Anhalt habe ein Verfahren wegen eines frei erfundenen Vorwurfs der Fahrerflucht eröffnet. Die Führerscheinstelle N. und das Amtsgericht Rathenow hätten ihn aufgrund seines Klinikaufenthalts hochgradig stigmatisiert. Ihm werde jede Chance auf Rehabilitierung und das Führen eines selbstbestimmten Lebens verwehrt. Als selbstständiger Handwerker sei er ohne Führerschein im Landkreis nicht in der Lage zu arbeiten, Teilhabe an der Gesellschaft zu haben und dieser Nutzen zu bringen. Da er sich das Leben nicht ganz verbieten lasse und nicht finanzieren könne, sei er dennoch ab und zu Auto gefahren. Das Amtsgericht Rathenow gedenke ihn nun wegen Fahrens ohne Führerschein zu einer Strafe zu verurteilen, mit der er vorbestraft wäre, damit er wirklich nie wieder einen Führerschein bekomme.

Er ist der Ansicht, die Nicht-Herausgabe seines DDR-Führerscheins sei unrechtmäßig. Es habe ein Fahrverbot ausgesprochen werden können, nicht jedoch der Entzug seines Dokuments aus der DDR. Die DDR-Fahrerlaubnis sei ein Leben lang gültig. Eine vor dem 19. Januar 2013 erteilte Fahrerlaubnis dürfe gemäß der Richtlinie 2006/126/EG weder entzogen noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden. Niemandem dürfe willkürlich und ohne Entschädigung sein Eigentum entzogen werden. Wenn es keine Rechtsgrundlage gebe, ihm seinen DDR-Führerschein auszuhändigen, dann habe er ein Anrecht darauf, diesen nach Ablauf der Sperrfrist zu erhalten.

Auch die Versagung der Erteilung eines „BRD-Führerscheins“ sei unrechtmäßig. Es sei gutachterlich nur festgestellt worden, dass er zum Führen von Fahrzeugen der Klassen A und CE nicht in der Lage sei. Folgerichtig habe er einen Anspruch auf alle anderen Klassen, nämlich AM, A1, A2, B, C1, C, BE, C1E, L und T. Diese logische Argumentation habe im Widerspruchsverfahren nicht durchgeschlagen. Es bliebe unbeachtet, dass er keine Punkte in Flensburg habe und nicht wegen Alkohols oder Drogen bestraft worden sei. Die Versagung sei außerdem schon deswegen abwägungsfehlerhaft, da sie eine fiktive Gefährdung der Allgemeinheit (weil jeder Mensch mal gegen einen Zaun fahren könne) über die Würde des Einzelnen setze. Ihm werde der Führerschein vorenthalten, weil er 2016 unfreiwillig in einer psychiatrischen Klinik gewesen sei. Ihm werde nicht zugestanden, dass Menschen genesen könnten.

Das Verwaltungsgericht Potsdam enthalte ihm einen wirksamen, zügigen rechtsstaatlichen Rechtsschutz vor. Seit einem Jahr und vier Monaten liege seine Klage dort unbearbeitet. Dies verstoße gegen Art. 52 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 LV.

Die Anklage der ihm vor dem Amtsgericht Rathenow zur Last gelegten sechs Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis sei auf Anzeigen im Auftrag des Landkreises H. erfolgt. Der Landkreis wolle das Verfahren nach der rechtswidrigen Ablehnung einer Führerscheinerteilung so lange aufrechterhalten, bis ihm wieder eine Straftat angelastet werden könne. Das Amtsgericht sei bestrebt, seine Notlage zu kriminalisieren und habe ihm bewusst und ohne Verhandlung mit dem Strafbefehl ein Strafmaß auferlegt, durch welches er vorbestraft wäre. Das Amtsgericht Rathenow trete seine Würde mit Füßen und stigmatisiere ihn bewusst mit dem Ziel, nie wieder ohne Straftaten leben zu können. Dies sei ein klarer Verstoß gegen Art. 54 LV. Zusammenfassend werde ihm ein faires und zügiges Verfahren vor unabhängigen und unparteiischen Gerichten verwehrt. Dies sei ein Verstoß gegen Art. 52 Abs. 4 LV.

III.

Mit Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 6. August 2020 (2 Ds 496 Js 28569/19 (323/19)) wurde der Beschwerdeführer des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt (§ 2, § 21 StVG, § 53 StGB). In den Gründen heißt es: Der einmal wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort vorbelastete Angeklagte habe sich wie erkannt schuldig und strafbar gemacht.

