Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 22. September 2023 - VfGBbg 9/23 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründungsanforderungen
- Substantiierung
- faires Verfahren
- rechtliches Gehör
- Antrag auf einstweilige Anordnung erledigt
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 22. September 2023 - VfGBbg 9/23 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 9/23 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 34/23

VfGBbg 9/23 EA

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführer,

wegen

Entscheidungen des Amtsgerichts Cottbus ‌‑ 87 Cs 1611 Js 21007/2020 (136/20) - und des Landgerichts Cottbus ‌‑ 22 Qs 114/23; vorläufige Vollstreckungsaussetzung einer Geldstrafe in Höhe von 2.700,00 Euro, „vorläufige Außerkraftsetzung des ,Urteils‘ und des Strafbefehls“

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 22. September 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dresen, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Müller, Richter, Dr. Strauß und Sokoll

beschlossen: 

                        Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

A.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind dem Verfassungsgericht nicht vorliegende strafrechtliche Gerichtsentscheidungen und eine hiermit im Zusammenhang stehende drohende Vollstreckung aus einem Strafbefehlsverfahren.

I.

Gegen den Beschwerdeführer erging - nach seinem Vortrag - am 9. Dezember 2020 ein Strafbefehl des Amtsgerichts Cottbus über 180 Tagessätze zu je 15,00 Euro, da er am 26. Mai 2020 „diverse Behörden(ähnliche) Kader beleidigt“ haben solle. Der Strafbefehl sei ihm am 12. Januar 2021 zugegangen. Am 14. Januar 2021 habe er Einspruch dagegen eingelegt, Akteneinsicht beantragt und die Benennung des gesetzlichen Richters verlangt. Eine zunächst beigeordnete Pflichtverteidigung sei mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 19. Dezember 2022 aufgehoben worden. Die beantragte Akteneinsicht sei dem Beschwerdeführer am 20. und 21. Dezember 2022 gewährt worden ohne die Möglichkeit, selbst Kopien anzufertigen. An der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Cottbus am 17. Januar 2023 habe er nicht teilgenommen. Gegen das Urteil des Amtsgerichts Cottbus (87 Cs 1611 Js 21007/2020 (136/20)), welches er am „27.01.2023, 26.01.2023“ erhalten habe, habe er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung beantragt, ihm seien seine Grundrechte auf Akteneinsicht, Aktenkopieren, faires Verfahren, Vorbereitungszeit, Selbstverteidigung und die Gewähr des gesetzlichen, d. h. identifizierbaren und benannten, Richters nicht gewährt worden. Das Amtsgericht Cottbus habe das Wiedereinsetzungsgesuch abgelehnt. Eine hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde nebst Richterablehnung des Richters bzw. der Richterin „K.“ vor dem Landgericht Cottbus sei erfolglos geblieben (22 Qs 114/23). Am 4. Juni 2023 habe der Beschwerdeführer eine „weitere Gehörsrüge und Anhörungsrüge“ erhoben sowie eine „Richterablehnung“ insbesondere gegen Richter des Landgerichts Cottbus geltend gemacht. Am 17. und 19. August 2023 habe ihn die Staatsanwaltschaft Cottbus zur Vollstreckung der Geldstrafe zur Zahlung aufgefordert und verlange zudem eine Kostenerstattung bezüglich des Pflichtverteidigers.

II.

Mit seiner am 31. August 2023 erhobenen Verfassungsbeschwerde vom 24. August 2023 wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Strafbefehl und die hiermit im Zusammenhang stehenden Gerichtsentscheidungen bzw. Unterlassungen sowie eine drohende Vollstreckung der Geldstrafe.

Zur Begründung trägt er vor, ihm sei wider Art. 52 Abs. 4 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) ein faires Verfahren verweigert worden. Neben einem „unzureichenden Angebot der Akteneinsicht im Gericht“ ohne eine Möglichkeit des „Selbstkopierens“ sei ihm eine ausreichende Verteidigungsvorbereitung ohne Aktenkenntnis und ohne Aktenkopie bis zum Verhandlungstermin nicht ermöglicht worden.

Darüber hinaus liege eine Gehörsverweigerung nach Art. 52 Abs. 3 LV vor. Sein Grundrecht auf Selbstverteidigung sei verletzt. Dem Beschwerdeführer sei ein nicht notwendiger Pflichtverteidiger beigeordnet worden, der keine Maßnahmen und Äußerungen zur Verteidigung unternommen habe. Obwohl dieser in der Folgezeit entbunden worden sei, verlange die Staatsanwaltschaft sach- und rechtswidrig dessen Kostenübernahme durch den Beschwerdeführer. Er habe begründet, angekündigt und legal an der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2023 nicht teilgenommen.

Des Weiteren sei ihm grundrechtswidrig der gesetzliche Richter (Art. 101 Grundgesetz - GG) verweigert worden. Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm die wahre Identität und Zuständigkeit seines gesetzlichen Richters zu benennen, sei immer wieder abgewimmelt worden. Dieses Nichtstun stelle eine widerrechtliche Amtspflichtverletzung dar, die den Straftatbestand der Rechtsbeugung erfülle.

Es liege insgesamt eine rechtsstaatswidrige Vorverurteilung trotz der Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und ein staatsverbrecherischer Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG, Art. 12 LV) vor. Bereits das Instrument des Strafbefehls verstoße generell und prinzipiell gegen die Verfassung und die EMRK.

Der Beschwerdeführer begehrt die Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft Cottbus, des Amtsgerichts und Landgerichts Cottbus sowie die Gewährung der Möglichkeit, bezüglich der beantragten Akteneinsicht selbst Kopien anzufertigen.

Zuletzt begehrt der Beschwerdeführer die einstweilige Aussetzung der Vollstreckung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl in Höhe von 2.700,00 Euro sowie eine „vorläufige Außerkraftsetzung des ,Urteils‘ und des Strafbefehls“.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig, weil sie nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt.

Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung der geltend gemachten Grundrechte des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Entscheidung kollidiert. Es bedarf einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse vom 18. November 2022 - VfGBbg 51/21 -, Rn. 18, vom 21. Januar 2022 ‌‑ VfGBbg 57/21 ‑,‌ Rn. 35, und vom 19. Februar 2021 ‑ VfGBbg 28/20 -, Rn. 9, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. w. N.).

In formaler Hinsicht gehört zum Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg, dass die angegriffenen Entscheidungen sowie die zugrundeliegenden Rechtsschutzanträge und andere Dokumente, ohne deren Kenntnis sich nicht beurteilen lässt, ob Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, vorzulegen oder wenigstens durch inhaltliche Wiedergabe zur Kenntnis zu bringen sind (st. Rspr., Beschluss vom 17. Februar 2023 ‌‑ VfGBbg 33/22 ‑‌, Rn. 11, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de).

Die zuvor beschriebenen Substantiierungsanforderungen sind weder formal noch inhaltlich erfüllt. Der Beschwerdeführer hat bereits die streitgegenständlichen Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts Cottbus, deren Kenntnis für eine Beurteilung der geltend gemachten Rügen erforderlich sind, nicht mit der Verfassungsbeschwerde vorgelegt oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben. Er hat damit nicht substantiiert den Lebenssachverhalt und die Prozessgeschichte des Strafbefehlsverfahrens in einer ihre verfassungsrechtliche Überprüfung ermöglichenden Weise mitgeteilt. Das Gleiche gilt hinsichtlich des vorgetragenen Beschwerdeverfahrens am Landgericht Cottbus sowie des vorgetragenen Befangenheitsgesuchs. Die Beschwerdeschrift lässt insgesamt eine nachvollziehbare Schilderung des Inhalts der beanstandeten Entscheidungen vermissen. Eine Überprüfung der von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Rügen, insbesondere bezüglich der Verletzung seines Anspruchs auf ein faires Verfahren, rechtliches Gehör, den gesetzlichen Richter und bezüglich des Gleichheitsgrundsatzes ist dem Verfassungsgericht auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund kann das Verfassungsgericht auch nicht beurteilen, ob der Beschwerdeführer die Frist des § 47 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg gewahrt, den Rechtsweg im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg erschöpft und die Subsidiaritätsanforderungen gewahrt hat.

II.

Aus den vorgenannten Gründen kommt eine Beiziehung von Akten nicht in Betracht. Gleiches gilt bezüglich der vom Beschwerdeführer begehrten Akteneinsicht nebst Möglichkeit, Akteninhalte selbst kopieren zu dürfen.

C.

Mit der Verwerfung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der Antrag auf „vorläufige Außerkraftsetzung des ,Urteils‘ und des Strafbefehls“.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

 

Möller

Dresen

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll

Dr. Strauß