Mit dem an die Staatsanwaltschaft Potsdam, das Amtsgericht Rathenow, das Ministerium der Justiz Brandenburg und das Verfassungsgericht Brandenburg adressierten Schriftsatz vom 9. Oktober 2020, am 12. Oktober 2020 beim Verfassungsgericht eingegangen, erhob der Beschwerdeführer „Berufung/ Zurückweisung/ Beschwerde wegen Rechtsbruchs“. Das Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 6. August 2020 nehme er nicht an. Es sei formal und inhaltlich falsch und erkennbar allein in der Absicht formuliert worden, ihn zu kriminalisieren, auf Dauer zu entrechten und seiner Freiheit und Ehre zu berauben. Am 8. Oktober 2020 habe er von der Staatsanwaltschaft Potsdam eine Ausfertigung des Urteils mit verkürzter Begründung per einfachem Brief erhalten. Das förmlich zugestellte Urteil des Amtsgerichts Rathenow mit einem Protokoll der Verhandlung habe er nie erhalten. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht Rathenow habe er deutlich gemacht, dass ihm sein Führerschein seit vier Jahren widerrechtlich entzogen werde und seit Ablauf der Sperrfrist im Februar 2018 widerrechtlich nicht zurückgegeben bzw. neu erteilt werde. Das Urteil nehme Bezug auf eine Vorbelastung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Eine Fahrerflucht habe er in der Nacht des 5. Juli 2016 nie begangen. Er sei unter Schock zu Fuß nach dem Unfall losgelaufen, um Hilfe zu holen. Dieses Verhalten sei vollumfänglich von § 142 StGB gedeckt. Ferner sei er vom Amtsgericht Burg von dem Tatvorwurf freigesprochen worden. Verurteilt worden sei er wegen Unzurechnungsfähigkeit. Auch die psychische Erkrankung, die man ihm im Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 6. August 2020 anhängen wolle, sei nicht belegt. Nun vier Jahre später das Urteil des Amtsgerichts Rathenow auf die „Vorbelastung“ des erfundenen „Entfernens vom Unfallort“ zu stützen, von welchem er freigesprochen worden sei, sei kriminell. Er habe sich an die Sperrfrist bis zum Februar 2018 gehalten. Das vorsätzliche Kriminalisieren durch den Richter am Amtsgericht sei der Versuch der Strafvereitelung im Amt der vorangegangenen Straftaten und verstoße gegen die Brandenburgische Verfassung.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam teilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 23. November 2020 (456 Js 46333/20) mit, keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat zu erkennen. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe stünden im Zusammenhang mit der Leitung und Entscheidung einer Rechtssache durch den Amtsrichter. Es sei vorrangig zu prüfen, ob der Anfangsverdacht einer Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB bestehe. Der Tatbestand der Rechtsbeugung erfasse aber nicht jede unrichtige Rechtsanwendung ‑ wofür im Übrigen keine Anhaltspunkte ersichtlich seien. Im Übrigen sei für die sachliche Überprüfung einer Entscheidung der dafür vorgesehene Rechtsweg einzuschlagen. Rechtsbeugung begehe nur derjenige Amtsträger, der sich bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entferne. Zureichende Anhaltspunkte für einen offensichtlichen Willkürakt oder elementaren Rechtsverstoß ließen sich weder der Strafanzeige noch dem Verfahren entnehmen. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2020 (456 Js 46333/20) erklärte die Staatsanwaltschaft Potsdam auf eine als Gegenvorstellung gewertete Eingabe des Beschwerdeführers vom 30. November 2020 ‑ die dem Verfassungsgericht nicht vorliegt ‑, den Sachverhalt nochmals geprüft zu haben und keinen Anlass zu einer Änderung des Bescheids vom 23. November 2020 zu erkennen.

Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2020 reichte der Beschwerdeführer einen Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2020 (23 Qs 39/20) zur verfassungsgerichtlichen Akte. Diesem ist zu entnehmen, dass das Amtsgericht Rathenow das am 12. Oktober 2020 eingegangene Schreiben als unzulässige, verspätete Berufung verwarf. Ein weiteres am 20. November 2020 eingegangenes Schreiben mit der Bezeichnung „Berufung“ habe das Amtsgericht als Antrag auf Entscheidung durch das Berufungsgericht gewertet und dem Landgericht vorgelegt. Das Landgericht verwarf die als Rechtsbeschwerde gewertete Eingabe des Beschwerdeführers als unbegründet. Der Antrag auf Entscheidung durch das Gericht sei zulässig, aber habe in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht habe die Berufung zu Recht verworfen, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt worden sei. Die Frist betrage eine Woche (§ 314 StPO). Diese Frist sei bei Eingang des als „Berufung/ Zurückweisung/ Beschwerde wegen Rechtsbruchs“ bezeichneten Schriftsatzes am 12. Oktober 2020 seit annähernd zwei Monaten verstrichen gewesen. Dem Beschwerdeführer sei darüber hinaus zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden. Er habe selbst vorgetragen, nach der Urteilsverkündung belehrt worden zu sein, gegen „dieses Urteil“ innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegen zu können.

Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 übersandte der Beschwerdeführer das Schreiben der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 15. Dezember 2020 (456 Js 46333/20) und bat darum, dieses in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit seines Falls einfließen zu lassen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 14. Januar 2021 reichte er eine Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 7. Januar 2021 (496 Js 28569/19 V) zur Akte. Dem Beschwerdeführer wurde damit „laut Urteil vom 06.08.2020 des Amtsgerichts Rathenow“ ein Gesamtbetrag von 2.063,00 Euro in Rechnung gestellt. Er ist der Ansicht, das gegen ihn verhängte Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 6. August 2020 sei mit einer Falschaussage begründet worden. Sämtliche Argumente, die dem Verfassungsgericht vorlägen, zu ignorieren und dann die Zwangseintreibung anzudrohen, erfülle den Tatbestand der räuberischen Erpressung und erfülle wohl kaum Prinzipien eines Rechtsstaats. Der Beschwerdeführer ersuche das Verfassungsgericht, „diese Entwicklungen“ in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit seines Falls einfließen zu lassen.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer als Ziel die Herausgabe seines DDR-Führerscheins bzw. die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis formuliert. Die Herausgabe bzw. Neuerteilung eines Führerscheins ist zwar kein im Verfassungsbeschwerdeverfahren erreichbares Ziel. Die beim Verfassungsgericht im Erfolgsfall erreichbare Entscheidung ist auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Akts der öffentlichen Gewalt und die Aufhebung der Entscheidung gerichtet (§ 113 Nr. 4, § 6 Abs. 2 Satz 2 LV i. V. m. § 50 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VerfGGBbg). Sein Begehren kann aber dahingehend ausgelegt werden, dass er vor dem Verfassungsgericht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Aufhebung des Versagungsbescheids des Landkreises H. vom 26. Oktober 2018 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2019 begehrt.

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die ablehnenden Entscheidungen des Landkreises H. richtet, ist die Verfassungsbeschwerde mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig.

a. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Zur Erreichung seines auf die Herausgabe des DDR‑Führerscheins bzw. die Neuerteilung der Fahrerlaubnis gerichteten Rechtsschutzziels steht ihm grundsätzlich der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht Potsdam offen. Der Beschwerdeführer hat vorzeitig Verfassungsbeschwerde erhoben, ohne das Ergebnis der von ihm beim Verwaltungsgericht Potsdam eingereichten Verpflichtungsklage bzgl. der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis abzuwarten.

Im Hinblick auf den DDR-Führerschein ist weder seinem Vortrag noch der Klageschrift an das Verwaltungsgericht Potsdam zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer sein Herausgabebegehren vor dem Verwaltungsgericht weiterverfolgt hat. Der Beschwerdeführer hat auch insofern nicht den Rechtsweg erschöpft.

b. Die Voraussetzungen einer Vorabentscheidung liegen nicht vor. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht im Ausnahmefall über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird. Diese sog. Vorabentscheidung kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht und muss bereits nach dem Wortlaut der Norm die Ausnahme bleiben (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2022 ‌‑ VfGBbg 47/21 ‑‌, Rn. 16 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Sie kann angesichts der Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtsbarkeit schon dann nicht in Betracht kommen, wenn - wie hier - im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichts Ungewissheit über den Verfahrensstand des Ausgangsverfahrens besteht. Zum Stand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Beschwerdeführer nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde ‑ anders als bzgl. des strafgerichtlichen Verfahrens ‑ nicht ergänzend vorgetragen.

Dem Beschwerdeführer entsteht zudem durch die Verweisung auf den Rechtsweg kein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VerfGGBbg. Hierfür müsste eine Grundrechtsverletzung im Raum stehen, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2022 ‌‑ VfGBbg 47/21 ‑‌, Rn. 16 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Dies ist nicht ersichtlich. Die ihm genommene Fortbewegungsmöglichkeit mit einem Kraftfahrzeug ist ohne Zweifel eine Einschränkung der Lebensführung und berührt jedenfalls das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Tatsache, dass verschiedene straf- und verwaltungsbehördliche Vorschriften die Anordnung des Ausschlusses der Teilnahme am Straßenverkehr zeitweilig und dauerhaft ermöglichen (vgl. § 111a StPO, § 69, § 69a StGB, § 3 Abs. 1, Abs. 2 StVG), zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs, insbesondere dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit Dritter, einen hohen Rang zuweist, hinter dem die allgemeine Handlungsfreiheit, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge zu führen, in bestimmten Fällen zurückstehen muss. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Normen erfüllt sind, geht der Schutz der Allgemeinheit den Individualgrundrechten vor. Dies zu prüfen und zu entscheiden, ist gerade Aufgabe der Fachgerichtsbarkeit.

Die Rüge, das Verwaltungsgericht Potsdam enthalte ihm aufgrund der als überlang empfundenen Verfahrensdauer einen wirksamen, zügigen Rechtsschutz vor und verstoße damit gegen Art. 52 Abs. 4 LV sowie das Recht auf den gesetzlichen Richter, Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV, und den Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 52 Abs. 3 LV, ist vor einer Anrufung des Verfassungsgerichts bei den Fachgerichten anzubringen. Dies verlangt der Grundsatz der Subsidiarität. Nach diesem aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg abgeleiteten Grundsatz hat ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden Verfahren zu verhindern oder zu beheben (st. Rspr., Beschluss vom 18. September 2021 ‌‑ VfGBbg 42/21 ‑‌, Rn. 22, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dass der Beschwerdeführer dem genügt hat, ist nicht ersichtlich.

3. Soweit der Beschwerdeführer mit der Beschwerdeschrift die Rechtsanwendung durch das Amtsgericht Rathenow als materiell ungerechtfertigt beanstandet, war die Verfassungsbeschwerde zum Zeitpunkt der Erhebung unzulässig, da der Rechtsweg nicht erschöpft war. Das Amtsgericht hatte nach der Einspruchserhebung gegen den Strafbefehl lediglich den Hauptverhandlungstermin anberaumt. Die ursprünglich unzulässige Verfassungsbeschwerde wird nicht durch das Nachreichen von später im durchlaufenen Rechtsweg ergehenden Entscheidungen zulässig.

4. Es kann dahinstehen, ob das Vorbringen in den Schriftsätzen vom 9. Oktober 2020 und vom 16. Dezember 2020 mit dem hergereichten Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 6. August 2020 (2 Ds 496 Js 28569/19 (323/19)) sowie dem Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2020 (23 Qs 39/20) eine Erweiterung der Verfassungsbeschwerde darstellt.

Denn auch in diesem Fall wäre die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da der Beschwerdeführer insoweit dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht genügt hat.

Das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass dieser den Rechtsweg nicht nur formell, sondern in der gehörigen Weise durchläuft und unter Nutzung der gegebenen Möglichkeiten auf die Vermeidung oder Korrektur des gerügten Grundrechtsverstoßes hinwirkt. Bleibt ein Rechtsbehelf, durch dessen Gebrauch der behauptete Grundrechtsverstoß hätte ausgeräumt werden können, aus prozessualen Gründen erfolglos, ist die Verfassungsbeschwerde in der Regel unzulässig (vgl. Beschluss vom 20. Oktober 2017 ‌‑ VfGBbg 35/16 ‑‌, m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Der Beschwerdeführer hat seinerseits vorgetragen, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Rathenow nicht in gehöriger Weise fristgemäß eingelegt zu haben. Dies ist auch den Gründen des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2020 (23 Qs 39/20) zu entnehmen.

5. Soweit der Bitte des Beschwerdeführers, die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 15. Dezember 2020 und vom 14. Januar 2021 (456 Js 46333/20) in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit seines Falls einfließen zu lassen, eine Rüge zu entnehmen sein sollte, genügt diese jedenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg. Erforderlich ist danach eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 18. September 2020 ‌‑ VfGBbg 13/20 EA ‑‌, Rn. 9, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de). Es bedarf einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 18. Februar 2022 ‌‑ VfGBbg 48/20 ‑‌, Rn. 20 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). An entsprechenden Ausführungen fehlt es insgesamt. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die hergereichte Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Potsdam.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß